Protocol of the Session on May 7, 2003

Es geht um die Frage, wie die Hamburgerinnen und Hamburger zu ihren Krankenhäusern stehen. Und es gibt eine sehr deutliche Aussage: Zwei Drittel der Hamburgerinnen und Hamburger haben in einer repräsentativen Umfrage von „Forsa“ erklärt, sie wollen, dass die hamburgischen Krankenhäuser im Besitz der Stadt bleiben.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Burkhardt Mül- ler-Sönksen FDP: SPD-Politik nach Meinungsum- fragen! Übernehmen Sie mal selbst Verantwor- tung!)

Nur 20 Prozent vermögen sich das anders vorzustellen. Die Sache ist aus Sicht der SPD-Fraktion klar: Wir unterstützen diese Volksinitiative. Alle Mitglieder der SPD-Fraktion haben sich in die Listen eingetragen und werden aktiv. Wir wollen, dass die städtischen Krankenhäuser im Besitz der Stadt bleiben und nicht verkauft werden. Wir wollen, dass die Stadt für die Gesundheitsversorgung verantwortlich bleibt. Wir wollen die Sicherung von Arbeitsplätzen gewährleisten. Das sind die Ziele dieser Volksinitiative.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Auch von den Investoren wurde bekannt, dass sie für ihre private Investition eine Rendite von 10 Prozent erwarten. Dieses Unternehmen ist unter Brüdern und Schwestern über 1 Milliarde Euro wert. Würden 75 Prozent dessen verkauft werden, dann wären jährlich mindestens 75 Millionen Euro zusätzlich zu erbringen. Wie dies gehen soll, hat uns der Senat bisher nicht verraten. Ich kann Ihnen verraten, wie es gehen wird. Es wird nur über weitere massive Einschnitte beim Personal, bei den Leistungen der entsprechenden Kliniken gehen oder aber, indem man diesen Betrieb weiter zerstückelt.

Damit sind wir beim nächsten Stichwort. Gesundheitssenator Rehaag hat noch am 30. April, vor wenigen Tagen, erklärt, dass er eine Zerstückelung nicht für akzeptabel halte. Am 5. Mai, wenige Tage danach, lässt Herr Peiner als Finanzsenator erklären – ich zitiere –:

„In besonders gelagerten Einzelfällen halten wir es auch für möglich, zur Sicherung des Wettbewerbs in der Stadt einzelne Krankenhäuser oder Klinikteile zu verkaufen, wenn durch Zusammenschluss mit anderen Anbietern größere Einheiten in Spezialfeldern entstehen.“

Wie hätten wir es denn nun gerne, meine Damen und Herren aus dem Senat, Zerstückelung oder Nichtzerstückelung, Verkauf von einzelnen Kliniken oder Nichtverkauf von einzelnen Kliniken? Dieses Thema ist dem Senat aus den Händen geglitten und die Bürgerinnen und Bürger haben es längst gemerkt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Damit wir uns richtig verstehen, niemand ist gegen einen starken Partner beim LBK. Niemand ist dagegen, dass Know-how und auch Finanzen in dieses Unternehmen geholt werden. Die Frage ist aber, was unter einem Partner verstanden wird. Ein starker Partner kann deutlich unterhalb der 50-Prozent-Marke liegen. Wenn hier von einem strategischen Partner seitens des Senats gesprochen wird, dann ist kein Partner gemeint, sondern ein Mehrheitseigner, und wir sind der Auffassung, es soll weiter entschieden werden, wie Gesundheitspolitik in dieser Stadt durch Bürgerschaft und Senat gesteuert und nicht durch privatwirtschaftliche Interessen diktiert wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Jetzt können alle in dieser Stadt von ihrem Beteiligungsund Demokratierecht Gebrauch machen. Jede Stimme für ein gesundes Hamburg, dies ist meine Aufforderung an alle Wahlberechtigten in der Stadt. Zeigen Sie dem Senat in diesem Fall die rote Karte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat jetzt Herr Wersich.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Grund, der Koalition liegt die Gesundheitsmetropole Hamburg am Herzen und genau deshalb gehen wir auch die Probleme beim LBK an und lassen sie nicht schluren, wie es in der Vergangenheit war.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Sie haben eben die Zeit genutzt, Herr Grund, um mit Ihrer beinahe schon ewiggestrigen Rhetorik mit einem Misstrauen gegen die Wirtschaft zu argumentieren.

(Oh-Rufe bei der SPD)

Sie haben für den LBK in Ihrer Rede überhaupt keine Perspektive und Lösung aufgezeigt. Ihr Statement ist im schlechtesten Sinne strukturkonservativ und einfach nicht mehr zeitgemäß, Herr Grund.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Michael Fuchs CDU: Sehr richtig!)

