Protocol of the Session on March 6, 2003

Intoleranz und kriminelle Ausbeutung von Menschen dürfen in einem Rechtsstaat niemals geduldet werden.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Deswegen werden wir alles unternehmen, um die Bürgerinnen und Bürger vor Scientology zu schützen. Unserem Antrag ist daher zuzustimmen.

(Michael Neumann SPD: Ein Befehl!)

Zum Antrag der SPD. Die Fakten liegen lange, spätestens mit der Expertise aus Bayern auf dem Tisch. Die SPD will offensichtlich weiter verzögern. Warum noch einen weiteren Bericht vor dem Beschluss? Wir können natürlich jederzeit eine Selbstbefassung in den Ausschüssen machen, aber der Antrag der Regierungsfraktionen muss hier und heute beschlossen werden, da die Zeit auch im Hinblick auf die Innenministerkonferenz drängt.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Michael Neumann SPD: Gefahr im Verzug! Genau, schnell handeln! Nach 17 Monaten muss schnell gehandelt werden!)

Der Zeitfaktor ist auch wichtig bei der Lebensbewältigungshilfe. Die Enquete-Kommission hat den Antrag des Hamburger Senats seinerzeit zur Umsetzung empfohlen. Was machte die rotgrüne Bundesregierung? Sie ließ die Erkenntnisse im Bundestag kreisen – nichts ist passiert. Die SPD will hier über etwas diskutieren, was sie auch auf Bundesebene schon lange hätte umsetzen können und müssen.

Die wichtigsten Punkte sind im Antrag der Regierungsfraktionen enthalten. Also kann man ihn auch beschließen. Die in Ihrem Antrag angesprochene Beobachtung durch den Verfassungsschutz in Hamburg wurde während der Amtszeit des Kurzzeit-Innensenators Scholz eingestellt. Mit einer Selbstverständlichkeit wird das natürlich wieder aufleben.

Vorlagen zum Heilpraktikergesetz, lieber Herr Neumann, hat es gegeben. Wo sind sie denn geblieben, meine Damen und Herren von der SPD?

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP – Michael Neumann SPD: Und haben Sie den wieder eingeführt? Nach mei- ner Erkenntnis macht das der Verfassungsschutz heute immer noch nicht!)

Gründe kann man erfragen, wenn man möchte, sie haben aber in einem Antrag nichts zu suchen. Ihr Antrag ist im Grunde genommen eine Anfrage. Gleiches gilt auch für den Bericht an die Bürgerschaft von 1995. Hier müssen die

Genossen ihre eigenen Genossen der früheren Senate fragen. Das wird sicherlich spannend.

Ihr Antrag, lieber Herr Neumann, ist insgesamt eine Farce. Scientology ist, seit Rotgrün in Berlin regiert, wie immer bei wichtigen Themen in Schubladen verschwunden.

(Michael Neumann SPD: 80 Prozent des Inhalts ist aus Ihrem Antrag. Sie haben ihn wohl nicht ge- lesen!)

Zur Erinnerung: Die Enquete-Kommission wurde seinerzeit auf Antrag der SPD-Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag beschlossen. Was ist passiert? Nichts.

(Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Das kennen wir schon!)

Ihren Antrag werten wir daher als reine Show und er ist wieder einmal ein Ablenkungsmanöver. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Wir nehmen das Thema ernst und Sie, lieber Herr Neumann, werfen Nebelkerzen. Herr Neumann, mit Ihrem Antrag haben Sie als innenpolitischer Wadenbeißer Ihrer Fraktion Ihre Zähne abgegeben. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort erhält die Abgeordnete Dräger.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Schaube! 80 Prozent Ihrer Rede hätten dazu führen können, dass wir hier gemeinsam im Parlament einen Beschluss fassen, in dem wir deutlich machen, dass wir in unserer ganzen Breite bereit sind, gegen das Übel dieser Scientology-Organisation anzugehen.

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL)

Warum Sie aber die letzten Minuten Ihrer Redezeit dazu nutzen mussten,

(Vizepräsident Peter Paul Müller übernimmt den Vorsitz.)

dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Herrn Neumann, noch einmal einen mitzugeben, erschließt sich mir aus dem gemeinsamen Einsatz gegen Scientology nicht.

(Beifall bei der SPD – Michael Neumann SPD: Kreuzzug!)

Wenn wir heute in diesem Hause erneut – das ist ja zum Glück nicht das erste Mal – über die Scientology-Organisation debattieren, bin ich mir sicher, dass alle Fraktionen darin übereinstimmen, dass wir die Ideologie und die Praktiken von Scientology ablehnen, dass die verfolgten Ziele und die eingesetzten Methoden totalitärer Natur sind und dass Scientology den Deckmantel der Religion benutzt, um ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen und um ihre Kritiker und insbesondere Aussteiger zu schikanieren.

(Richard Braak Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Rede, rede, rede!)

