Protocol of the Session on February 5, 2003

Ich sehe ständig wachsende Containerburgen, selbst in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten. Es ist die Art der Lagerung von Gütern des 21. Jahrhunderts und die intelligenteste Lösung im Bereich der Logistik, ob es nun gefällt oder nicht. Und zum besseren Verständis: Auch ich bin gegen Ausweitung von Containerflächen. Selbst genehmigte sollten überprüft und gegebenenfalls auch wieder kassiert werden. Darin sind wir uns sicherlich einig.

Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, irgendjemand in diesem Land muss doch mal für die Steueraufkommen herangezogen werden, damit die unzähligen sozialen Einrichtungen, die Sie ins Leben gerufen haben, auch finanziert werden können. Sie sagen nun ständig, was Sie nicht wollen, und das Wenige, das Sie wollen, ist schlicht nicht mehr finanzierbar.

Der Wilhelmsburger Osten unterliegt genauso dem Wandel wie auch andere Teile dieser Stadt. Für ein landwirtschaftliches Museum, was ich hier gehört habe, ist der Wilhelmsburger Osten überhaupt nicht geeignet und daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir in den Ausschüssen darüber beraten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Maaß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es geht bei der Debatte um die Altspülfelder im Wilhelmsburger Osten – und dabei nicht nur um Obergeorgswerder. Es geht um drei Fragen. Die unmittelbare Ausgangsfrage ist, was mit den verseuchten Flächen passieren soll, auf denen bisher Gemüseanbau betrieben wurde. Daran schließt sich dann die zweite Frage an: Was sollen die Gemüsebauern tun, die jetzt auf diesen Flächen wirtschaften? Beide Fragen münden schließlich in einer dritten, strukturellen Perspektive, die nicht ausgeblendet werden kann, und das ist die entscheidende Strukturfrage: Wohin soll sich der Wilhelmsburger Osten entwickeln?

Zur ersten Frage: Was soll mit den Altspülfeldern geschehen? An den alten Spülfeldern – das wurde schon mehrfach gesagt – wird die verfehlte Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik der letzten Hälfte des letzten Jahrhunderts deutlich, denn auf diesen Spülfeldern wurde über Jahrzehnte das im Elbschlick akkumulierte Gift unserer

(Dr. Diethelm Stehr CDU)

Industriegesellschaft gesammelt und zu allem Überfluss wurde auf diesen Altlasten dann großflächig Gemüse angebaut.

(Ekkehard Rumpf FDP: Das galt als Öko!)

Der Gemüseanbau war bis vor kurzem auch legal. Bis zum Erlass der EU-Kontaminanten-Richtlinie im Jahr 2002 galten nur die unverbindlichen Lebensmittelrichtwerte. Man hat sich durch verschiedene Maßnahmen um Schadensbegrenzung bemüht, aber dennoch ist festzuhalten, dass Lebensmittel über Jahrzehnte in den Handel gekommen sind, die nach heutigen Maßstäben nicht in den Handel hätten gelangen dürfen.

Jetzt haben wir den Salat, wie gehen wir damit um?

(Beifall und Heiterkeit bei allen Fraktionen – Dr. Wieland Schinnenburg FDP: Grüner Salat!)

Wir brauchen eine Umkehr von der alten Landwirtschaftspolitik hin zu einer vorsorgeorientierten Verbraucherschutzpolitik. Deswegen – und das hat auch Herr Rosenfeld bereits gesagt – brauchen wir ein sofortiges und vollständiges Ende der Lebensmittelproduktion auf den Spülflächen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die Entscheidung des Senats, zwischenzeitlich auch noch den Futtermittelanbau zuzulassen, ist inkonsequent, denn sie löst nicht das Problem, sondern sie verschiebt es nur und sie läuft Gefahr, den nächsten Lebensmittelskandal zu provozieren. Wer nach Nitrofen und anderen Futtermittelskandalen so handelt, der handelt aus meiner Sicht fahrlässig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Ebenso skeptisch sehe ich aber auch die im SPD-Antrag angedeutete Perspektive einer Sanierung der Altspülfelder, womöglich mit anschließender Wiederaufnahme der landwirtschaftlichen Nutzung, denn das Kostenargument ist da letztlich ein nicht ganz unerhebliches. Eine Sanierung kostet 200 000 bis 500 000 Euro pro Hektar.

