Protocol of the Session on April 5, 2001

Große Entwicklungspotentiale stecken in der Verbindung von Telekommunikation und Internet. Ein weiteres wichtiges Potential bietet die Verschmelzung von Old- und NewEconomy. Vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs sind insbesondere die traditionellen Unternehmen und Betriebe einem enormen Anpassungsdruck ausgesetzt. Vom Einkauf bis zum Vertrieb werden die neuen Technologien Einzug in die traditionellen Hamburger Unternehmen halten.

Vor wenigen Tagen war in der Presse zu lesen, daß der Otto-Versand inzwischen die Nummer zwei im weltweiten Internet-Handel ist mit einem Umsatz von insgesamt 2,1 Milliarden DM. Das ist gewaltig.

Mit dem im Februar vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur digitalen Signatur – auch darüber haben wir kürzlich debattiert – dürften nunmehr auch die privaten Bestellungen und Bankgeschäfte über das Internet einen Aufschwung nehmen.

Auch die öffentliche Verwaltung wird sich reorganisieren. Die Bürgerinnen und Bürger werden Serviceleistungen künftig direkt über das Internet abrufen können.

Trotz fallender Aktienkurse ist in der IT-Wirtschaft in dem Bereich im vergangenen Jahr dennoch eine eindrucksvolle Bilanz entstanden. Im vergangenen Jahr ist die deutsche Internet-Wirtschaft nochmals um 10 Prozent auf 238 Milliarden DM gewachsen. Sie hat sich damit zu einem der größten deutschen Wirtschaftszweige entwickelt. Das ist auch für uns in Hamburg sehr wichtig. Viele Menschen – bundesweit sind es 800 000 – arbeiten in dieser Branche. Nach einer Studie des RWI wird sich die Anzahl der Beschäftigten innerhalb der nächsten zehn Jahre nahezu verdoppeln.

Welches Potential in der Medienwirtschaft – und hier vor allem im Bereich der neuen Medien – steckt, zeigt sich auch an dem wachsenden Standortwettbewerb. Viele haben sicherlich in der Zeitung gelesen, daß gerade Berlin in diesem Bereich aktiv ist und sehr intensiv versucht, in

Hamburg Unternehmen abzuwerben. Auch München lockt mit hohen Subventionen. Wir werden es im Einzelfall nicht verhindern, daß Unternehmen abwandern, aber Hamburg ist für den Standortwettbewerb gut gerüstet.

Die Stärken Hamburgs liegen im Vergleich zu Berlin darin – das macht die Große Anfrage auch deutlich –, daß die Förderinstrumente auf die Bedürfnisse der neuen Medien zugeschnitten sind.

Einen wichtigen Beitrag leistet die Vernetzung der Wirtschaft im Bereich der neuen Medien durch die von Politik und Wirtschaft gemeinsam ins Leben gerufene Initiative Hamburg newmedia@work. Dort werden vorhandene Kompetenzen gebündelt, und Multimedia-Unternehmen in Hamburg werden an diesen Standort gebunden.

Entscheidende Impulse für die Weiterentwicklung des Multimedia-Standorts sehe ich in der Verbindung von Stadtentwicklungs- und Wirtschaftspolitik. Durch das Haus der Multimedia-Produzenten in Ottensen oder die InternetFactory sind Räumlichkeiten geschaffen worden, die die neue Gründergeneration anzieht. Das wird in der Antwort auf die Große Anfrage an der hundertprozentigen Kapazitätsauslastung und der geplanten Erweiterung des Hauses der Multimedia-Produzenten in Ottensen deutlich.

Die räumliche Nähe zu anderen Unternehmen dieser Branche erleichtert vor allem Gründerinnen und Gründern den Einstieg. Man kann sich gewissermaßen über den Flur Rat holen und verständigen. Darüber hinaus stehen attraktive Räumlichkeiten zur Verfügung, die auf die Anforderung dieser Branche besonders zugeschnitten sind.

Ganz wichtig scheint mir aber auch das Phänomen, das wir im Moment erleben, nämlich die Reaktivierung alter Hafenflächen, vor allem in der HafenCity. Diese Flächen bieten beste Chancen, weltweit agierende Unternehmen für Hamburg zu gewinnen. Die Ansiedelung von IBM – der Nummer eins auf dem Weltmarkt – in der Speicherstadt und die Ansiedelung von SAP – dem größten deutschen Software-Haus – sowie die Entstehung von Media-CityPort mit der Multimedia-Akademie in der HafenCity zeigen, daß Hamburg diese Chancen nutzt, um seine Wirtschaftspolitik und die Struktur global auszurichten.

