Protocol of the Session on May 9, 2001

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Sudmann.

(Thomas Böwer SPD: Ich denke, Herr Hackbusch redet!)

(Bettina Pawlowski CDU)

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Herr Hackbusch spricht nach mir, keine Sorge. Aber auch ich werde für die Unterhaltung sorgen.

Zunächst einmal können wir erfreulicherweise feststellen, daß es eine große Einigkeit von rechts nach links zu geben scheint, die die Vereinbarkeit von Familie und Arbeitswelt, vor allem auch die Berufstätigkeit von Frauen, fördern will.

Es scheint teilweise auch eine Einigkeit im Denken zu geben, daß wir – die Bundesregierung und die Hamburger Regierung – wesentlich mehr Geld für Kinder ausgeben sollten. Es sollte mehr Geld bei den Familien mit Kindern ankommen.

Diese Einigkeit möchte ich ein wenig in Frage stellen. Es gibt sehr viele Untersuchungen, die belegen, daß in den Beziehungen oder – ich nenne es mal – Teilfamilien, in denen mehr Geld vorhanden ist, die Zahl der Kinder rapide abnimmt. Auf einen Nenner gebracht heißt das: Je mehr Geld Paare haben, desto weniger Kinder haben sie, bis hin zu gar keinen Kindern. Das heißt also, daß man bei diesem Problem da ansetzen muß, wo Kinder – ich sage es mal in Anführungsstrichen – Schwierigkeiten für die Eltern darstellen. Das ist der Punkt, wenn Kinder nicht untergebracht werden können, wenn beispielsweise die Berufstätigkeit der Eltern daran scheitert, daß es keine Möglichkeit gibt, die Kinder angemessen zu versorgen, zu betreuen und sie auch im Sinne des KJHG angemessen zu bilden.

Deswegen finde ich es erstaunlich, wenn die SPD jetzt – immer zu Wahlkampfzeiten kommen die großen Erkenntnisse – feststellt, daß die strukturellen Angebote verbessert werden sollten. Ganztagsschulen sowie das Kindertagesbetreuungsangebot sollten ausgebaut werden. Richtig, kann ich dazu nur sagen, aber warum brauchen Sie immer dreieinhalb Jahre, um so etwas zu erkennen. Warum können Sie das nicht schon am Anfang der Legislatur erkennen und auch umsetzen? Da haben Sie ein heftiges Manko.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Frau Steffen sprach eben eine Kinderfreundlichkeitsprüfung an. Ich finde, eine Kinderfreundlichkeitsprüfung sollten Sie gerade jetzt anlegen, wenn Sie im Wahlkampf – als SPD oder wahrscheinlich auch als GALier – fordern werden: Wir wollen mehr Geld in die Kindertagesbetreuung stekken, indem wir mehr Angebote für die Kinder berufstätiger Eltern zur Verfügung stellen. Das ist zwar für die betroffenen Kinder kinderfreundlich, aber es ist kinderunfreundlich für die Kinder, deren Eltern nicht berufstätig sind, die aber auch ein größeres Angebot der Kindertagesbetreuung brauchen. Deswegen kann man Ihnen als Zeugnis nur bescheinigen, daß das kinderunfreundlich ist, und mit dieser einseitigen Maßnahme fallen Sie durch.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Dr. Andrea Hilgers SPD: Falsch verstanden!)

Um die Berufstätigkeit der Eltern und insbesondere die der Frauen zu fördern, sind hier schon verschiedene Punkte unter dem Stichwort Gender-Mainstreaming diskutiert worden; diesen Begriff, den kaum jemand versteht und den man immer wieder erklären muß.

Wir können es auf eine kurze Formel bringen. Es geht darum, daß in den Firmen – in diesem Fall kann man in Hamburg recht gut anfangen –, in den Bereichen, in die öffentliche Gelder fließen, darauf geachtet wird, was eigentlich getan wird, damit Frauen weiter berufstätig sein können, ob die Maßnahmen, die ergriffen werden, denn auch

vorteilhaft für Frauen sind. Das wäre eine Förderpolitik, die auch dazu beitragen könnte, etwas zu tun.