(Jenspeter Rosenfeldt SPD: 200 000 Euro haben Sie gerade im letzten Jahr gestrichen!)

Auf jeden Fall kostet es einen erheblichen Betrag, Herr Rosenfeldt.

Wenn wir sämtliche Altspülfelder sanieren wollten, könnte das problemlos mehrere zig Millionen Euro kosten. Ich kann mir – ehrlich gesagt – nicht vorstellen, dass eine solche Sanierung bei der derzeitigen Haushaltslage sinnvoll sein soll, wenn es Alternativen dazu gibt, und genau das ist der Fall.

Keine Alternative ist für mich jedoch die Ansiedlung von Gewerbeflächen auf den Altspülflächen, denn dies hätte fatale Folgen für die Erholungsfunktion des Wilhelmsburger Ostens und auch für die ökologische Funktion des gesamten Raumes im Wilhelmsburger Osten. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Ob die im Antrag angedachte Bewaldung der Flächen sinnvoll ist, kann ich derzeit noch nicht abschätzen, aber es würde zumindest dann Sinn machen, wenn dadurch die Emissionen der Affinerie gebunden würden oder dadurch eine fachlich sinnvolle Biotopvernetzungsfunktion erbracht würde. Das werden wir im Ausschuss im Einzelnen begutachten müssen. Aber die richtige Richtung ist damit schon einmal vorgegeben, denn meines Erachtens liegt das eigentliche Potenzial der Altspülfelder in der Aufwertung der ökologischen

Wertigkeit und möglicherweise auch in der Nutzung als ökologische Ausgleichsfläche für den Naturschutz.

Hamburg hat bekanntlich ein erhebliches Defizit bei der Durchführung des naturschutzrechtlichen Ausgleichs. Wenn man sich die Pläne des Senats zur wachsenden Stadt – oder vielleicht sollte man sagen zur wuchernden Stadt – oder zur nächsten Elbvertiefung anguckt, dann weiß man, dass da noch ein ganzer Batzen mehr auf uns zukommt. Die Altspülfelder sind zum großen Teil auch für eine ökologische Aufwertung besonders geeignet. Teilweise eignen sich einige der Flächen – Ellerholz, aber auch im Süden Neuland – für eine Deichrückverlegung. Da gab es auch schon Pläne nach dem Vorbild, wie es jetzt auf Kreetsand durchgeführt wird. Es gibt aber auch andere Flächen, die für andere Aufwertungsmöglichkeiten verfügbar sind, zum Beispiel als Magerrasen. Wenn der Senat tatsächlich eine grüne Stadt Hamburg behalten will, wie er immer wieder behauptet, dann muss er sich auch Gedanken machen, ob er nicht diese ökologischen Aufwertungsmöglichkeiten für den Wilhelmsburger Osten tatsächlich nutzen will. Es kann nicht sein, dass der Senat immer nur darüber spricht, wo betonieren wir, und nirgendwo den Ausgleich dafür schafft.

Zur zweiten Ausgangsfrage: Wo sollen die Bauern hin, die künftig nicht mehr auf den Altspülfeldern Gemüse anbauen dürfen? Ich bin mit Herrn Rosenfeldt der Ansicht, dass wir tatsächlich individuelle Lösungsperspektiven für die betroffenen Landwirte entwickeln müssen. Teilweise existieren Ersatzflächen für den Gemüseanbau im Wilhelmsburger Osten, aber ein großer Teil des Wilhelmsburger Ostens scheidet aus meiner Sicht als Ersatzland aus. Die vom Senat begonnene Umsiedlung des Gemüseanbaus auf die derzeitigen Grünlandflächen im Wilhelmsburger Osten ist aus meiner Sicht aus mehreren Gründen verkehrt.

