Protocol of the Session on June 26, 2002

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Pauly, dass Sie hier sagen, die

Haushaltskonsolidierung der Bundesregierung sei verfehlt, wundert mich doch sehr. Anscheinend haben Sie verdrängt, dass Sie 16 Jahre zusammen mit der CDU dafür gesorgt haben, dass die Schulden in der Bundesrepublik ins Unermessliche gestiegen sind. Das ist doch Fakt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

1998 beim Regierungswechsel betrug die Bundesschuld 740 Milliarden DM.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Erich Honecker lässt grüßen!)

Die Konsolidierung ist das Ergebnis der Politik von Herrn Kohl und Ihnen, Herr Müller-Sönksen, und die FDP hat einen großen Teil Mitschuld daran.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Lachen bei der FDP)

Herr Kollege Müller-Sönksen, ich weiß gar nicht, warum Sie lachen. Wenn Frau Pauly sich hier hinstellt und behauptet, die Steuerpolitik der Bundesregierung würde zu den Einnahmeausfällen in dieser Stadt führen, dann frage ich mich, wie Sie eigentlich zu diesen Steuerplänen kommen, die Sie der Bevölkerung versuchen zu verkaufen

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Einfach, niedrig und gerecht!)

mit Steuersätzen von 15, 25 und 35 Prozent,

(Beifall bei der FDP)

wo doch jeder weiß, dass das überhaupt nicht zu finanzieren ist. Die Forderung, die Sie und die CDU aufstellen, die Staatsquote unter 40 Prozent zu senken, hieße Einnahmeausfälle in dieser Republik von 170 Milliarden Euro.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Sie können sich vor Steuereinnahmen nicht retten!)

Der Bundeshaushalt beträgt 246 Milliarden Euro. Erzählen Sie doch mal, wie die Stadt dieses verkraften soll, was Sie hier propagieren. Das ist steuerpolitische Geisterfahrerei und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Fakt ist jedenfalls, dass die rotgrüne Bundesregierung erst einmal das aufräumen musste, was Kohl und Sie hinterlassen haben.

(Lachen bei der CDU und der FDP)

Ich erinnere noch mal daran: 1998 4,5 Millionen Arbeitslose. Jetzt sind wir bei 3,9 Millionen.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Die Arbeitslosen sind alle in Rente gegangen!)

Auch das ist nicht gut. Das sind auch noch zu viele.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Aber es sind immerhin 500 000 weniger als zu Ihrer Regierungszeit. Das ist ein Fakt, der festzustellen ist bei 1,2 Millionen Arbeitsplätzen, die es mehr gibt. Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören, aber die Fakten sind nun einmal so.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich erinnere mich noch gut an die Forderung von CDU und FDP, man möge doch die Stufen der Steuerreform 2003 und 2005 vorziehen. Was hieße das denn für die Einnahmesituation in dieser Stadt? Darüber verlieren Sie kein Wort. Es ist im höchsten Maße falsch, was Sie hier sagen.

(Rose-Felicitas Pauly FDP)

Es ist nicht solide und auch nicht durchfinanziert. Deswegen sagen Sie auch nicht, wie Sie es finanzieren wollen. Sie behaupten einfach etwas, ohne den Beweis antreten zu können, dass es funktioniert.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Burkhardt Mül- ler-Sönksen FDP: Gucken Sie sich doch um!)

Es ist auch nicht richtig, Frau Pauly, dass der Mittelstand die Hauptlast in diesem Land bei den Steuern trägt. Das sind nach wie vor die Arbeitnehmer in dieser Republik.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Der Sachverständigenrat zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat nach seinen Untersuchungen bestätigt, dass die Personengesellschaften als Ergebnis der Steuerreform geringer belastet werden als Kapitalgesellschaften, weil die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer anzurechnen ist. Die durchschnittliche Belastung des Mittelstandes liegt bei 31 Prozent.

(Rose-Felicitas Pauly FDP: Nur zum Teil!)

