„Hamburg verfügt über ein qualitativ hochwertiges und differenziertes Suchthilfesystem, dessen Leistungserbringung mit modernen Instrumenten gesteuert wird. Mit seinen niedrigschwelligen Hilfen, den Beratungsund Therapieangeboten sowie medizinischen Drogenhilfemaßnahmen erreicht das aus öffentlichen Mitteln geförderte Hamburger Suchthilfesystem bis zu 80 Prozent der Drogenabhängigen und bis zu 10 Prozent der Alkoholabhängigen.“
So weit zum Einzelplan 8.2 zum Haushalt 2003, der von diesem Senat eingebracht worden ist. Man könnte also an dieser Stelle schon einmal feststellen, dass das, was von uns dieser Regierung überlassen wurde, gut ausgebaut und differenziert ist und den Anforderungen entspricht. So wurde das jedenfalls von diesem Senat bestätigt.
In der Beantwortung unserer Großen Anfrage, die wir jetzt diskutieren, wird dieses im beschreibenden Teil, in dem auf die Bestandsaufnahme geantwortet wird, durch den einleitenden Satz bestätigt. Wenn man davon absieht, dass die vorliegenden Daten immer noch dieselben sind, die die Grundlage für den Suchtbericht 1999 waren, und dass die Auswertung dieser Daten auch nichts Neues ergibt, kann man dennoch feststellen, dass dieses System gut ausgebaut war und in seiner dezentralen Orientierung den Erfordernissen entsprochen hat.
Interessant wird das alles, wenn man auf die Zwischentöne sieht. Dort ist die Rede von einem Konzept der angemessenen regionalen Versorgung. Ich möchte gerne wissen, was „angemessene regionale Versorgung“ angesichts dessen, was dieser Senat konzeptionslos zusammengestrichen hat, bedeutet.
Bei den Zentralisierungstendenzen in Bezug auf das Hilfesystem dieses Senats wurde glücklicherweise ein bisschen zurückgerudert. Es soll im „Wüstenrot-Haus“ tatsächlich erst einmal das untergebracht werden, was der Träger Jugendhilfe e.V., also Drob-Inn, NOX, ReAlex und Ähnliches, bereithält, aber es steht nirgendwo, dass der Bestand an anderen Orten des Drogenhilfesystems erhalten bleiben soll. An diesen Stellen wird man dann doch etwas hellhörig.
Weiter ist in der Bestandsaufnahme festzustellen, dass es dem Grunde nach in dieser Stadt seit Jahren für Therapieplätze keine Wartezeit gibt. Das wurde lange Zeit bestritten. Die Notwendigkeit von Gesundheitsräumen zeigt sich in der Zahl von über 300 Notfällen, die im Jahre 2001 in solchen Einrichtungen erfolgreich behandelt werden konnten. Das drückt sich auch in der seit 1995 ständig sinkenden Anzahl von Drogentoten aus. An dieser Stelle habe ich das Stichwort Dirk Fischer stehen, Landesvorsitzender der CDU, der kürzlich meinte, in Hamburg sei diese Zahl ständig angestiegen. Dem ist nicht so. Seit 1995 konnte diese Zahl ständig gesenkt werden. Wir freuen uns, dass das auch dieses Jahr so weitergegangen ist. Wir sollten uns allerdings die Ursachen dafür genauer ansehen. Es hat nichts mit den repressiven Maßnahmen dieses Senats zu tun, sondern erstens mit den eingeleiteten Hilfemaßnah
men, deren Erfolg weiterhin wirkt, und zweitens leider auch mit veränderten Konsummustern. Drogentote waren größtenteils dort zu verzeichnen, wo eine Überdosis an Heroin gespritzt wurde. Nun haben wir eher ein Problem mit dem Crack-Konsum. Es gibt meines Wissens niemanden, der unmittelbar durch Einfluss von Crack gestorben ist. Dort wird es andere Auswirkungen haben, die wir in einigen Jahren beobachten werden müssen. Insofern ist der Rückgang der Anzahl der Drogentoten kein Ergebnis irgendwelcher repressiven Maßnahmen, sondern er ist diesen beiden Tatsachen geschuldet.