Keine Frage also, Hamburg wird in Zukunft seine Spitzenposition als Medienmetropole durch die Möglichkeiten in der HafenCity und die Perlenkette an der Elbe auch in Europa sichern und noch weiter ausbauen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Klimke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute nicht zum ersten Mal über Newmedia in Hamburg, aber im Vergleich zu den früheren Debatten – Frau Brockmöller hat darauf hingewiesen – ist inzwischen ein Wandel eingetreten. NewEconomy hat inzwischen deutlich an Glanz verloren, und der Stern sinkt etwas. Wie der Senat zutreffend feststellt, machen sich vor allen Dingen die Auswirkungen der Wirtschaftslage in den USA und die Börseneinbrüche auch im Hamburger Newmedia-Sektor bemerkbar. Die Spreu trennt sich vom Weizen, multimediale Eintagsfliegen gehen, und nur erfolgreiche Konzepte können sich dem Wettbewerb stellen.

(Vizepräsident Berndt Röder)

Gerade in diesen zukunftsträchtigen Unternehmen sehen wir, daß es, wie in anderen Medienbereichen, den Standortwettbewerb mit Berlin und München gibt, und jeder möchte möglichst das größte Stück von diesem Wachstumskuchen abschneiden. Der Wettbewerb wird härter, die Konkurrenz schläft nicht.

Falsch ist es im übrigen, sich in der Medienmetropole Hamburg nur auf den Multimedia-Bereich zu konzentrieren. Bei gleichzeitiger Förderung von jungen, schnellebigen Newmedia-Unternehmen dürfen wir vor allen Dingen aber auch die traditionellen Unternehmen nicht vernachlässigen. Wir haben in Hamburg 1000 Multimedia-Unternehmen mit circa 18 000 Beschäftigten. Insgesamt arbeiten in der Medienbranche in Hamburg 70 000 Mitarbeiter.

Wir hatten vor kurzem die Diskussion über die mögliche Abwanderung des Springer-Verlags nach Berlin. Das zeigt, wie groß der Sog in die Hauptstadt ist. Die Bindung Hamburgs zu den traditionellen Medienunternehmen, die aus Hamburg gar nicht wegzudenken sind – beispielsweise der „Stern“, die „Bild“-Zeitung, „Der Spiegel“ –, wird aber, so hat es den Eindruck, allmählich brüchig. Gefährlich kann dies vor dem Hintergrund werden, als daß die klassischen Verlagshäuser wichtig sind, auch im Internet-Bereich für diesen Bereich Inhalte zu liefern.

Nicht zu Unrecht spricht der Senat davon, daß Hamburg ein Content-Cluster ist. Was ist das? Es ist eine Anhäufung von Unternehmen, die sich mit textlichem und redaktionellem Tiefgang den Inhalten widmen.

Aus den klassischen Hamburger Medienhäusern, die den Trend der Zeit erkannt haben, erwachsen Töchter und Enkel, die redaktionelle Zulieferer für das Internet sind. Internet-Angebote werden immer mehr vor allem an ihrer Qualität gemessen. Neudeutsch heißt das: Content is King. Diesen Internet-Zweig in der Stadt zu halten, ist eine sehr wichtige Voraussetzung.

Um so schmerzhafter ist es dann auch, wenn, wie heute in der „Welt“ zu lesen ist, der Springer-Verlag und T-Online ein neues Internet-Portal mit einem Redaktionssitz in Berlin und nicht in Hamburg gründen.

Hamburg ist – ohne Zweifel – Newmedia-Hochburg. Der sehr gute Ruf Hamburgs als Multimedia-Standort ist aber sicherlich nicht ein Ergebnis hervorragender Senatspolitik. Er ist und bleibt Verdienst unternehmerischer Leistung und unternehmerischer Kreativität,

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

die vor allen Dingen durch gut oder hervorragend ausgebildete Menschen erbracht werden kann.

Das „Hamburger Abendblatt“ berichtet heute auch, daß Hamburger Unternehmen zur Zeit händeringend 6000 ITKräfte suchen. Der Mangel an Computerspezialisten konnte auch nicht durch die Green-Card-Regelung behoben werden. In Hamburg konnten bis Ende 2000 nur 174 – 6000 werden gesucht – ausländische Arbeitnehmer vermittelt werden. Dies macht deutlich, wie wichtig und notwendig neue Impulse im Bereich der Ausbildung sind. Die Branche selbst hat die Zeichen erkannt und steigert die Ausbildungsplätze.

Aber warum gibt es in Hamburg immer noch keinen Lehrstuhl für E-Commerce. An der Universität Frankfurt wurde bereits im Sommersemester 1999 ein Lehrstuhl geschaffen; eine kleinere Stadt wie Osnabrück, die man in diesem Bereich sonst gar nicht auf der Rechnung hat, ebenso.