Hören Sie auf, hier irgendwelche Parolen zu verbreiten, versuchen Sie nicht, mit den alten Kamellen wie Scheinselbstständigkeit zu kommen, sondern sagen Sie, wie Sie das, was Sie vorschlagen, finanzieren wollen. Das sind Sie bisher schuldig geblieben. Solange Sie da keine Antwort haben, werden Sie mit Ihrer Harakiri-Steuerpolitik in dieser Republik auch nicht durchkommen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Tants.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Egloff, wenn Sie heute zu Aldi gehen und der Verkäuferin auf die Frage, ob es richtig sei, dass sie bis Ende Mai mehr Steuern gezahlt habe als manches Großunternehmen in dieser Republik, mit Ja antworten müssen und dann zu ihr hingehen und sagen, Schuld ist der alte Kohl, dann ist das Kohl.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Meine Damen und Herren! Das sind Fakten, die Sie sehen müssen. Wenn ich dann lese, Herr Grund, dass das mit diesen 1,7 Milliarden Euro in der Bundestagsdebatte in der Aktuellen Stunde auch schon hochgezogen worden ist, dann sind das alles nicht ernst zu nehmende Dinge. Wenn ich eins und eins zusammenzähle, dann sind das zwei. Das ist richtig.

(Michael Neumann SPD: Schuldenreduzierung! Schuldenabbau!)

Wenn ich dann aber sehe, dass wieder eins davon abgezogen werden muss, und das vergesse, dann komme ich wissentlich zu falschen Zahlen. Fakt ist, meine Damen und Herren, dass Deutschland unter Rotgrün von den 15 Mitgliedstaaten Schlusslicht geworden ist. Fakt ist, dass sich zunehmend eine Schieflage im Haushalt und der Verschuldung von Bund und Ländern zu Lasten der Länder feststellen lässt. Das sagen sogar Ihre Kollegen SPDFinanzminister. Horchen Sie mal in die Fraktionen der einzelnen Landtage.

Meine Damen und Herren! Was ist denn Ursache dafür? Bei der Deutschen Einheit ist noch ganz bewusst gesagt worden, dass die Länder das nicht wuppen können. Die

Einheitsfinanzierung muss zum großen Teil der Bund tragen. Was machen Sie denn jetzt?

(Michael Neumann SPD: Schuldenabbau, investie- ren in die Zukunft!)

Sie nehmen die Steuern, die Sie haben können, zum Beispiel Verbrauchssteuern, die Ökosteuer,

(Rose-Felicitas Pauly FDP: Und die Tabaksteuer!)

UMTS-Erlöse, die behalten Sie fein für sich, Bundesbankgewinne und all diese Dinge, die behält der Bund wunderbar für sich, sagt, das ist ganz toll. Es geht ja sogar so weit, dass dem Bundesfinanzminister sogar gesagt wird, die Länder haben so wenig Geld, dass sie die Kofinanzierung gar nicht mehr hinbekommen. Das nehmen wir auch noch zum Einsparen. Das, meine Damen und Herren, ist unsozial, weil das letztlich dazu führt, dass Länder und Gemeinden keine Finanzierungsspielräume mehr haben, Schwimmbäder schließen müssen und anderes.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, Landtagsdebatten durchzulesen. Da klagen Ihre Kollegen von der SPD in Baden-Württemberg über genau das Gleiche. Da sind sich alle Haushaltspolitiker der Länder einig. Nur Sie hier in Hamburg sagen, das war der alte Kohl. Meine Damen und Herren, das kann nicht angehen.

Nehmen Sie doch einmal das Körperschaftsteuereinkommen. 24 Milliarden Euro haben wir in 2000 gehabt. Das ist auf minus eine halbe Milliarde abgesackt in 2001. Das ist doch keine solide Steuerpolitik. Sie entlasten die Unternehmen und vergessen den Unternehmer. Sie haben völlig Recht, Herr Egloff, wenn Sie sagen, den größten Teil trägt der Arbeitnehmer. Nur, was haben Sie dem alles weggenommen und in Berlin behalten? Die Ökosteuer. Wo ist denn die geblieben? Der Verbraucher hat sie gezahlt. Die Kosten der Sozialsysteme sind nicht deutlich runtergegangen, wie versprochen. Wo ist das? Das ist in den Bundeshaushalt eingeflossen.

(Ingo Egloff SPD: Sie wären bei 22 Prozent!)

Dann sagen Sie dem Arbeitnehmer heute ganz einfach, Herr Egloff, ja, meine liebe Verkäuferin bei Aldi, du merkst zwar heute nichts davon, du merkst zwar heute, dass du weniger im Portemonnaie hast, aber 2005 da merkst du was davon. Wenn der Bund Länder und Gemeinden weiterhin so hängen lässt, meine Damen und Herren, und erst 2005 reagieren will, dann haben Sie den Aufstand in dieser Republik, weil die Leute nicht mehr können. Das sollte genügen für die erste Runde.