Es geht darum, eine Organisation davon abzuhalten, Menschen zu schaden, den Rechtsstaat und seinen Schutz zu

(Reinhold J.W. Schaube Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

missbrauchen und mit der Zukunftsangst, den Unsicherheiten, der Vereinzelung von Bürgerinnen und Bürgern Geschäfte zu machen. Hamburg hat nicht nur geredet, geredet, geredet, Hamburg hat vor Bayern eine Initiative eingebracht

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL)

zum Thema „Lebenshilfegesetz“. Diese Initiative wird wieder aufgenommen und ich begrüße das ausdrücklich. Ich begrüße auch ausdrücklich, dass die Koalitionsfraktionen sich dieses Themas hier in der Bürgerschaft annehmen. Ich denke aber, es ist wichtig, dass wir einen gemeinsamen Weg gehen.

(Richard Braak Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Aber keine Kommissionen!)

Auch wir wollen alle rechtsstaatlichen Schritte einleiten, wir wollen nach gründlicher Beratung alles dafür tun, dass wir in Hamburg Scientology zügig verbieten können. Wir wollen dafür sorgen, dass diese Organisation nicht mehr in Hamburg tätig sein kann. Aber wir wissen auch, dass wir gut beraten sind, wenn wir uns als Parlamentarier gegen Scientology engagieren, jeden Schritt genau zu überlegen, um nicht mit Aktionismus und Übereifer das gemeinsame Ziel zu gefährden.

(Beifall bei der SPD)

Aus den Auseinandersetzungen vieler mutiger Einzelpersonen in Institutionen mit Scientology wissen wir, dass diese Gruppe geradezu nach dem Haar in der Suppe sucht, um daran ihre Gegenstrategien aufzubauen.

Wenn wir also etwas erreichen wollen, müssen unsere Formulierungen wohl überdacht und wasserdicht sein.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Deswegen – und nur deswegen – können und werden wir dem Antrag der Koalitionsfraktionen heute nicht zustimmen. Dafür enthält er zu viele Flüchtigkeitsfehler, wie ich es einmal nennen will, und auch zu viele offene Fragen, die wir zunächst diskutieren müssen im Sinne der Zielerreichung und im Sinne der Menschen dieser Stadt. Am sinnvollsten erscheint es uns deshalb – wir hätten auf einen eigenen Antrag auch verzichtet, wenn uns signalisiert worden wäre, dass das möglich sei –, den Antrag der Koalitionsfraktionen im Innenausschuss gemeinsam zu beraten. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass wir dort zu einer gemeinsamen Formulierung gekommen wären und dass wir dort deutlich gemacht hätten, dass das ganze Parlament über alle Fraktionen hinweg an dieser Stelle einig ist. Ich bitte Sie wiederum, sich diesem Anliegen nicht zu verweigern.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Richard Braak Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Also wieder Wadenbeißer!)

Hamburg muss sich bei der Auseinandersetzung mit Scientology sicher nicht hinter Bayern verstecken. Wir können auf eine ganze Reihe von Initiativen zurückgreifen, sie wieder einbringen. Das tut ja auch der vorliegende Antrag. Der Verfassungsschutz, die Arbeitsgruppe „Scientology“ der Innenbehörde, diverse nichtstaatliche Organisationen in Hamburg haben reichlich Material gesammelt. Es wird Zeit, dass wir es gemeinsam bewerten und gemeinsam eine Strategie entwickeln, denn nur gemeinsam können wir auch dagegen angehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat der Abgeordnete Warnholz.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vergangenen Jahr legte die bayerische Landesregierung eine Untersuchung zur Scientology-Sekte vor. Dieses Gutachten zeigt in besonderem Maße die Gefährlichkeit der Scientology-Organisation auf und bestätigt auch die Erkenntnisse, die bereits in Hamburg gesammelt worden sind. Zum Schutze der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt müssen wir diese vorliegenden Erkenntnisse nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern mit geeigneten Maßnahmen den vorhandenen Gefahren begegnen.

(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaat- licher Offensive)

Daher sollten die gesammelten Daten nicht nur umgehend den Familienberatungsstellen zur Verfügung gestellt werden, sondern auch allen anderen Vereinigungen und Einzelpersonen, die sich um die Opfer dieser Psychosekte bemühen und der Gemeinschaft damit einen großen Dienst erweisen. Diesen Menschen möchte ich an dieser Stelle meinen persönlichen Dank aussprechen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der FDP und der SPD)

Welchen Schaden eine Psychosekte wie die ScientologySekte anrichten kann, können wir dem Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 1998 entnehmen. Ein erschreckendes Einzelbeispiel ist da auch die Klage einer jungen Frau, die ihre Eltern wegen Scientology-Erziehung vor Gericht zur Rechenschaft gezogen hat.

Den rechtsstaatlichen Herausforderungen, die Gruppierungen wie Scientology an uns stellen, muss jedoch auch schon, bevor Menschen überhaupt zu Schaden kommen, energisch begegnet werden.