Protocol of the Session on April 9, 2003

(Beifall bei Dr. Wieland Schinnenburg und Martin Woestmeyer, beide FDP, und Jens Pramann Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Dr. Andrea Hilgers SPD: Es ist gestiegen!)

Als Erstes kann ich feststellen, dass die Quote der Jugendarbeitslosigkeit in Hamburg unter dieser Bürgerkoalition niedriger geworden ist, obwohl Ihr Bundeskanzler im genannten Zeitraum dafür gesorgt hat, dass sie in Deutschland steigt.

Zweitens: Genau wie im Herbst 2001, auf den Sie sich im Antrag beziehen, Frau Dr. Hilgers, ist eine Zu- oder Abnahme der Jugendarbeitslosigkeit in Hamburg maßgeblich für die konjunkturelle Entwicklung verantwortlich.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Sie auch!)

Aber eine einfache Weiter-so-Forderung reicht hier nicht aus.

Die Behauptung, dass die Hamburger Wirtschaft grundsätzlich genügend Ausbildungsplätze bereitstellt, will ich versuchen zu beweisen, weil Sie sagen, das reicht nicht. Natürlich reicht das nicht für die Jugendlichen, die keinen Arbeitsplatz haben.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja, tatsächlich!)

Ja, tatsächlich, Frau Dr. Hilgers, aber machen Sie sich bitte die Mühe und steigen Sie in die Zahlen ein.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja, das tue ich!)

Das will ich jetzt tun.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ja, das reicht nicht!)

Im Jahre 1996 hatte die Handelskammer in Hamburg 6665 Ausbildungsplätze bereitgestellt – auch das geschah unter der Ägide von Ortwin Runde – mit dem großen Bündnis für Arbeit und als es Ihre Ausbildungsberichte gab.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Und 30 Prozent jugend- liche Arbeitslose weniger!)

Im Jahre 2001 lag die Höchstmarke bei 8471 Ausbildungsplätzen. Auch hier ist zu verzeichnen, dass in Hamburg die Anzahl der Ausbildungsplätze in den letzten Jahren um circa 2500 gestiegen ist. Vom negativen Bundestrend konnte Hamburg sich auch in diesem Punkt abkoppeln.

Meine Damen und Herren von der SPD! Wie Sie also sehen, wenn Sie sehen wollen, stellt die Hamburger Wirtschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten, aber natürlich nicht frei von konjunkturellen Einflüssen, Ausbildungsplätze zur Verfügung.

Wir reden aber hier nicht über ein Thema, wonach die Ausbildungspolitik als Insel aller Politiken betrachtet werden kann, sondern wir reden über eine Mischung aus Wirtschaftspolitik, aus Arbeits- und Sozialpolitik, aus Jugendpolitik, aus Bildungspolitik. Insofern, Frau Dr. Hilgers, habe ich ein paar Vorschläge vermisst und mir gewünscht, von Ihnen und der SPD-Fraktion zu hören, wie wir die Wirtschaft wieder flott bekommen können. Vielleicht haben Sie ein paar schöne Tipps für den Kanzler in Berlin.

(Wolf-Gerhard Wehnert SPD: Nun lenken Sie doch nicht ab!)

Die Situation ist ernst. Wir haben einige Ausbildungsberufe wie zum Beispiel den Bankkaufmann oder den Versicherungskaufmann, wo der Trend der Jugendlichen, die aus Hamburg kommen und genommen werden, bei unter 50 Prozent liegt. Oder anders ausgedrückt: Mehr als 50 Prozent kommen mittlerweile aus anderen Bundesländern.

Nun ist doch – das hätte ich von Ihnen erwartet – die Frage zu stellen, wie es kommt, dass Hamburger Betriebe Schüler oder Jugendliche aus anderen Bundesländern vor Hamburgerinnen und Hamburgern bevorzugen. Dann, liebe Frau Dr. Hilgers, sind wir bei einer Qualitätsdebatte im Bildungsbereich. Was heißt Qualitätsdebatte? Das heißt nicht, Staat, du tust nicht genügend; Bürgerkoalition, du hast eh kein Herz für Ausbildungsplätze, sondern steigen Sie jetzt eine Ebene tiefer. Gucken wir uns jetzt die Qualitätsebenen an.

