Protocol of the Session on February 14, 2001

Frau Weise, wir verstehen uns gut, aber das mit den Führungspositionen haben Sie nicht...

(Zurufe von der SPD und der GAL)

Wir waren zusammen im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß, das schweißt zusammen.

(Heiterkeit bei der SPD und der GAL)

Frau Weise, Führungsposition, Junioranwalt, das alles ist richtig, aber Sie haben gesagt, die Volljuristen seien vielleicht besser qualifiziert, weil sie eine akademische Ausbildung haben. Das haben die Rechtspfleger doch auch, sie waren auf der Fachhochschule in Hildesheim. Gerade deshalb ist der Verdrängungswettbewerb nach unten so unangenehm.

Letztlich, Frau Dr. Kähler, der Punkt mit der Telearbeit. Frau Nümann-Seidewinkel hat das Experiment gemacht, und es zeigt sich, daß Männer und Frauen, die zu Hause Kinder erziehen, dieses Angebot besonders gern annehmen wollen. Wenn wir dann mal etwas für die Frauenförderung tun wollen – meine Nachbarin, Frau Koop, hat mich angestoßen –, dann kritisieren Sie es wieder. So wird kein Schuh daraus.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Große Anfrage 16/5085 besprochen.

Bevor ich zum nächsten Tagesordnungspunkt komme, liegen nun die Ergebnisse der Wahlen vor, die ich Ihnen hiermit bekanntgeben möchte.

Bei der Wahl eines bürgerlichen Mitglieds des Richterwahlausschusses sind 102 Stimmzettel abgegeben worden, davon war einer ungültig, also 101 Stimmzettel gültig. Herr Professor Dr. Karpen erhielt 71 Ja-Stimmen, 25 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen. Damit ist Herr Professor Karpen gewählt worden.

Bei der Wahl einer oder eines Deputierten der Wirtschaftsbehörde sind 103 Stimmzettel abgegeben worden. Ein Stimmzettel war ungültig, also waren 102 Stimmzettel gültig. Herr Jens Kerstan erhielt 86 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stim

men, 10 Enthaltungen. Damit ist Herr Jens Kerstan gewählt worden.

Bei der Wahl einer oder eines Deputierten der Stadtentwicklungsbehörde sind 102 Stimmzettel abgegeben worden, davon war ein Stimmzettel ungültig, also 101 Stimmzettel gültig. Herr Hans Seibold erhielt 86 Ja-Stimmen, 9 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen. Damit ist Herr Seibold gewählt worden.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 49 auf, das ist der gemeinsame Antrag der GAL-Fraktion, der SPD-Fraktion und der Gruppe REGENBOGEN zu Artikel 3 Absatz 2 Satz 4 der Hamburgischen Verfassung.

[Antrag der Fraktionen der GAL und der SPD sowie der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke: Artikel 3 Absatz 2 Satz 4 („Insbesondere wirkt sie [= die vom Volke ausgehende Staatsgewalt] darauf hin, daß Frauen und Männer in kollegialen öffentlich-rechtlichen Beschluß- und Beratungsorganen gleichberechtigt vertreten sind“) – Drucksache 16/5533 –]

Diesen Antrag möchte die CDU-Fraktion nachträglich an den Verfassungsausschuß überweisen. Von wem wird das Wort begehrt? – Herr Dr. Schmidt, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir reden heute zum Artikel 3 Absatz 2 Satz 4 der Verfassung, wie sie im Jahre 1996 hier fast einstimmig beschlossen wurde.

Die Verfassungsänderung hatte eine Vorgeschichte. Im Herbst 1992 hat die Enquete-Kommission zur Parlamentsund Verfassungsreform, die nach dem sogenannten Diätenskandal eingerichtet wurde, vorgeschlagen, die Förderung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Männern und Frauen als Aufgabe aller Verfassungsorgane in die Hamburgische Verfassung aufzunehmen. Insbesondere sollte eine Pflicht verankert werden, darauf hinzuwirken, daß Frauen und Männer in kollegialen öffentlich-rechtlichen Beschluß- und Beratungsorganen zu gleichen Teilen vertreten sind.

