Protocol of the Session on February 21, 2002

Herr Grund, Sie behaupten doch, hier immer für Arbeitsplätze eintreten zu wollen. Mehr Umsatz bedeutet mehr Arbeitsplätze, das ist schlicht so. Berlin hat 20 Prozent mehr Einzelhandelsumsatz gemacht

(Uwe Grund SPD: Wenn es nur so wäre!)

und daraus entstehen einfach mehr Arbeitsplätze. Daran werden Sie mit Ihren vernebelnden Kommentaren auch nichts ändern.

Meine Damen und Herren, hier steht ein klares Modell und dieses wird den Wildwuchs beenden und ein Stück mehr an Arbeitsplätzen und Modernität nach Hamburg bringen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wird weiterhin das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer stimmt einer Überweisung der Drucksachen 17/380 und 17/310 an den Wirtschaftsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig. Damit werden die Drucksachen 17/380 und 17/310 an den Wirtschaftsausschuss überwiesen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf, Drucksache 17/323, Antrag der Fraktion der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP zu Patenschaften der Generationen.

[Antrag der Fraktionen der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP: Patenschaften der Generationen – Drucksache 17/323 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Rutter, Sie haben es.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gestern ausführlich über Sparmaßnahmen im Sozialbereich gestritten. Es macht niemandem Spaß, dort Einsparungen vorzunehmen, aber wir müssen es tun und Not macht bekanntlich erfinderisch. Patenschaften zwischen Alt und Jung sind das Thema.

Zunächst ist man geneigt, dem einfach zuzustimmen und zu sagen, das ist eine wohlfeile Forderung, dazu können wir Ja sagen und das ist in Ordnung. Es hat aber gute Gründe gegeben, warum wir uns mit diesem Thema überhaupt auseinandergesetzt haben, und die liegen etwas tiefer. Die Kommunen werden zunehmend durch Bundesgesetze im sozialen Bereich belastet und wegen der Problemnähe schiebt man die Ausführungen einfach direkt in die Kommunen, ohne ihnen dazu die finanziellen Mittel zu ermöglichen. Also haben die Kommunen das Problem, einer Gesetzgebung folgen zu müssen, die sie nicht zu verantworten haben, und mit Leben zu erfüllen. Das führt nach und nach zur Krise.

In der Stadtforschung, als Krise der sozialen Stadt, wird es von Forschern thematisiert, wie Blanke 1986, Borst 1990 und Heinelt 1991. Gleichzeitig beobachten wir einen Verlust der sozialen Mitte und eine zunehmende ökonomische und soziale Polarisierung, die mit den herkömmlichen Mitteln der sozialen Strategien und Strukturen nicht mehr be

wältigt werden kann. Dazu gibt es eine Veröffentlichung von Jens Dangschat, „Entwicklung sozialer Problemlagen als Herausforderung für die soziale Stadt“. Er empfiehlt, eher quartiersbezogene Strategien zu entwickeln. Ebenfalls in diese Richtung geht die Forderung nach Verwaltungsmodernisierung und dem Mut, mehrere gleichgerichtete Modelle unter ständiger Erfolgskontrolle zu erproben.

Helmut Hartmann beklagt in diesem Zusammenhang die Gedankenwelt der Verteilungsregelungen, Abwägungsprinzipien und die ausgeprägte Verrechtlichung des sozialen Sektors. Besonders darunter zu leiden haben die Alten. Untersuchungen von Peter Gitschmann aus dem Jahre 1996 beispielsweise zeigten, dass 700000 Plätze für alte Menschen in der Altenhilfe insgesamt vorhanden sind. Das entspricht einem Prozentsatz von 4,3 Prozent derjenigen, die sie eigentlich in Anspruch nehmen müssten. Tatsächlich haben wir aber einen Bedarf von 20 Prozent mit steigender Tendenz. Das heißt, hier ist eine Bedarfsdeckung überhaupt nicht zu erwarten.

Gerade der Umgang mit den Alten, meine Damen und Herren, ist für uns etwas, das wir sträflich vernachlässigt haben. Denn gerade die Alten sind es, die unseren Sozialstaat aufgebaut und am meisten dazu beigetragen haben, dass wir heute dort stehen, wo wir sind. Dafür müssten wir ihnen eigentlich dankbar sein. Aber was machen wir? Wir sperren sie einfach weg.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Wir liefern ihnen Kaffeefahrten und erwarten ansonsten Eigeninitiative. Obwohl ihre Leistungsbereitschaft vorhanden ist, nutzen wir diese nicht. Meine Damen und Herren, wir wissen alle, welches wertvolle Kapital dort eigentlich ungenutzt steckt, für uns aber nutzbringend eingesetzt werden könnte, wenn wir es mal mit ein paar anderen Ideen versuchen würden.