Erstens: Wir brauchen neue einheitliche Bildungspläne, die auch die Anforderungen eines modernen Arbeitsmarkts berücksichtigen.

(Wolf-Gerhard Wehner SPD: Was nützt das den jungen Leuten, die jetzt aus der Schule kommen!)

An diesen Bildungsplänen arbeiten wir und sie werden eingeführt, Herr Wehnert.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU, der Partei Rechts- staatlicher Offensive und der FDP)

Zweitens: Ich habe erwartet, dass Sie das, was in den LAU-5-, LAU-7- und LAU-9-Studien in Teilen auch für die Situation der Jugendlichen, wenn sie in die weiterführenden Schulen kommen wollen und ihre Qualifizierung für die

(Wolfgang Drews CDU)

Ausbildungsberufe in den Arbeitsmarkt erwerben, und was aus den in Ihrer Regierungszeit in Auftrag gegeben LAUStudien auch tatsächlich an Konsequenzen herausgezogen wird, angepackt hätten. Genau da sind wir. Das sind Dinge, die Ihnen zum Teil nicht passen, die aber notwendig sind, die Sie mit Ihrem Aktionsplan Ausbildung anmahnen. Es ist die Setzung von Mindeststandards. Das ist eine Qualitätsdebatte. Das ist eine Frage der Vergleichbarkeit von Abschlüssen und auch eine Sicherstellung des Niveaus während der einzelnen Bildungsgänge.

Und dann gehen wir noch eine Ebene tiefer und sind bei der Schulgesetznovelle, über die wir demnächst im Schulausschuss und dann in der Bürgerschaft beschließen werden. Was sind das für Punkte zum Bereich der Qualitätsebenen, die auf das spätere Leben und nicht zum Selbstzweck, Frau Dr. Hilgers, vorbereiten, denn sie bereiten natürlich auf das spätere Leben vor und auf die Ausbildungs- und Studierfähigkeit, auf die Berufsfähigkeit der Jugendlichen. Deswegen führen wir zum Beispiel das Abitur nach zwölf Jahren ein, Prüfungen mit zentralen Elementen, Stärkung der einzelnen Schulformen

(Zurufe von der SPD: Zum Thema!)

und Qualitätsverbesserung der schulischen Ausbildung auch im beruflichen Bereich.

Mit der Weiterentwicklung der beruflichen Schulen, zu der wir auch noch kommen werden, beschreitet der Senat auch hier den richtigen Weg, indem die Kooperation mit Ausbildungsbetrieben, mit Kammern, mit Gewerkschaften intensiviert werden soll.

Noch einmal, Frau Dr. Hilgers: Nicht zum Selbstzweck, sondern um die Ausbildungsplatzfähigkeit, die Studierfähigkeit, die Chance, einen Beruf zu erlernen und auch in Hamburg zu bekommen, zu verbessern. Das ist unsere Chance, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Dr. Andrea Hilgers: Sagen Sie mal etwas zur Jugendberufshilfe!)

Nun noch einmal konkret zu Ihrem Antrag. Ihre Forderung, der Senat möge sich bei den Kammern für zusätzliche Ausbildungsplätze einsetzen, ist nicht durch Senator Uldall Anfang April zum ersten Mal geäußert worden. Gucken Sie nach, dieses Mal nenne ich Ihnen die Fundstelle nicht. Dieses Mal können Sie selber nachgucken.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Aber nichts passiert!)

Von der konjunkturellen Lage in einigen Bereichen wie dem Einzelhandel und insbesondere vom Medien- und ITBereich abgesehen, werden die Kammern, aber auch Hamburger Betriebe bereit und bemüht sein, eine große Zahl von Ausbildungsplätzen bereitzustellen. Handwerkskammerpräsident Becker hat das gestern erklärt, heute ist das zu lesen, das Bemühen habe sich nicht geändert. Es gibt kein Kammern- oder Betriebsbemühen für eine rote Regierungszeit oder eine schwarze Regierungszeit, sondern es gibt nur konjunkturelle Rahmenbedingungen und die Bereitschaft, Ausbildungsplätze bereitzustellen, oder es gibt sie nicht. Das ist ein Punkt, den Sie begreifen müssen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Die SPD hat versucht, in einer bunten Zusammenstellung alle bildungspolitischen Vorurteile quasi in einer Melange zusammenzukippen, um sie hier als Schmutz auszuschüt

ten nach dem Motto, da wird nicht genügend getan und das nehme ich jetzt einmal unter dem Punkt „Aktionsplan Ausbildung für Jugendliche“ auf. So haben Sie zum Beispiel aus der Mottenkiste die Fachoberschulen wieder herausgeholt.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist keine Mottenkiste!)

