Protocol of the Session on March 5, 2003

Nun zu der Konzeption der einzelnen Punkte. Anders als Frau Dr. Freudenberg es suggerieren möchte, ist es nicht etwa einseitig nur die Repression. Das fällt Ihnen natürlich mehr auf, weil Sie mit Repressionen im Drogenbereich nichts zu tun hatten. Dass wir die hinzufügen, muss Ihnen natürlich auffallen. Wenn Sie das Konzept genau lesen, werden Sie feststellen, dass auf fast jeder Seite sowohl über Prävention als auch über Drogenhilfe als auch über Repression geredet wird. Alle drei Faktoren sind notwendig, alle drei stehen drin und alle drei werden vom Senat bereits seit 16 Monaten durchgeführt. Das wird auch so weitergehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Der Grundsatz, alle Hilfe den Süchtigen, alle Härte den Dealern, ist, ich gebe es zu, ein kurzer Satz. Aber er ist absolut richtig. Wir werden dahinter stehen und werden das durchsetzen.

Was Sie auch nicht gemacht haben – jedenfalls nicht ausreichend –, ist ein sehr wichtiger Punkt, der hier bisher zu

(Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

kurz kam. Es gibt eine bessere Koordination. Unter Ihrer Regierung hat die Polizei einen verzweifelten Kampf gegen die Drogenszene geführt; sie wurde alleine gelassen. Auf der anderen Seite gab es die BAGS, die versuchte, in irgendeiner Weise Drogenhilfeeinrichtungen zu unterstützen. Jetzt gibt es eine Staatsräte-Lenkungsgruppe, die es koordiniert, und eine Amtsleiterrunde Drogen. Das ist moderne Politik, kein Nebeneinander oder sogar ein Gegeneinander,

(Ingo Egloff SPD: Genau! Mann, sind Sie innovativ!)

wir bündeln die Kräfte und koordinieren sie.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Deshalb ist das Drogenkonzept des Senats ein Schritt in die richtige Richtung und wir unterstützen ihn. Dennoch lassen Sie mich noch einige Bemerkungen machen.

Die Ausstiegsorientierung ist überhaupt keine Frage. Das unterscheidet uns maßgeblich von dem, was Sie vorher falsch gemacht haben. Wir sagen, wir wollen Ausstiegsorientierung. Daran messen wir unsere Politik und auch die der Drogenhilfeeinrichtungen. Aber, Frau Dr. Freudenberg erwähnte es zu Recht, wiederholt kommt der Satz im Konzept vor:

„Auch nachweislich nicht therapierbaren Abhängigen wird weiterhin geholfen.“

(Dr. Dorothee Freudenberg und Manfred Mahr, beide GAL: Gucken Sie mal in die Gefängnisse!)

Nein, lesen Sie nach. Das kommt mehrfach vor.

Das ist für die FDP ein sehr wichtiger Punkt. Wir sind sehr froh, dass der Senat das genauso sieht. Es darf natürlich kein Einfallspunkt für Rückfälle in rotgrüne Zeiten sein. Es müssen natürlich nachweisbar hohe Anforderungen gestellt werden. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Diesen Menschen muss geholfen werden, denen können wir nicht mit der Keule der Ausstiegsorientierung Hilfe verweigern.

Der zweite Punkt ist Prävention. Es liegt auf der Hand, dass Prävention sehr wichtig ist, und wir unterstützen das auch. Hamburg sollte in der Praxis und nicht nur in der Theorie eine Hochburg der Prävention sein. Deshalb bin ich auch dafür, in diesem Bereich Forschung zu betreiben. Es darf aber nicht auf Kosten der Praxis gehen.

Die Repression habe ich bereits erwähnt. Sie ist wichtig und unverzichtbar, sie wird zu Recht gemacht. Aber auch hierzu eine Bemerkung: Strafvollzug ist der schlechteste Ort zur Drogentherapie. Wir sollten nicht der Versuchung erliegen, möglichst viele, ganz „normal“ Abhängige ins Gefängnis zu stecken und zu meinen, dass man sie dort gut therapieren könnte. Hierzu verweise ich auf die Paragraphen 35 und 37 des Betäubungsmittelgesetzes, das adäquate Maßnahmen erlaubt.

