Protocol of the Session on June 26, 2002

Dann folgte eine höhere Einkommensteuerentwicklung. Danach kommt ein richtiger Einbruch, den Herr Peiner mit vielen Worten erklärt hat: Das sind die Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform. Es gab – das ist in diesem Land bekannt, weil es Ende Januar/Anfang Februar alle Zeitungen geschrieben haben – eine Systemumstellung, die für die Europatauglichkeit der deutschen Unternehmensbesteuerung wichtig ist. Diese Systemumstellung hat wegen der Anwendung des alten Rechts insbesondere in 2001 dramatische Auswirkungen. Das wird zum Glück auch nicht von Politikern wie Lothar Späth bezweifelt, der unsere Steuerreform für insgesamt ganz gelungen hält.

Es gibt nur immer wieder Menschen, die nicht gern die Wahrheit sagen oder sich nicht kundig machen, dass zwei Drittel der Körperschaftsteuereinbrüche auf die Anwendung alten Rechts, auf die lahmende Konjunktur, und – passen Sie auf – zu einem Drittel auf die Absenkung der Tarife zurückzuführen sind. Die Absenkung der Tarife haben wir gewollt, aber darin wollen Sie uns noch toppen.

Ich werde mich in dieser Debatte noch einmal zu Wort melden, weil ich bei dem steuerpolitischen Unsinn, den wir zu erwarten haben, wenn Sie in Berlin an die Regierung kommen, noch nicht ganz zu Ende gekommen bin. Das möchte ich noch ausführen, denn es ist noch dramatisch genug.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Herr Senator Uldall.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz aller Dramatik in den Ausführungen meiner Vorrednerin, der Grafiken, Tabellen und Statistiken muss man feststellen: Die Eichel-Reform hat riesige Steuerausfälle, aber nichts an zusätzlicher Beschäftigung gebracht.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Alexander Porschke GAL: Jetzt spricht der Blinde von der Farbe!)

Deswegen möchte ich mit allem Nachdruck sagen: Die Steuersituation ist wirklich mit ernsthafter Sorge zu betrachten. Wir werden in den kommenden Jahren Einnahmeverluste von jährlich 400 Millionen Euro zu verzeichnen haben. Da muss es einen Sozialdemokraten schon sehr schmerzen, wenn diese Steuerausfälle vor allen Dingen dadurch eintreten, dass gerade die großen Körperschaften – Aktiengesellschaften und GmbHs – faktisch keine Steuern mehr bezahlen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben bei der Körperschaftsteuer einen Verlust – das hat Kollege Tants vorhin ausgeführt – von 20 Milliarden Euro. Das ist eine unfassbare Zahl. Finanzsenator Peiner hätte, wenn die Steuerreform nicht in dieser falschen Weise durchgeführt worden wäre, Jahr für Jahr 400 Millionen Euro mehr zur Verfügung gehabt. Der größte Teil seiner Sorgen würde dann nicht mehr auf seinem Haupt liegen und wir hätten wieder einen finanziell positiven Handlungsspielraum in Deutschland.

(Michael Neumann SPD: Sie müssen nicht regie- ren, wenn Sie nicht wollen! – Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Eine Sekunde.

Was das bedeutet, wird an der Steuerlast deutlich, die ein großes Unternehmen wie Volkswagen kürzlich veröffentlicht hat. Der Volkswagen-Konzern hat seinen Vorsteuergewinn um 37 Prozent gesteigert; das ist eine erfreuliche Mitteilung. Wir freuen uns, wenn die Unternehmen Gewinne machen.

(Thomas Böwer SPD: Das nenne ich Steuerreform!)

Der Gewinn nach Steuern stieg jedoch nicht um 37 Prozent, sondern um 144 Prozent. Das ist der Fehler, den man diesem Steuersystem anrechnen muss. Hier sind völlig unnötigerweise Faktoren in das Steuersystem eingebaut worden, die vor allen Dingen eines produziert haben: Steuerausfälle, die aber keinerlei positive Effekte auf die wirtschaftliche Entwicklung gehabt haben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Bitte die Zwischenfrage.

Herr Senator, ich beziehe mich auf die Umstellung in der Steuersystematik, die Sie vor zwei Sätzen erwähnt haben. Können Sie mir erklären, warum Herr Stoiber diese Systemumstellung

(Anja Hajduk GAL)

erhalten will, obwohl Sie hier gesagt haben, dass diese eigentlich nicht zu verantworten gewesen wäre?

Frau Kollegin Hajduk! Wenn Sie ein Steuersystem umstellen, dann führt das zu sehr schmerzhaften Prozessen in den Unternehmen. Als einer, der ständig dafür gearbeitet hat, kann ich nur sagen, dass wir zu einem verständlichen Steuersystem in Deutschland kommen müssen. Wir sollten das System nicht noch einmal kurzfristig umstellen, sondern eine richtige, langfristige Reform machen. Die FDP-Vorschläge von 15, 25, 35 Prozent klingen ein bisschen nach 8, 18, 28 Prozent von Gunnar Uldall.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Darüber wollen wir uns aber nicht streiten. Über die Vaterschaft zu streiten, lohnt sich eigentlich immer nur dann, wenn das Kind besonders hübsch geworden ist.

(Michael Neumann SPD: Das war eine Missgeburt!)

Deswegen wollen wir das jetzt nicht tun, sondern gemeinsam an der Zielsetzung arbeiten.

