Es fällt einem doch kein Zacken aus der Krone, Entwicklungen zuzugestehen, die besser gelaufen sind, als man erwartet hat. Ich weiß gar nicht, was daran so außergewöhnlich ist. Wir können das zumindest, meine Damen und Herren.
Nur, warum ist es in der Hafenstraße – von heute zurückblickend betrachtet – besser gelaufen, als wir – zugegebenerweise – unter dem Strich erwartet haben?
Genau das ist der Grund, Dr. Schmidt. Der Grund ist, daß im Gegensatz zur Flora in der Hafenstraße Leute gewohnt, sich in Familien entwickelt haben, sie älter geworden sind
an ihrem Wohnort und wollten, daß ihre Kinder dort in Ruhe und Frieden leben können und im Grunde – da haben Sie völlig recht – verbürgerlicht sind durch das Wohnen in der Gegend. Der große Unterschied ist, daß man sich in der Hafenstraße durch das Wohnen verbürgerlicht hat, in der Flora wohnt kein Mensch, sondern die Flora ist nur noch ein Symbol für einen rechtsfreien Raum, und da wird es keine Verbürgerlichung geben. Das prophezeie ich Ihnen. Das ist der große Unterschied,
der schon dadurch deutlich wird, daß trotz der Bemühungen, hier mit Sanftpfotenpolitik vorzugehen und Hände auszustrecken, der letzte Montag zumindest eines zeigt: Für die Leute in der Roten Flora ist es ein Symbol, das sie nicht aufgeben werden, weil sie dort nicht wohnen, sondern dieses Symbol hochhalten und jede Möglichkeit nutzen werden, gewalttätig zu werden. Das hat der letzte Montag gezeigt. Das übersehen Sie, und das wollen Sie nicht wahrhaben.
Unabhängig davon, daß man dieses Symbol kannte und wußte, was dort abläuft, war es ein gnadenloser Dilettantismus, bei dieser Symbolhaftigkeit ein wichtiges Hamburger Medienereignis in den River Kasematten stattfinden zu lassen. Daß die Leute, die nach Hamburg kommen, für die Hamburg werben will, die Hamburg anziehen will, die wir hier haben wollen, unter Polizeischutz, der voraussehbar ist, dann ein solches Event über sich ergehen lassen mußten, war ein Armutszeugnis für Hamburger Standortpolitik. Das nur am Rande gesagt.
weil zwar durch das Wohnen eine Verbürgerlichung eintreten mag, aber wer dort nicht wohnt, wird es nur, wie es die Floristen – wie es so schön genannt wird – selber sehen, als Symbol für sich nutzen. Es wird keine Änderung eintreten. Das prophezeie ich Ihnen.
Ich behaupte gar nicht, Herr Bürgermeister, mit meinen Prophezeiungen unbedingt richtig liegen zu müssen. Natürlich prophezeien wir beide verschiedene Dinge in verschiedene Richtungen. Aber es gibt Rahmendaten in der Roten Flora – der letzte Montag ist der Mosaikstein in dieser Beweiskette gewesen –, die die Richtigkeit dieser Prophezeiung sehr nahelegen. Sie wollen es aber nicht wahrhaben. Sie wollen die Wirklichkeit nicht sehen, weil Sie sich vor den Wahlen freikaufen wollen.
Können Sie mir erklären – das haben Sie in Ihrer Rede auch nicht getan –, warum allein der Wechsel in den Eigentumsverhältnissen die Probleme im Bereich Rote Flora lösen soll?
Erstens: Das Gelände der Roten Flora und das Gebäude selber sind in den letzten Jahren, ohne daß die Polizei einschreiten durfte, als Drogenhandel- und Drogenkonsumplatz genutzt worden. Die Polizei ist aufgrund politischer
Vorgaben nicht eingeschritten. Daran wird sich vermutlich bis September auch nichts ändern, weil das nichts mit den Eigentumsverhältnissen, sondern etwas mit der Mutlosigkeit Ihrer Politik zu tun hat,
daß die Rote Flora als Symbol Planungs- und Ausgangspunkt für Gewalttätigkeiten und geradezu eine festungsmäßige Rückzugsmöglichkeit für gewalttätige Demonstranten gewesen ist. Können Sie mir bitte erzählen, warum die Eigentumsverhältnisse, wenn zugesichert ist, daß diese Nutzer weiter nutzen dürfen, irgend etwas an diesem Umstand ändern werden? – Nichts wird sich daran ändern. Es wird genauso bleiben, wie es ist, nur mit geänderten Eigentumsverhältnissen zu einem Spottpreis, und das ist das Ungerechte und Unvernünftige.
Der Unterschied ist nur, daß durch die Änderung der Eigentumsverhältnisse – weg von der Stadt, hin zu einem privaten Eigentümer – die Stadt zumindest die zivilrechtlichen Möglichkeiten der Räumung nicht mehr in der Hand hat. Das ist der große Unterschied.
Der Kaufpreis ist ein Dumpingpreis. Sie lösen keine Probleme und entledigen sich der rechtlichen Möglichkeiten, den rechtsfreien Raum zivilrechtlich beseitigen zu können, und das ist der völlig falsche Weg, den Sie eingegangen sind.
Weil wir einen Dumpingpreis ablehnen, weil die Probleme nicht gelöst werden und die Problemlösung durch zivilrechtliche Schritte zukünftig erschwert wird, machen wir diese Lösung nicht mit und werden sie in diesem Hause ablehnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist eigentlich eine skurrile Debatte. Wenn ich den Umfragen glauben will, dann muß Herr von Beust eben für die GAL-Anhänger gesprochen haben, während ich jetzt für die CDU-Anhänger sprechen muß oder umgekehrt, was durchaus einmal vorkommt.
Sie versuchen, Ihre Anhänger davon zu überzeugen, daß sie sich massenhaft irren, und ich versuche, meine Anhänger davon zu überzeugen, daß die Befürchtung, es könne mit dem Verkauf der Flora das Stadtteilkulturzentrum gefährdet werden, falsch ist. Also tauschen wir unsere Rollen.
Man muß vielleicht zunächst darauf hinweisen, daß nicht die Bewohner verkauft werden, sondern das Grundstück und das Gebäude.
Bei Mietern kommt es gelegentlich auch vor, daß das Haus, in dem sie wohnen, verkauft wird, aber die Verhältnisse sich sonst nicht ändern. Nun gibt es aber böse neue
Besitzer, und das wird man dann sehen. In diesem Fall ist der Bösartigkeit eines neuen Besitzers ein gewisser Riegel vorgeschoben worden, denn er muß sich verpflichten, das Stadtteilkulturzentrum so beizubehalten. Das ist schon einmal etwas. Deswegen, finde ich, kann man diesem Kaufvertrag zustimmen.
Für die CDU ist es in der Tat ein großes Problem, weil Sie in Zukunft nicht mehr nach jedem Zwischenfall den Abriß des Gebäudes verlangen können. Sie müßten dann ja rufen: Enteignet Kretschmer.
Sie haben gefragt, warum es sinnvoll ist? Das hat der Senat in seiner Senatsformulierung sehr gut dargestellt. Da heißt es nämlich in der Drucksache:
„gegenüber der Stadt und den öffentlichen Institutionen überlagert offenbar die privatrechtlichen Beziehungen der Nutzer zu dem städtischen Grundeigentümer nachhaltig. Hieraus entstehen Schwierigkeiten,“