Das Modellprojekt Herointherapie. Die FDP-Fraktion unterstützt dieses Modellprojekt nach wie vor engagiert, weil es hier um eine sehr wichtige und essenzielle Frage geht. Wir haben es mit allen vielen Maßnahmen bisher nicht geschafft, das Drogenelend zu beseitigen. Deshalb muss es erlaubt sein, auch neue Ideen einzubringen. Seit zehn Jahren heißt es: Gebt den Süchtigen doch ihren Stoff, dann entfällt die Beschaffungskriminalität und die Süchtigen sind dann auch nicht mehr so verelendet. Das ist eine Theorie, die in den Raum gestellt wurde. Ob sie richtig ist, lasse

ich bewusst offen. Es ist aber dringend notwendig, diese Frage zu prüfen und zu klären. Dazu braucht man ein Modellprojekt.

(Petra Brinkmann SPD: Sie haben wohl noch nie etwas aus der Schweiz gehört!)

Deshalb ist die FDP dafür, dieses Modellprojekt so lange wie irgend möglich zu unterstützen, zur Not mit einer verringerten Fallzahl. Es besteht aber kein Anlass, hier kurzfristig wieder auszusteigen. Deshalb lassen Sie uns auf dem eingeschlagenen Weg weitermachen. Der Senat ist auf dem richtigen Wege. Wir werden ihn dabei unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort hat Herr Dr. Petersen.

Herr Präsident! Herr Wersich, vielen Dank, dass Sie das Problem des Alkohols in den Vordergrund Ihrer Rede gestellt haben. Ich denke, das ist sehr wichtig. Das hat leider bei Herrn Schinnenburg gefehlt. Wenn wir dieses Problem nicht anpacken, kommen wir mit dem gesamten Drogenproblem nicht voran. Vielen Dank, Herr Wersich.

(Beifall bei Wolf-Dieter Scheurell SPD)

Herr Schinnenburg, man merkt, dass Sie mit der Drogenpolitik noch nicht so sehr lange zu tun haben. Wenn Sie hier sagen, das Heroinprojekt sei nur in Gang gekommen, weil Sie an die Regierung gekommen sind, dann haben Sie nicht gelernt, nicht gelesen, vergessen – wie auch immer –, dass es Henning Voscherau war, der dieses Heroinprojekt aus der Taufe gehoben hat, und dass die CDU/FDPBundesregierung es 16 Jahre verhindert hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Petra Brinkmann SPD: Ja, so ist es!)

Herr Senator Rehaag hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die am 28. Januar 2003 vom Senat beschlossene Konzeption wirksamer Drogenpolitik ist ein Meilenstein für Hamburg. Die darin formulierten drogenpolitischen Hauptziele des Senats sind die Reduzierung von Drogenangebot und Drogennachfrage. Sie werden durch eine Vielzahl differenzierter Maßnahmen unterstützt. Hilfe und Strafverfolgung stehen in einem ausgewogenen, gleichrangigen Verhältnis zueinander – entgegen dem, was hier in den Vorreden teilweise dargestellt wurde.

Das Gesamtkonzept beruht auf einer schlichten, aber sehr überzeugenden Erkenntnis. Was Hamburg braucht, ist eine Drogenpolitik aus einem Guss. Es reicht nicht aus, dass alle an einem Strang herumziehen, sie müssen alle in die gleiche Richtung ziehen.

