Protocol of the Session on November 27, 2002

(Britta Ernst: Ja.)

Dann möchte ich jetzt dafür Sorge tragen, dass nach Möglichkeit die Rede hier nur vorm Mikrofon gehalten wird, denn der Saal ist sehr, sehr laut.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Herr Senator, falls Sie es immer noch nicht glauben, dass Ihre Schulpolitik nicht akzeptiert wird, führen Sie sich noch einmal die Emnid-Umfrage vom September vor Augen. Dort haben Sie schlechte Noten bekommen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP und Norbert Früh- auf Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Alte Kamel- len!)

Im Oktober wurde dies bestätigt. Nur Senator Schill bekommt noch schlechtere Noten in dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Burkhardt Mül- ler-Sönksen FDP: Lesen Sie mal die Emnid- Umfrage vom November!)

Im Übrigen hat die Regierungskoalition keine Mehrheit mehr in der Stadt für ihre Politik insgesamt. 59 Prozent der Eltern sind für einen Rücktritt des Senators und, ich glaube, das ist eine Gruppe, die weiß, wovon sie redet.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

(Erster Vizepräsident Berndt Röder)

Bisher hören wir zwei Argumentationen des Schulsenators auf die Kritik. Die eine ist, die Opposition sei Schuld, und die zweite ist, die Regierung habe ein Vermittlungsproblem. Ich sage Ihnen, Sie irren sich. Die Verantwortung liegt bei Ihnen und Sie haben ein Politikproblem, Sie machen falsche Schulpolitik. Die wird sehr wohl verstanden, aber die wird abgelehnt in dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion, Sie sollten diese Volkspetition zum Anlass nehmen, Ihre Politik einmal zu überdenken und eine Kehrtwende zu machen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Kehrtwende zu rotgrüner Schulpolitik?)

Der Haushalt 2003 ist noch nicht beschlossen. Der Abgeordnete Silberbach hat einen Vorstoß gemacht und gesagt, dass er die Abschaffung der Lernmittelfreiheit nicht mittragen würde. Vielleicht ist das ein wichtiger Anfang. Hören Sie auf das, was an den Schulen diskutiert wird, holen Sie sich Rat bei den Kammern, setzen Sie sich damit auseinander und nehmen Sie Ihre Rechte als Abgeordnete bei diesem wichtigen Instrument der Bürgerbeteiligung wahr. Machen Sie Bildung in Hamburg zu einem Schwerpunkt. Die SPD-Fraktion wird die Volkspetition jedenfalls unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Drews.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ernst, das war ein Auftritt, bei dem man glauben könnte, wenn man Sie das erste Mal gehört hätte, dass Sie Recht hätten. Sie müssen nicht ausblenden, was sich vor dem Oktober letzten Jahres 44 Jahre in dieser Stadt abgespielt hat.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Lachen bei der SPD und der GAL)

Ich weiß, dass Sie bereits nach einem Jahr von den Regierenden dieser Stadt erwarten, dass sie Ihre Defizite, die Sie über Jahrzehnte, als Sie die schulpolitische Verantwortung im Ausschuss Ihrer Fraktion getragen haben, bessern können. Aber, meine Damen und Herren, all die Defizite, die Sie über 40 Jahre in dieser Stadt angesammelt haben, können wir nicht von heute auf morgen beseitigen, erst recht nicht bei der Schuldenlage, die Sie der Stadt hinterlassen haben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das ist wahr!)

Getreu dem alten Grundsatz, man sucht sich aus der Bibel das heraus, was für den jeweiligen Sonntag oder Mittwoch – die Bürgerschaft tagt ja immer mittwochs – gerade passt, haben Sie einige Punkte genannt.

Frau Ernst, dem möchte ich entgegenhalten: Wo haben Sie mit irgendeiner Silbe erwähnt, dass Sie es in den Jahren, als Sie regiert haben, geschafft haben, dass zum Beispiel 1991 die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die überhaupt keinen Schulabschluss in dieser Stadt gemacht haben, bei 9,5 Prozent lag und in zehn Jahren, im Jahre 2001, auf 12,2 Prozent anstieg? Wo war da Ihr Herz für die Gerechtigkeit? Wo war da Ihre Zunge? Wo waren da Ihre Äußerungen für die Schwächsten dieser Stadt?

