Protocol of the Session on February 21, 2002

Es ist auch nicht einzusehen, dass jetzt zum Sommersemester keine Studierenden zugelassen werden sollen. Auch wenn dies möglicherweise für den Diplomstudiengang hilfreich sein sollte, reichen 27 Studierende für das Lehramt Informatik pro Jahr nicht aus. Deshalb, Herr Senator, meine Damen und Herren von der Koalition, müssen Sie handeln, und zwar dringend.

Für den weiteren Ausbau des Studiengangs Informatik muss es eine enge Kooperation mit dem Fachbereich Erziehungswissenschaft geben. Die fachliche und didaktische Ausbildung muss auf ein sicheres Fundament gestellt werden, denn Lehrerinnen und Lehrer sollten während ihres Studiums auch das Wissen erwerben, das sie später für die Schule benötigen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Für die kommenden Jahre ist für die gesamte Bundesrepublik ein Lehrermangel prognostiziert worden. Es sollte deshalb Aufgabe des Senats sein, junge Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen und sie nicht durch einen Numerus clausus für die Lehramtsstudiengänge abzuschrecken.

Die SPD-Fraktion fordert deshalb den Senat auf, durch gezielte Informationsveranstaltungen an Schulen für den neuen Lehramtsstudiengang Informatik zu werben und die Zahl der Grund- und Leistungskurse in diesem Fach zu erhöhen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Und da reden Sie von Leistung?)

In diesem Zusammenhang muss auch diskutiert werden, ob die Informationstechnische Grundbildung in der Sekundarstufe I nur Textverarbeitung und Internetrecherche umfassen sollte, wie dies an vielen Schulen gängige Praxis ist, oder bereits auch erste Schritte in Programmieren oder Websitesgestalten. Da nach meinem Kenntnisstand die Bildungspläne für die Informationstechnische Grundbildung jetzt umgearbeitet oder neu gestaltet werden, wäre es hilfreich, über diesen Gesichtspunkt noch einmal nachzudenken.

Das Institut für Lehrerfortbildung bietet gegenwärtig Zusatzqualifikationen für Lehrerinnen und Lehrer an, die das Fach Informatik unterrichten wollen. Diese Zusatzqualifikationen sind wichtig, sie können aber ein Studium nicht ersetzen.

(Beifall bei der SPD)

Insofern sollte überlegt werden, wie die Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Lehrerfortbildung und dem Fachbereich Informatik erweitert oder neu gestaltet werden kann. Viele aktuelle Softwareentwicklungen würden dadurch schneller Eingang in die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern finden und natürlich auch in die Schulen.

Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eine Menge Fragen zu diskutieren, und ich gehe davon aus, dass wir im Wissenschafts- und Schulausschuss eine lebhafte und in der Sache konstruktive Diskussion haben werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Unruhe im Hause)

Bevor der Abgeordnete Engels das Wort ergreift, bitte ich um etwas mehr Ruhe, auch wenn nicht mehr alle da sind oder gerade deshalb. Herr Engels hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Brüning, wir sind ja sonst in vielen Dingen ähnlicher Meinung, auch in dem Punkt, was die Bedeutung der Informatik betrifft. Dennoch muss ich Sie heute etwas kritisieren, nämlich

(Dr. Barbara Brüning SPD: Das tun Sie doch!)

hinsichtlich Ihrer Auffassung, was Informatik eigentlich ist.

Informatik ist nicht das Umgehen mit dem Computer, die Medienkompetenz, sondern Informatik ist eines der anspruchsvollsten Fächer, die wir überhaupt an unseren Universitäten haben. Sie setzt eine ausgesprochen mathematische und auch logische Vorbildung voraus. Bei allen Aufnahmeprüfungen, bei allen ersten Semestern, ist das große Thema die Mathematik. Es ist ein Fach, das hoch abstrakt ist und das nicht für den Durchschnittsschüler oder Durchschnittsstudenten geeignet ist.

Es geht bei Ihrem Antrag eigentlich nur um die Informatik, basierend – und das begrüßen wir – auf der Tatsache, dass es jetzt einen ausdrücklichen Lehramtsstudiengang Informatik in Hamburg gibt. Das ist eine sehr gute Angelegenheit, aber es hat im Grunde genommen – und das ergibt sich auch aus der Bezugsdrucksache 16/5120 aus der letzten Legislaturperiode – mit der Medienkompetenz, die wir selbstverständlich für alle Schüler und Studenten fordern, nicht viel zu tun.

(Dr. Barbara Brüning SPD: Das habe ich auch nicht behauptet!)

