Protocol of the Session on February 28, 2001

Wer möchte Ziffer 1 des Antrages annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist diese Ziffer mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wer stimmt Ziffer 2 zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist auch diese Ziffer mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wer schließt sich Ziffer 3 an? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist auch diese Ziffer mit großer Mehrheit und damit der gesamte Antrag abgelehnt.

Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 17 auf: Drucksache 16/5531: Mitteilung des Senats zur Bio- und Gentechnik.

[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 20. Januar 1999 (Drucksache 16/1943) – Bio- und Gentechnik – – Drucksache 16/5531 –]

Die CDU-Fraktion möchte diese Drucksache zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuß und mitberatend an den Gesundheitsausschuß, den Wissenschaftsausschuß sowie den Umweltausschuß überweisen.

Wer wünscht hierzu das Wort? – Die Abgeordnete Dr. Freudenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bio- und Gentechnologie werfen viele Fragen auf, normativer, ethischer, sozialer, medizinischer, auch ökologischer und ökonomischer Sicht. Zu Recht wird von uns Politikern erwartet, daß wir die Verantwortung für den Umgang mit den neuen Technologien übernehmen und die Rahmenbedingungen definieren, in denen sie stattfinden.

Einerseits müssen wir dafür sorgen, daß die Chancen der neuen Technologien genutzt werden können, andererseits müssen wir den Schutz des Lebens, der Menschenrechte und der Umwelt auch langfristig wahren. Kurz und gut: Wir müssen uns alle mit diesen Fragen auseinandersetzen.

Die rotgrüne Hamburger Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag einen kritischen Umgang mit der Bio- und Gentechnologie festgelegt. Die heute debattierte Senatsdrucksache stellt die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung dar. Hamburg ist ein leistungsfähiger Biotechnologiestandort mit medizinischem Schwerpunkt. Besondere Erfolge hamburgischer Forschungsinstitute und -unternehmen gibt es im Bereich der Entwicklung von Medikamenten und Diagnostika.

Forschung und Produktion werden in Hamburg kritisch begleitet, und es werden ihr Grenzen gesetzt. Der Erfolg der hamburgischen Unternehmen zeigt, daß dieses ihre Entwicklung nicht hemmt. Ich behaupte sogar, daß die kritische Begleitung – allen Unkenrufen zum Trotz – die Entwicklung langfristig fördert. Die naturwissenschaftlich Tätigen brauchen die interdisziplinäre Auseinandersetzung und den öffentlichen Diskurs über ihre Arbeit, und sie sind auch in ihrer Arbeit auf gesellschaftliche Akzeptanz angewiesen. In Hamburg hat die interdisziplinäre Technikfolgenabschätzung eine Schlüsselstellung.

Auf Landes- und Bundesebene gibt es diverse hochkarätig besetzte Ethik-Kommissionen. Sie sollten weder das Dasein fast unbemerkter Mauerblümchen führen, noch sollten sie der Politik als Feigenblätter dienen. Wir Parlamentarierinnen müssen die Kompetenz dieser Kommissionen nutzen und das Gespräch mit ihren Mitgliedern suchen, um uns mit ihrer Hilfe in die problematischen Fragen einzuarbeiten, zu denen wir als Gesetzgeber auch Entscheidungen treffen müssen.

Kurz vor Weihnachten hat sich Bundeskanzler Schröder in einem Artikel der Zeitung „Die Woche“ zur Zukunft der Gentechnik geäußert. Schröder warnt in diesem Artikel vor einer „Politik ideologischer Scheuklappen und grundsätzlicher Verbote“, und er bezeichnet die Selbstbescheidung Deutschlands auf Lizenzfertigungen und Anwenderlösungen als unrealistisch und sogar unverantwortlich. Schröder spricht sich in diesem Artikel gegen die Verwendung embryonaler Stammzellen in der Forschung aus, er plädiert jedoch für eine Diskussion um die Zulassung der aufgrund des Embryonenschutzgesetzes verbotenen Präimplantationsdiagnostik. Recht forsch tritt damit der Bundeskanzler in eine auch in seinem Kabinett ausgesprochen differenziert geführte Debatte ein und erklärt die Frage der Präimplantationsdiagnostik jetzt zu einem zentralen Konfliktpunkt.

(Dr. Roland Salchow CDU: Vielleicht noch zur Chef- sache!)

