Protocol of the Session on May 9, 2001

Bekanntermaßen wurde das preußische Heer von seinem Adel geführt. Offiziere waren Adlige, und der Adel war nach seiner eigenen Betrachtung die Elite des Volkes. In sich war er aber bemerkenswerterweise egalitär, nämlich gleich.

Der deutsche Adel hatte die Fiktion, daß nicht kognitive Fähigkeiten, sondern lediglich das Alter die Menschen unterscheidet. Und da das Alter Erfahrung bedeutete, war der jeweilige Kommandeur älter als seine Untergebenen. Es verwundert eigentlich nicht, daß das Anciennitätsprinzip des preußischen Adels aus der preußischen Armee auf das preußische Beamtentum übertragen wurde. Es ist verwunderlich, daß wir dies auch noch nach Hunderten von Jahren haben.

(Beifall bei Dr. Andrea Hilgers SPD)

Insofern kam die alte Bundesregierung, als sie beschloß, leistungsbezogene Anreize im öffentlichen Dienst einzuführen, in die Nähe von Revolutionärem. Da dies bei der alten Bundesregierung aber nicht zu vermuten ist, kam sie zumindest in einem ersten Schritt zu einem Systemwechsel. Lassen Sie mich das einfach so sagen.

Es ist relativ verständlich, daß jeder Systemwechsel – wie in diesem Bereich mit jahrhundertelanger Tradition – gewisse Widerstände und Schwierigkeiten aufwirft. Ich komme zunächst zu den Schwierigkeiten.

Der öffentliche Dienst ist heute kein einheitliches Gebilde mehr, sondern eine ziemlich komplexe Organisation. Er erfüllt einerseits hoheitliche Aufgaben bis hin zu beratenden und fürsorgerischen Tätigkeiten einer modernen Sozialstaatsverwaltung. Insofern stellen sich die Fragen, was eigentlich eine bewertbare Leistung ist – das ist sehr unterschiedlich – und ob wir nicht ein sehr differenziertes System brauchen.

Wie schwierig das ist, können wir bereits in der Praxis studieren. Es gibt nämlich ein Land, Herr Vahldieck, das Sie vergessen haben, nämlich Berlin. Ich erlaube mir, Ihnen über das System in Berlin aus einer hervorragenden Veröffentlichung – der „Informationen für Beamtinnen und Beamte“ – zu zitieren, die völlig unverdächtig ist. Die Überschrift lautete:

„Demotivation

Mit Ablehnung haben ÖTV, GEW und GdP auf den Beschluß des Berliner Senats reagiert, Leistungsstufen bei der Besoldung einzuführen. Die GdP befürchtet Demotivation und schlechteres Arbeitsklima. Die Polizei müsse intim arbeiten. Es sei unmöglich, einzelne für besondere Leistungen herauszupicken.“

Soweit die GdP. Diese kurze Illustration zeigt vielleicht, daß es schwierig ist, denn das, was die GdP sagt, hat einen harten Kern. Es wäre zweifellos schwierig, einzelne Beamte aus einer Hundertschaft auszuwählen und ihnen eine einmalige Leistungsprämie zu geben. Aber es spricht ausgesprochen nichts gegen eine leistungsbezogene Bezahlung. Es zeigt allerdings, daß wir ein sehr differenziertes

System benötigen, das auf die verschiedenen Bereiche des öffentlichen Dienstes zugeschnitten ist. Nun vielleicht ein Beispiel des Widerstandes.

Wir kommen zur GEW. Die GEW macht folgende Rechnung auf: Wenn man pro Leistungsbeurteilung nur fünf Stunden ansetze, seien in Berlin 400 Arbeitskräfte nötig, um alle Beamtinnen und Beamte zu beurteilen. Diese Argumentation hat zweifellos einen harten Kern. Wenn man nämlich leistungsgerechte Bezahlung einführen will, braucht man ein gutes Beurteilungssystem, jedoch kein Arbeitsbeschaffungsprogramm. Insofern würde ich dieses Zitat aus dem Bereich der GEW unter Widerstand und Verhinderung einordnen.

(Dr. Leonhard Hajen SPD: Nö, nö, nö!)

Schwierigkeiten sind nicht dazu da, um sie weiter auszubauen, sondern um gelöst zu werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Uwe Grund SPD: Was heißt hier Widerstand? Das ist Mathematik!)

Es ist zweifellos schwierig, ein solches System nach Hunderten von Jahren einzuführen, aber es gibt einfache Überlegungen, gegen die nichts spricht.

