Protocol of the Session on February 28, 2001

(Rolf Harlinghausen CDU: Wie mit dem Geisterfah- rer; alles Einzelfälle!)

Sie können sich ruhig noch mal zu Wort melden.

Die Behauptung, daß Hamburg die höchsten Beitragssätze der Republik hat, stimmt nur bedingt. Dazu reicht ein Blick über die Landesgrenzen hinaus. In den Flächenländern gibt es kein einheitliches Gebührensystem. Dort bestimmt jede Kommune, wieviel für einen Platz gezahlt werden muß. Der Beitrag liegt im Vergleich oft höher als in Hamburg. Ich kenne einige Eltern, die neidvoll auf die Hamburger Situation gucken, und zwar bezüglich des vielfältigen Betreuungsangebots als auch wegen des PreisLeistungs-Verhältnisses.

Auch im Vergleich zu westdeutschen Großstädten hinsichtlich Struktur, Qualität und Leistungsumfang ist Hamburg Spitze und wird es bleiben.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Rolf Harlinghau- sen CDU: Spitze im Preis!)

Wir werden erst einmal ganz unaufgeregt und gelassen die weitere Entwicklung abwarten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Deuter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die positive Einkommensentwicklung aufgrund sinkender Arbeitslosigkeit und frühere Fehler der Eltern bei der Selbsteinschätzung ihres Einkommens – Frau Rogalski-Beeck hat es eben ausgeführt – haben dazu geführt, daß nun Mehreinnahmen von rund 16 Millionen DM aus den Elternbeiträgen zu erwarten sind. Warum? Weil wir mit einer Beitragsreform ein angemessenes Preis-LeistungsVerhältnis in der Hamburger Kinderbetreuung verankert haben.

Meine Damen und Herren! Werten Sie doch einmal selbst. Ist es zum Beispiel gerechter, daß es seither eine gültige Geschwisterregelung für alle Eltern gibt? Ist es gerechter, daß nun alle Eltern für einen dreistündigen Hortplatz weniger zu zahlen brauchen als für einen vierstündigen? Ist es gerechter, daß nun Familien aller Stadtteile einen SechsStunden-Platz mit zusätzlicher flexibler Tagespflege bekommen und das nur zu einem Elternbeitrag? Das waren

(Rolf Harlinghausen CDU)

ein paar Beispiele dafür, warum ich diese Beitragsreform so werte, daß sie zu mehr Beitragsgerechtigkeit führt.

Nun echauffiert sich die CDU, daß ein Halbtagsplatz von 300 DM für Eltern mit einem Nettoeinkommen ab 4700 DM aufwärts zu teuer sei. Die Arbeiterwohlfahrt hingegen empfindet, daß eher die Familien mit geringen bis mittleren Einkommen entlastet werden müßten und die Familien mit höheren Einkommen weniger entlastet werden sollen. Die Kunst einer sozial gerechten Politik liegt eben darin, alle Familien im Blick zu haben und die Familien mit geringen Einkommen gerade so wenig zu entlasten, wie es vertretbar ist, die Familien mit höheren Einkommen zu belasten. Denn wir haben mehr als zwei Drittel aller Eltern, die den Mindestsatz zahlen, wodurch eine Mark Entlastung dort unten zu 30 DM bis 45 DM Belastung bei den höheren Einkommen führen. Wir handeln also im Gegensatz zur Opposition im Interesse möglichst aller Familien, statt hier im Wahlkampf eine einseitige Klientelpolitik zu betreiben.

(Zuruf von Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Meine Damen und Herren! Die krampfhaft prophezeite Abmeldewelle ist nicht eingetroffen. Das ergab eine Umfrage der „Welt“. Bei all den befragten Einrichtungen und Trägern wurden, wenn überhaupt, nur vereinzelte Abmeldungen verzeichnet. Diese beträfen vor allem den Halbtagsbereich. Das war uns vorher klar. Wir alle haben gesagt, daß ein Vier-Stunden-Platz nicht einmal ausreicht, um einer Halbtagstätigkeit nachzugehen.

