Protocol of the Session on March 5, 2003

(Vereinzelter Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

und seitdem ist die positive Entwicklung nicht nur gestoppt worden. Nein, sie ist sogar rückläufig.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Sie können positiv nicht von negativ unter- scheiden!)

Das Projekt „In Würde sterben“ wurde nicht weiterfinanziert. Die Informationsbroschüre liegt druckreif vor, konnte aber nicht gedruckt werden. Eine qualifizierte Anlauf- und Vermittlungsstelle für Sterbebegleitung gibt es nicht mehr. Das Info-Telefon wurde zunächst noch für sechs Monate vom Spendenparlament finanziert, wurde dann bei der Beratungsstelle „Charon“ angegliedert, allerdings ohne dieses öffentlich zu machen, sodass es in der Bevölkerung, aber auch in Fachkreisen nicht bekannt ist und diese Telefonnummer auch nicht mehr genutzt wird. Die Umset

zung des Homecare-Projektes, das sowohl in den Anträgen 16/6577 und 17/995 von diesem Parlament gewünscht worden ist, wird nicht aktiv vorangetrieben und läuft auch nicht mehr.

Geringe Fortschritte sind nur in einem Punkt zu verzeichnen: Auf Bundesebene haben die Regierungskoalitionsfraktionen am Ende der letzten Legislaturperiode den Paragraphen 39a Absatz 2 SGB V verabschiedet, der die Krankenkassen verpflichtet, ambulante Hospizdienste finanziell zu fördern, die qualifizierte ehrenamtliche Sterbebegleitung erbringen. Nachdem die Bundesrichtlinien zur Umsetzung dafür vorgelegt worden waren, wurde in Hamburg die AOK mit der Federführung beauftragt. Doch schon heute zeigt sich – das wurde in der bürgerschaftlichen Anhörung am 30. Januar 2003 ganz deutlich –, dass bei den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Mittel nachgearbeitet werden muss. Die Praxis in den Bundesländern zeigt, dass die Voraussetzungskriterien für eine Förderung einfach zu hoch sind. Hier könnte der Senat zum Beispiel federführend auf der Bundesebene aktiv werden. Die Bundesregierung ist auf die Umsetzungserfahrung der Länder angewiesen.

(Rolf Kruse CDU: Immerhin!)

Auch auf der Bundesebene müsste der Senat bei der Finanzierung der Pflegesätze im stationären Bereich aktiv werden. Den Sachverhalt haben wir in unserem Antrag 17/2277 ausführlich beschrieben. Es ist nicht einfach hinzunehmen, dass die Mitarbeiter eines Hospizes 10 Prozent des Pflegesatzes zuzahlen müssen.

Zusammenfassend kann die SPD-Fraktion an den Senat gerichtet nur feststellen, dass es im Bereich der Sterbebegleitung eine Fülle von Aufgaben umzusetzen gibt. An die Koalitionsfraktionen kann ich nur appellieren: Lassen Sie uns das Thema gemeinsam anpacken. Hier sind wir uns immer einig gewesen. Stimmen Sie unseren Anträgen deshalb zu.

(Beifall bei der SPD und bei der GAL)

Das Wort hat jetzt Frau Gienow.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben vor gar nicht langer Zeit dieses Thema schon einmal in diesem Hause debattiert. Sie werden sich erinnern. Wir haben vor einigen Wochen eine Expertenanhörung zu diesem Thema gehabt. Wir haben uns damals ausführlich zum Thema „In Würde sterben“, zur ambulanten Sterbebegleitung, zur stationären Hospizarbeit und zu den Palliativstationen geäußert. Im Moment fehlt noch die Auswertung dieser Anhörung und insofern befinden wir uns noch im Prozess der Meinungsbildung. Ich werde mich trotzdem in meinen einleitenden Worten kurz dazu äußern und dann sehr gerne zu den Anträgen, die Sie aus der Anhörung entwickelt haben, Stellung nehmen. Ich will nicht verhehlen, dass sie alle drei für mich durchaus interessante und auch zum Teil zu befürwortende Gedanken enthalten. Auf die werde ich dann noch kurz eingehen, aber ich möchte nicht alles vorwegnehmen, was wir vielleicht in der Auswertung der Anhörung noch diskutieren wollen und müssen.