Warum geht das offensichtlich nicht in der MultimediaHochburg Hamburg?

Ich will noch einen anderen Aspekt ansprechen, den wir bereits im Wirtschaftsausschuß beraten haben. Wichtig ist nicht nur die Förderung neuer Unternehmen, sondern auch die Nutzung der neuen Technologie durch die Hansestadt selbst. Neben den Bereichen b to c, Unternehmen zu Kunde, und b to b, Unternehmen zu Unternehmen, spielen die Geschäftsbeziehungen mit dem Staat bisher kaum eine Rolle. Die Möglichkeiten von b to g, business to government, werden in Deutschland bisher kaum genutzt, obwohl sich Arbeit und Kosten minimieren ließen. Es ist erforderlich, die ganze Palette von Dienstleistungen der Verwaltung auch auf elektronischem Wege zugänglich zu machen. Im Bereich von E-Government, der elektronischen Verwaltung, könnte Hamburg eine Vorreiterrolle spielen. Durch die Digitalisierung der Prozeßabläufe könnte die Stadt ein wichtiges Signal an die Wirtschaft geben und damit auch an den Multimedia-Standort Hamburg.

Die CDU-Fraktion hat bereits im letzten Jahr einen Antrag zum Beschaffungswesen und zur öffentlichen Auftragsvergabe der Hamburger Behörden eingebracht, der einen weiteren Innovationsschub auslösen könnte. Darauf möchte ich in diesem Zusammenhang auch noch einmal verweisen.

Lassen Sie mich auch noch einige Anmerkungen zur Antwort des Senats auf die Große Anfrage machen. Antworten können eigentlich immer nur so gut sein wie die Fragen. In vielen Punkten fragen Sie, Frau Brockmöller, nur die Daten und Sachstände ab, die Fachleuten eigentlich schon lange bekannt sind. Folglich gibt es keine neuen Informationen oder Erkenntnisse. Man hat eher den Eindruck, man trinkt kalten Kaffee, der abgestanden und fade ist. Viele Antworten hätten Sie auch gefunden, wenn Sie selbst das Internet benutzt hätten. Aber offensichtlich laufen die SPDAbgeordneten bei der Internet-Nutzung der Entwicklung hinterher.

(Beifall bei der CDU)

Sie fragen unter Punkt 1.2:

„Welche Institutionen/Unternehmen arbeiten an der Initiative Hamburg newmedia@work mit?“

Die Antwort, Frau Brockmöller, ist nur einen Mausklick weit entfernt: Die Adresse Hamburg newmedia@work eingeben, und schon haben Sie die Antwort. Damit brauchen Sie den Senat gar nicht lange zu beschäftigen.

Oder wenn Sie unter 7.2. fragen:

„Was ist der Inhalt des sogenannten Multimedia-Führerscheins?“

Zunächst wieder die Adresse: Hamburg newmedia@work eingeben, dann auf „Multimedia-Führerschein“ klicken und zwischen „Einsteiger“ und „Umsteiger“ wählen, und Sie haben die Antwort. Wir brauchen dazu gar keine Große Anfrage. Apropos Einsteiger und Umsteiger: Wahrscheinlich ist für die SPD-Fraktion eher der Einsteigerkurs zu empfehlen.

Die Anfrage und die Antworten lassen zwei Schlüsse zu:

Erstens: So doll sind die Kenntnisse der Kollegen von den Sozialdemokraten offensichtlich nicht.

Zweitens: Wahrscheinlich wollte die SPD noch kurz vor den Wahlen ein bißchen Hauch von Newmedia auf sich selbst lenken.

(Jürgen Klimke CDU)

(Brigitte Brockmöller SPD: Das haben wir auch ver- dient!)

Aber beides hilft dem Medienstandort Hamburg nicht. Da müssen andere ran. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hamburg hat es nicht nötig, daß durch eine Große Anfrage ein wenig Licht auf diesen Standort geworfen wird. Für Newmedia sind wir in der Republik inzwischen recht gut bekannt. Das als Einstieg zu den letzten Bemerkungen von Herrn Klimke.

Ich möchte mich in meinem Vortrag kurz auf zwei Punkte beschränken, die für Hamburg wichtig sind: erstens der Transfer des Multimedia-Wissens in die OldEconomy, in die traditionelle Wirtschaft, und zweitens die Zukunft des Medienstandorts Hamburgs, der von höchster Bedeutung ist, und die Beziehung zu Berlin, die heute auch schon angesprochen wurde.