Jetzt gilt es für uns daher an die Eltern zu denken, die noch keinen adäquaten Platz der Kinderbetreuung erhalten haben, und die Versorgungslücken der Sechs- bis Acht-Stunden-Plätze zu schließen. Dafür sollen die Mehreinnahmen verwendet werden.

Nun wird weiter gezetert, daß das Geld nicht für den Ausbau, sondern für die Qualitätssicherung zu verwenden sei. Die läuft doch längst! In Arbeitsgruppen zwischen BSJB und Trägern entwerfen die Leute bereits die nötigen Schritte für die Qualitätssicherung.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das sollten Sie mal öffentlich diskutieren!)

Es entspricht im übrigen dem Auftrag dieser Bürgerschaft, daß die Qualitätsstandards der Hamburger Kinderbetreuung nicht unterlaufen werden.

Was ist jetzt zu tun? Es gilt, 16 Millionen DM Mehreinnahmen für die Familien bedarfsgerecht einzusetzen. Das könnten circa tausend Plätze sein, die von vier auf sechs Stunden aufgestockt werden, plus rund 500 Plätze mehr Pädagogischer Mittagstisch in der Schule sowie eine Verdoppelung der sechsstündigen Krippenplätze, je nachdem, was die Hamburger Eltern wollen. Genau das war immer die Absicht der GAL. Dafür haben wir schon zum Haushalt 1999 mit einem Antrag den Fuß in die Tür gestellt.

Als dieser im Jugend- und Sportausschuß diskutiert wurde, resümierten die Senatsvertreter allerdings, daß der vorhandene finanzielle Spielraum diese Umwandlung nur in Ausnahmefällen zulasse; ich zitiere aus dem Ausschußbericht 16/3323:

„Die CDU-Abgeordneten bedauerten diese Entscheidung, da sie nicht der Bedarfslage entspreche.“

Was denn nun, Herr Harlinghausen, hü oder hott? Besserverdienende entlasten oder bisher benachteiligten Fami

lien Plätze anbieten? Woody Allen sagte einmal: Du kannst nicht zwei Pferde mit einem Hintern reiten.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL und der SPD)

Mit den 16 Millionen DM werden also weder Versprechen gebrochen noch wird abkassiert. Hier wird systematisch Schritt für Schritt ein nicht mehr zeitgemäßes System am Bedarf der Hamburger Familien ausgerichtet. Das alles ist längst beschlossene Sache, und nichts weiter geschieht hier, und zwar geschieht es schneller und umfangreicher als erwartet, um den Hamburger Familien die von ihnen nachgefragten Plätze zu bieten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Frau Sudmann.

Es war schon eine interessante Debatte. Ich war besonders auf die SPD- und GAL-Fraktion gespannt, denn im letzten Jahr haben Sie hier ganz großartig mehr Gerechtigkeit statt mehr Einnahmen versprochen, ja, natürlich, Frau Hajduk, das sei das Hauptargument für die Beitragsreform.

(Anja Hajduk GAL: Woher kommen denn die Ein- nahmen?)

Die Mehreinnahmen haben wir, unterschlagen können Sie sie nicht, Frau Goetsch. Das Problem ist nur, daß Sie die Gerechtigkeit unterschlagen haben. Da die Einnahmen gestiegen sind, ist die Gerechtigkeit nur in ganz wenigen Bereichen hergestellt worden; beispielsweise bei der Geschwisterkindregelung.