Meine Damen und Herren, sterbende Menschen haben keine Lobby. Unser aller Ziel ist es, die Situation der sterbenden Menschen zu verbessern, todkranke Menschen so weit wie möglich von den Schmerzen zu befreien, sie

(Petra Brinkmann SPD)

menschlich zu begleiten und ihnen einen Abschied in Würde zu ermöglichen und das möglichst bis zuletzt in ihren eigenen vier Wänden und bei ihren vertrauten Personen, im Kreise der Angehörigen und auch dort, wo sonst noch gestorben wird, nämlich in Krankenhäusern, in Altenheimen, in Pflegeheimen.

Sterben, Tod und Trauer können sehr wohl in unser Leben integriert werden. Wir müssen lernen, hier hinzuhören. Sterbende sagen uns, was sie brauchen: Zeit, Zuwendung, Gespräche und vielleicht auch nur das Halten der Hand. Auch die Angehörigen brauchen unseren Beistand. Und dieses können Ehrenamtliche ganz besonders gut. Das können aber auch die ambulanten Hospizdienste erfüllen.

Und genau das ist meine Brücke zu Ihren Anträgen. Herr Dr. Petersen ist jetzt leider nicht da. Ich möchte gerne auf einen Punkt seines Antrages, die zweite Forderung, eingehen und zwar auf sein Modell der „Brückenschwestern“. Er hat sich mit einem Modell aus Baden-Württemberg besonders gut und intensiv beschäftigt. Genau dort habe ich auch angerufen. Es gibt die „Brückenschwestern“ auch in vielen andern Bundesländern, in Mecklenburg-Vorpommern, in Nordrhein-Westfalen

(Petra Brinkmann SPD: Die hat es auch hier gege- ben!)

Frau Brinkmann, lassen Sie mich einmal ausreden, ich sage gleich etwas dazu –, recht gut auch in München. Was mir aber ganz besonders gefällt, ist das Modell in Nordrhein-Westfalen. Ich würde deshalb sagen, damit haben wir uns im Ausschuss definitiv noch einmal zu beschäftigen.

Vielleicht für die nicht ganz so Eingeweihten noch zwei Sätze: „Brückenschwestern“ erfüllen eine ungeheuer wichtige Aufgabe. Sie kosten nicht nur etwas. Ich denke, sie bringen sogar mehr ein – und sparen mehr Kosten –, als sie selbst kosten. Darum ist es mir so sympathisch, darüber noch einmal zu reden. Ziel der „Brückenschwestern“ ist es, die Verweildauer in Krankenhäusern so gering wie möglich zu halten. Dieses – das versteht jeder – ist insofern eine wichtige Aufgabe, als erstens das Geld knapp ist und zweitens jedem einleuchtet, dass die Pflege zu Hause einfach kostengünstiger ist. Das ist eine Sache, die wir noch einmal durchdenken sollten. Und ich sage, da Sie bemerkten, Frau Brinkmann, das hätten wir in Hamburg auch gehabt, wir haben es noch, zum Beispiel in der Palliativstation in Rissen. Die arbeiten hervorragend und sind sehr zufrieden. Mir hat das sehr gut gefallen.

