Es ist eine wichtige Aufgabe, es geht darum, daß Hamburg überhaupt nicht mehr existieren kann, wenn sich in diesem Punkt die Geberländer, die sich im wesentlichen dort zusammengeschlossen haben, durchsetzen sollten. Von daher ist es natürlich für Hamburg eine existentielle Auseinandersetzung.
Ich möchte Frau Kiausch in diesem Punkt ausdrücklich unterstützen, daß es vor allen Dingen um die Frage von Solidarität zwischen den Ländern geht, die nämlich durch diese Klage wirklich existentiell in Frage gestellt werden, und daß die Geberländer sich der Solidarität unter den Ländern verweigern. Diese Situation beherrscht gegenwärtig die Diskussion, die man auch ausdrücklich unterstützen sollte.
Eines befremdet mich an der Diskussion aber doch. Wenn wir uns diese Diskussion ansehen und die Antworten dazu, so sind doch die Regularien in dieser Gesellschaft so, daß es vor allen Dingen die Parteien sind, die die politische Dimension in diesem Staat bestimmen. Von daher ist die existentielle Frage, wie die Finanzen zwischen den Ländern aufgeteilt werden sollten, doch im wesentlichen eine wichtige Aufgabe von Parteien. Ich frage mich, wo die Willensbildung der großen Parteien in dieser Sache bleibt, da sie doch im wesentlichen in dieser Gesellschaft bestimmen. Diese Krise darf nicht bestimmt werden von sogenannten Fürsten in den einzelnen Ländern, sondern sie muß durch Bundesüberlegungen und Einschätzungen bestimmt werden und von den Parteien, die sich dieser Aufgabe annehmen müssen. Ich vermisse die Aufgabenübernahme und Einschätzungen. Warum nennen Sie sich immer große Parteien und sagen, wie wichtig Sie sind und wie wichtig Ihre Parteienfinanzierung ist, wenn Sie nicht in der Lage sind, diese Krise zu lösen? Ich denke, das ist schlecht.
Ich möchte noch einen Punkt kritisieren, obwohl wir ansonsten im wesentlichen an einem Strang ziehen. Mir ist bei der Zeitungslektüre der letzten zwei Tage – ich glaube, dieser Artikel war in der „Welt“ zu finden – ein unsäglicher Artikel der Zeitschrift des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs aufgefallen. Dieser Artikel vom Oktober, der der einzige wichtige Artikel des HWWA im Zusammenhang mit dem Länderfinanzausgleich ist, ist nicht nur ein selten platter wissenschaftlicher Artikel, warum endlich diese Privilegierung der Städte aufzuhören hat und Hamburg in seiner Existenz angreift, sondern behandelt im wesentlichen die Frage, daß es ein wunderbares einfaches Instrument gibt, sich politisch gegen diese drei Städte durchzusetzen. Professor Söllner entwickelt vor allen Dingen ein Szenario, daß man einfach dem Osten ein gutes Angebot machen sollte. Dann werde man es politisch schon durchsetzen, daß diese drei Städte keine Chance mehr haben. Ich frage mich, wer das Hamburger Weltwirtschaftsarchiv einmal zu einer soliden Diskussion über den Länderfinanzausgleich anstiften sollte, damit dort nicht nur solche Meinungen vorherrschen.
Die Diskussion in Hamburg wird, wenn es eine Parteienlösung und eine Bundeslösung gibt, auch zu einer gewissen Prioritätensetzung führen. Man wird nicht alles, was diese Stadt gerne möchte, durchsetzen können. So ist sicherlich die sogenannte Einwohnerveredelung aufgrund des richtigen Inhalts zu unterstützen, und es wird sicherlich so sein, daß man die Privilegierung aufgrund des Seehafens nicht mehr durchsetzen kann. Auch darauf sollte man sich innerlich vorbereiten, weil dies durchaus eine gewisse Plausibilität hat. Man sollte auch politisch nicht nur sagen, wir wollen alles so lassen, wie es derzeit ist, sondern neue Impulse setzen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will mich nicht zum HWWA äußern, obwohl ich nur „Ilmenau“ sage. Herr Hackbusch, dafür, daß Sie hier von Einwohner“veredelung“ und „Privilegierung der Seehäfen“ reden, hätten Sie eigentlich eine Rüge von der Präsidentin bekommen müssen.