Nein, zu einem zentralen Konfliktpunkt erst einmal.

Kurz nach diesen Äußerungen Schröders trat Andrea Fischer als Gesundheitsministerin zurück, die sich ja sehr stark für einen kritischen Umgang und für Restriktionen im Bereich der Fortpflanzungsmedizin ausgesprochen hatte.

Auch der Hamburger Senat äußert sich in der vorliegenden Drucksache ausführlich zur Präimplantationsdiagnostik. Allerdings spricht er sich im Gegensatz zu Schröder für die Aufrechterhaltung des Verbotes aus. Dabei bezieht sich der Senat auf ein Gutachten der Hamburger Forschungsgruppe „Technologiefolgenabschätzung der modernen Biotechnologie in der Medizin“ – BIOGUM –, das im Auftrag der BAGS erstellt worden war. Der Senat kündigt in diesem Zusammenhang weitere Aktivitäten an mit dem Ziel, die politischen Entscheidungsträger für die ethische Problematik neuer medizinischer Verfahren zu sensibilisieren. Die GAL-Fraktion begrüßt diese Aktivitäten, und wir können versichern, daß wir uns aktiv daran beteiligen werden.

Worum geht es denn bei diesen Fragen? Beim Embryonenschutzgesetz geht es um die zentrale Frage, wann das menschliche Leben beginnt und ab welchem Entwicklungsstadium den Menschen die Menschenwürde und – im Grundgesetz verankert – Persönlichkeitsrechte zugesprochen werden. Von den Antworten und Definitionen hängt es ab, wie wir die Grenzen der Verfügbarkeit menschlichen

(Axel Bühler GAL)

Lebens definieren. Beginnt das menschliche Leben mit der Befruchtung der Eizelle? Halten wir an dieser Definition, die im Deutschen Embryonenschutzgesetz verankert ist, fest, oder sollten wir – wie die Briten das mittlerweile tun – den Zeitpunkt der Nidation, also die Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter, als den Beginn des menschlichen Lebens definieren und damit die sich entwickelnde menschliche Keimzelle vierzehn Tage lang für die Forschung verfügbar machen und auch in dieser Phase Selektionen zulassen?

Wie heikel diese Fragen sind, zeigt eine Äußerung des neuen Bundeskultusministers Julian Nida-Rümelin. In einem Interview sprach er dem Embryo die Menschenwürde ab mit der Begründung, daß der Embryo nicht zur Selbstachtung fähig sei. Er begründet das damit, daß, wenn der Embryo zur Selbstachtung nicht fähig ist, seine Selbstachtung und seine Würde auch nicht beschädigt werden könnten.

Für diese leichtfertige Äußerung ist Nida-Rümelin zu Recht heftig kritisiert worden,

(Beifall bei Dietrich Wersich CDU)

denn mit der Koppelung der Menschenwürde an die Fähigkeit zur Selbstachtung wird auch Säuglingen, geistig schwerbehinderten Menschen und auch Menschen im Wachkoma die Menschenwürde abgesprochen. Ich denke nicht, daß Minister Nida-Rümelin das wollte, aber mit dieser Äußerung hat er die berechtigten Ängste behinderter und chronisch kranker Menschen vor der Anwendung gentechnischer Methoden weiter geschürt. Dies zeigt, wie wichtig die gründliche Auseinandersetzung mit diesen ethischen Fragestellungen für uns alle ist, auch für die Minister und auch wenn sie, wie Herr Nida-Rümelin, gelernte Philosophen sind.

Angesichts der vielen ungeklärten Fragen ist es viel zu früh, die bestehenden Restriktionen des Embryonenschutzgesetzes zu lockern. Deshalb halte ich auch die Äußerung des Bundeskanzlers und seiner Ministerinnen Schmidt und Bulmahn für verfrüht. Es ist zu hoffen, daß ein Moratorium beschlossen wird und daß sich auch Bundespräsident Rau den medizinethischen Fragestellungen verstärkt zuwendet. Es ist in diesem Zusammenhang gut, richtig und wichtig, daß sich der Senat klar für die Einhaltung des Embryonenschutzgesetzes und damit gegen die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik zu dieser Zeit ausspricht und daß er das Verbot des Klonens und der gentechnischen Eingriffe in die Keimbahn unterstreicht und darüber hinaus die Ablehnung der Bioethik-Konvention wieder bekräftigt.