Erstens sind da die Emissionen der Autobahn und noch gravierender der Affinerie, die auch heute noch ganz erheblich sind.

Zweitens ist es für mich nicht einleuchtend, dass man ausgerechnet neben einem der schlimmsten Emittenten der Stadt und neben der Autobahn Salat anbauen soll. Das ist, glaube ich, auch für die Leute, die dort vorbeifahren und ihre regionale Produktion an diesem Standort sehen, nicht gerade förderlich für ihr Vertrauen in die hamburgische Lebensmittelproduktion.

Wichtiger sind jedoch die finanziellen und ökonomischen Kosten für die Ersatzlandbereitstellung im Wilhelmsburger Osten. Wenn Sie Grünland für den Gemüseanbau umwidmen wollen, dann bedeutet das, dass Sie die Flächen völlig umkrempeln müssen. Sie brauchen insbesondere einen erheblich niedrigeren Wasserstand. Bisher wurden auch schon erhebliche Mengen dafür ausgegeben, um die Wettern zu entschlammen. Es sind nochmals Investitionssummen von circa 400 000 Euro erforderlich, um die weiteren Wettern zu entschlammen. Das ist viel Geld, wenn man bedenkt, dass wir im Haushalt der Behörde für Umwelt und Gesundheit jeden Euro zweimal umdrehen, den wir für den Naturschutz ausgeben. Wir geben in der gesamten Stadt gerade mal 400 000 Euro für das Extensivierungsprogramm aus, um das Grünland zu erhalten, und hier geben wir diese Summe einfach mal so aus, um dann wieder Grünlandflächen zu zerstören. Das ist nicht nur naturschutzfeindlich, sondern aus meiner Sicht herausgeworfenes Geld.

(Beifall bei der GAL)

(Christian Maaß GAL)

Drittens läuft die Umwandlung von Grünland in Gemüsebauflächen auf einen Bruch des Artenschutzprogramms hinaus. Hamburg hat sich in diesem Artenschutzprogramm rechtsverbindlich verpflichtet, das Grünland im Wilhelmsburger Osten ökologisch zu entwickeln.

Ebenso ein einkalkulierter Rechtsbruch ist – das ist eigentlich schon absehbar – der Verstoß gegen das Pflanzenschutzmittelrecht, denn wir haben das gleiche Problem, das wir auch schon für das Alte Land diskutiert haben. Auch der Wilhelmsburger Osten ist von Gräben engmaschig durchzogen und es ist nun einmal rechtlich nicht erlaubt, in der Nähe von Gräben Pflanzenschutzmittel aufzubringen, was aber für den Gemüseanbau tatsächlich erforderlich wäre. Insofern bringt sich der Senat nicht nur selbst in Mittäterschaft für einen kalkulierten Rechtsbruch, sondern er bringt auch wieder die Bauern in eine extrem schwierige Situation.

Ich halte es deswegen für erforderlich, individuelle Lösungsperspektiven zu entwickeln, teilweise für Ersatzland in Wilhelmsburg, teilweise wird es aber nicht anders gehen, als auch außerhalb von Wilhelmsburg zu suchen.

Zu der letzten Frage: Wie soll sich der Wilhelmsburger Osten entwickeln? Das ist die Frage, die sich aus den beiden erstgenannten Fragen ergibt. Wenn man sich heute den Wilhelmsburger Osten ansieht, dann fällt einem zunächst einmal die wunderschöne Natur auf, aber auch, insbesondere an den Wochenenden, der Erholungswert und der Wert, der diese Landschaft für die Menschen in Wilhelmsburg hat. Diese Funktionen für die Erholung und die Natur erscheinen mir durch die derzeitige Entwicklung bedroht. Wir haben nicht nur die beschriebene Verdrängung von wertvollem Grünland durch intensiven Gemüseanbau, sondern mittelfristig sehe ich auch die Gefahr, dass dieser Raum der industriellen Zersiedelung anheim fällt, denn das geplante Gewerbegebiet in Obergeorgswerder würde tatsächlich einen Dammbruch bedeuten, insofern, dass die bisher durch die Autobahn und die Elbe natürlich gegebenen Grenzen dieses Gebietes überschritten würden. Die verkehrliche Anbindung von Obergeorgswerder müsste auch über zwei Seiten geschehen, sodass sie letztendlich Auswirkungen auf den gesamten Wilhelmsburger Osten hätten.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ich weiß, dass Sie nicht gerne über die Sache diskutieren und dass Sie gerne nach Hause gehen möchten, aber Sie müssen auch für Ihr Geld arbeiten. Das trifft auch für Sie zu, dass Sie hin und wieder auch mal sachlich diskutieren müssen. Deswegen werden Sie jetzt noch 20 Sekunden aushalten und mir zuhören müssen.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Michael Freytag CDU: Passen Sie mal auf, dass Ihre eigene Fraktion nicht einschläft!)