Was ist nun neu? Was planen wir? Was wäre uns am liebsten? Wir möchten die Vernetzung von zwei verschiedenen Problemgruppen, nämlich einmal von jungen Leuten, die nicht genügend Geld haben, um sich teure Wohnungen zu leisten. Das sind junge Familien, aber auch Studenten oder Alleinerziehende, also die Gruppe, die uns ohnehin am meisten Probleme macht und für die wir selbst auch Geld ausgeben müssen.

Auf der anderen Seite sind es die Alten, die vereinsamen und die ihr Wissen gern an Jüngere weitergeben würden und mit ihnen gemeinsam in ihren letzten Lebensjahren noch etwas aufbauen möchten. Das möchten wir gern mit dem Gedanken zusammenbringen – und hier wieder der Bezug zum Quartier –, dass wir Wohneinheiten schaffen, anders als bisher, wo man Alt und Alt zusammengebracht hat, nämlich die Alten, die sich noch einigermaßen selbst helfen können, und die anderen, die es nicht mehr können; und selbst das haben wir unvollkommen getan, wie das Beispiel Iserbrook zeigt. Dort standen 110 solcher Wohnungen zur Verfügung, wovon bereits 54 alten- und pflegegerecht saniert waren. Das Projekt wurde wegen Bedarfsänderung aufgegeben und dafür sind Einfamilienhäuser gebaut worden. Das kann es nicht sein, was wir wollen.

Wir wollen Wohneinheiten schaffen, in denen junge und alte Menschen gemeinsam wohnen können, wo die Jungen für die Alten eine Patenschaft übernehmen und dafür auf sozialem Wege eine Ermäßigung ihres Mietpreises bekommen. Damit haben wir die Möglichkeit, das soziale Be

(Dr. Andreas Mattner CDU)

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wusstsein der Jüngeren zu stärken und in die nächste Generation weiterzugeben. Denn auch die Kinder dieser sozial schwachen Schichten lernen an dem, was ihnen vorgelebt wird, und nicht an dem, was man ihnen zusteckt oder erzählt.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Lassen Sie uns gemeinsam dieses Projekt anfassen und den Versuch machen, den Mut aufzubringen, das zu tun, was auch von den Forschern und Wissenschaftlern gefordert wird.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Scheurell.

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Rutter, meine Damen und Herren! Wer könnte schon etwas dagegen haben, das Verständnis zwischen den Generationen zu fördern. Natürlich steht außer Zweifel, dass wir uns vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklungen der Situation stellen müssen, um ein gutes Miteinander zwischen Alt und Jung zu schaffen. Aus diesem Grunde ist das Vorwort des Antrags völlig unbestritten.

Herr Schira, Sie fordern übrigens wortgleich, gemäß dem Antrag Ihrer Fraktion aus der letzten Legislaturperiode, die Einrichtung von Pilotprojekten im Jugendbereich. Jedoch ist der Zeitraum bemerkenswert, den Sie dem Senat jetzt zur Berichterstattung einräumen, nämlich acht Monate; dem Vorgängersenat hatten Sie lediglich drei Monate zugebilligt.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Die waren ja auch schon länger dabei!)

Als ich den Antrag gelesen habe, habe ich mich allerdings gefragt, ob selbst nach acht Monaten bahnbrechend Neues zu berichten wäre.

Ziemlich genau vor einem Jahr, Herr Schira, beklagten Sie, dass dieser Antrag nicht debattiert wurde, und mutmaßten, die rotgrüne Koalition wolle dieses Thema nicht debattieren. Das war natürlich nicht so; darauf komme ich noch einmal zurück.

Damals wie heute stellt sich die Frage, was Ihr Antrag an neuen Antworten bringen soll. Diese Frage, Herr Rutter, habe ich mir immer wieder gestellt, als ich den Antrag gelesen habe. Nun haben Sie allerdings schon Beispiele gebracht und insofern gehe ich davon aus, dass es auch im Ausschuss eine sinnvolle Debatte geben wird.

Als Lektüre würde ich Ihnen aber nicht nur Herrn Dangschat und andere Wissenschaftler empfehlen, sondern auch die Lektüre der Großen Anfrage aus der letzten Legislaturperiode, aus dem Juni 2001, die ausführlich auch auf Fragen des Ehrenamtes eingeht. Der Senat hat damals zu Art und Umfang der ehrenamtlichen Tätigkeiten in Hamburg Stellung genommen. Daraus kann man eine reichhaltige Palette ehrenamtlichen Engagements entnehmen.

Im Übrigen möchte ich noch darauf hinweisen – weil Sie auf die Jugend eingegangen sind –, dass in der Drucksache deutlich gemacht wurde, dass es immerhin 40 Prozent

der Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 19 Jahren sind, die sich ehrenamtlich in der Stadt engagieren.