Aber Ihre Rede hat sich sehr stark mit dem letzteren Thema beschäftigt und nicht mit der ausgesprochen harten Informatik.

Das Gleiche gilt für die Überschrift in Ihrem Antrag, die auch ein bisschen missverständlich ist,

(Tanja Bestmann SPD: Sind Sie Lehrer?)

sowohl was den Begriff Informatik als auch die Voraussetzungen angeht. Die Voraussetzungen sind ja geschaffen. Ihr Antrag stellt besonders in den letzten Punkten die Forderung auf – die wir auch begrüßen, das ist auch vernünftig –, diesen Studiengang konzeptionell auch in der Verbindung zu anderen Fachbereichen weiter auszubauen. Das ist alles in Ordnung. Allerdings, ob die Frage, wie viele Leistungskurse oder Grundkurse es an Hamburger Schulen gibt, nicht mit einem Anruf hätte erledigt werden können, möchte ich doch an der Stelle anmerken. Wir kennen die Zahlen der vorherigen drei Jahre und die hätten Sie auch leicht so bekommen können. Substanzieller Bestandteil des Antrags ist die Frage nicht gerade.

Den zweiten Punkt finde ich allerdings sehr interessant. Das betrifft auch eine Debatte, die wir gestern hatten, nämlich die Forderung nach Maßnahmen, die Abiturienten und dann insbesondere Abiturientinnen erfassen und dafür interessieren soll. Hier haben wir in der Tat weiterhin große Probleme. Die sollten wir auch im Ausschuss noch einmal ausführlich diskutieren. Dazu brauchen wir nicht extra einen Frauenausschuss, sondern das ist ein Thema, das auch für den Schulausschuss wirklich wichtig ist.

(Dr. Barbara Brüning SPD: Wissenschaftsaus- schuss!)

Wir haben in den Leistungskursen ein Verhältnis zwischen Jungen und Mädchen, das, schwankend mit den Jahrgängen, zwischen 1: 15 und 1: 17 liegt. Das ist ein gewaltiges Problem und offensichtlich ein geschlechtsspezifisches Problem, möglicherweise und höchst wahrscheinlich verursacht durch die soziokulturellen Gegebenheiten in unserem Land, die Art und Weise, wie sozialisiert wird, möglicherweise aber auch durch andere Punkte. Wir haben auch Versuche in Hamburger Schulen gehabt, zum Beispiel durch einen geschlechtergetrennten Unterricht – systematische Versuche, einzelne Versuche, sehr viele davon mache ich zum Teil auch selber – dagegen anzu

kämpfen zugunsten der Mädchen in solchen später wichtigen Informatikpositionen, die dann auch wichtige Voraussetzungen für weitere sind. Nur verheißungsvoll sind alle Ergebnisse im Moment leider noch nicht, gerade was das Fach Informatik betrifft. Wir sollten uns hiermit sehr intensiv auseinander setzen, so wie auch der alte Senat in der ursprünglichen Drucksache 16/5120. Allerdings darf ein Sich-drum-Kümmern auf keinen Fall – und das sage ich mit Betonung – zu Lasten oder zur Minderung der Qualität des Unterrichts gehen. Die Qualitätsanforderungen sind unbedingt einzuhalten. Ansonsten sind andere Ziele sehr liebenswürdig, aber es darf nicht auf Kosten der Qualität gehen.

Der nächste Punkt ist auch ein bisschen fragwürdig. Sie fordern, dass ein Konzept entwickelt werden soll, wie sich die Studienzahlen im Lehramtsstudiengang entwickeln sollen.

(Uwe Grund SPD: Man muss die Ziele setzen!)

Ich hätte nichts dagegen, wenn man Erhebungen oder Prognosen macht. Aber das Entscheidende ist doch die Frage, wer es will. Wir sollten diejenigen, die diesen Studiengang wollen, unterstützen und natürlich auch Kapazitäten vorsehen, wenn wir Entwicklungen sehen. Aber Planzahlen setzen, wie viele das sein sollen, beinhalten wieder die Gefahr, dass man in dem Versuch der Erfüllung der Planzahlen wiederum zu einer Qualitätsminderung kommt. Ich denke nur an das, was mit unseren Arbeitsämtern bei der Erfüllung oder Nichterfüllung von Planzahlen passiert ist. Diese Gefahr steckt mit darin.

Jetzt noch einmal zum Gesamtkonzept des Antrages. Die Frage der Verbesserung der Anzahl der Informatikkenner und Fachleute ist natürlich durch solch eine Maßnahme zu erreichen. Es ist aber nicht die entscheidende Voraussetzung. Die entscheidende Voraussetzung ist eine Verbesserung der Qualität des Unterrichts.

