Protocol of the Session on December 10, 2002

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL)

Da, wo Sie handeln, beschränken Sie sich auf zweifelhafte symbolische Akte; ich nenne nur Ihre unselige Reise zu Joe Arpaio in Arizona. Ihren Ankündigungen folgt dagegen meistens, und manchmal zum Glück, das Unterlassen. Es ist dabei geblieben, dass Ihnen gute Leute weglaufen, weil sie es unter Ihrer Führung nicht aushalten, und neue gute Leute sich nicht bei Ihnen bewerben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Punkte, die ich heute aufgreife, sind uns aus der letzten Haushaltsdebatte in unerfreulicher Erinnerung: der Neubau der Justizvollzugsanstalt Billwerder, die Zukunft des Hamburger Strafvollzugs, der Personalabbau in der Justiz.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Abbau?)

Beginnen wir mit der Personalsituation in der Justiz. Wenn wir uns die Zahl der Richterstellen ansehen, dann erkennen wir keine Veränderung zum Guten; es gibt keine neuen Stellen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Davor haben wir nicht die abgebaut, die haben Sie abgebaut!)

Das muss Ihnen trotz leerer Kassen doch selbst unangenehm sein, denn vielleicht erinnern Sie sich noch an die Forderungen, die von Ihrer Partei zu Oppositionszeiten erhoben wurden, wonach Sie pauschal den gesamten Personalbereich Justiz um 10 Prozent aufstocken wollten.

Immerhin besetzen Sie frei werdende Stellen nach, wobei Sie sich aber teilweise gewaltig Zeit lassen. Die Stelle eines Präsidenten des Landessozialgerichts ließen Sie, Herr Senator, fast ein ganzes Jahr unbesetzt. Die Stelle eines Vizepräsidenten des Landgerichts haben Sie ebenfalls immer noch nicht besetzen können, genauso wie die Stelle eines Vizepräsidenten beim Oberlandesgericht. Da ich kaum glauben kann, dass es keine geeigneten Bewerber für diese Posten gibt, vermute ich, dass Sie sich zum einen über die zeitweilige Kostenersparnis klammheimlich freuen und dies möglicherweise auch mit der Institution des Richterwahlausschusses zusammenhängt, der sich erlaubt, nicht immer das zu tun, was der Senator sich wünscht.

(Michael Fuchs CDU: Das vermuten Sie!)

Wenn wir beim Personal sind, dann müssen wir natürlich auch auf die neuen Staatsanwälte kommen, die Sie eingestellt haben, Herr Senator. Da haben Sie wirklich einmal etwas erreicht und wahrscheinlich werden wir uns das bis zum Ende Ihrer Amtszeit anhören müssen.

Diesen neuen Stellen stehen nun aber neue Aufgaben gegenüber, welche ein erhöhtes Maß an Arbeit auf die Staatsanwaltschaft zukommen lassen werden. Sie wollen keine Gnadenentscheidungen mehr in Hamburg, also lösen Sie die Gnadenabteilung auf und schieben deren Aufgaben der Staatsanwaltschaft zu. Die ist bis heute darauf nicht anständig vorbereitet. Sie wollen weniger Lockerungen im Maßregelvollzug, dann soll das eben auch die Staatsanwaltschaft mitmachen und das, obwohl Staatsanwälte bekanntlich Juristen sind und keine Psychiater oder Psychologen. Damit wir uns richtig verstehen: Für uns Sozialdemokraten ist das kein Tabuthema, das kann man so machen und es wird in anderen Bundesländern auch so gemacht. Gleichwohl gibt es aufgrund der in Hamburg geübten Praxis auch im Ländervergleich hierfür keinen sachlichen Grund. Fehlentscheidungen, die es auch in Hamburg in der Vergangenheit gegeben hat, werden Sie hierdurch nicht ausschließen können. Dafür ist die Prognose in vielen Fällen zu komplex.

Wogegen wir uns aber wehren, ist, dass Sie versuchen, den Bürgern weiszumachen, dass man durch diese rein organisatorische Umgestaltung ein höheres Maß an Sicherheit erreichen werde. Das Einzige, was Sie erreichen werden, ist eine weitere Zunahme der Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaft.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Und als ob Ihnen das nicht genug wäre, soll die Einweisungskommission, die darüber zu entscheiden hat, in welche Anstalt ein Häftling eingewiesen wird, aufgelöst werden. Ihre Aufgaben sollen nun ebenfalls von der Staatsanwaltschaft wahrgenommen werden, selbstverständlich ohne personelle Verstärkung. Herr Senator, wenn man sich

(Erster Vizepräsident Berndt Röder)

dieses alles noch einmal vor Augen führt, wird man schnell feststellen, dass die Entlastungen durch die neuen Staatsanwälte mehr als komplett aufgezehrt werden von den neuen Aufgaben, die Sie dieser Behörde aufhalsen.

Der nächste Punkt ist der von Ihnen propagierte Strafvollzug. Was wir hier seit über einem Jahr in Hamburg im Bereich des Strafvollzugs erleben, ist eine reine Mangelverwaltung unter Außerachtlassung der gesetzlichen Vollzugsziele.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Am 27. Juni dieses Jahres haben Sie in der Bürgerschaft gesagt – ich zitiere wörtlich –:

„Nach noch nicht einmal einjähriger Regierungszeit ist der Senat nicht in der Lage, ein vollständiges Vollzugskonzept vorzulegen. Er will es auch gar nicht tun, weil die Sorgfalt in der Analyse der Zustände gegenüber schnellen, wortgewaltigen Sprüchen vorrangig ist.“

Wenn es denn so wäre, stattdessen nur Einzelmaßnahmen wie Stopp des Spritzentausches, Einschränkung des Methadon-Programms, Kürzung bei der Gefangenenarbeit.

