Protocol of the Session on March 5, 2003

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Bernd Reinert CDU: Immerhin kämpft er schon einmal mit, Sie haben es nicht!)

Die konsequente Steuererhebung muss akzeptiert werden. Man darf sie nicht kritisieren, sondern muss sie geradezu fordern. Im Rechnungshofsbericht wird das erläutert und auch wieder die Bekämpfung der Umsatzsteuerbetrügerei zum Gegenstand gemacht. In einem Finanzamt hat es in diesem Fall eine Fehlerquote von 40 Prozent bei der Bearbeitung von Umsatzsteuererklärungen gegeben. Und trotz Beanstandung des Rechnungshofs wurden 75 Prozent dieser beanstandeten Fälle nicht richtiggestellt. Der Rechnungshof sagt, dies sei ein massiver Rechtsverstoß.

Meine Damen und Herren, der Rechnungshof sagt weiter, die Verfolgung von Steuerstraftaten sei nicht mehr ausreichend gewährleistet. Wenn ich diese Punkte zusammenfasse, dann sage ich, es gibt ein großes Feld, um im Hamburger Haushalt durch Mehreinnahmen dafür zu sorgen, dass das Ziel, den Betriebshaushalt ausgeglichen zu gestalten, erreicht wird. Es gibt genügend Maßnahmen, auch auf der Ertragsseite.

Ich bin im Übrigen in diesem Zusammenhang mit der Position von Herrn Dr. Peiner völlig einig. Die heutige volkswirtschaftliche Steuerquote von 20,6 Prozent, historisch niedrig, muss wieder auf 22,5 Prozent angehoben werden. Deshalb auch an dieser Stelle noch einmal meine Bitte: Ihre Kritik zum Eichel-Paket in allen Ehren. Aber nutzen Sie den Vermittlungsausschuss, Herr Dr. Peiner, um einen Beitrag zu leisten, die Steuerquote auch schon mit diesem Paket zu erhöhen! Wenn wir nur den Unternehmensanteil annehmen – und der ist ja weitgehend unstrittig –, wären das bis zum Jahre 2006 Steuermehreinnahmen im Hamburger Haushalt von 600 Millionen Euro. Ohne die Veränderung an diesen Positionen wird auch dieser Senat sein Ziel, den Betriebshaushalt ausgeglichen hinzukriegen, nicht erreichen. Ich sage Ihnen: Nur über Sparen wird dies nicht möglich sein.

(Frank Michael Bauer Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Ein letzter Punkt zum Thema Steuern: Der despektierliche Umgang mit den wenigen kommunalen Steuern, die es in Deutschland gibt, hier die Gewerbesteuer, muss parteiübergreifend beendet werden. Hamburg hat eine Gewerbesteuereinnahme von 1 Milliarde Euro jährlich. 60 Prozent der gesamten staatlichen Investitionen werden in Deutschland durch Kommunen durchgeführt. Es heißt deshalb für mich beim Thema Gemeindefinanzreform und ich habe das an anderer Stelle auch schon öffentlich gesagt: Hier wird zusammengearbeitet, das ist kein taktisches Angebot für eine Allianz für die Stadt, das ist eine wirklich inhaltlich existenzielle Frage für diese Stadt. Sie können sicher sein, Herr Dr. Peiner, so, wie Sie mit dem Senat bei der Gemeindefinanzreform kämpfen, werden wir auch unsere Wege nutzen, um auf die Bundesregierung Einfluss zu nehmen, dass diese Gemeindefinanzreform nicht zulasten dieser Stadt geht.

(Beifall bei der SPD)