Die Beratungen im bürgerschaftlichen Verfassungsausschuß begannen kurz danach, wurden dann durch die Neuwahlen der Bürgerschaft im Herbst 1993 unterbrochen, die uns das Verfassungsgericht Hamburg aufgedrückt hat, und da der Verfassungsausschuß – wie Sie alle wissen – sehr gründlich und gut arbeitet, dauerte es etwas länger. Schon im Februar 1995 wurden dann die entgültigen Formulierungen festgelegt, die im Sommer 1996 tatsächlich beschlossen wurden.

Seitdem gibt es diesen Verfassungsartikel, und ich möchte Ihnen nicht vorenthalten, was uns der erste Kommentator zu dieser Verfassung zu sagen hat. Ich gehe davon aus, daß es sich um den langjährigen Frauenbeauftragten der juristischen Fakultät der Universität Hamburg handelt. Er schreibt uns folgendes: Die Vorschrift, daß Männer und Frauen gleichberechtigt vertreten sein müssen, sagt natürlich nicht, daß sie immer in gleicher Zahl sein sollen, sondern nur, daß, wenn es derartige Frauen gibt, die für solche Gremien geeignet sind, sie zu berufen seien. Der wörtliche Kommentar von Herrn Thieme lautet:

„Die Vorschrift schließe es aber nicht ein, die zahlenmäßige Gleichheit der Geschlechter auch um den Preis einer Qualitätsminderung anzustreben.“

Sie wissen, daß dies das sofortige Problem ist, sobald Frauen auf dem Spiel stehen.

„Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Erfahrung, daß es in weiten gesellschaftlichen Bereichen schwer ist, eine hinreichende Zahl von Frauen für den Eintritt in öffentlich-rechtliche Kollegialorgane zu bewegen. Ferner“

nun kommt der Höhepunkt der Erfahrung dieses Mannes –

„gibt es Bereiche, in denen Frauen in viel zu geringer Zahl bereit sind, die formalen Voraussetzungen für den Eintritt in derartige Kollegien zu erwerben, zum Beispiel Promotion und Habilitation in den Hochschulen, so daß sie hier unausweichlich unterrepräsentiert bleiben.“

Soweit der Kommentator Thieme zu unserem neuen Verfassungsartikel.

(Manfred Mahr GAL: Ich dachte, das ist 1899!)

In der Zwischenzeit hat sich folgendes ergeben. Das Grundgesetz war bereits vor 1996 geändert worden und hat jetzt einen Artikel 3 Absatz 2, der heißt:

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

Das stand schon immer da. Neu ist:

„Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Der Bundestag hatte, und zwar mit seiner alten CDU/ F.D.P.-Mehrheit, schon im Jahr 1994 ein Bundesgremienbesetzungsgesetz beschlossen, in dem, gültig seit dem 1. September 1994, geregelt ist, daß in über tausend Gremien im Einflußbereich des Bundes Berufungs- und Entsendungsvorschlagsrechte so sein sollen, daß die Gleichberechtigung von Frauen und Männer hergestellt wird. Zahlreiche Bundesländer haben mittlerweile solche Gremiengesetze mit mehr oder weniger Verbindlichkeit.

Die Hamburgische Bürgerschaft hat im April 1994 auf Antrag der SPD beschlossen, den Senat zu ersuchen, im Rahmen seiner Steuerungsmöglichkeiten den Frauenanteil in Leitungs- und Kontrollgremien, die durch die Mitwirkung des Senats beziehungsweise einer Behördenleitung besetzt werden, auszuweiten. Der Senat hat zu seiner Antwort – weil er sehr gut und gründlich arbeitet – zwei Jahre gebraucht, die im Februar 1996 vorlag. Sie wurde im Mai 1996 hier in der Bürgerschaft debattiert.

Der Senat hat einen ausführlichen Bericht über die Zustände vorgelegt und drei Versprechen abgegeben.

Erstens: Das Senatsamt für Gleichstellung werde in Zukunft bei der Erstellung von Senatsdrucksachen, die die Besetzung von Gremien behandeln, beteiligt. Nach meiner Kenntnis geschieht das auch fast immer; manchmal wird es vergessen, aber dann wird es schon im Senat nachgeholt.

Zweitens: Im üblichen Beteiligungsbericht der Finanzbehörde, in dem über die Entwicklung der Unternehmen berichtet wird, an denen Hamburg beteiligt ist, solle in Zukunft eine Übersicht über die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien nach Geschlechtern gegeben werden. Das ist geschehen. Der letzte Beteiligungsbericht weist diese Aufstellung für jede Firma nach.

