Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Rumpf und Fraktion! Mich beschleicht bei diesem Thema auf Platz eins in der Aktuellen Stunde schon ein merkwürdiges Gefühl. Der Konvent ist wichtig, Europa ist wichtig,
aber, Herr Rumpf, eine Debatte immer zur richtigen Zeit. Wir wollten eigentlich im Ausschuss darüber reden, wann wir diese Debatte führen wollen.
Die Menschen in dieser Stadt haben zurzeit ganz andere Sorgen, von fehlenden Kindertagesplätzen bis zu fehlenden Ausbildungsplätzen und so weiter und so fort. Das sieht aus meiner Sicht – gestatten Sie mir diese Anmerkung – sehr nach Ablenkung von den Problemen dieser Stadt aus, die dieser Senat zu verantworten hat.
Jetzt aber zum Thema Konvent Europa und Hamburg. Wir haben – Sie haben darauf hingewiesen – im November 2002 gemeinsam einen Antrag beschlossen, der dem Konvent zugegangen ist. Die Diskussion ist seitdem natürlich weitergelaufen. Denken Sie an die Vereinbarung zwischen Bundeskanzler Schröder und dem Staatspräsidenten Chirac bezüglich Rat und Kommission oder denken Sie auch an den Irak-Krieg, der die EU leider entzweit hat auch mit Auswirkungen auf den Konvent, der sich mit Fragen einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik befasst. Dennoch zeigt sich, wenn wir unseren gemeinsamen Antrag mit dem von Giscard d’Estaing vorgelegten Entwurf eines Verfassungsvertrages vergleichen, der bisher von allen als eine gute Architektur bezeichnet worden ist, dann zeigt sich, dass unsere Erwartungen an eine europäische Verfassung realistisch sind. Wir halten es für notwendig, dass die Charta der Grundrechte, die künftige Seele der Union, wie Herr Professor Meier, der Vertreter des Bundestages im Konvent, das immer ausdrückt, integrativer Bestandteil der Verfassung wird und die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit erhalten, ihre Grundrechte auch rechtlich einzufordern.
Wir sind mit diesem Antrag auch für die Stärkung insbesondere des Europäischen Parlaments, für mehr Transparenz, für mehr Effizienz, für mehr Handlungsfähigkeit in den Entscheidungsstrukturen und wir sind auch für klare Abgrenzungen zwischen den Mitgliedstaaten und der Union sowie zwischen ihren Organen. Ich habe hier den Eindruck, dass Europa auf einem sehr guten Weg ist.
Zu Hamburgs Zukunft in Europa: Konvent und Erweiterung sind eng miteinander verbunden. Richard von Weizsäcker hat einmal gesagt, nicht ein Europa der Mauern kann sich über Grenzen hinweg versöhnen, sondern ein Kontinent, der seinen Grenzen das Trennende nimmt, also Friedenssicherung. Das ist die große Chance Europas in der Nachkriegszeit neben allen anderen Perspektiven.
Die Chancen Hamburgs sind hier mehrfach diskutiert worden. Sie liegen einerseits im wirtschaftlichen Bereich. Stichwort: Ostseeraum, Aktionsplan nördliche Dimension, Verkehrsprojekte, Baltikum, Polen und so weiter. Andererseits kann Hamburg als Metropole des Nordens die Stärken dieser Stadt zum Wohle der Völkerverständigung einbringen.
Wir unterstützen alle oder fast alle in der Bürgerschaft die Erweiterung der EU. Das ist gut für die Zukunft Hamburgs und eine ganz zentrale Frage. Insofern bewegt sich dieser Senat mit seiner Europapolitik aus unserer Sicht richtig und in der Kontinuität bisheriger Senate. Da gibt es allerdings noch sehr viel zu tun. Ich möchte an eine Ausarbeitung der Handelskammer zum Thema „Chancen, Risiken Hamburgs“ erinnern. Da schreibt die Handelskammer, als politischer Ideen- und Impulsgeber für die Ostseezusammenarbeit habe sich Hamburg bisher dennoch nicht profilieren können. Darüber muss man ernsthaft diskutieren. Aber dazu gehört auch die Frage, Europa den Menschen näher zu bringen. Das ist aus unserer Sicht in Hamburg bisher noch nicht in dem Ausmaß geleistet worden, in dem das geleistet werden muss. Da warten wir noch auf eine Antwort des Senats auf unseren gemeinsamen Antrag.
Was allerdings nicht noch einmal passieren darf – ich sage das an dieser Stelle noch einmal, so oft diskutieren wir nicht darüber –, sind europafeindliche Reden eines Zweiten Bürgermeisters, meine Damen und Herren, gehalten im Deutschen Bundestag und an anderen Orten. Das geht nicht noch einmal.
Wenn Sie Hamburg verlassen, merken Sie, dass Hamburg durch diese und andere Reden mit dieser Geisteshaltung beschädigt worden ist. Ich sage Ihnen – und da machen Sie sich nichts vor –,...
