Im Wahljahr 2001 wurden 250 Lehrerstellen einfach weiterfinanziert, obwohl hierfür im Haushaltsplan überhaupt
keine Finanzmittel zur Verfügung gestellt wurden. Hier stelle ich ganz einfach einmal fest: An diesem Parlament sind 250 Lehrerstellen ohne Bewilligung eines gültigen Haushaltsplanes vorbeigeschleust worden.
Nun könnte man natürlich meinen, Sie hätten mit Masse auch Klasse geschaffen und die Debatten zum Thema PISA und LAU 9 in den letzten Monaten hätten gezeigt, dass Hamburg tatsächlich an der Spitze steht. Schauen wir uns das an.
In zentralen Punkten waren die Ergebnisse der PISA-Studie generell zu den zum gleichen Zeitpunkt veröffentlichten Befunden der LAU-9-Studie bestätigt worden. Im Gegensatz zu Rotgrün, die in den letzten Jahren viele Erhebungen durchführen ließen, muss man auch bereit sein, Frau Ernst, aus diesen Studien und Ergebnissen Konsequenzen zu ziehen.
Sie haben aber die Ergebnisse früherer Hamburger Untersuchungen – zum Beispiel LAU 5 und LAU 7 – bewusst ignoriert, nach denen unter anderem erhebliche Leistungsunterschiede bei Schülerinnen und Schülern nach der Grundschule auf fehlende, verbindlich vorgeschriebene Leistungsstandards zurückzuführen sind und im Zusammenhang mit der Schullaufbahnentscheidung unverändert soziale Barrieren entstehen. Wie passt das mit der Äußerung der ehemaligen Schulsenatorin Pape in der Haushaltsberatung am 12. Dezember 2000 zusammem, in der sie sagte: Wir wollen mehr und nicht weniger Chancengleichheit. Das wollten Sie 44 Jahre, nur haben Sie sie nicht erreicht.
Maximale Lernfortschritte sind ebenfalls – LAU 5 und LAU 7 haben es bestätigt – nur bei leistungsschwächeren Schülern erzielt worden, während die leistungsstärkeren Schüler ihren Fähigkeiten entsprechend in Hamburg nicht gefördert wurden. Diesen Mängeln setzt der Bürgersenat überzeugende und vor allem schlüssige und schnelle Maßnahmen für das erste Haushaltsjahr entgegen.
Erstens: Einen Ausbau des Ganztagsschulenangebots von einer auf drei Schulen pro Jahr. Bei den jetzt von Schulsenator Lange bewilligten Schulen handelt es sich zum Teil um einige, die schon 1996 unter Rotgrün ihren Antrag gestellt haben.
Zweitens: Verbesserung der Sprachförderung. Dies ist ein ganz zentrales Anliegen für den neuen Bürgersenat. Wir sagen ganz klar,
dass für uns die Sprachförderung in der politischen Ausrichtung eine konkrete und zentrale Wichtigkeit der nächsten Jahre hat.
So haben wir zum Beispiel in diesem Haushalt den Ansatz zur Förderung der sprachlichen Qualifizierung junger Mütter um 125 000 Euro...
... verbessert, die Ausweitung und Fortführung bilingualer Grundschulen vorangetrieben und ein Screening-Verfahren entwickelt, mit dem zum ersten Mal eine Überprüfung von Sprachstandards bei Kindern im Vorschulalter möglich sein wird, sodass festgestellte Sprachdefizite, Frau Ernst, beseitigt werden können. Hamburg wird damit bundesweit führend sein.
Drittens: In dem Konzept von Rudolf Lange und der Bürgerkoalition steht die Verbesserung der Leistungsorientierung im Hamburger Schulsystem. Für die SPD war das Wort „Leistung“ über Jahrzehnte ein Unwort.
Die Hamburger Schulen werden zum Beispiel durch das Abitur nach zwölf Jahren, Notenzeugnisse ab der dritten, vierten Klasse und die Abschlüsse mit zentral vorgegebenen Abschlussprüfungen ein stärkeres Gewicht bekommen. Das sind nur einige Antworten auf die Leistungsfeindlichkeit sozialdemokratischer Bildungspolitik der letzten Jahre in unserer Stadt.
Der vierte Punkt ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig: der gerechtere Einsatz knapper Haushaltsmittel.
Mit welcher Begründung sind Ihnen Kinder oder Jugendliche als Gesamtschüler mehr wert? Und warum ist ein Hauptschüler weniger wert als ein Realschüler?