Weniger konkret als zu diesen medizinethischen Fragestellungen äußert sich der Senat in der Drucksache zu der sogenannten grünen Gentechnik, also zur Anwendung gentechnischer Methoden in der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion. Der BSE-Skandal hat hier endlich ein Umdenken bewirkt, und ich bin sicher, daß die Sensibilisierung der Bevölkerung gegenüber diesen Fragen dazu führen wird, daß endlich klare gesetzliche Regelungen durchsetzbar sind. Die Akzeptanz gentechnisch veränderter Nahrungsmittel ist stark zurückgegangen, und ich hoffe, daß wir endlich eine eindeutige Kennzeichnungsverpflichtung für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel einführen und klare Produktionsbeschränkungen durchsetzen können. In diesem Bereich sollte der Senat noch aktiver werden. – Danke.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD, der CDU und bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Marx.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das zweite Mal in diesem Monat debattiert die Bürgerschaft über ein Thema aus dem Bereich Bio- und Gentechnik.

(Dr. Roland Salchow CDU: Unter großer Pressean- teilnahme! – Antje Möller GAL: Ja, jetzt haben Sie mehr als fünf Minuten!)

Das wollte ich gleich noch würdigen, aber das haben Sie vorweggenommen, aber ich finde es schön, daß Sie die Debatte von damals noch erinnern.

Die Bürgerschaft hatte im Januar 1999 den Senat ersucht, zum Thema Bio- und Gentechnik in einigen zentralen Fragen der Bürgerschaft zu berichten. Der Bericht sollte eigentlich bis zum 30. Juni 1999 kommen. Daß er jetzt erst kommt, hat auch Vorteile. Manche aktuellere Entwicklung kann sich so in der vorliegenden Drucksache wiederfinden. Die gegenwärtige Diskussion über das Klonen von Menschen oder – wie es gestern in der „Welt“ hieß – über das Adoptieren von gefrorenen Embryos macht deutlich, welche Probleme die neuen wissenschaftlichen und medizinischen Möglichkeiten mit sich bringen. Während in Deutschland bei künstlicher Befruchtung keine Embryonen auf Vorrat hergestellt werden dürfen, sind die Regelungen und die gesellschaftliche Diskussion in anderen europäischen Ländern zum Teil sehr viel großzügiger und gestatten manches, was hier unzulässig und fast undenkbar ist. Außerdem ist es sehr bemerkenswert, nach welchen ethischen Kriterien die Embryonen manchmal ausgewählt werden und entsprechend auch die neuen Eltern.

In der „Welt“ von gestern kann man nachlesen, welche Kriterien das Empfängerehepaar der Embryonen erfüllen mußte. Beide sollten Christen und mindestens sieben Jahre verheiratet sein. Nicht jede und jeder in diesem Haus würde diese Bedingungen erfüllen. Gleichzeitig werden von manchen Forschern Embryonen als perfekte menschliche Ersatzteillager gesehen. Auch das, denke ich, ist nicht ganz so einfach, wie sich das mancher Wissenschaftler und manche Wissenschaftlerin vorstellen.

Auch macht in den letzten Jahren das Bild einer Maus die Runde, auf deren Rücken ein scheinbar menschliches Ohr wuchs. Da werden also dann nicht Embryonen, sondern Tiere zu Ersatzteillagern des Menschen. Nicht erst BSE läßt aber viele andere ungeklärte Fragen dabei zutage treten. Vielleicht erhält ja der potentielle Ohrempfänger von der Maus nicht nur ein Ohr, sondern auch gleich ein paar Retroviren und Prionen gratis als unfreiwillige Zugabe. Die Debatte darüber, was ethisch zulässig und wünschenswert ist, werden wir immer wieder und immer wieder neu führen müssen. Dazu gehören auch die Fragen, die Frau Dr. Freudenberg genannt hat: Was ist menschliches Leben? Wann und wie beginnt es? Was halten wir dabei für ethisch verantwortbar und was nicht? Eingriffe in die Keimbahn des Menschen, also Eingriffe, bei denen genetische Veränderungen an nächste Generationen weitergereicht werden, sind nach wie vor unzulässig. Trotzdem fällt bei der Debatte um geklonte Menschen auf, daß diejenigen am lautesten dagegen protestieren, die früher den Menschen als alleiniges Ergebnis einer mehr oder minder schweren Kindheit und von Umwelteinflüssen geprägt ansahen.