Lassen Sie mich kurz die Probleme skizzieren. Sie wissen seit 1995/96, der Verselbständigung, dass der LBK zu Beginn der Budgetierung im Krankenhauswesen Überschüsse hatte. Nach sieben Jahren eines teilweise sehr harten Sanierungskurses ist der LBK heute nicht mehr in der Lage, die laufenden Kosten und notwendigen Investitionen zu erwirtschaften, und das trotz massiver Anstrengungen auch beim Personal, trotz Schließung von Kliniken wie dem Hafenkrankenhaus, trotz Abbau von Betten und Abteilungen und der Umgestaltung mit den Servicegesellschaften. Jetzt kommt zusätzlich die Herausforderung DRGs dazu. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass eine Sanierung des Landesbetriebs Krankenhäuser aus eigener Kraft nicht möglich ist.

Man muss sich auch fragen, was der Staat, nach dem hier gerufen wird, leisten kann. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren rund 1,2 Milliarden DM an Investitionen in den LBK gesteckt und damit rund 70 Prozent der in Hamburg verfügbaren Mittel. Sie wissen, dass auch wir das angesichts der Wettbewerbssituation immer kritisch angemerkt haben. Dem LBK sind mehrere hundert Millionen DM durch Schuldenerlass und Zinsverzichte indirekt zugewendet worden. Sie wissen alle, dass wir damit längst die Grenzen des rechtlich Zulässigen und Vertretbaren, auch angesichts des EU-Wettbewerbsrechts, erreicht haben. Angesichts der finanziellen Lage der öffentlichen Haushalte ist hier einfach das Ende der Fahnenstange erreicht und in dieser Situation hat der Vorgängersenat sich bemüht, Lösungen zu finden, aber keine gefunden. Insofern gibt es heute aus unserer Sicht keine Alternative zu privatem Kapital und neuem Know-how, um den LBK zukunftsfähig zu machen.

(Jens Kerstan GAL: Das wird gar nicht bestritten! – Uwe Grund SPD: Das bestreitet niemand!)

Wenn Sie das negieren, dann streuen Sie den Menschen und den Beschäftigten in der Stadt Sand in die Augen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Als zweites Argument führen Sie immer an, die Krankenhäuser müssten von der Stadt betrieben werden. Warum muss der Staat Krankenhäuser betreiben? Er hat einen

Sicherstellungsauftrag, aber der Wert liegt, auch gesetzlich fixiert, in der Trägervielfalt. Welches Misstrauen kommt denn gegen alle anderen Krankenhäuser kirchlicher, freigemeinnütziger, privater Art zum Ausdruck, wenn Sie sagen, das Staatskrankenhaus sei das einzig selig machende? Von welcher Welt gehen Sie denn eigentlich aus? Da bewegen Sie sich in den Auseinandersetzungen doch vor dem Godesberger Programm der Fünfzigerjahre und nicht bei den modernen Erkenntnissen über den Erfolg der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Auch in Hamburg werden bisher die allermeisten Gesundheitseinrichtungen nicht staatlich betrieben, sondern durch kirchliche, freigemeinnützige und private Träger, und dort wird Leistung erbracht und Gesundheit für die Menschen in Hamburg geschaffen. Das haben im Übrigen viele andere Kommunen erkannt, auch SPD-regierte, die auch ihre Krankenhäuser privatisieren, weil es nur so möglich ist, diese Leistungen in Zukunft zu erhalten.

Meine Damen und Herren! Ihre Argumentation für die Überlegenheit der Staatswirtschaft und die Aussage, der LBK gehöre den Hamburgern, ist aus meiner Sicht allerhöchstens noch als VEB-Romantik zu bezeichnen, hat aber mit der momentanen Situation dieses Betriebs und den Risiken überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Der Landesbetrieb Krankenhäuser hat angesichts der Herausforderungen in der jetzigen Form schlechte Zukunftsperspektiven, wenn wir jetzt keine Lösungen finden. Wer jetzt Lösungen verschläft, gefährdet die Zukunft des LBK und seiner Mitarbeiter und die Gesundheitsversorgung der Hamburger Bevölkerung.

Schließlich bitte ich Sie, die Herausforderungen im Gesundheitswesen zum Wohle der Stadt und der Menschen anzunehmen und bei den Entwicklungen nicht im Bremserhäuschen zu stehen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat jetzt Herr Barth-Völkel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Grund, glauben Sie das eigentlich, was Sie hier erzählen, oder ist das wieder einfach nur Geplänkel von der Gewerkschaft?