Ich stelle fest, dass Sie es auch nach über einem Jahr Regierungszeit immer noch nicht geschafft haben, zu einem der von Ihnen selbst als vorrangig erklärten Politikbereiche ein Konzept zu erarbeiten, geschweige denn es in dieser Bürgerschaft zur Diskussion zu stellen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das ist Arbeitsverweigerung, sechs, setzen.

(Michael Neumann SPD: Lieber aufstehen und gehen! – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Wir blei- ben sitzen und Sie auf der Oppositionsbank!)

Was wir bekommen, sind dagegen unausgegorene Überlegungen, die von zwei Maximen getragen sind: Geschlossener Vollzug um jeden Preis und krampfhafte Bemühungen, die Mammutanstalt Billwerder zu finanzieren einschließlich der Plünderung des Topfes Gewinnabschöpfung, und das gesetzlich vorgegebene Ziel der Resozialisierung bleibt auf der Strecke.

Damit sind wir beim nächsten Thema. Eine Anstalt des Ausmaßes Billwerder hat es in Hamburg noch nicht gegeben. Wir Sozialdemokraten sind gegen diese Mammutanstalt, wir sind gegen einen Wegsperrvollzug, wie Sie ihn hier praktizieren wollen. Wir sind auch gegen eine unkritische Übernahme des bayerischen Personalschlüssels für Justizvollzugsbedienstete, weil die Klientel in den Hamburger Anstalten nun mal eine andere ist als im Niederbayerischen. Wir sehen uns bestätigt durch das Manifest des Forums Hamburger Strafvollzug und Straffälligenhilfe. Unsere Vorstellungen haben wir im Antrag 17/1862 zusammengefasst, über den wir morgen abstimmen.

Aber gut, Sie sind an der Regierung, Sie treffen die Entscheidungen,

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

auch wenn sich das manchmal schnell ändern kann.

Sie haben es aber auch zu verantworten, was mit der Zeit aus dieser neuen Anstalt wird. Sie sind dabei, eine Schule des Verbrechens und eine Bildungsstätte für Rückfalltäter aufzubauen,

(Beifall bei der SPD und der GAL)

wenn Ihnen nicht – das meine ich mit aufbauen – mittendrin das Geld ausgeht. Denn wie wir erfahren haben, klafft in der Anstaltsfinanzierung ein Loch von 3 Millionen Euro. Sie haben sich verkalkuliert und das Parlament wurde getäuscht. Es stellt sich auch die Frage, wann Sie, Herr Senator, von diesem Finanzierungsloch gewusst haben. Was kommt noch alles auf uns zu.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Wir sind hier nicht in Berlin!)

Das gesamte Billwerder-Projekt und seine Finanzierung sind doch jetzt schon eine einzige Blamage und eine schwere Schlappe für den Senat. Die Katastrophe nimmt weiter ihren Lauf, wenn Sie das zukünftige Billwerder-Personal aus den Anstalten in Fuhlsbüttel abziehen. Dort ist die Lage doch schon so angespannt, dass es Schwierigkeiten macht, Urlaubspläne aufzustellen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Märchenstunde!)

Das wird sich noch verschärfen, wenn die Zwölf-StundenSchichten eingeführt werden. Die Bediensteten der Vollzugsanstalten werden nicht vergessen, wem sie das zu verdanken haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zu Fuhlsbüttel: Sie unterliegen einem fatalen Irrtum, wenn Sie glauben, durch den Verzicht auf eine Anstaltsleitung irgendeines der vielen Probleme in den Anstalten lösen zu können. Die Aufgaben bleiben weiter bestehen. Durch den Personalabbau machen Sie es den Menschen nicht einfacher.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Sie sind dabei, alles kaputtzumachen, was Ihre Vorgängersenatorinnen und -senatoren geleistet haben, es sei denn, Sie können greifbare Erfolge des früheren Senats als eigene Verdienste verkaufen. Aber täuschen Sie sich nicht. Wie die Hamburger Bürger über Ihre Arbeit denken, haben Sie aufgrund einer Umfrage im Spätsommer erfahren.

(Vizepräsident Peter Paul Müller übernimmt den Vorsitz.)

Sie hatten das schlechteste Ergebnis von allen Senatoren Ihrer Partei. Herzlichen Glückwunsch! – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat die Abgeordnete Spethmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Justiz ist eine der wichtigsten Säulen des demokratischen Rechtsstaats. Dieser Senat stärkt und unterstützt sie im Gegensatz zu den vorherigen Senaten.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Christian Maaß GAL: Wie- der so ein Schwerpunkt!)

Uns ist es wichtig, dass die Zufriedenheit der Bürger mit dem Staat und mit dem Erscheinungsbild der Justiz zusammenkommt. Eine unabhängige Justiz ist unser angestrebtes Ziel. Daran werden Sie uns auch messen können.

Ich möchte das auch an einigen Beispielen festmachen. Herr Klooß, Sie bemängeln, dass keine weiteren Stellen bei der Justiz geschaffen wurden. Das ist ein Hohn. Ihre Senatorin hat dafür gesorgt, dass wir eigentlich zig Stellen hät

(Rolf-Dieter Klooß SPD)