... bei wichtigen Entscheidungen spielt auch das Image eines Bundeslandes eine große Rolle. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg als Tor nicht nur zum Ostseeraum, als Drehscheibe nicht nur nach Asien und als wachsende europäische Metropole muss ein substanzielles Interesse an dem seit Februar 2002 laufenden Reformkonvent zur Erarbeitung der Europäischen Verfassung besitzen.
Auch wir von der CDU setzen große Hoffnung in die Arbeit des Konvents und begrüßen sehr, dass die vom Europaausschuss erarbeitete und vom Plenum einstimmig beschlossene Stellungnahme der Bürgerschaft zum Konvent die vorteilhafte Einvernehmlichkeit der Fraktionen bei der Außendarstellung der Hamburger Interessen deutlich werden ließ.
Um Sie vor Wiederholungen zu verschonen, werde ich nicht die große Bandbreite des Komplexes aufzeigen – Sie haben das Papier sicher sehr aufmerksam gelesen –, sondern nur ein paar Aspekte ansprechen.
Die zentrale Forderung nach Kompetenzabgrenzung und in Europa möglichst viele Kompetenzen auf örtlicher Ebene anzusiedeln, hat nichts mit Kirchturmdenken zu tun, sondern ist der Ausdruck des Wunsches, die Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit konsequent anzuwenden.
Die erweiterte Union wird demnächst ungefähr 100 000 Städte und Gemeinden umfassen. Vor diesem Hintergrund ist in letzter Zeit das Bewusstsein für die regionale und lokale Dimension der EU gestiegen. Welche Folgen ergeben sich daraus für den Verfassungsvertrag? Aus Hamburger Sicht sollte zum Beispiel der Ausschuss der Regionen gestärkt werden. Wünschenswert wäre es, er erhielte den Status eines Organs der EU und hätte nicht nur beratende Funktion ohne Fragerecht oder Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof. Über den AdR als Organ könnte sich auch Hamburg neben den Möglichkeiten über den Bundesrat verstärkt einbringen. Entscheidend wird sein, ob es dem AdR gelingt, seine Anliegen überzeugend zu formulieren.
Lassen Sie mich an dieser Stelle eine Lanze für die Hamburger Vertreter im AdR aus CDU, SPD und Senat brechen, die nicht nur in der Präsenz, sondern auch im Rahmen der bisherigen Möglichkeiten des AdR unsere Stadt inhaltlich vortrefflich vertreten,
Die GAL sieht das laut ihrer inhaltsleeren Presseerklärung zwar anders, aber wie so oft ist beim Elferrat der GAL-Fraktion die Optik bei der Wertung von Tatsachen auch dieses Mal völlig verrutscht. Solche Aussagen helfen vielleicht beim Marsch in die eigene Bedeutungslosigkeit, dienen aber nicht den Interessen unserer Stadt. Diese vertritt zum Beispiel gerade heute wieder Herr Röder in einer Brüsseler Sitzung.
Die angestrebte Verbesserung der demokratischen Legitimation von EU-Entscheidungen sowie die Transparenz und Effizienz im europäischen Entscheidungsprozess ist für die Akzeptanz der Integration Europas bei den Menschen maßgebend. Oder anders gesagt: Die Wahrnehmung der Kompetenzen der EU muss für den Bürger durchschaubar, demokratisch legitimiert und kontrollierbar sein. Ein wichtiges Kriterium liegt hierbei in der Qualität des Informationsstandes.
Als Beispiel dafür, dass die von der Bürgerschaft geforderte umfassende Information der Menschen in Hamburg auf dem Wege der Umsetzung ist, kann ein Schreiben der zuständigen Behörde an alle Schulen dienen, in dem mit Nachdruck auf die Relevanz europäischer Komplexe und deren Diskussion hingewiesen wird. Hamburgs Lehrer werden dem sicher folgen.
Auch die Positionierung dieses Themas an herausragender Stelle in der heutigen Plenarsitzung ist mit Sicherheit förderlich. Der Konvent soll nach dem Zeitplan noch in diesem Jahr zu einem Ergebnis kommen. Die Irak-Krise darf den Reformehrgeiz im Konvent nicht schwächen oder zum Erliegen bringen. Er sollte seine Aufgaben noch engagierter wahrnehmen, um auf diese Weise zu einer dringend gebotenen größeren Geschlossenheit Europas beizutragen. Ein Ziel des Konvents liegt darin, ein starkes Europa zu erreichen und zu sichern. Ein schwaches Europa wäre auch für uns in Hamburg ein Problem.