Wieder einmal darf sich die Bürgerschaft mit dem Thema „LBK-Verkauf“ beschäftigen und wieder einmal versuchen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, mit Panikmache Politik zu betreiben. Anders kann man das Volksbegehren von Ver.di, für das Sie sich hier in die Bresche werfen, nicht bezeichnen. Aber in so einer Situation können Fakten außerordentlich heilsam sein und vielleicht auch ein bisschen Klarheit in die Diskussion bringen.

Lassen Sie mich dieses eines nach dem anderen aufdröseln. Wir haben hier – und Sie wissen genau, dass der jetzige Senat erst durch Sie in diese Situation gekommen ist – den Verkauf des LBK einzuleiten, denn Sie waren es doch, die keinerlei Rücklagen für die Pensionszahlungen gebildet haben, als Sie den LBK 1995 in eine Anstalt des

öffentlichen Rechts überführt haben. Sie haben keine Rücklagen gebildet, obwohl Sie wussten, dass diese Kosten auf den LBK und damit auf die Stadt zukommen würden. Ihretwegen lasten auf dem LBK bereits 200 Millionen Euro Schulden für die Pensionszahlungen und jedes Jahr werden es 35 Millionen mehr. Aber wir dürfen Ihre Versäumnisse bereinigen und Sie haben nichts Besseres zu tun, als uns dabei auch noch Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Michael Neumann SPD: Es ist das Volk!)

Ich frage mich wirklich, ob es Ihnen nicht peinlich ist, dass gerade Sie von der SPD dieses Thema zur Aktuellen Stunde angemeldet haben.

Der LBK benötigt außerdem circa 850 Millionen Euro. 350 Millionen davon, das hatten wir schon in der Sitzung im November besprochen, sind dringend benötigte Investitionen, die die ehemaligen Senate der SPD und der GAL immer vor sich hergeschoben haben. Außerdem fehlen noch einmal 500 Millionen Euro, die der LBK für einen Fonds benötigt, aus dem die Pensionszahlungen für die ehemaligen Mitarbeiter des LBK finanziert werden können. Diese Gelder hat die Stadt nicht, und zwar aufgrund der katastrophalen – jetzt kommt es natürlich wieder – 44 Jahre, die Sie die Stadt in den Ruin getrieben haben. Ein Beispiel dieser katastrophalen Politik ist eben auch die Art und Weise der Entstehung des LBK.

Was man eigentlich nur noch als Ungeheuerlichkeit bezeichnen kann, ist die Tatsache, dass Sie als SPD-Abgeordnete hier wissentlich gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger handeln. Sie machen sich zum Werkzeug der Gewerkschaftsinteressen, die nicht im Einklang mit den Interessen der Menschen in dieser Stadt stehen. Ver.di sagt bewusst die Unwahrheit, wenn behauptet wird, die Stadt steuere auf eine Zwei-Klassen-Medizin zu. Das ist eine faustdicke Lüge von Ver.di und das wissen Sie auch ganz genau.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Die medizinische Versorgung auf hohem Niveau aller Hamburger Bürgerinnen und Bürger ist gewährleistet und wird es auch in jeder denkbaren Konstellation eines LBKVerkaufs in Zukunft sein. Daran kann kein ernsthafter Mensch Zweifel haben, denn gerade umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wenn wir es schaffen, die drückende Schuldenlast des LBK zu nehmen, dann können wir dieses medizinische Niveau weiterhin finanzieren. Ein Unternehmen, dem irgendwann die liquiden Mittel ausgehen, muss zwangsläufig zusammenbrechen und dann wäre die Versorgung der Menschen wirklich gefährdet. Das müsste selbst ein Gewerkschaftsfunktionär mit begrenztem Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Gleiche gilt für die Arbeitsplätze im LBK. Gerade Ver.di sollte wissen, dass jeder private Investor Verträge unterschreiben muss, durch die die Arbeitsplätze und auch die Arbeitsbedingungen weitestgehend erhalten werden. Wenn wir aber nicht verkaufen, wird es den LBK irgendwann gar nicht mehr geben und dann sind die Arbeitsplätze entweder ganz weg oder entstehen in geringer Anzahl und unter möglicherweise schlechteren Bedingungen neu.

Was hier betrieben wird, ist eine unzulässige Verunsicherung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des LBK. In Wahrheit versucht Ver.di, auf dem Rücken der Bürger die Interessen der Gewerkschaft durchzusetzen, die nicht einmal mit den Interessen der Mitglieder dieser Gewerkschaft übereinstimmen. Ver.di betätigt sich mit diesem Volksbegehren wieder in der üblichen gewerkschaftlichen Manier als Bremser und Betonklotz.

Wieso wundern Sie sich bei den Gewerkschaften überhaupt darüber, dass sie in der Bevölkerung als unbewegliche Betonköpfe wahrgenommen werden.