Zur Finanzierung und den 10 Prozent: Es wurde gewünscht, dass die Kranken- und Pflegekassen diese 10 Prozent Eigenleistung, die die Hospize erbringen müssen, selbst übernehmen. Dazu möchte ich sagen, dass das eine sehr schwierige Angelegenheit sein wird. Schauen Sie sich heute um, das Spendenaufkommen in allen Bereichen der Gesellschaft ist einfach zurückgegangen. Das ist eine ganz natürliche Sache. Das Geld sitzt heute nicht mehr so locker. Wir haben einfach eine wirtschaftliche Ungewissheit. Ich will jetzt nicht wieder sagen, woher das kommt, das wissen Sie alle selbst. Aber auch das ist ein Punkt, den wir im Ausschuss noch einmal behandeln sollten.

Frau Brinkmann, zu Ihren Anträgen habe ich vielleicht noch etwas Erfreuliches. Ich glaube, das war der Punkt 2. Da sprachen Sie vom Hamburger Hospizführer, der begonnen wurde, der in Rohfassung vorliegt. Ich kann Ihnen heute berichten, dass, wenn er aktualisiert ist, die neuen Adres

sen aufgenommen worden sind, es dann möglich sein wird, diesen Hospizführer noch in diesem Jahr zu veröffentlichen. Viele Organisationen haben gerade gesagt, den brauchen wir, der ist wichtig. Das wird, so hoffe ich, noch in diesem Jahr etwas werden.

Die Punkte 3 und 4 aus Ihrem Antrag: Das ist das, was Frau Rudolf seinerzeit schon gefordert hatte. Ich möchte aus Zeitgründen heute nicht mehr darauf eingehen, vor allen Dingen deshalb nicht, weil wir uns noch einmal intensiv mit diesen gewünschten Punkten beschäftigen wollen.

Wenn ich nun zwei Anträge erwähne, dann, Frau Dr. Freudenberg, will ich auch sagen, was mir an Ihrem Antrag gefallen hat. Das geht eigentlich auch in die Richtung, möglichst kurze Verweildauern in Krankenhäusern zu erreichen, eventuell sogar das Einstellen mit einer guten Schmerztherapie und dann die Patienten wieder nach Hause zu entlassen. Diese Vorstellungen gefallen auch uns von der CDU. Wir werden darüber noch sprechen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat jetzt Herr Rutter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In Würde zu sterben, ist eine Forderung, die eigentlich selbstverständlich ist, und rein gefühlsmäßig stimmt man ihr sofort zu.

Was ein bisschen zum Nachdenken zwingt, ist, dass damit gleich ein großer Forderungskatalog verbunden ist: sofort Mittel für eine qualifizierte Anlaufstelle bereitstellen, Informationsbroschüre veröffentlichen, ambulante Hospizpflege durch eine Sockelfinanzierung fördern, aus BadenWürttemberg das Modell der „Brückenschwestern“ und aus Berlin das Homecare-Projekt übernehmen. Das ist eine sehr umfangreiche Liste.

Wir machen immer wieder den Fehler, uns von unserem Gefühl leiten zu lassen, dass wir dort eine Fürsorgeverpflichtung haben und geneigt sind, auch überproportional zu reagieren.

Wollen wir uns einmal das Homecare-Projekt in Berlin etwas näher ansehen. Es greift nur bei Krebskranken im Endstadium und nur dafür ist es gedacht. In Berlin sind das im Jahr etwa 1500 Personen. Die Bedingung ist, sie müssen in Berlin leben und bei einer Berliner Krankenversicherung versichert sein. Das ist schon sehr, sehr eingeengt. Ob wir das in Hamburg flächendeckend realisieren können, ist eine ganz andere Frage. Wir haben in Hamburg aber eine wesentlich bessere Ausgangssituation, weil wir bereits über eine gewisse Anzahl von Hospizen, eine ambulante Hospizbetreuung und auch über eine 24-Stunden-Betreuung verfügen, was in Berlin nicht der Fall ist.

Ich habe gerade ganz konkret einen Fall im allernächsten Familienkreise. Es handelt sich um eine alte Dame von 93 Jahren, die im Sterben liegt. Wir haben versucht, für sie eine Pflege zu bekommen. „Leider unmöglich“, hat man uns in Berlin gesagt. Das heißt, in Hamburg sind wir eigentlich gar nicht so schlecht ausgestattet, aber es gilt natürlich, die Situation auch noch zu verbessern.