Nächstes Wochenende treffen sich die Ministerpräsidenten der Länder zu einer Sonderkonferenz zum Länderfinanzausgleich, und die Finanzminister sind auch mit dabei. Worum geht es? Es geht um die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. Wir sind unter einem extremen Zeitdruck, und mein Eindruck ist, daß die Gräben nicht kleiner, sondern immer tiefer werden.
Wir haben einen Zehn-Länder-Kreis, der auf der Sonderkonferenz der Finanzminister, Mitte Januar, in Kenntnis dieser bevorstehenden Sondersitzung einen Lösungsvorschlag zur zukünftigen Regelung des Finanzausgleichs vorgelegt hat, der alle durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufgeworfenen Fragen verfassungskonform löst. Sachsen hat sich übrigens diesem Modell angeschlossen. Sie haben gesagt, sie hätten zwar ein eigenes Modell, das sie schöner fänden
trotz Ilmenau, wobei Ilmenau in Thüringen liegt –, aber irgendwo müsse man einen Kompromiß finden. Insofern
werbe ich noch einmal für das Modell, das die besonderen Belange der Stadtstaaten mit der Einwohnerwertung unverändert bei 135 Prozent vorsieht und keine unausgewogenen Vor- und Nachteile einzelner Länder mit sich bringt. Für den Bund – auch das ist wichtig, denn wenn wir über die Länder reden, muß man auch den Bund sehen – wirkt der Vorschlag verteilungsneutral, und der Finanzausgleich wird einfacher, zielgenauer und gerechter.
Was haben die drei Klageländer gemacht? Sie haben bisher kein Modell vorgelegt, sondern gesagt, daß sie noch auf ihr Gutachten warten würden. In der vergangenen Woche haben sie nun das Gutachten vorgelegt, und jetzt wird es ganz spannend. Das, was das Ifo-Institut 1992 gemacht hat im Hinblick auf die Einwohnerwertung und was vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform angesehen wurde, macht das Institut jetzt nicht mehr, sondern statt dessen wird ein anderes Bewertungsverfahren durchgeführt. Es drängt sich natürlich der Eindruck auf, daß man nicht zu dem gewünschten Ergebnis gekommen war, zu dem man kommen wollte, und man deswegen noch einmal die Berechnungsmethode ein bißchen verändert hat.
Heute mittag haben die Südländer ihr Modell vorgestellt, und was sieht dieses Modell vor? Es wurde immer von Anreizwirkung und einem einfachen und gerechten Modell gesprochen. Das Ziel war immer, die BEZ, die Bundesergänzungszuweisungen der Südländer zu reduzieren. Das Modell sieht nun aber die Fehlbetrags-BEZ, die Kleinheits-BEZ, die Struktur-BEZ, die Sonder-BEZ, die Schuldenabbau-BEZ und die Hauptstadt-BEZ vor, ein wahrlich einfaches, gerechtes, nachvollziehbares Modell, kann ich da nur sagen.
Was uns als Stadtstaat natürlich am meisten trifft, ist, daß die Südländer das Ergebnis der Ifo-Berechnung zugrunde legen. Um damit überhaupt etwas halbwegs Vernünftiges hinzubekommen, wollen sie eine zeitlich befristete Schuldenabbauergänzungszuweisung des Bundes in Höhe von 3 Milliarden DM einrichten. Was ist die Konsequenz? Mit einem Mal bekäme Hamburg Geld von dieser Schuldenabbauergänzungszuweisung des Bundes. Das heißt, man holt uns erst das Geld aus der Tasche, um es uns anschließend wiederzugeben, aber nur befristet und reduziert, und sagt gleichzeitig,
daß wir Geld zum Schuldenabbau bekämen. Was bedeutet das? 1999 hätten wir nicht nur 1 Milliarde DM, sondern 2 Milliarden DM in den Länderfinanzausgleich zahlen müssen. Wir hätten dann über diese Schuldenabbau-BEZ 725 Millionen DM zurückbekommen. Dann hätten wir aber immer noch eine Mehrbelastung von 250 Millionen DM gehabt. Die Hafenlasten sollen natürlich auch wegfallen. Nach Auslauf dieser Schuldenabbau-BEZ beliefe sich unsere Mehrbelastung auf 1 Milliarde DM. Das ist doch absurd! Wir zahlen jetzt schon über 1 Milliarde DM in den Länderfinanzausgleich.