Das Absenken der Steuertarife ist richtig gewesen. Aber Eichel hat es fertig gebracht, eine Absenkung vorzunehmen, ohne in der Steuerstruktur auch nur irgendetwas zu erreichen.

Normalerweise bedeutet ein Reduzieren der Steuersätze, dass die Wirtschaft anfängt zu boomen und neue Arbeitsplätze entstehen. Bei Eichel ist genau das Gegenteil eingetreten. Es ist nicht mehr Wirtschaftswachstum entstanden, wir haben die seit langem schlechteste Wachstumssituation und eine verheerende Lage auf dem Arbeitsmarkt. Deswegen sage ich: Das hat sich die rotgrüne Koalition in Berlin anzuziehen. Sie tragen die Verantwortung dafür,

(Farid Müller GAL: Ihre Länderkollegen haben aber zugestimmt!)

dass es eben zu keinem vernünftigen Aufschwung gekommen ist, wie er aufgrund einer richtigen Steuerreform zu erwarten gewesen wäre.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Die Hauptursache der schlechten Lage in Deutschland ist der übermäßige Anteil des Staates am Bruttoinlandsprodukt. Diese Staatsquote – die ich einmal als den Indikator bezeichnen möchte, in welchem Umfang der Staat der Wirtschaft freien Lauf lässt –, hat sich in allen europäischen Ländern zurückentwickelt. Ich nenne einige Zahlen:

In Finnland waren es in den letzten sieben Jahren minus 10 Prozent, in Schweden minus 8 Prozent, in Italien minus 7 Prozent und in den Niederlanden minus 7 Prozent. Es gibt nur ein Land, in dem die Staatsquote auf dem gleichen Stand wie 1998 ist: die Bundesrepublik Deutschland. Deswegen hat Herr Frühauf völlig richtig gesagt, dass wir in Deutschland langsam zum Schlusslicht auf allen wirtschaftlichen Gebieten geworden sind.

Mehr Freiraum für die private Wirtschaft bedeutet auch das Entstehen von mehr Arbeitsplätzen. Je mehr Staat, desto weniger Arbeitsplätze, desto mehr Arbeitslosigkeit. Diese Grunderkenntnis zeigt die Entwicklung aller europäischen Nachbarländer. Deutschland sollte daraus auch die Konsequenzen ziehen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ich möchte diese Gelegenheit aber nicht versäumen, um noch zwei Sätze zur Hartz-Kommission zu sagen.

Die Hartz-Kommission hat eine Fülle von guten Vorschlägen unterbreitet. Diese Vorschläge – bis auf einige wenige Punkte – teile ich. Sie sind weitgehend mit dem deckungsgleich, was ich an dieser Stelle schon mehrfach vorgetragen habe und worauf die Sozialdemokraten und die Grünen immer sehr kritisch reagierten.

(Ingo Egloff SPD: Das werden wir auch weiter- machen!)

Es sollte Ihnen zu denken geben, dass eine von der rotgrünen Regierung eingesetzte Kommission

(Anja Hajduk GAL: Absichtlich, wir wollen doch was lernen!)

unsere unterbreiteten Vorschläge ausdrücklich bestätigt hat. Wenn drei Monate vor einer Bundestagswahl die eigene Kommission der Bundesregierung bestätigt, dass eine Kehrtwendung um 180 Grad erforderlich sei und die alten Wege zu nichts als nur zu mehr Arbeitslosigkeit führen würde, dann ist das an Peinlichkeit für die Bundesregierung nicht mehr zu überbieten.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Deswegen wird dieser Senat seine Wirtschaftspolitik so fortsetzen, wie er sie begonnen hat. Es gibt keine Alternative zur Haushaltskonsolidierung, zur wirtschaftsfreundlichen Politik für Handwerk und Mittelstand und für eine Politik, die sich auf den Ersten Arbeitsmarkt konzentriert nach der Devise: Fördern, Fordern, Effizienz. Wenn wir diese Politik durchhalten, dann leisten wir einen positiven Beitrag für die Entwicklung der Wirtschaft auch in Hamburg.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat Herr Müller-Sönksen.

(Michael Neumann SPD: Jetzt kommt endlich mal Sachverstand in die Debatte!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Herr Egloff, Sie haben natürlich versucht, den Kollegen der Bundesregierung das Wort zu reden. Aber die Märchenstunden von Herrn Eichel und dem Wirtschaftsminister Müller in Berlin sind unredlich.

Sie sind weiterhin ein Beweis dafür, dass die Sozialdemokraten in Berlin – aber auch in Hamburg – offensichtlich nur in der Lage sind, in großen Einheiten wie zum Beispiel an VW zu denken. Das ist weiß Gott keine kleine Firma. Wenn Sie sich einmal den Anteil von VW am Bruttoinlandsprodukt – also das, was erwirtschaftet wird – anschauen, dann ist dies nur ein sehr kleiner Teil des prominenten Konzerns.

Auch bei der von Ihnen durchgeführten Steuerreform haben Sie die inhabergeführten Firmen und Unternehmungen tatsächlich nicht berücksichtigt, diese steuerlich auch benachteiligt und diskriminiert. Das ist einer der wesentlichen Punkte, die wir nach dem 22. September mit der neuen Bundesregierung ändern werden.

(Anja Hajduk GAL)