Ich will im Zusammenhang mit dem Bericht auf zwei Punkte eingehen, die mir noch wichtig erscheinen. Ich habe selbst, auch aus beruflichen Zusammenhängen, immer das Gefühl, dass in der Verwaltung und in der Politik politische Ziele, operationalisierte Ziele und das operationalisierte Handeln nicht zueinander passen. Immer dann, wenn in der Verwaltung viel von Wirtschaftlichkeit, Effizienz, Zielorientiertheit und so weiter geplaudert wird, habe ich häufig das Gefühl, dass nicht alle dasselbe meinen. Dann kommen Ergebnisse heraus, die so sind, wie der Rechnungshof am Thema Gebäudemanagement selbst beschreibt. Das hat ja nun 1998 angefangen. Insofern fällt das auch, nicht alleine, in die Zeit von Rotgrün. Dort sind Ziele gesetzt worden, mit 30 Prozent Kosteneinsparung bei 10 Prozent weniger Flächennutzung. Und was ist herausgekommen? Der Rechnungshof konstatiert, dass alles jetzt 6 Millionen Euro im Jahr mehr kostet. Meine Damen und Herren, hier merkt man geradezu, dass die, die politische Ziele vorgeben, und die, die die Ziele umsetzen müssen, nicht richtig miteinander kommunizieren und nicht das richtige Verständnis haben. Es muss nicht bei den Handelnden liegen. Das ist meine Botschaft. Es kann schlicht und ergreifend auch bei denen liegen, die die Ziele ausgeben.

Ich finde, Handeln und politische Ziele müssen wieder zueinander geführt werden und ich will Ihnen das an einem zweiten Beispiel zeigen, weil das ein Beispiel ist, das auch in der Zeit von Rotgrün begann, sich aber fortsetzt.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Es kann auch sein, dass der Rechnungshof im Falle des Gebäudemanage- ments irrt, Herr Dobritz!)

Ja, aber es ist doch so, dass Sie im Moment zu diesem Thema vielleicht befangen sind.

(Beifall bei Wilfried Buss SPD – Karl-Heinz Ehlers CDU: Deshalb rede ich nicht dazu!)

Ich nehme einmal das Thema Jugendhilfe und Hilfe zur Erziehung. Dort ist es genau so gewesen und ist es noch heute, dass zwischen politischen Zielen, operationalisierten Zielen und Handeln eine Lücke klafft. Schon das Gesetz war ja nicht präzise. Dann sind die Ziele selbst nicht präzise. Es ging um Dezentralisierung statt Zentralisierung. Aber was sagt das schon? Warum soll Dezentralisierung im Ansatz a priori immer besser und kostengünstiger sein? Dann ist der ganze Prozess im zuständigen Amt von

Sozialpädagogen gemanagt worden. Die haben ja auch nicht gerade a priori die Fähigkeit, das zu können. Was haben wir als Folge? Über Jahre galoppierende Ausgaben. Was wird gemacht? Es werden andere, langfristig gute, preiswerte Angebote zerschlagen, weil man jedes Jahr Geld benötigt, um das eigene Haushaltsloch zu stopfen. Ich finde, das sind Beispiele, wo man neu darüber nachdenken muss, wie man zwischen der politischen Entscheidung und der politischen Zielsetzung und dem Handeln zu gleichsam gemeinsamen Schritten auf dem Weg, das Ziel zu erreichen, kommt.

Nun, zum Schluss, da ja meine Nachredner bestimmt auch sagen werden, wir hätten ihnen so einige Kuckuckseier ins Nest gelegt,

(Barbara Ahrons CDU: Haben Sie ja auch!)

will ich ihnen nur sagen, dass wir ja seit gestern wissen, dass wir Ihnen nach 44 Jahren ein Glücksei ins Nest gelegt haben.

(Rose-Felicitas Pauly FDP: Daraus hat der Finanz- senator ein goldenes Ei gemacht! – Barbara Ahrons CDU: Das wiegt das lange nicht auf!)

Ich will es benennen: 1976 haben wir für 30 Millionen Euro Anteile an MBB gekauft gegen den vehementen Widerstand der CDU. Gestern haben wir diese Anteile für 450 Millionen Euro verkauft.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Das hat MBB hart erarbeitet. Das war nicht Ihr Verdienst!)

Eine Steigerung von 1500 Prozent in 28 Jahren. Dahinter stehen ja eine achtundzwanzigjährige hervorragende wirtschaftliche Leistung und glänzende Rahmenbedingungen, die geschaffen worden sind.

(Beifall bei der SPD)

Zum Zweiten gilt das natürlich als Beweis, dass auch Sozialdemokraten mit Geld sehr gut umgehen können. Deshalb habe ich zum Schluss einen einzigen Wunsch: Ich bitte Sie, uns auch so ein Glücksei ins Nest zu legen, wenn wir wieder regieren. – Danke schön.