(Zuruf von Dr. Barbara Brüning SPD)

Ich will Ihnen einmal ein Beispiel geben. Mathematikunterricht, zehnte Klasse, vor circa 15 Jahren reduziert worden um eine Stunde auf nur noch drei Stunden Unterricht. Was geschieht aber praktisch in solchen zehnten Klassen? Nicht das, was wir normalerweise als Unterrichtsausfall wegen Erkrankung eines Lehrers bezeichnen. Was haben wir dort für Maßnahmen? Es werden Betriebspraktika durchgeführt. Es gibt Projektwochen, Projekttage, es gibt Ausflüge, es gibt fachliche Besichtigungen, es gibt Skireisen, es gibt Vorbereitungstage auf die Oberstufe und so weiter. Ich behaupte einmal, dass allein in diesem wesentlichen Grundlagenfach in Richtung Informatik hin, in diesem Fach Mathematik, in den zehnten Klassen bestenfalls zwei von drei Stunden wirklich als Fachunterricht stattfinden. Dies ist ein großes Problem, insbesondere vor dem Hintergrund der Lernausgangslagen-Untersuchung, die wir auch vorliegen haben, wonach gerade die Begabten – und es ist eine ausgesprochene Spezialbegabung, die notwendig ist, um Informatikkurse zu bestehen und später das Studium – ausgerechnet in den Klassen bis neun die geringsten Lernfortschritte machen.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte schön.

(Hartmut Engels CDU)

Herr Kollege Engels, sind Sie mit mir einer Meinung, dass eine durch die Universität vorbereitete Lehrerausbildung, zum Beispiel für das Fach Informatik, in der Regel automatisch zu einer Verbesserung von Unterricht führen müsste, insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir zurzeit so gut wie gar keine an der Universität ausgebildeten Informatiklehrer in Hamburg haben?

Herr Buss, Sie hätten mir zuhören müssen. Ich hatte doch ausdrücklich gesagt, wie viele Sonderveranstaltungen mittlerweile in unseren zehnten Klassen stattfinden. Es nützt auch der beste Informatiklehrer und auch der beste Mathematiklehrer nichts, wenn er nicht zum Einsatz kommt, sondern permanent mit Dingen zu tun hat, die nichts mit dem Fachunterricht zu tun haben. Insofern ist Ihre Frage unverständlich.

(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaat- licher Offensive)

Es kommt also entscheidend darauf an, dass die Voraussetzungen in den Schulen verbessert werden. Es ist eine Großtat dieses Senats, dieses überhaupt eingeleitet zu haben, und zwar nicht nur mit der Verkürzung der Schulzeit, sondern auch mit der damit verbundenen notwendigen Besinnung auf die Hauptaufgabe der Schule, nämlich auf fachlich qualifizierten Unterricht.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

In diesem Sinne werden wir Ihren Antrag – wie ich am Anfang meiner Rede gesagt habe – positiv diskutieren. Ich freue mich auch auf die Diskussion, aber wir werden weitere Informationen vonseiten des Senats, insbesondere um die Umsetzungsvoraussetzungen für einen entsprechenden Unterricht erbitten müssen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaat- licher Offensive)

Das Wort hat die Abgeordnete Freund.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD berührt zwei zentrale Politikfelder unserer Regierungskoalition, den Schulbereich und den Hochschulbereich. Als Fachsprecherin für Schule interessiere ich mich natürlich sehr für den Informatikunterricht an den Schulen und setze mich auch sehr dafür ein. In diesem Bereich ist festzustellen, dass Hamburg eine führende Position bei der Ausstattung der Schulen mit Computern und Internet hat.

(Uwe Grund SPD: So ist es!)

Ich bin ganz bestimmt kein Anhänger Ihrer Schulpolitik, muss aber neidlos anerkennen, dass Sie in diesem Bereich Vorreiter für Gesamtdeutschland sind.

Der Senat und die Koalitionsfraktionen werden in dieser Legislatur im Fach Informatik aber zudem auch noch die Unterrichtsversorgung verbessern, denn in dem Bereich Lehrereinstellungen, die ausdrücklich vom Einstellungsstopp ausgenommen sind, werden wir entsprechend von Ihnen verursachte Fehlentwicklungen korrigieren müssen. Trotzdem bleibt zu betonen, dass Ihr Antrag zur heutigen Debatte in die richtige Richtung zielt. Wir werden keine Opposition zu in der Sache richtigen Inhalten aufbauen, nur weil sie aus dem Lager der Opposition kommen.