Der Antrag auf die Berichterstattung, den Sie heute gestellt haben, ließ meines Erachtens eher einen Aufklärungsbedarf als einen Handlungsbedarf vermuten. Bereits in der damaligen Debatte, Herr Schira, beklagten Sie die angebliche Untätigkeit, die mit der Ablehnung des Antrags einherging. Doch auch hier liefert die vorhin erwähnte Große Anfrage einen weitreichenden Einblick in die von Ihnen unterschätzten Aktivitäten. Hier will ich nur an die Freiwilligen-Börse, die Gründung von „Aktivoli“ und „Netzwerk“ erinnern sowie an die Vielzahl von Stiftungen in der Stadt; nicht umsonst wird Hamburg die Hauptstadt der Stiftungen genannt. Namentlich sollte man hier auch noch einmal die Körber-Stiftung nennen – und insbesondere das Projekt „Haus im Park“ in Bergedorf –, die beispielgebende Integrationsarbeit zwischen den Generationen liefert. Ferner sollte das Seniorenbüro in Hamburg erwähnt werden.

Auch Schüler wurden damals schon für ein soziales Engagement entdeckt und begeistert. Der „Hamburger Bildungs-Surfer“ nennt unter dem Thema Sozial- und Rechtserziehung Einrichtungen, die eine freiwillige Einsatzmöglichkeit von Schülern vorsehen und diese auch vermitteln können.

Darüber hinaus bietet das Institut für Lehrerfortbildung in diesem Schuljahr Informationsveranstaltungen für Lehrerinnen und Lehrer an. Dort werden die anbietenden Einrichtungen und Projektideen vorgestellt und Lehrer in die Motivation der Schüler zur ehrenamtlichen Tätigkeit mit einbezogen. Die Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit unter jungen Menschen wie auch die Unterstützung der freiwilligen Arbeit im Bereich der Senioren lag und wird auch weiter – da bin ich mir sicher – unter der Führung von Frau Senatorin Schnieber-Jastram im Vordergrund der Behörde liegen.

So wurde dem Seniorenbüro Hamburg schon damals besondere Priorität eingeräumt. Dem Seniorenbüro wurde eine nicht unerhebliche Zuwendung bereitgestellt. Dabei beschränkte man sich nicht nur darauf, personelle Ressourcen zur Förderung der Freiwilligenarbeit beziehungsweise der ehrenamtlichen Tätigkeit in der Behörde bereitzustellen.

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang vielleicht auch noch mal an Frau Rudolph zu erinnern, die hier im Jahre 1999 auf die demographischen Wandlungen hingewiesen und festgestellt hatte, dass die Generationen sehr viel enger miteinander zu tun haben und sehr viel mehr aufeinander zugehen müssen. Genau darin liegt meines Erachtens – als ich den Antrag las – dessen Schwachpunkt. Die notwendige Integration setzt ein Gegenseitigkeitsverhältnis voraus. Herr Rutter hat mich aber in diesem Zusammenhang eines Besseren belehrt: Der Inhalt sollte es sein, nur stand er nicht drin.

Es ist aus meiner Sicht besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die Integration von Neuwissen, von jungen Menschen und das Erfahrungswissen von alten Menschen ergänzen muss. So war es auch im Zwischenbericht der entsprechenden Enquete-Kommission im Bundestag zu lesen; Frau Schnieber-Jastram, den kennen Sie sicherlich auch.

Ehrenamtliches Engagement darf daher aus meiner Sicht keine Einbahnstraße sein. Auch hier wäre eine Konkretisierung des Antrags im Ausschuss notwendig. Die Förde

(Rolf Gerhard Rutter Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

rung von Freiwilligenarbeit gibt es aus meiner Sicht schon länger und nicht erst seit dem Jahr des Ehrenamtes.

Insbesondere würde mich interessieren, wie weit die BSF, die Behörde für Soziales und Familie, im Bereich der Freiwilligenarbeit über die bereits stattfindende Förderung hinausgehen wird, kann und will. Zu diesem Fragenkomplex enthält Ihr Antrag aber noch nichts. Vor diesem Hintergrund wird es auch verständlich, Herr Schira, warum der wortgleiche Antrag damals selbst von Ihnen nicht einmal zur Debatte angemeldet worden ist. Nicht das Thema ist indiskutabel, sondern ganz im Gegenteil, es ist ein wichtiges Thema. In der Weise, wie der Antrag formuliert wurde, hatte ich jedoch erst den Eindruck, es handele sich um Bekenntnisse über eine Binsenweisheit, er enthielt aber noch keine Anregung zur Diskussion. Herr Rutter, Sie haben dazu beigetragen und wir werden sicherlich im Ausschuss – das ist meine Schlussbemerkung – darüber beraten können und, wie ich meine, gemeinsam einen sinnvollen Antrag zustande bringen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Schira.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich ein wenig auf Herrn Scheurell eingehen, meinen alten Kollegen aus Steilshooper und Wandsbeker Zeiten. Wenn wir uns beispielsweise das Jugendhaus oder die Gesamtschule Steilshoop anschauen, könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass es durch ein freiwilliges Angebot Kooperationen in den Schulen selbst geben kann. – Hör doch mal zu, Herr Scheurell, es geht um Steilshoop.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Jawohl!)