Das Wort erhält die Abgeordnete Ahrons.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! In zwölf Jahren, Herr Dobritz, oder wann sprechen wir uns in der Beziehung wieder?

(Rolf Harlinghausen CDU: Länger! Länger! – Rose- Felicitas Pauly FDP: 24!)

Alle Jahre, meine Damen und Herren, legt uns der Rechnungshof mit seinem Jahresbericht einen hochqualifizierten Bericht über die Benutzung der Steuergelder der Hamburger und Hamburgerinnen in unserer Stadt vor. Obwohl in dem Jahresbericht oftmals von spektakulären Einzelfällen die Rede ist – darauf komme ich noch zu sprechen –, ist der Rechnungshof weit mehr als eine Prüfungsinstanz, um Steuerverschwendung aufzuspüren. Er ist auch weit mehr als ein stadteigener Wirtschaftsprüfer. Der Rechnungshof hat sich vielmehr in den Jahrzehnten seiner Tätigkeit zu einem schwergewichtigen Unternehmensberater entwickelt. Dr. Meyer-Abich und seine Mitarbeiter sind quasi die stadteigenen Roland Bergers und McKinseys geworden. Sie prangern nicht nur an, sie zeigen im Dialog mit den betreffenden Verwaltungseinheiten Wege

(Werner Dobritz SPD)

auf, wie die Steuergelder effektiver verwendet werden können. Dafür gilt Herrn Dr. Meyer-Abich, der es sehr bedauert, heute nicht hier sein zu können, und seinen Mitarbeitern Anerkennung und Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir Abgeordnete sind auf ihre Arbeit angewiesen, denn erst mit ihrer Tätigkeit können wir im Parlament unsere Kontrollfunktion gegenüber dem Senat und der Verwaltung überhaupt wahrnehmen. Sie liefern uns nicht nur wichtige Informationen über die allgemeine Haushaltsführung, sondern erheben auch mahnend den Zeigefinger, wenn es darum geht, die richtige Weichenstellung für die Zukunft Hamburgs vorzunehmen.

Damit kommen wir zum wichtigsten Thema überhaupt, damit ich auch die Dinge von Herrn Dobritz erfülle: Die Rekordverschuldung, die uns die SPD nach jahrzehntelanger Misswirtschaft hinterlassen hat,

(Manfred Mahr GAL: Das haben wir heute auch noch nicht gehört! – Heidemarie Scherweit-Müller SPD: Das ist nichts Neues!)

rund 22 Milliarden Euro, für jeden Hamburger fast 13 000 Euro. Trotz der jahrelangen Mahnungen des Rechnungshofs stieg der Schuldenberg von Jahr zu Jahr in immer höhere Dimensionen. Erst seit dem Regierungswechsel im September 2001 ist Hamburg wieder auf dem Weg zu einer soliden Haushaltsführung. Dass wir mit unserer Haushaltspolitik auf dem richtigen Weg sind, bestätigt der Rechnungshof in diesem Jahresbericht ausdrücklich. Ausdrücklich wird hier das Bestreben des Senats gelobt, trotz der weiteren Verschlechterung der Rahmenbedingungen nicht von seinen finanzpolitischen Zwischenzielen abrücken zu wollen, also bis 2004 einen ausgeglichenen Betriebshaushalt zu erreichen und die jährliche Neuverschuldung weiter zu reduzieren.

(Tanja Bestmann SPD: Das haben Sie aber nicht getan!)

Aber nun zu einigen Überprüfungsergebnissen im Rechnungshofsbericht. Seit Jahren zieht sich die gleiche Symptomatik wie ein roter Faden durch die Jahresberichte. Es sind nicht die Unzulänglichkeiten der einzelnen Mitarbeiter, die ursächlich für die Verschwendung von Steuergeldern sind. Der eine oder andere Fall mag wohl so sein. Das ist überall so. Es waren wirkungsvolle Kontrollen und Vorgaben, die auf der einen Seite fehlten, und die mangelhaften Organisationsvorhaben auf der anderen Seite. Beides zusammen ist verheerend und kostet Geld. Viel Geld.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP)

Bestes Beispiel hierfür ist gerade die Neuorganisation des Managements öffentlicher Gebäude. Das hat Herr Dobritz ja schon angesprochen. Das hat uns alles in allem bis jetzt 6 Millionen Euro gekostet. Die CDU-Fraktion stand diesen Plänen von jeher kritisch gegenüber, da wir der Auffassung sind, dass ein neuer Name und eine angeblich neue Betriebsform noch lange nicht zu mehr Wirtschaftlichkeit führen. Wir lagen mit dieser Einschätzung richtig, wie sich zeigt.