Wir haben immer unseren solidarischen Beitrag geleistet, aber dieses Modell würde bedeuten, daß man die Kuh nicht nur melkt, sondern sie gleich schlachtet. Das Modell ist völlig inakzeptabel, es zeigt wieder eindeutig, daß die drei Klageländer ihren Feldzug gegen die Stadtstaaten fortsetzen. Sie haben es vor dem Bundesverfassungsgericht versucht. Dort sind sie gescheitert, jetzt machen sie mit finanzpolitisch fragwürdigen Argumenten weiter.
Es bleibt abzuwarten, wie es am Wochenende läuft. Man muß kein Hellseher sein, um zu sagen, es wird keine Eini
gung geben können. Der Bund ist als nächster Partner zu sehen. Er wird in den nächsten drei Wochen den Entwurf eines Maßstäbegesetzes vorlegen, der die hundertprozentige Einbeziehung der Gemeindefinanzkraft vorsieht. Das sind nicht unsere Interessen. Der Streit ist also vorprogrammiert. Das Bundesverfassungsgericht hat einen extrem engen Zeitplan vorgesehen, insofern muß wieder Vernunft einkehren. Auch der Süden muß akzeptieren, daß die elf Länder ein vernünftiges Modell vorgelegt haben.
Ich appelliere noch einmal an Sie, sich mit diesem Thema zu befassen. Ich halte es für wichtig, es geht um die Existenz der Stadtstaaten, es geht um die Existenz Hamburgs. – Vielen Dank.
(Rolf Kruse CDU: Nein, nein! – Dr. Holger Christier SPD: Nach dem Senat hat jede Fraktion und Gruppe noch mal Redezeit!)
Wenn Sie die Geschäftsordnung so interpretieren, daß die Rede der Senatorin schon sehr am Ende der gesamten Aktuellen Stunde lag, dann haben jetzt alle Fraktionen noch einmal die Möglichkeit zu reden. Als Frau Senatorin anfing, war das nach unserer Interpretation nicht so. Jede Fraktion hat also noch einmal die Möglichkeit zu reden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Nümann-Seidewinkel hat die Situation, die jetzt konkret ansteht, und auch das Verhandlungsszenario etwas beschrieben. Wichtig finde ich festzuhalten, daß zwar das Urteil insofern eine große Rolle spielt, als daß eine ungewöhnliche zeitliche Enge geschaffen wurde. Bei so einem großen, komplexen Thema würde normalerweise fünf Jahre lang eine Enquete-Kommission auf Bundesebene tagen, jetzt muß bis Ende 2002 zumindest schon ein Maßstäbegesetz her.
Aber das Urteil spielt nicht nur eine Rolle, weil es so einen Zeitdruck schafft, sondern das Urteil hat – das möchte ich noch einmal ausdrücklich erwähnen – keine Veränderung der Verteilungswirkungen gefordert. Es hat zwar dazu aufgefordert, rationalere Verfahren und auch eingeschränkt mehr Transparenz herzustellen, aber in keiner Weise gesagt, es müßte irgendwie anders verteilt werden, weil es so ungerecht sei. Das ist wichtig festzuhalten, und es ist auch wichtig festzuhalten, daß das Urteil in keinem Falle irgendwie den Klageländern recht gegeben hat, daß es in Richtung eines sogenannten Wettbewerbsföderalismus zu gehen habe. Dieses Interesse der Klageländer hat eine totale Bauchlandung vor dem Verfassungsgericht erlebt.