Gut, dann werde ich Ihnen zum dreihundertfünfzigsten Mal, weil Sie es immer noch nicht verstanden haben, die Qualitätsargumente für die Schließung dieser zweijährigen Fachoberschule noch einmal benennen. Das ist eine Qualitätsdebatte, deswegen hören Sie jetzt wenigstens zu.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das ist eine fiskalische Debatte, die wir führen!)

Die Fachoberschulen werden nicht, wie in Ihrem Antrag dargestellt, insgesamt geschlossen – so steht es in Ihrem Antrag, lesen Sie bitte nach –, sondern es ist lediglich vorgesehen – deswegen sage ich das hier noch einmal ganz deutlich und das wissen Sie auch aus den Beratungen im Schulausschuss –, die zweijährige Fachoberschule aus qualitativen Erwägungen auslaufen zu lassen. Wozu führt das? Es führt weder zum Untergang des Abendlandes noch zum Untergang der Hansestadt Hamburg, noch führt es dazu, dass Jugendliche in Hamburg weniger Chancen haben,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ach! – Wolf-Gerhard Weh- nert SPD: Da gab es wohl Belege, die das Gegen- teil beweisen!)

denn es gibt weiter sechs Möglichkeiten, so viel wie in keinem anderen Bundesland der Bundesrepublik Deutschland, um die Fachhochschulreife zu erlangen. Nur weisen diese bestehenden Alternativen – jetzt bin ich wieder auf der Ebene der Qualitätsdebatte, in der ich mich mit Ihnen gerne auseinander setzen möchte – im Gegensatz zur zweijährigen Fachoberschule zwischen 700 und 900 Stunden mehr theoretischen Unterricht und höhere Praxisanteile auf. Wir reden also über eine Qualifizierungsmaßnahme. Mehr Unterrichtsinhalte heißen mehr Lehrerstunden. Mehr Lehrerstunden kosten mehr Geld. Das ist keine Gelddebatte, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, es ist eine Qualitätsdebatte. Nehmen Sie das zur Kenntnis.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Wolf-Gerhard Wehnert SPD: Wo bleiben die Jugendlichen mit unzurei- chenden Deutschkenntnissen?)

Jetzt der vorletzte Punkt, immer wieder gern genommen von Ihnen, immer wieder gern gehört, aber immer noch nicht verstanden: Jugendberufshilfe und Berufsvorbereitung. Die von Ihnen kritisierten vermeintlichen Kürzungen in diesem Bereich gehen nicht zulasten der Ausbildungschancen Hamburger Jugendlicher. Ich will Ihnen sagen warum. Es handelt sich bei diesen so genannten Kürzungen nicht um Kürzungen, sondern um Umschichtungen – den Unterschied sollten Sie kennen –, die es ermöglichen, dass mehr benachteiligte Jugendliche betriebsnah so gefördert werden, dass sie einen Übergang in die duale Ausbildung schaffen. So ist es richtig, dass zukünftig nur noch 40 Prozent der Mittel in der Jugendberufshilfe für betriebsferne, außerbetriebliche und mit überdurchschnittlich hohen Kosten in Höhe von 24 689 Euro pro Jahr vergleichsweise teure Ausbildungsplätze eingesetzt werden. Wir möchten, dass es gelingt, im Umkehrschluss mit den anderen 60 Prozent dieser Mittel verstärkt Berufsvor

(Wolfgang Drews CDU)

bereitungsplätze einzurichten, um somit unterm Strich etwa 230 Jugendliche mehr pro Jahr zu fördern.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Das stimmt nicht!)