Besonders ärgerlich dabei ist, dass die stadteigenen Betriebsgesellschaften die Baumaßnahmen nicht gemäß der Verdingungsordnung für Bauleistungen regelhaft öffentlich ausgeschrieben haben und damit also dem fairen, freien Wettbewerb entzogen, ja sogar Baukosten und Honorare für Architektenleistung in Millionenhöhe falsch abgerechnet haben. Darüber hinaus wurde beim Neubau

des Hauses der Gerichte das Etatrecht der Bürgerschaft in Höhe von 2,5 Millionen Euro umgangen, indem sich der Investor über die Miete Sonderleistungen hat abrechnen lassen.

Alles in allem besteht hier ein ganz erheblicher Handlungsbedarf für Senat und Bürgerschaft. Wir Abgeordnete müssen daraus lernen, dass wir finanziell weitreichende Entscheidungen nur noch dann treffen, wenn uns zuvor fundierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vorgelegt worden sind.

(Beifall bei Ekkehard Rumpf FDP)

Und wir sollten als Parlament auch verstärkt die durch Artikel 71 Absatz 2 der Hamburgischen Verfassung vorgesehene Möglichkeit nutzen, den gutachterlichen Rat der Rechnungshofs einzuholen. Wir können uns und den Hamburger Steuerzahlern auf diese Art und Weise unter Umständen sehr viel teures Lehrgeld ersparen.

Ein Beispiel dafür, wie wichtig kontinuierliche und konsequente Aufgabenkritik ist, wird auch an den vom Rechnungshof aufgeführten Beispielen sozialpädagogische Fortbildung, Geologisches Landesamt und Statistisches Landesamt wieder einmal deutlich. Wir können uns keine Einrichtung mehr leisten, deren Angebot zum Beispiel zu teuer ist oder die nicht nachgefragt werden. Hier brauchen wir wesentlich mehr Kostenbewusstsein und Wettbewerbsdenken, sodass optimalerweise bereits schon vor dem Eingreifen des Rechnungshofs die richtigen Entscheidungen getroffen werden.

Besonders ärgerlich sind Fälle, wie es in diesem Rechnungshofsbericht wieder zu lesen ist, mit denen sich Rechnungshof und Parlament bereits in den vergangenen Jahren befasst haben. Hier scheint in einigen Dienststellen eine eher zweifelhafte Diensteinstellung vorzuherrschen, wenn hier zu lesen ist, dass trotz intensiver Prüfungsverfahren Ergebnisse nicht umgesetzt werden und dadurch der Stadt Hamburg wiederum ganz erhebliche finanzielle Nachteile entstehen. Es ist nicht akzeptabel, dass in der Justizbehörde Erstattungsbeiträge gegenüber SchleswigHolstein nicht abgerechnet wurden und inzwischen durch Nichttätigkeit sogar verjährt sind. Das ist leider kein Einzelfall, das haben wir auch in der Baubehörde erlebt und in manch anderer Behörde.

Ein gutes Beispiel für die oftmals fehlende politische Kontrolle in der Vergangenheit ist die Hochschule für Musik und Theater. Nur so ist zu erklären, dass jahrelang gegen elementare Vorschriften verstoßen wurde. Überhöhte Honorar- und Gehaltszahlungen in großer Anzahl, mangelhafte Überwachung von Lehrverpflichtung und Verstoß gegen Vergabevorschriften deuten auf ganz erhebliche organisatorische Missstände hin. Der Haushaltsausschuss und der Unterausschuss für Rechnungsprüfung werden diesen Jahresbericht wieder intensiv beraten. Ich versichere Ihnen, wir werden insbesondere dort ganz genau nachfassen, wo offensichtlich die Einsichtsfähigkeit der Behörde mangelhaft ist.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort erhält der Abgeordnete Silberbach.