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Luisa Fiedler SPD: Dann machen Sie es besser!)
Es ist wahrlich kein Ruhmesblatt, dass in einer vielgepriesenen Stadt wie Hamburg, die so viel Geld für das soziale System ausgibt, 14,5 Prozent Schülerinnen und Schüler die HR-Schulen ohne jeglichen Schulabschluss verlassen. Das ist ein Relikt gescheiterter sozialdemokratischer Bildungspolitik.
Es ist natürlich verständlich, dass ein Bereich, in dem es darum geht, vorhandene Ressourcen umzuschichten und effizientere Abläufe zu gestalten, bei denen zu Kritik führt, an die wir möglicherweise heranwollen, weil dort die effizienten Mittel nicht entsprechend eingesetzt werden. Jeder Veränderungsprozess zieht zunächst einmal negative Schlüsse auf sich, um danach das Positive zu erkennen.
Es gehört auch Mut dazu, etwas zu verändern anstatt im Stillstand und in Lethargie einer veralteten Bildungspolitik
zu verharren, die in unser Stadt auf die Herausforderungen der letzten Jahre nachweislich keine Antworten wusste.
Der neue Senat hat angesichts der steigenden Zahlen von unbesetzten dualen Ausbildungsplätzen bei weniger beliebten Berufen, aber auch bei Berufen eines Bank- und Versicherungskaufmanns, den richtigen Kurs eingeschlagen.
Im Bereich der beruflichen Bildung muss – das betone ich ausdrücklich – die Eingliederung der Jugendlichen auf dem Ausbildungsmarkt erste Priorität haben. Das betrifft genauso die Maßnahmen, die aus Bundesmitteln finanziert werden. Es wird auch ein Anliegen des Senats sein, Jugendliche in die Betriebsausbildung zu bringen anstatt in rotgrüne Maßnahmen zu parken, die nicht zu einer Ausbildung oder einem Beruf führen.
Lassen Sie mich abschließend noch einige Punkte zu den Bereichen sagen, die uns auch wichtig sein werden und die wir – damit Sie den Fokus schon einmal darauf richten können, Frau Ernst – in den nächsten Jahren angehen wollen.
Es ist uns genauso wichtig, die von Ihnen vernachlässigten Bereiche – wie zum Beispiel die Volkshochschule – stärker in das Blickfeld der Gesellschaft unserer Stadt zu richten. Die Volkshochschule war für Sie in den letzten Jahren ein Steinbruch des Sparens. Wir stehen zu diesem Bereich, sie ist eine wichtige Institution. Wir wollen notwendige Reformbemühungen für die und mit der Volkshochschule gemeinsam gestalten; das ist uns wichtig. Ich nenne als Beispiel die von Ihnen abgeschaffte oder fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten HASA- und RESAKurse, aber auch andere Dinge, die wahrlich kein sozialdemokratisches Ruhmesblatt sind.
Damit abschließend nicht der Eindruck entsteht, dass wir in allen Bereichen eine Kehrtwende vollziehen wollen, möchte ich eines ganz klar sagen: Professor Wallrabenstein von der Universität Hamburg ist mit Sicherheit dafür absolut unverdächtig, dass er der CDU oder dem Bürgersenat sehr nahe steht. Aber in einem Punkt, der auch das Anliegen der Bürgerkoalition sein wird, hat er Recht. Ich denke, dass auch Rudolf Lange ganz klar sein Augenmerk darauf richten wird.
„Das wesentliche Ziel der Bildung muss deshalb die Anregung von Kreativität und Gestaltungskraft sein. Hat doch die einseitige und übersteigerte Entwicklung der technischen Wissenschaften als Motor des seelenlosen wirtschaftlichen Wachstums die Zerstörung der nicht westlichen Kulturen unserer Umwelt zur Folge. Die Rationalisierung hat den Spielraum für Geduld, Unordnung, Experimente und Individualisierung verengt. Gerade die Individualität bedarf schulischer Förderung.“
Das ist auch das Anliegen der Bürgerkoalition: Die Individualität, die Fähigkeiten und die Motivation der einzelnen Schülerinnen und Schüler insbesondere in den Bereichen zu fördern, die Sie in den letzten Jahren vernachlässigt haben. – Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir debattieren heute einen Haushalt, der zu 99 Prozent von Rotgrün formuliert wurde.