Wir brauchen eine behutsame Entwicklung des Wohn- und Arbeitsstandortes im Wilhelmsburger Osten. Wir brauchen den Erhalt der Erholungsfunktion und die Entwicklung des ökologischen Potenzials in diesem Raum. Diese Diskussion muss geführt werden und ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Darf ich Ihre Schritte als Wortmeldung interpretieren? – Das Wort hat

der Abgeordnete Rumpf für genau sechs Minuten und sieben Sekunden.

Frau Präsidentin, konkludentes Handeln kann manchmal auch ausreichen. Herr Maaß, ich möchte mich jetzt nicht auf die Grundsatzdiskussion einlassen, die Sie hier wieder versucht haben anzufangen, dass man Landwirtschaft und Grünflächen irgendwie in einen nicht zu überwindenden Widerspruch setzt. Diese Diskussion müssen wir heute nicht führen. Die können wir vielleicht ein anderes Mal neu aufmachen, weil mir das bei sechs Minuten Redezeit auch zu kurz wäre. Ansonsten haben Sie aber mit einigem von dem, was Sie gesagt haben, durchaus Recht. Weil der Antrag von der grundsätzlichen Ausrichtung her, nämlich dass man sich mit dem Problem der Altspülfelder wirklich einmal befassen muss, durchaus positiv ist, haben wir gesagt, dass wir den Antrag an den Ausschuss überweisen. Dann können Sie uns auch nicht vorwerfen, wir wollten es nicht diskutieren.

Es gibt aber in der Tat an diesem Antrag einiges zu diskutieren.

Erstens: Das Problem der Altspülfelder existiert schon sehr lange. Da fragt man sich, wieso die SPD jetzt auf solch einen Antrag kommt und es nicht schon in der Zeit erledigt hat, als Sie hier noch an der Regierung waren.

Zweitens: Altspülfelder gibt es nicht nur in Wilhelmsburg, sondern auch in Neuland und Bergedorf und die fehlen in Ihrem Antrag völlig.

Drittens: Alle zu entwickelnden Konzepte, die einer Komplettsanierung bedürfen – Herr Maaß hat das schon erwähnt –, sind bei Kosten von bis zu einer halben Million Euro pro Hektar bei dieser Haushaltslage mehr als fragwürdig. Wir müssen in der Tat nachhaltig darüber reden, ob das wirklich Sinn macht, so etwas zu tun, zumal ein weitergehendes Entwicklungskonzept, nachdem die Flächen komplett saniert wären, gar nicht notwendig ist, weil Landwirtschaft dann wieder möglich wäre. Von daher widerspricht sich Ihr Antrag im Grunde genommen an dieser Stelle selbst.

Was auch, zumindest in Ihrem Antrag, überhaupt nicht erwähnt wird, ist, dass ein großer Teil der Flächen nach wie vor in Privateigentum ist. Das heißt, bevor ich Entwicklungskonzepte erarbeite, muss ich mich doch erst einmal mit den Eigentümern auseinander setzen, dass ich entweder an diese Flächen rankomme, dass ich mich mit ihnen über eventuelle Ausgleichsflächen oder Ersatzflächen unterhalte

(Jenspeter Rosenfeldt SPD: Das ist ein Konzept, wenn man was tut!)