Meine Damen und Herren! Die Erfolgsaussichten des Konvents werden sich in dem Maße steigern, je kohärenter und schlüssiger der präsentierte Vorschlag sein wird. Dann wird auch die Frage, ob sich die Konventkosten von ungefähr 10 Millionen Euro lohnen, mit einem klaren Ja beantwortet werden, zumal wenn es neben allen anderen Vorteilen gelingt, auch integrativ und symbolisch zu wirken und damit zur europäischen Identität beizutragen. Die kommende Europäische Verfassung muss die Bürger direkt ansprechen, ihre Rechte wahren und ihnen Orientierung bieten. Wir alle sollten unseren Teil zum Gelingen beitragen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! 63 Prozent der Deutschen befürworten eine europäische Verfassung, nur 9 Prozent lehnen sie explizit ab.
Dieser Wunsch nach einer Verfassung für die EU ist nur allzu verständlich. Das derzeitige Nebeneinander von Verträgen ist intransparent. Die Beschlussverfahren bedürfen der Reform, wenn die Erweiterung um zehn weitere Staaten zum 1. Mai 2004 gelingen soll. Dem EU-Verfassungskonvent obliegt die schwierige Aufgabe, es möglichst allen recht zu machen. Eine Verfassung für demnächst 25 Staaten zu entwerfen, ist sehr viel Arbeit. Der Konvent weist vor allem eine Besonderheit auf. Zum ersten Mal in der Geschichte der EU arbeitet ein Gremium, das überwiegend aus Parlamentariern besteht, eine Vertragsform aus. Die Bürger können sich im Internet direkt an der Diskussion beteiligen. Alle Dokumente sind öffentlich zugänglich. Dem Ziel der Demokratie und der Transparenz auf europäischer Ebene kommen wir durch den Konvent ein Stück weit näher.
Auch die Hamburgische Bürgerschaft unterstützt den Verfassungsgedanken für Europa. Am 27. November letzten Jahres hat die Bürgerschaft sich daher mit einem fraktionsübergreifenden Antrag an den Konvent gewandt, in dem sie ihre Vorstellung im Hinblick auf das künftige Europa formuliert hat. Dieser Antrag ist sehr ausführlich und allen bekannt. Ich möchte nur ein paar Punkte hervorheben, die mir besonders wichtig sind.
So setzen wir uns beispielsweise für die Aufnahme der Grundrechtecharta in den Verfassungstext ein. Die Aufwertung der Rolle der Regionen und die Demokratisierung der Union sind für uns wichtige Wegmarken der Reform. Wir möchten nicht, dass die Regionen zu den Verlierern der europäischen Einigung werden, und setzen uns daher für deren Rechte in Europa ein.
Wie Sie alle wissen, befindet sich der Konvent bereits in einer wichtigen Entscheidungsphase. Erste Entwürfe liegen vor. Eine Skizze für die ersten 16 Artikel einer Verfassung können wir seit Februar diskutieren. In diesen 16 Artikeln geht es um die Werte und Ziele der Union, die Grundrechte beziehungsweise Unionsbürgerrechte und die Zuständigkeiten der Union.
Ich begrüße diese ersten Schritte auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung ausdrücklich. Für ein Bundesland wie Hamburg ist es besonders wichtig, dass beispielsweise in der Kultur- und Schulpolitik vonseiten der EU ausschließlich unterstützende Maßnahmen erfolgen dürfen. Der Konvent hat seine Arbeit noch nicht beendet. In rund 100 Tagen soll das Ergebnis vorliegen. Wie wir der Presse entnehmen können, stehen wichtige Entscheidungen noch bevor. Wir würden uns freuen, wenn die von Hamburg formulierten Vorschläge möglichst weitgehend umgesetzt werden. Im Gegensatz zur früheren rotgrünen Regierung hat Europapolitik für den Senat heute Priorität. Die Tatsache, dass Hamburg mit Herrn Stuth erstmals einen eigenen Staatsrat für europäische Angelegenheiten hat und dass im Rahmen des Europapools drei hohe Beamte in die Schaltstellen der Macht nach Brüssel entsandt werden, ist einer von vielen Belegen dafür, wie wichtig uns die Europapolitik ist. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der amerikanische Künstler Keith Haring hat einmal gesagt, nichts sei so erfrischend wie ein beherzter Schritt über die Grenzen. Wir Europäer sind gerade dabei, Grenzen zu überschreiten, aber oft sind wir dabei zu zaghaft.
Unsere Zukunft, Hamburgs Zukunft, liegt in der Einigung Europas. Ein Europa, das von Portugal im Westen bis nach Polen und Ungarn im Osten reicht und zu dessen dynamischsten Regionen jetzt schon der Ostseeraum gehört, ist das, was wir uns wünschen.
Aber wir wünschen uns dieses Europa als ein Europa der Bürgerrechte, als ein Europa der Nachhaltigkeit und ein Europa der sozialen Sicherheit. Dieses Europa braucht eine Verfassung. Es ist deswegen breiter Konsens in diesem Hause, dass Hamburg die Arbeit des Konvents begrüßt und mit seinem Antrag, wie auch schon erwähnt, entscheidend beeinflusst hat. Der Kollege Rumpf sieht das offensichtlich anders.