(Antje Blumenthal CDU: Nun sagen Sie aber auch die Zahl!)

Darauf komme ich gleich noch.

Drittens: Das Senatsamt für Gleichstellung sei mit der Erarbeitung einer gesetzlichen Regelung beauftragt worden. Wo ist die geblieben? Ich habe sie vermißt. Die Bürgerschaft hat am 9. Mai 1996 – dazu habe ich mir das Protokoll noch einmal angeschaut – über diese Senatsmitteilung debattiert, alle waren der gleichen Meinung. Die Senatorin Weiss hat wie immer etwas tief in die Saiten gegriffen und gesagt, daß die Aktionsplattform der Weltfrauenkonferenz in Peking eine gute Unterstützung für dieses Senatsvorhaben ist. Aber noch haben wir dieses Gesetz nicht.

Nun habe ich mich darüber erkundigt. Mir wurde gesagt, das Senatsamt für die Gleichstellung habe tatsächlich einen solchen Gesetzentwurf in den Behördenumlauf gegeben, und dort sei er gescheitert. Wir wissen nicht genau warum. Ich gehe einmal davon aus, daß es zu viele Behörden gibt – ich will hier keine Namen nennen –, denen das zu weit geht.

Immerhin haben wir in der Zwischenzeit folgendes erlebt: Der Bürgermeister hat bei der Senatsbildung im Jahre 1997 Maßstäbe gesetzt, die aber sonst selten erreicht werden. Der letzte Beteiligungsbericht von 1998 zeigt, daß sich seit 1995/1996 wenig verändert hat. Es ist noch immer so, daß Gremien mit gleichem Frauenanteil die große Ausnahme sind. Im wesentlichen sind lediglich im Kulturbereich und teilweise im Bereich der BAGS wenigstens bis zu einem Drittel Frauen in öffentlich-rechtlichen Gremien vorhanden. Gezählt haben wir jetzt folgendes. Laut 4. Beteiligungsbericht werden immerhin drei von 64 aufgeführte Unternehmen Hamburgs von Frauen geleitet. In einem weiteren Unternehmen gibt es eine Frau in einem dreiköpfigen Vorstand. Weitere drei von 64 Unternehmen haben im Aufsichtsrat ebenso viele Frauen und Männer, die man namentlich nennen muß: HAB, Landesbetrieb Krankenhäuser und das Unternehmen zur Filmförderung. In zwölf Unternehmen gibt es gar keine Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen. Bemerkenswert viele sind es im Einflußbereich der Baubehörde – mein Freund Eugen ist nicht da. In der PVG sind es null, im ZOB null, bei der Alstertouristik null, bei Hamburg-Consult null, und beim HVV, dessen Fahrgäste wahrscheinlich hauptsächlich aus Männern bestehen, ist von 15 Personen eine Frau.

(Barbara Duden SPD: Wir kommen langsam, aber gewaltig!)

Soweit zur Durchsetzung der Beschlüsse der Bürgerschaft und zum Versprechen des Senats in Hamburg.

Immerhin darf ich folgendes bemerken: Oft ist die Zahl der vom Senat entsandten Mitglieder und die Zahl der Frauen in einem Gremium ganz oder fast identisch. Wenn man genauer hinschaut, stellt man in der Tat fest, wenn überhaupt eine Verbesserung bei der Zahl der Frauen in solchen Gremien stattgefunden hat, dann nur deswegen, weil entweder Senat oder Bürgerschaft den Anteil der Frauen erhöht haben.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Hört, hört!)

Die sonstigen vorschlagsberechtigten Gremien außerhalb unserer direkten Kompetenz haben so gut wie keinerlei Änderungen stattfinden lassen. Das haben wir jetzt gerade beim Richterwahlausschuß erlebt. Die Bürgerschaftsfraktionen nehmen den Verfassungsauftrag ernst, manchmal muß man sich daran gegenseitig erinnern, aber die sonstigen Vorschlagsberechtigten wie die Rechtsanwaltskammer, der DGB, die DAG und die Unternehmensverbände

(Dr. Martin Schmidt GAL)

tun es nicht und lassen sich noch nicht einmal durch den Hinweis auf die Verfassung zur Änderung veranlassen.

Deswegen müssen Regelungen geschaffen werden, die der Verfassung zur Wirklichkeit verhelfen, und dazu sind zwei Dinge notwendig.