Ich möchte noch etwas zur Datenlage in Hamburg sagen und aus einem Papier vortragen, das der Senat kürzlich als sein Konzept vorgestellt hat. Dort steht:
„Hamburg verfügt bundesweit über beispielhafte Instrumente der Datenerhebung bei Klienten und Klientinnen in der ambulanten Suchthilfe.“
Dem wäre an sich auch weiter nichts hinzuzufügen, wenn dieser Senat nicht gleichzeitig – auch das lässt sich aus der Beantwortung der Großen Anfrage entnehmen – das Hilfesystem einer externen Evaluation unterziehen möchte. Das ist an sich nichts Schlimmes, wenn die Finanzierung so gesichert wäre, dass dem Suchthilfesystem keine Mittel entzogen werden, um etwas zu evaluieren, worüber, wie der Senat schreibt, bundesweit beispielhaft Daten vorliegen. Es wäre sinnvoller, sie auszuwerten und daraus seine Schlüsse zu ziehen.
Ich komme zum repressiven Teil der Anfrage und dessen Beantwortung. Woher die vorliegenden Erkenntnisse über Erstkonsumenten kommen, wäre die erste Frage. Sie wurden von der Polizei geliefert. Es handelt sich um Menschen, die der Polizei erstmalig im Zusammenhang mit Drogendelikten beziehungsweise mit Drogenkonsum begegnet sind. Angesichts dessen, was jetzt auf repressivem Wege geschieht, wird diese Zahl in den nächsten Jahren vermutlich heruntergehen, ohne dass es weniger Erstkonsumenten gegeben wird. Das heißt, hier muss man bei der Statistik aufpassen, was tatsächlich gemessen wird. Ich greife jetzt etwas vor: Morgen wird die polizeiliche Kriminalstatistik als großer Erfolg vorgestellt werden. Darin wird es heißen, dass es 1500 festgestellte Drogendelikte weniger gibt. Die Betonung liegt auf „festgestellte“, tatsächlich sind es nicht weniger Drogendelikte. Das geht aus der Beantwortung der Anfrage hervor. Keine repressive Maßnahme hat dazu geführt, dass bei den Preisen für illegale Drogen irgendeine Veränderung festgestellt werden konnte. Das Suchthilfesystem stellt bei dem Stoff, der auf dem Markt ist, keinerlei Veränderungen fest. Es hat sich in Wirklichkeit nichts verändert, lediglich im Bild nach draußen.
Zum Schluss noch etwas Erfreuliches. Auf dem Gebiet der Prävention scheint mit der Einrichtung des Suchtpräventionszentrums vor einigen Jahren – auch das hat der alte Senat zu verantworten – eine Bündelung und Effektivierung der Maßnahmen in Schulen und in Kindergärten beziehungsweise bei Multiplikatoren in diesen Bereichen stattgefunden zu haben. Hier bleibt es lediglich noch unser aller Aufgabe – Herr Wersich, das wissen wir seit Jahren –, darauf zu achten, dass nicht nur Multiplikatoren ausgebildet werden, sondern dass jetzt auch noch überprüft wird, wie das weitergeht und welchen Effekt die Ausbildung der Multiplikatoren tatsächlich vor Ort hat. Das ist aber schon seit Jahren offen. Wir möchten gerne weiter daran mitar
Herr Dr. Schäfer! Eigentlich müssten Sie drei schwarze Punkte tragen, wenn Sie in der Stadt nicht die Veränderungen in der Drogensituation wahrnehmen wollen. Anders kann ich mir Ihren Beitrag nicht erklären.
Es gibt kaum ein Gebiet der Hamburger Politik, in dem deutlicher geworden ist, dass der Regierungswechsel Denkblockaden aufgebrochen hat und es zu tatsächlichen Veränderungen gekommen ist.
Wir haben als Koalition die Sackgasse der wohlmeinenden rotgrünen Politik im Bereich Drogen verlassen. Ich unterschiebe Ihnen überhaupt keine schlechten Motive. Nur, wir alle haben gesehen, dass Hamburg durch die Liberalisierung ohne die begleitende notwendige Repression und Konsequenz gegen Drogen zur Drogenhochburg geworden ist. Genau das ist das, was diese Regierung gesehen hat und wo wir umgesteuert haben.
(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaat- licher Offensive – Christa Goetsch GAL: Vertrie- ben!)