Hamburg tut aber wenig, auch bei dem Punkt Kindergelderhöhung. Es ist schön, darüber zu reden, daß bei den Kindern mehr Geld ankommen soll, aber ich frage mich, wo der Hamburger Beitrag bleibt, daß mehr Kindergeld bei den Kindern ankommt, deren Eltern Sozialhilfe beziehen. Fast jedes fünfte Kind in Hamburg bekommt Sozialhilfe. Das Kindergeld aber wird mit Ausnahme der 30 DM der letzten Erhöhung komplett in der Sozialhilfe angerechnet. Das heißt, diese Kinder und ihre Eltern haben nicht einen Pfennig mehr in der Tasche. Wenn sie da sozialdemokratisch etwas tun wollen, heißt das, daß das Kindergeld in der Sozialhilfe endlich anrechnungsfrei wird.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Es gibt noch einen weiteren Punkt, den Herr Hackbusch gleich noch ausführen wird – wofür er den Ordnungsruf bekommen hat –, zu dem Sie sagen, daß Sie auch die Erziehungsarbeit besser berücksichtigt wissen wollen. Das ist in der derzeitigen Rentenreform, die von der SPD und den Grünen ausgeheckt wird, überhaupt nicht der Fall; es ist verlogen, wenn sie so argumentieren.

Ich möchte noch einen letzten Satz zur Kandidatinnenaufstellung sagen; dieses Mal aber nicht zur CDU, darüber brauchen wir nicht zu reden. Wenn die SPD so fortschrittlich ist – Herr Zuckerer grinst schon, weil er weiß, was kommt – und sagt: Wir finden, daß auch Frauen alle Berufe ergreifen sollen und in allen Berufen tätig sein können, dann frage ich mich, warum eigentlich die SPD seit Jahrzehnten immer wieder einen Bürgermeisterkandidaten hat; auch die SPD soll gute Frauen haben, die diese Arbeit machen können.

(Dr. Holger Christier SPD: Sechs Senatorinnen und eine Präsidentin haben wir!)

Wenn Sie aber sagen, wir haben einen guten Bürgermeister, der das Amt weitermachen soll, werden Sie immer weiter einen Bürgermeister haben. Liebe SPD, bevor ihr auf die schlechte Wahl der CDU schimpft, wäre es doch ein genialer Schritt gewesen, mal eine Bürgermeisterin-Kandidatin zu haben. Daran können Sie arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt Senatorin Pape.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Erhöhung des Kindergeldes von 200 DM auf bald 300 DM, die Senkung des Einkommensteuersatzes und die Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums sind finanzpolitische Kraftakte historischen Ausmaßes. Die Verdoppelungen, Frau Sudmann, der Ausgaben für Kindertagesbetreuung in den letzten zehn Jahren in Hamburg sind Markenzeichen rotgrüner Regierungen für Familienpolitik in Berlin und Hamburg.

(Beifall bei der SPD)

Während das Bundesverfassungsgericht der vorherigen Regierung unter christdemokratischer Regentschaft gravierendste Mängel bei der Familienfinanzierung bescheinigt hat, sind seit dem Regierungswechsel in Berlin insgesamt 36 Milliarden DM zugunsten von Familien umverteilt worden. Deshalb sind viele Menschen nun froh, daß in Berlin und Hamburg Rotgrün regiert und auch weiter re

gieren wird. Denn diese Regierung steht für eine moderne zukunftsweisende Politik für die Familien und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und für Frauen und Männer.

Fakt ist, so die jüngste statistische Erhebung des Statistischen Landesamtes, daß heute jedes vierte der insgesamt 273 000 minderjährigen Kinder in der Hansestadt in einer Ein-Eltern-Familie aufwächst. Bei 51 Prozent der Ehepaare mit Kindern sind beide Partner berufstätig.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Erwerbstätigkeit von Frauen nur unwesentlich erhöht. Eines aber hat sich gravierend verändert, nämlich die Erwerbstätigkeit von Müttern von schulpflichtigen Kindern; die hat deutlich zugenommen. Bei schulpflichtigen Kindern sind 59 Prozent der Mütter berufstätig, bei Kindern unter sechs Jahren sind es 47 Prozent der Mütter; das waren 1990 erst 39 Prozent.

Diesen veränderten Rahmenbedingungen von Familien hat Politik Rechnung zu tragen. Das tun wir hier in Hamburg in beispielgebender Weise. Erstens haben wir zunächst gegen den Widerstand der CDU die Verläßliche Halbtagsgrundschule eingeführt. Sie ist eine große frauen- und familienförderliche Maßnahme, die sich einer sehr hohen Akzeptanz der Eltern, die dieses in allen Befragungen bestätigt haben, erfreut.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens haben wir in Hamburg zum Wohle der Kinder, aber auch zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur Verbesserung der Bildungs- und Betreuungsangebote der Kinder ein vergleichbar hohes Angebot an Ganztagsschulen, und wir werden uns auch in Zukunft von niemandem etwas vormachen lassen, sondern mittelfristig für alle Familien, die das brauchen oder möchten, in Hamburg eine Ganztagsschule, eine warme Mittagsmahlzeit und ein nachmittägliches Betreuungsangebot in zumutbarer Entfernung anbieten.