(Vereinzelter Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Hierfür werden künftig eine Staatsräte-Lenkungsgruppe und eine Amtsleiterrunde Drogen Sorge tragen. Herr Schinnenburg hat das eben erwähnt. Jede der beteiligten Behörden muss wissen, dass das gemeinsame Ziel nur zu erreichen ist, wenn Drogenangebot und Drogennachfrage gleichermaßen intensiv bekämpft werden. Dieser Grund

(Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

A C

B D

satz ist in Hamburg leider jahrelang missachtet worden. Die Folgen des gestiegenen Drogenangebots waren eine erleichterte Verfügbarkeit und eine völlig ungesteuerte, chaotische Nachfrage durch ein Heer immer stärker verelendeter Abhängiger, denen niemand konsequent den Weg aus der Sucht gewiesen hat.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Wir haben nun begonnen, dieses grundlegend zu ändern. Sowohl in strafender als auch in helfender Hinsicht steht jetzt der Interventionsgedanke viel stärker im Vordergrund. Für Polizei, aber auch für Drogenhilfe bedeutet dieses im Klartext: Wir schauen nicht bloß zu, sondern wir greifen auch konsequent ein.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Folgende drei Handlungsfelder hält der Senat für unverzichtbar hinsichtlich einer erfolgreichen, ressortübergreifenden und drogenpolitischen Strategie. Die Punkte wurden eben genannt: Die Prävention des Missbrauchs von Suchtmitteln mit allen pädagogischen und ordnungsrechtlichen Maßnahmen, die konsequente Bekämpfung der Drogenkriminalität sowie die verstärkte strafrechtliche Ahndung der suchtbedingten Delinquenz und letztlich die effektive Hilfe für Süchtige durch Sicherung des Überlebens und Therapie.

Für die Suchtprävention werden in den Bereichen Familie und Schule neue Schwerpunkte gesetzt. Eltern werden künftig flächendeckend über Suchtgefahren informiert, die Suchtprävention wird verbindlich in den Rahmenlehrplänen aller Hamburger Schulen festgeschrieben werden.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Gruppen mit einem erhöhten Suchtrisiko werden gezielt und gezielter als bisher angesprochen. Hierzu gehören zum Beispiel jugendliche Partygänger ebenso wie Kinder suchtkranker Eltern.

Bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität setzt der Senat verstärkt auf konsequente Strafverfolgungen. Die Erfolge dieser Politik sind ablesbar an der Anzahl der Zuführungen und Haftbefehle seit November 2001, selbst wenn das von einigen hier im Hause nicht gerne gehört wird.

Verstärkt wurde auch die sichtbare Präsenz der Polizei auf Hamburgs Straßen und die Bekämpfung des bandenmäßigen Drogenhandels. Dies war möglich durch Personalverstärkungen bei Polizei und Staatsanwaltschaft.

Auch im Hinblick auf die Maßnahmen der Hilfe und Therapie für Süchtige hat der Senat mit seinem Konzept neue Schwerpunkte gesetzt. Sucht, meine Damen und Herren, ist eine schwere chronische Erkrankung, aber Sucht ist grundsätzlich heilbar. Übergeordnetes Ziel ist deshalb der Ausstieg aus der Sucht. Diese Prämisse ist zugleich Maßstab für die externe Begutachtung des Drogenhilfesystems, die noch im laufenden Jahr durchgeführt wird. Sie hatten es angesprochen.

Um Drogenabhängige noch besser zu erreichen und abschließend in Therapie zu vermitteln, wird am Besenbinderhof ein Beratungs- und Gesundheitszentrum eingerichtet. Diese umfassende Kombination beinhaltet Kontaktstelle, Drogenkonsumraum, Beratung, Therapie, Vermittlung, Akupunkturbehandlungen, medizinische Betreuung und Notfallversorgung mit einem Ruheraum für

Crack-Konsumenten – auch das darf hier noch einmal hervorgehoben werden – und aufsuchende Sozialarbeit. Alles dies ist innovativ und vorbildlich.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Sie stellt eine herausragende Verbesserung der Qualität der Hilfen für Drogenabhängige in Hamburg dar. Auch für den Stadtteil St. Georg bringt diese neue Einrichtung positive Veränderungen mit sich. Die Containeranlage am Drob Inn wird zugunsten eines festen Standorts aufgelöst. Die Übernachtungsmöglichkeiten für Drogenabhängige werden ausgeweitet und der Standort liegt fern der Wohngegenden St. Georgs ganz am Rande des Stadtteils.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)