Wir haben jetzt schon die Möglichkeit der Finanzierung von vier Wochen nach Paragraph 37 Sozialgesetzbuch V. Wir

(Hanna Gienow CDU)

A C

B D

sollten das sicherlich noch verbessern. Im Moment ist also ein Sockel geschaffen. Wir müssen es nur umsetzen, wir müssen das realisieren.

Keiner von uns hat viele Erfahrungen mit dem Sterben, jedenfalls nicht mit dem eigenen. Ich weiß nicht, ob es mir recht wäre, dass in derartiger Situation jemand um mich herumhuschen würde und ständig irgendetwas für mich tun wollte oder ob ich nicht zufriedener wäre, wenn man mich einfach einschlafen ließe.

(Petra Brinkmann SPD: Das können Sie uns ja hinterher erzählen!)

Ich kann das nicht sagen. Das wird sich irgendwann finden, wenn ich so weit bin nach dem Motto „husch, husch in die Urne“.

In dem Zusammenhang ist für mich das Thema der aktiven Sterbehilfe, wie sie in den Niederlanden praktiziert wird, auch noch nicht absolut ausgestanden. Darüber werden wir uns vielleicht eines Tages noch einmal Gedanken machen müssen.

Das einzig Gerechte auf dieser Welt ist der Tod, von dem sich keiner freikaufen kann. Ich denke, wir sollten noch einmal kritisch an dieses Thema herangehen, sollten es im Ausschuss aufarbeiten. Wir sollten dann sehen, was wir in dem Rahmen, der notwendig ist, finanziell umsetzen können, und kritisch an dieses Thema herangehen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat jetzt Frau Dr. Freudenberg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde es großartig,

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: So sind wir eben!)

dass wir heute noch zu einer Entscheidung kommen, dass Anträge überwiesen werden und dass wir uns im Ausschuss gemeinsam noch weiter mit dieser Frage beschäftigen. Ich freue mich sehr darauf.

Herr Rutter, bei Ihnen ist eben etwas durcheinander gekommen. Es besteht ein Unterschied zwischen einer ambulanten pflegerischen Betreuung und einer HospizBetreuung. In Hamburg ist es leider nicht so, dass man jederzeit für einen Pflegebedürftigen eine 24-StundenPflege bekommt. Wenn also Ihre dreiundneunzigjährige Tante in Hamburg wohnen würde, wäre es wahrscheinlich nicht leichter als in Berlin, das hinzubekommen. Wir sollten das Thema im Ausschuss noch intensiv besprechen.

Hospiz-Pflege ist wirklich nur für eine ganz kleine Gruppe sterbender Menschen geeignet. Sie ist nicht der Regelfall, auch nicht in Hamburg und soll es nie werden. Das ist auch nicht die Intention unserer Anträge. Das Interessante am Hospiz ist die Idee und dass es durch die Hospiz-Bewegung überhaupt erst eine Reflexion über das Sterben gab und durch sie die richtige Form der Sterbebegleitung gefunden wurde. Es geht nicht nur um ein Herumschwirren bei einem Sterbenden, sondern das zu tun, was gebraucht und gewünscht wird.

Wir wissen, dass die meisten Menschen den Wunsch haben, zu Hause in ihrer vertrauten Umgebung und begleitet von Angehörigen zu sterben. Dieser Wunsch wird jedoch meist nicht erfüllt. 46 Prozent der circa 18 000

Hamburgerinnen und Hamburger, die jedes Jahr sterben, sterben im Krankenhaus. Weitere 28 Prozent starben in den Jahren 1997 und 1998 im Pflegeheim. Neuere Zahlen liegen leider nicht vor. Insgesamt sterben also etwa 75 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger in der Institution Klinik oder Pflegeheim.