Wir haben die offene Szene zurückgedrängt, die die Abhängigen und die Dealer geradezu angezogen hat und eine unerträgliche Belastung für die Stadtteile bedeutete. Wir haben mit der Verknüpfung und Abstimmung der Behördenpolitik begonnen und machen Ernst damit, bei Kindern und Jugendlichen bereits früh zu intervenieren. Ich nenne nur das FIT-Programm der Behörde von Frau SchnieberJastram.
In der Großen Anfrage stehen zwei sehr wichtige und interessante Zahlen zum Drogenkonsum bei Kindern und Jugendlichen. Es ist dort hervorgehoben, dass der kritische oder überhaupt der Alkoholkonsum mit 14 bis 15 Jahren beginnt, aber dann bereits mit 15 und 16 Jahren ein massiver Cannabis-Konsum. Wir sagen ganz klar: Rauschund Suchtmittel haben in Kindheit und Jugend nichts zu suchen. Die Zahlen sind für uns alarmierend.
Wir haben in 2002 eine erfreuliche Zahl bei der Erfassung der Erstkonsumenten durch die Polizei. Die Polizei ist ausgesprochen aktiv und man kann nicht sagen, dass die Zahl der festgestellten Delikte daran liegt, dass die Polizei etwas anderes gemacht hat. Deshalb ist es besonders interessant zu sehen, dass wir bei den Erstkonsumenten im Alter von 14 bis 24 Jahren einen Rückgang von bis zu 40 Prozent haben. Auch das ist ein Erfolg auf dem Weg, Kinder und Jugendliche von Sucht und Suchtmitteln freier zu halten. Diese Zahlen wurden durch die Polizeistatistik belegt.
Der Anfang, Herr Schäfer, einer neuen und besseren Drogenpolitik durch unsere Koalition ist gemacht und es bleibt noch viel zu tun. Wir werden die umfangreichen öffentlichen Gelder und Ressourcen zielgerechter einsetzen und umsteuern. Wir werden mehr und früher den Einstieg in Sucht und Drogen verhindern. Wir werden Hamburg zu einem Zentrum der Drogenprävention machen. Wir werden in Hamburg das Ziel einer suchtstofffreien Kindheit und Jugend zum politischen Ziel erklären.
Wir werden mehr Menschen aus dem Teufelskreis der Sucht helfen. Wir werden mehr für eine zielgenaue Therapie und Frühintervention tun, ebenfalls im Bereich legaler Süchte, Glücksspiel und neuer Drogen.
Davon können Sie sogar schon vieles sehen, wenn Sie, wie gesagt, die Augenbinde einmal zur Seite legen.
Der zweite Schwerpunkt wird sein, die einheitliche und abgestimmte Drogen- und Suchtpolitik aller öffentlichen Stellen weiterzuentwickeln. Das heißt, wir brauchen eine gemeinsame Zielsetzung aller Behörden. Wir brauchen ein gemeinsames, abgestimmtes Handeln auch im Behördenvollzug.
Frau Brinkmann, Sie sagen, das hat es immer gegeben. Dann müssten Sie vielleicht sogar in Ihrer eigenen Fraktion herumgucken.
Es ist eines der Kernprobleme der rotgrünen Hamburger Politik gewesen, dass jede Behörde im Bereich der Drogenpolitik ihre eigene Politik gemacht, man sich gegenseitig gelähmt und zum Teil sogar widersprochen hat.
Uns kann es recht sein, wenn Sie die Veränderungen nicht bemerken. Das sichert unsere Mehrheitssituation in Hamburg.
Ich glaube, dass wir alle, Parteien und Politik, einen aktiven Part gegen Drogen in der Gesellschaft spielen müssen. Deshalb müssen wir mit der Verharmlosung und Relativierung von Drogen und Sucht aufhören. Dieses gilt auch für Cannabis und Ecstasy.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Petra Brinkmann SPD: Ja, es tut ja auch keiner von uns!)
Wir müssen Drogen zurückdrängen, statt sie zu akzeptieren, und wir müssen sie zurückdrängen aus Kindheit und Jugend. Unterstützen Sie auch von der Opposition eine rationale und an den Ergebnissen ausgerichtete Sichtweise auf das Drogenproblem, anstatt Sozialromantik und Verherrlichung einerseits