Die Unterzeichnung der Bioethik-Konvention durch die Bundesrepublik Deutschland und damit die Befassung

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL)

Hamburgs im Bundesrat ist nicht zu erwarten. Trotzdem gab es auch in meiner Fraktion Stimmen, die diese Bioethik-Konvention – heute heißt sie „Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin“ – als Mindeststandard begrüßen würden. Der Stand der politischen Debatte bundesweit zu diesem Thema lohnt aber nicht, daß man sich in Hamburg über eine rein hypothetische Frage des Unterzeichnens zerstreitet. Nach meiner Kenntnis gibt es aber mittlerweile eine Mindestanzahl von Staaten, die diese Konvention unterzeichnet hat.

Nach dem Studium der Senatsantwort läßt sich feststellen, daß Wissenschaft ohne ethische Verantwortung unverantwortlich ist. Hamburg – und in Wahrheit die ganze Bundesrepublik – braucht eine breite Debatte über das, was Bio- und Gentechnik kann, und über das, was sie darf. Hamburg ist führend bei der Technologiefolgenabschätzung in diesem Bereich. Hamburg ist aber auch bundesweit führender Wissenschafts- und Wirtschaftstandort für die Bio- und Gentechnologie. Ich nenne nur einige Stichpunkte. Aus dem Bereich der Wissenschaft:

das Zentrum für Molekulare Neurobiologie, – das Institut für Hormon- und Fortpflanzungsforschung, – das Heinrich-Pette-Institut, – das Bernhard-Nocht-Institut, – die Marine- und Biotechnologie, – die Technische Biotechnologie und die Biotechnologie sowie die Umweltbiotechnologie der TU.

Aus dem wirtschaftlichen Bereich will ich stellvertretend für viele die Firma EVOTEC erwähnen, die nicht nur Kennern des Neuen Marktes als große Biotechnologiefirma aus Hamburg bekannt ist. Zur weiteren Beratung wird die SPD dem Überweisungsantrag der CDU in diverse Ausschüsse folgen. Ich denke, da haben wir dann die Gelegenheit, die eine oder andere Fachfrage angemessen weiter zu debattieren. – Ich danke.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt sodann der Abgeordnete Professor Dr. Salchow.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zwei Jahre hat der Senat gebraucht, diese Antwort zu produzieren. Das ist eine gute Zeit, aber ich finde, daß die Antwort ganz gut ist.

(Oh-Rufe und Beifall bei der SPD und der GAL)

Das kann man gefahrfrei sagen, weil die Presse bei solchen Themen bekanntlich nicht mehr dabei ist.

Wir sehen das auch an den Äußerungen von Frau Freudenberg, die ich in den meisten Teilen unterschreiben kann, wie schwierig das Problem ist. Es ist nicht einfach, da klare Grundsätze zu finden. Grundsätze heißt auch, ständig zu fragen, wie weit man gehen darf, weil Forschung ein immerwährendes Problem ist – und bei dieser Forschung ganz besonders –, wieweit oder wie beliebig darf Wissenschaft sein.

Gelegentlich liegen Gut und Schlecht sehr nah beieinander. Ein Beispiel: Dieser Tage hat die Kaufmännische Krankenkasse ein Modellprojekt angekündigt, 10 000 Freiwillige auf die Krankheit Hämochromatose untersuchen zu lassen. Es ist das erste Mal, daß ein solches Massenscreening größerer Gruppen der Gesellschaft durchgeführt wird. Das soll geschehen, weil man hofft, vor Ausbruch der Symptome etwas machen zu können, weil später, wenn

die Krankheit nicht richtig behandelt wird, das womöglich in Herzschwäche oder Leberkrebs oder Diabetes endet. Man kann das positiv unter dem Aspekt „Hilfe für Menschen“ deklarieren. Der Ethikrat hat dem zugestimmt.

Aber man muß auch die andere Seite sehen. Es könnte ein trojanisches Verfahren sein, ein Einfahrtstor dafür zu schaffen, ein genetisches Screening in der Bevölkerung zu machen. Sie sehen, wie nah an dieser Stelle Gut und Böse beieinander liegen. Da ist es schwer, die genaue Grenze zu ziehen. Ich bin sehr dafür, daß man Biotechnologie macht, aber ich bin auch sehr dafür, daß man sich sehr viel Mühe gibt, die Grenzwerte dieser Wissenschaft zu finden.