Wir haben Ihnen im letzten Jahr in den Debatten aufgezählt, wie Ihre Gerechtigkeit aussah. Die größte Entlastung hat bei den Leuten mit dem größten Einkommen stattgefunden. Die mittleren Einkommen sind stärker belastet worden. Und die kleinen Einkommen, die Geringverdienenden, die Sozialhilfeempfängerinnen haben das Problem, zuerst zum Mindestbeitrag verdonnert zu werden. Sie können dann einen ersten Antrag stellen, damit der Beitrag gesenkt wird, und wenn sie dann immer noch die Hemmschwelle überschreiten mögen, können sie versuchen, auf eine komplette Reduzierung zu kommen. Das ist keine soziale Politik, die Sie gemacht haben, sondern sie ist ungerecht und stellt eine Härte dar. Deswegen fordere ich Sie auf, daß Sie diese 16 Millionen DM, die Sie nach ersten Hochrechnungen wahrscheinlich haben werden, dazu verwenden, diese Ungerechtigkeit wieder rückgängig zu machen und das, was früher „Nullschein“ hieß, endlich wieder einzuführen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ich fand es schon sehr spannend, in der Pressemitteilung der Senatorin Pape zu lesen, daß die bundesweite Einkommensentwicklung dazu beigetragen hat, daß die Einnahmeentwicklung doch ganz anders war, als sie berechnet wurde. Ich frage mich erstens, warum der rotgrüne Senat nicht ungefähr wußte, was die rotgrüne Bundesregierung bei den Steuern machen wird, und warum man das nicht mit berechnen kann. Zweitens frage ich mich, wo Sie bei der rotgrünen Steuerreform die Haushalte finden, die Einkommenssteigerungen bis zu 20 Prozent haben. Das sind sehr spannende Fragen, zu denen es leider keine Antworten gibt.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Die Frage ist berechtigt!)

(Sonja Deuter GAL)

Was aber erstaunlich ist und eher ein unfreundliches Wort verdient, ist, daß Sie das Geld jetzt zugunsten der Eltern verwenden und neue Plätze schaffen wollen. Das ist heuchlerisch.

(Sonja Deuter GAL: Das sage ich schon seit 1999!)

Ich will Ihnen auch sagen, Frau Deuter, warum ich das als heuchlerisch empfinde.

Der Senat hat diese Mehreinnahmen zugegeben, weil SOAL, ein alternativer Wohlfahrtsverband, seine Einrichtungen durchgezählt und festgestellt hat, wieviel Mehreinnahmen dabei herauskommen. Das hat der SOAL auf ganz Hamburg hochgerechnet und ist auf eine Summe von 18 Millionen DM an Mehreinnahmen gekommen. Der Senat hat gesagt, daß das nicht stimme, sondern nur eine Summe von 16 Millionen DM zustande komme. Also waren die Zählungen bei den Einrichtungen des SOAL hochrechenbar. Der SOAL hat ebenso Eltern befragt, die ihre Kinder wegen der neuen Elternbeiträge aus der Tagesbetreuung abgemeldet haben, weil die neuen Beiträge zu hoch sind. Wenn das wiederum auf Hamburg hochgerechnet wird, wurden aufgrund der neuen Elternbeiträge 2000 Kindergartenkinder abgemeldet.

(Sonja Deuter GAL: Das stimmt nicht!)

Widerlegen Sie das.

Der Senat hat Mehreinnahmen von 16 Millionen DM bestätigt, bei den 2000 abgemeldeten Kindergartenkindern müssen Sie das auch noch tun. Ich möchte Sie fragen: Für wen wollen Sie neue Plätze schaffen? Eine Aufgabe der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und vielleicht auch der Grünen wäre es doch, dafür zu sorgen, daß die Kinder, die von ihren Eltern aus Geldgründen abgemeldet wurden,

(Holger Kahlbohm SPD: Sagen sie doch mal, wo leere Plätze sind!)

wieder die Möglichkeit haben, in ihre Betreuung zurückzukehren.

Dieser Zwischenruf, Herr Kahlbohm, erfreut mich besonders. Die SPD, die GAL und auch der Senat haben hier immer wieder gepredigt, daß sie die Kita Card nur dann einführen wollen, wenn es ein Überangebot an Plätzen gibt. Das haben Sie uns immer erzählt. Nun sitzen Sie in der ersten Reihe und fragen mich, wo die leeren Plätze seien. Es ist wirklich interessant, wie schnell Sie Ihr Fähnlein wenden.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Holger Kahlbohm SPD: Haben wir nicht gesagt, ist doch Unsinn, was Sie sagen!)

Wir können das einmal nachlesen. Ich gebe Ihnen sofort recht, daß es Unsinn ist, was in sämtlichen Drucksachen stand. Aber es war immer rotgrüne Politik. Die Kita-Politik in dieser Stadt muß sich schnell und grundlegend ändern; es darf so nicht weitergemacht werden. Sie haben jetzt die Chance, den ersten Schritt zu machen, indem Sie die Ungerechtigkeiten bei den Elternbeiträgen zurücknehmen.