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Sie sagen, dass Sie Vorschläge machen würden. Frau Ernst, Ihre Vorschläge sind

(Zuruf von der Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Unglaubwürdig!)

zwiegespalten. Sie veranstalten einen Bildungsparteitag, weil Ihr Mann, der SPD-Landesvorsitzende in dieser Stadt, sagt, wir brauchen neue Köpfe und wir wollen neue Themen bringen. Wie sehen die neuen Themen denn aus? Sie diskutieren mit Ihrem Abgeordneten Buss in der Bütt, als seien die Gesamtschulerfahrungen der letzten 20 Jahre völlig an der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Hamburg vorbeigegangen. Sie diskutieren ernsthaft die Einführung der Gesamtschule als einzig mögliche Schulform in dieser Stadt. So sieht es mit dem Elternwillen aus, meine Damen und Herren, wenn man sich die sozialdemokratischen Bildungsinhalte anguckt.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Uwe Grund SPD: Jenseits von gut und böse!)

Selbst die Genossen in Schleswig-Holstein sind weiter als Sie.

Kommen wir noch zu einigen weiteren Punkten. Selbstverständlich ist es völlig richtig, dass Bildung eine hohe Priorität hat. Insofern ist es auch völlig in Ordnung, dass sich Lehrerinnen, Lehrer, Schüler, Eltern darum sorgen, dass die Bildung immer besser wird. Gucken wir uns die Fakten an.

Fakt eins ist, dass der Haushalt trotz schwächerer Haushaltslage, trotz erneut sinkenden Steueraufkommens auch im nächsten Jahr steigen wird. Das werden wir in den Haushaltsberatungen noch ausführlich besprechen. Sie selber wissen das auch.

Aber, Frau Ernst, Sie können sich doch nicht hier hinstellen und sagen, dass das Weiter-so-wie-bisher wirklich der richtige Weg war. Das Weiter-so-wie-bisher würde heißen, dass wir einseitig zugunsten der Schülerinnen und Schüler, die eine Gesamtschule besuchen, auf der anderen Seite all diejenigen vernachlässigen, die auf eine Haupt- oder Realschule gehen. Auch hier frage ich Sie: Wo ist wirklich Ihr Engagement für die Schwächeren und Schwächsten in dieser Stadt? Das müssen Sie sich fragen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Hier wird einfach nur kritisiert und nicht positiv gestaltet. Sie haben unterschlagen und nicht erwähnt, dass wir in Rekordzeit, gegen viele Widerstände, die flächendeckende Einführung des Abiturs nach zwölf Jahren, die Verbesserung der Sprachförderung, die Deutschkurse für Mütter an der Volkshochschule, die verbindlichen Standards in den Bildungsplänen, die Neufassung des Schulgesetzes und den Ausbau der Ganztagsschulen eingebracht haben, um nur einige wenige Maßnahmen zu nennen.

(Ingo Egloff SPD: Sie haben gar nichts gebracht!)

Sie können nicht erwarten, erst recht nicht so wie Sie in der Bildungslandschaft dieser Stadt zum Teil rumhetzen, dass jeder versteht, was wir in einem Jahr verbessern wollen.

(Ingo Egloff SPD: Das verstehen Sie ja selber nicht!)

Ich bin mir völlig sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger nach vier Jahren Periode, also in drei Jahren, erkennen

(Britta Ernst SPD)

werden, dass der Umbau für mehr Leistungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in dieser Stadt gelungen ist.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Frau Ernst, dass Sie in der Tat relativ zahnlos mit Ihren Vorstößen sind, auch die Presse für sich zu gewinnen, die mittlerweile schlauer wird, kann man an drei Beispielen nennen.

Erstens: Obgleich wir zu dem Thema Berufsbildungszentren zwei-, drei-, vier- und fünfmal und der Senator und ich es vor zwei Wochen noch einmal gesagt haben, dass es keine Privatisierung und Übernahme der Berufsbildungszentren durch die Handelskammer gibt, stellt drei Tage später der Abgeordnete Schmidt, der auch anwesend war, eine Kleine Anfrage, als hätte er völlig ausgeklinkt, was hier in der Bürgerschaft gelaufen ist. Das meine ich damit, dass Sie nicht zur Kenntnis nehmen, was an Politik in dieser Stadt durch uns gestaltet wird,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Zurückrudern! – Ingo Egloff SPD: Sie haben doch Angst bekommen!)

und durch das Wiederkauen von falschen Fakten werden Ihre Weisheiten nicht wahrer.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Elke Thomas CDU: Genau!)

Aus der so großen Anhörung der Fachoberschulen, Frau Ernst, haben Sie auch höchstens 40 Prozent der Medaillenwahrheit zitiert.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Es ist in dieser Anhörung auf die Frage, ob den Jugendlichen Chancen im Bereich der beruflichen Zukunft verwehrt werden würden, deutlich geworden, dass dieses nicht der Fall ist, weil es auch für schwächere Jugendliche in dieser Stadt sechs weitere Möglichkeiten gibt, soviel wie in kaum einem anderen Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. – Ich danke Ihnen.