Damit will ich nicht sagen, daß man nicht darüber reden kann, aber das Verfassungsgericht hat an der Stelle etwas Richtiges gemacht. Es hat diesen Spielball, wenn man mehr Wettbewerb oder mehr Anreize will, zurück in die politische Arena gegeben, und dahin gehört es auch. Politisch kann man so etwas diskutieren, wenn man das möchte.
Ich finde nur, daß die Situation, die durch die zeitliche Enge hergestellt wurde, eine Gefahr in sich birgt. Ich habe es so verstanden, daß der Bürgermeister und auch die Finanzsenatorin eine verhandlungsstrategische Linie gezeichnet
haben, die da heißt Nullsummenspiel: keine Gewinner, keine Verlierer. Ich selber finde es ein vernünftiges Vorgehen, wenn man etwas im Föderalismus verändern will, auch zu versuchen, eine hohe Einigkeit herzustellen. Ich glaube, das ist bei einem komplexen System auch möglich. Man kann Stellschrauben abschaffen oder verändern, trotzdem kommt in der Summe null heraus. Soweit folge ich dieser Strategie. Ich sehe nur eine Gefahr darin, daß man über dieses Nullsummenspiel vielleicht ein bißchen den Blick für längerfristige Änderungsperspektiven verlieren könnte.
Ich möchte dazu eines anmerken: Wir werden über die jetzige Entscheidung über den Ministerpräsidentenkreis hinaus in der Bundesrepublik eine weitergehende Debatte um den Finanzausgleich haben, da eine Einwohnerwertung vielleicht zukünftig nicht immer das einzig sinnvolle Verfahren sein wird, um Hamburgs Zukunft zu sichern. Vor 30 Jahren bei der Finanzreform haben die Hamburger nicht geahnt, was sie sich mit der Änderung der Zerlegungsregel einfangen, daß sie nämlich so viel Geld verlieren und die Lohnsteuer so wichtig sein würde. Heute kämpfen wir um die Einwohnerwertung, und wenn wir sehen, daß wir eine gewisse Stadtflucht haben, müssen wir die Finanzierung zukünftig mit ganz anderen Argumenten unserer Metropole einfordern, und da werden sich dann die Experten um die Umsatzsteuer streiten.
Ich möchte zum Abschluß eine Frage an den Bürgermeister stellen, wenn er denn noch sprechen möchte: Ich möchte gerne wissen, Herr Bürgermeister, wie Sie strategisch vorgehen, wenn der Bund seinen Vorschlag vorlegt, die Länder aber noch uneinig sind, weil sie sich am Wochenende nicht geeinigt haben. Wer verhandelt dann mit wem? Zuerst die Zehner-, Elfer- oder Zwölfergruppe mit den vier Ländern der Südschiene oder die Zehner- bis Zwölfergruppe mit dem Bund?
Ich glaube, daß vielleicht das jetzige Mehrheitsmodell an einigen Stellschrauben auch noch einmal für Hamburg unangenehm aufgeknackt werden kann. Hier würde mich Ihre Einschätzung der strategischen Linie des nicht ganz unproblematischen Eckpunktepapiers des Bundes vom Herbst 2000 interessieren.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir gestehen uns wahrscheinlich einander zu, daß dieses Thema wichtig ist; hier gibt es keinen Widerspruch. Aber wer in sich hineinhorcht und forscht, wie tief dieses Thema in einem selbst verwurzelt ist, wird sehr schnell feststellen, daß es eben doch ein Thema für Experten ist.
Das ist allerdings zu dieser Zeit für eine Stadt wie Hamburg fatal, denn es geht nicht nur um 1 Milliarde DM, die wir im letzten Jahr an die anderen Länder gezahlt haben. Wenn Sie daran denken, welche Mühe wir uns mit unseren Sparprogrammen geben müssen, um den öffentlichen Haushalt für die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt vernünftig zu fahren, war das nicht wenig.
Das ist ein Satz von Lassalle, dem sozialdemokratischsten aller sozialdemokratischen Urväter. Es gibt einen zweiten Mann, den ich zitieren möchte. Fritz Schumacher, der in den zwanziger Jahren als Oberstadtdirektor gerade für die Beziehungen der Stadt zum Umland sehr maßgeblich war, hat gesagt: