Meine Damen und Herren, genau das geht nicht. Genau dieses verfehlte Selbstverständnis der Sozialdemokraten als geborene hamburgische Staatspartei hat dazu geführt, dass sich Volksinitiativen wie diese gebildet haben, die mehr Mitbestimmung fordern.
Zur CDU. Ihre Skepsis im Umgang mit Volksinitiativen ist uns bekannt. Wir kennen den Umgang mit den Volksbegehren und Volksinitiativen in Altona zur Stresemannstraße und jetzt aktuell gerade in Bergstedt. Außerdem ist es bekanntlich Ihre Partei gewesen, die durch fehlende innerparteiliche Demokratie dafür gesorgt hat, dass wir 1993 die gesamten Bürgerschaftswahlen wiederholen mussten.
Man muss zugeben, dass es seitdem formal einige Verbesserungen gegeben hat, aber eine wirkliche innerparteiliche Bestenauslese findet in Ihrer Partei immer noch nicht statt. Ich möchte das an folgendem Beispiel deutlich machen.
Normalerweise finden Regierungsbildungen so statt, dass sich der Erste Bürgermeister oder Ministerpräsident aus
den Reihen seiner Fraktionen Minister oder in diesem Falle Senatoren aussucht. Das kann er aber nur machen, wenn sich in der Fraktion tatsächlich die entsprechenden fähigen Persönlichkeiten befinden, wenn das im Wahlrecht und in der innerparteilichen Demokratie so funktioniert hat, dass die Besten und die Fähigen auch in der Fraktion sitzen. Wenn ich mir aber den Senat angucke,
muss ich feststellen, dass der Erste Bürgermeister keinen einzigen aus der Fraktion zum Senator und gerade einen einzigen zum Staatsrat ernannt hat.
Da kann man sehen, was für ein toller Talentschuppen diese CDU-Fraktion ist und wie sehr das Wahlrecht dafür gesorgt hat.
Genau darum geht es, und zwar durch das Wahlrecht die Auswahl der Besten sicherzustellen. Es muss auch möglich sein, herausragende Einzelbewerber außerhalb der Parteien in dieses Parlament zu holen. Das wollen wir. In der Bürgerschaft müssen auch Einzelpersonen, die für dieses Volk sprechen können, außerhalb der Parteien gewählt werden können. Wer die Besten sind – auch innerhalb der Parteien –, kann am ehesten das Volk entscheiden, und zwar sehr viel besser als die Altherrenrunden in den Hinterzimmern der Parteitage.
Herr Reinert, wenn man sich die von Ihnen erhobenen Einwände anguckt, wir würden zum Beispiel Volksnähe vermissen, verwundert mich das, wenn man sich Ihre Geschichte und die gerade von mir geschilderten verschiedenen Vorgänge innerhalb der CDU anguckt.
Herr Reinert, von Ihnen müssen sich die Grünen nun wirklich keine Basisdemokratie beibringen lassen. Da kann ich tatsächlich nur lachen.
Herr Rutter, Sie haben gesagt, es bestünde durch dieses Wahlrecht praktisch die Gefahr, dass gegenläufige Interessen ins Parlament gewählt würden. Sie haben das am Beispiel der Ortsumgehung Finkenwerder dargestellt.
Genau das ist das Wesen der Demokratie. Wir sind hier, um die Interessen der Bürger zu vertreten und um diese Interessen zu einem Ausgleich zu bringen. Deswegen brauchen wir ein neues Wahlrecht, das dafür sorgt, dass diese Interessen hier vorhanden sind.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will einmal bei Herrn Maaß anfangen, weil er sich so lebhaft engagiert hat. Er sagte, die Fähigsten und die Besten werden ausgesucht. Ich bin davon überzeugt, dass das für die fähigsten und besten Selbstdarsteller zutreffen mag.
Ich möchte aber gewisse Zweifel anmelden, ob das in der Sache insgesamt zutreffend ist, habe aber den Trost, dass ein Teil des Vorschlags auch über Landeslisten kommen soll. Insofern gleicht sich das möglicherweise wieder aus. Im Übrigen haben Sie, Herr Maaß – den Eindruck hatte ich besonders deutlich –, natürlich total selbstlos und ohne jedes parteipolitische Interesse gesprochen.
Es ist außerordentlich beachtlich und erfreulich, dass eine Bürgerinitiative sich überhaupt mit diesem Thema beschäftigt.
Es spricht dafür, dass die Bürger sich eben doch mehr mit Politik und mit theoretischen Fragen der Politik beschäftigten, als wir gemeinhin annehmen.
Es gibt gar keinen Grund zum Lachen, Herr Rumpf. Das ist nun einmal so. Die Feststellung ist legitim.
Auf der anderen Seite möchte ich die Begriffe „Komplexität“ und „Kompliziertheit“, die mein Vorsitzender genannt hat, noch einmal aufnehmen. Der Anspruch an Politik muss so sein, dass komplexe Themen möglichst transparent dargestellt werden. Bei dem Vorschlag der Initiative habe ich gewisse Zweifel. Wenn ich in Paragraph 4 sehe, was da alles zusammengezählt, dividiert und nach welchem Verfahren berechnet werden soll, habe ich Zweifel, ob das jeder versteht. Damit sich niemand auf die Füße getreten fühlt, ich habe auch Zweifel, ob Sie das alles verstehen, und wir befinden uns ja in der Situation, dass wir es eigentlich kapieren sollten.
Herr Rutter hat gesagt, das Wahlrecht sei nicht optimal. Dass man den Vorschlag als optimal bezeichnet, wäre aber auch etwas übertrieben. Ich unterstreiche die Aussage, dass Bürgernähe eigentlich nicht vom Wahlrecht abhängt. Die Begründung der Initiative – zehn gute Gründe für ein neues Wahlrecht in Hamburg – ist etwas grob geschnitzt. Ich habe den Eindruck, dass die Ausnahme in Bezug auf Politiker, was Bürgernähe und Ähnliches anbelangt, zur Regel erhoben wird.
Relative Einigkeit stelle ich in Bezug darauf fest, dass Wahlkreise mit Ernsthaftigkeit betrieben werden sollten. Aber auch da steckt der Teufel im Detail: Viele Wahlkreise, wenige Wahlkreise, die Bezirksgrenzen sollen berücksichtigt werden, gewachsene Strukturen sollen berücksichtigt werden, es sollen nach Möglichkeit die gleichen Einwohnerzahlen sein oder es gibt statt fünf nur drei Stimmen. All diese Dinge sind nicht einfach zu berücksichtigten.
Natürlich haben wir keinen Grund zur Angst, Herr Rumpf, wenn wir einen solchen Gesetzentwurf auf den Tisch bekommen. Das hat auch niemand behauptet.
Das Thema Wahlkreise wird in der SPD schon relativ lange bewegt. Ich gebe zu, dass wir dazu keine abschließende Meinung ins Parlament gebracht haben, aber wir haben in den Neunzigerjahren darüber geredet, dass so etwas eine breite parlamentarische Mehrheit haben muss. Der Ansicht bin ich nach wie vor.
Wenn man den Bürgern etwas Neues gibt, was besser sein soll, dann ist es nicht gut, wenn es mit einer geringen parlamentarischen Mehrheit beschlossen wird.
Nun ist auch die Frage der ungültigen Stimmen aufgekommen und sie ist ein bisschen weggewischt worden. Ungültige Stimmen sind auch ein Indiz für Unverständlichkeit.