Wenn jemand im öffentlichen Dienst zweimal weit überdurchschnittlich beurteilt wurde, was spricht dagegen, diesen Menschen eine Dienstaltersstufe überspringen zu lassen? – Gar nichts. Es wäre auch kein revolutionärer Vorschlag. Es wäre nur anders, als es bisher war. Jene egalitäre Fiktion, daß das Alter und die Erfahrung Kompetenz erzeugt, würde damit etwas außer Kraft gesetzt. Von daher sind wir in der Pflicht, leistungsgerechte Bezahlung im öffentlichen Dienst durchzusetzen.

Der Senat hat das für das Jahr 2000 angekündigt; die SPD-Fraktion – das sage ich in Richtung des Senats – kann sich die Verzögerung eigentlich nur dadurch erklären, daß der rotgrüne Senat in seinem bekannten Perfektionismus immer noch an einem relativ ausgefeilten System arbeitet,

(Dr. Leonhard Hajen SPD: Fleißwerk!)

das vermutlich ein Gesamtkunstwerk werden soll.

Ich füge hinzu, daß ein Gesamtkunstwerk in diesem Bereich eher Schwierigkeiten aufwirft. Unsere Fraktion – und ich vermute, auch andere Teile des Hauses – wäre damit zufrieden, wenn es einzelne pragmatische Schritte geben würde, die die Anforderungen von Effizienz, Transparenz und wirklicher Leistungsbeurteilung erfüllten.

(Beifall bei der SPD, der GAL und der CDU)

Ich gebe der Erwartung meiner Fraktion Ausdruck, daß dies auch bald geschieht, und ich bin mir damit wahrscheinlich mit dem ganzen Hause einig.

Der zweite Antrag der CDU beschäftigt sich mit Mobilität. Aber nicht mit der Mobilität, die normalerweise Herr Reinert vertritt, sondern mit der des öffentlichen Dienstes.

Es ist richtig – darauf gibt es viele Hinweise –, daß die Mobilität im öffentlichen Dienst abgenommen hat. Die Frage ist: Hat dies strukturelle Gründe im System? Das ist wahrscheinlich, denn wir alle wissen, daß die betriebene Haushaltskonsolidierung unter anderem die Dezentralisierung der Personalverantwortung und die Personalbudgetierung beinhaltete.

Es kann dann zwischen dem Personalkreislauf und der Mobilität in einer Einzelbehörde einen Zielkonflikt geben. Wenn dieser Zielkonflikt sich ausweitet, dann sollten wir auch über mobilitätsfördernde Maßnahmen nachdenken.

(Walter Zuckerer SPD)

Da mag vielleicht eine Mobilitätsbörse sinnvoll sein, die es meines Wissens schon gibt. Es gibt auch mobilitätsfördernde Maßnahmen, aber sie setzen in der Regel die Eigeninitiative des einzelnen voraus. Wir müssen im Ausschuß darüber diskutieren, ob wir mehr als bisher institutionelle Strukturförderung zur Mobilitätsförderung im öffentlichen Dienst brauchen und uns nicht nur auf die Freiwilligkeit beschränken sollten. Freiwilligkeit im öffentlichen Dienst ist schön, aber wir wissen alle, daß man sich freiwillig eigentlich nur für besonders interessante Aufgaben bewirbt. Insofern ist – wenn ich das so sagen darf – die Wahrscheinlichkeit gering, daß die Freiwilligen in der Ausländerbehörde oder in gewissen Bereichen der Bezirksämter Schlange stehen. Trotzdem müssen wir hier etwas tun.

Lassen Sie mich aber in Ihre Richtung sagen, daß ich Ihren Mobilitätsbegriff als konservativ ansehe.

(Dr. Holger Christier SPD: Immobil!)

Es geht nicht nur darum, Mobilität auf dieser Ebene zu fördern. Stellen wir uns doch einmal einige andere Fragen. Ist es zwangsläufig, in einem modernen öffentlichen Dienst, der in diesem Jahrtausend effizient und zukunftsfähig sein soll, daß die überwiegende Mehrzahl der Lehrer zeit ihres Lebens Lehrer sind? Was spricht eigentlich dagegen, daß sie in andere Bereiche der Verwaltung wechseln?