(Beifall bei der SPD)

Drittens: Die Kindertagesbetreuung in Hamburg wurde im vergangenen Jahr in beispielloser Weise ausgebaut, nämlich durch Verdoppelung der Mittel, die wir einsetzen, und 20 000 Plätze zusätzlich. Damit haben wir Versorgungsgrade – Frau Pawlowski, das haben Sie offensichtlich in Ihrer Rede übersehen –, die so hoch sind, daß die Bundesfamilienministerin kaum wagt, es für andere als Richtgröße zu empfehlen. Das ist ein Angebot, das quantitativ und qualitativ besser ist als das jeder anderen westdeutschen Großstadt. Nur Berlin hat aus historischen Gründen ein höheres Angebot.

Das kostet allerdings auch etwas. Ich habe hier bereits vor vierzehn Tagen gesagt, daß bei uns das Prinzip gilt: starke Schultern werden stärker belastet als schwache.

Unser Leistungsangebot ist gut, aber wir wollen hier in Zukunft auch noch besser werden. Ein kinder- und familienfreundliches Hamburg hat viele Gesichter. Kinderfreundliches Hamburg heißt auch, daß man Tempo-30-Zonen dort einrichtet, wo Kinder gegen eine Autofahrerlobby zu schützen sind.

(Beifall bei der SPD)

Kinderfreundliches Hamburg heißt ebenfalls, daß wir Wohnraum für Familien schaffen wollen. Kinderfreundliches Hamburg heißt beispielsweise, Kinder bei der Gestaltung von Spielplätzen, Jugendclubs und Skaterbahnen

oder Jugendliche im Bereich von Jugendparlamenten als Anwälte in eigener Sache einzubeziehen.

Wie kinderfreundlich eine Stadt, eine Gesellschaft ist, zeigt sich an der Wertschätzung den Kindern gegenüber. Kinder sind zuerst eine menschliche Bereicherung. Hierfür entscheiden sich Menschen, die Mütter und Väter werden. Das kann aber nicht heißen, daß der Staat deswegen alle finanziellen, erzieherischen und sozialen Aufgaben für die Kinder wahrnimmt. Keine Ganztagsbetreuung und Ganztagsschule kann das Elternhaus ersetzen. Wir werden aber im Rahmen des Möglichen alles dafür leisten, daß Kinder zu keinem Armutsrisiko werden und daß die Familien in Hamburg Zukunft und Perspektive haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Es gibt eine weitere Wortmeldung von dem Abgeordneten Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde, so einfach darf man der SPD das Wahlkampfthema nicht durchgehen lassen.

(Erhard Pumm SPD: Dafür haben Sie eine gelbe Karte bekommen!)

Herr Pumm, auch Sie müßten es doch in gewisser Weise genau wissen. Die Sozialdemokratie steht auf und sagt, sie sei die kinderfreundlichste Kraft überhaupt in dieser Stadt. Sie habe sich um nichts anderes gekümmert, und die Beschlüsse auf Bundesebene würden genau das unterstreichen. Wie sind denn die Beschlüsse mit den 30 DM, wenn die Steuerschätzung im Mai nichts anderes ergibt. Was ist mit den Beschlüssen, die vorher gefällt worden sind? Da gibt es die Beschlüsse im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform; Frau Nümann-Seidewinkel wird jetzt schon graue Haare wegen der Auswirkungen haben. Keiner kennt die Auswirkungen. Die Auswirkungen werden für die Stadt viel höher sein, und das wird einfach so entschieden. Beim Kindergeld ist es noch völlig unklar, was dabei herauskommt und ob man das bezahlen kann. Sie versprechen, nehmen großartige Worte in den Mund, aber das Geld dafür haben Sie gar nicht zur Verfügung, sondern Sie erzählen nur davon.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das gleiche gilt doch im Zusammenhang mit den Kindertagesstätten. Wie ist denn die Politik in Hamburg in der letzten Zeit im Zusammenhang mit den vorhandenen Geldern gewesen? Sind die für die Kinder ausgegeben worden? Sind sie für die Kindertagesstätten oder für die Schulen ausgegeben worden? Sind sie für die Alleinerziehenden und da gerade für die Sozialhilfeempfänger mit Kindern ausgegeben worden? Das sind sie nicht. Die Gelder wurden zusammengesammelt, um das EADS-Loch zu füllen. Dort haben Sie das Geld hingepackt. Da haben Sie alle Reste, die im letzten Haushalt vorhanden waren – und wie wir vorgestern erfahren haben – auch noch die Reste aus diesem Haushalt hineingepackt. Hier großartig von Kinderfreundlichkeit zu reden und dort im Zusammenhang mit dem Hafen und der EADS alles hineinzuschieben, halte ich für falsch, für nicht richtig; das andere Wort darf ich nicht benutzen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

(Senatorin Ute Pape)