(Vereinzelter Beifall bei der SPD, bei Sabine Steffen GAL und Rolf Kruse CDU)

Sind eigentlich geschlossene Personalkörper das, was wir für zukunftsfähig im öffentlichen Dienst halten? Das gilt übrigens auch für Polizeibeamte; sie können genausogut auch in anderen Verwaltungsbereichen arbeiten.

Von daher sollten wir das gemeinsam etwas grundsätzlicher und radikaler diskutieren; das lohnt sich.

(Beifall bei Dr. Dorothee Freudenberg GAL)

Ein abschließendes Wort. Die CDU hat zwei Anträge gestellt, den einen zu leistungsbezogenen Anreizen, den anderen zu Mobilität; beide Anträge sind zweifellos wichtig. Wir stehen aber, was den öffentlichen Dienst betrifft, nach meiner festen Überzeugung vor einer ganz anderen Herausforderung.

Der öffentliche Dienst wird im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter in den nächsten Jahren mit vielen anderen Bereichen konkurrieren müssen. Das bedeutet, daß wir ihn im positiven Sinne wettbewerbsfähig machen müssen.

Zur Kompensation und Ergänzung der Rationalisierung und Personaleinsparung des öffentlichen Dienstes haben wir aufgrund unserer knappen Kassen in den letzten acht Jahren zunächst die Modernisierung im Bereich der Prozeßsteuerung und der technischen Ausrüstung vorgenommenen. Ich nenne das einmal die ökonomische Phase der Modernisierung des öffentlichen Dienstes.

In den nächsten Jahren brauchen wir als zweite Phase eine strukturelle Modernisierung. Dazu gehören für mich die Verbesserung der Personalplanung, die Qualitätssicherung und vor allen Dingen die Verbesserung der Ausbildung und auch mehr Frauen in Führungspositionen. Zu einer weltoffenen Metropole gehören im Hinblick auf eine Europäisierung und Internationalisierung unserer Apparate auch mehr Migrantinnen und Migranten.

(Rolf Kruse CDU: Europäer sind keine Immigran- ten!)

Wenn wir das gemeinsam angehen, haben wir viel zu streiten und zu diskutieren. Das lohnt sich, so daß wir dann keine Beamtenpolitik mehr zu machen brauchen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der GAL und der CDU)

Das Wort hat Frau Hajduk.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Zuckerer, das verspricht – sofern Sie zugegen sind –, eine sehr grundsätzliche Debatte im Ausschuß zu werden. Jedenfalls haben Ihre Worte zu hohen Erwartungen Anlaß gegeben; das freut mich.

Ich möchte zunächst auf den ersten CDU-Antrag zu finanziellen Leistungsanreizen eingehen. Es ist richtig, daß es entgegen einer Senatsplanung eine entsprechende Einführung der finanziellen Leistungsanreize im öffentlichen Dienst in Hamburg bisher nicht gibt. Ich will auch nicht verhehlen, daß wir diese Einführung in jedem Falle wollen und auch für nötig erachten. Deswegen ist die Tendenz des Antrags der CDU richtig.

Es ist sinnvoll, neben der Verwaltungsmodernisierung, die wir in den letzten Jahren betrieben haben, ausdrücklich auch den Modernisierungsgedanken in der Personalführung und -wirtschaft fortzusetzen. Dazu stehen die verschiedenen Modelle der Leistungsorientierung wie beispielsweise die Prämien, befristete Zulagen oder auch ein schnelleres Aufrücken in den Grundstufen zur Verfügung.

Ich habe dafür Verständnis, wenn die Findung von Kriterien, wie die Leistungszulagen vergeben werden sollen, so lange diskutiert werden, bis man geneigt ist, ein Gesamtkunstwerk herzustellen.

(Unruhe im Hause – Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Es ist zu laut! – Glocke)

Frau Hajduk, bitte einen Moment. Es ist im Raum viel zu laut. Die Gespräche sollten bitte nach draußen verlegt werden. Sie haben das Wort.

Ich gebe auch zu, daß es schwierig ist, ein kritikfreies Ergebnis hinzubekommen. Ich meine aber, daß die Findung von Kriterien oder – wie der Senat auf eine Kleine Anfrage von Herrn Vahldieck geantwortet hat – daß die Einführung der Leistungsanreize, gekoppelt mit einer grundlegenden Reform des Beurteilungswesens, kein ausreichendes Argument für die Verzögerung und die Nichteinführung im Jahre 2000 sein kann.

Vielmehr glaube ich, daß wir nur eines nach dem anderen machen konnten, womit ich folgendes meine: