Ich bin erstaunt, daß Sie das nicht alle so sehen. Alle Fraktionen, die SPD sogar mit zwei Leuten, die GAL und wir waren bei einem Runden Tisch vor kurzem in Wilhelmsburg. Da ging es um diesen Kongreß, und wir haben alle einen sehr eindeutigen Auftrag mitbekommen, nämlich den Auftrag, dafür zu sorgen, daß dieser Zukunftskongreß durchgeführt wird. Das findet sich auch mittlerweile in den Anträgen der SPD und GAL und auch der CDU wieder. Aber Sie haben es alle dazu genutzt, Ihre eigenen Punkte hineinzubringen. Die GAL gibt sogar in der Presseerklärung folgende Eckpunkte vor: Liebe Leute, Bürgerinnenbeteiligung, wo Menschen, die engagiert sind – die Wilhelmsburgerinnen sind das –, sich einbringen sollen, kann man doch nicht dadurch konterkarieren, daß man von vornherein sagt, das und das muß aber herauskommen. Das wiederum haben die Wilhelmsburgerinnen auf gar keinen Fall verdient.
Wir wollen einen ergebnisoffenen Prozeß. Es ist auch kein anständiger Umgang, wenn der Erste Bürgermeister sich in Harburg vor seine Genossen stellt, die versuchen, ein bißchen von dem umzusetzen, was die Wilhelmsburgerinnen fordern, und sagt, Luftschlösser sind hier nicht zu machen. Alles, was der Senat plant, ist nie ein Luftschloß, aber was die engagierten Menschen vor Ort einbringen, das soll nicht gehen; das glaube ich Ihnen nie im Leben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es liegt ein Hauch von Nostalgie über dieser Debatte, denn es ist das letzte Mal, daß die REGENBOGEN-Gruppe an den Haushaltsberatungen teilnimmt; insofern hat das auch etwas Historisches.
Wenn ich den Versuch unternehme, ein bißchen Rückblick zu halten und zu schauen, was sich in den letzten Jahren
im Bereich der Stadtentwicklung entwickelt hat und wie die Perspektive ist, dann fällt mir immer ein Vorgang ein, der vielleicht vielen oder auch den Zugereisten, die die letzten 30 Jahre anders durch diese Stadt gegangen sind, nicht so auffällt; ich will das Beispiel nennen. Wenn man um die Außenalster spazierenging – das ist nicht das Gebiet, wo Herr Hackbusch spazierengeht –, dann fiel einem 30 Jahre lang immer auf, daß diese schöne Silhouette mit den vielen Kirchtürmen, die Hamburg auszeichnet, einen ganz häßlichen Markstein hatte, nämlich der Turm eines Kraftwerks. Das war in den sechziger Jahren dort plaziert worden, und man hatte relativ wenig Rücksicht auf das Stadtbild genommen. Wer in den letzten Wochen um diese Außenalster spazieren ging und irgendwo stehen blieb und in diese Richtung schaute, dem fiel auf, daß es diesen Turm gar nicht mehr gibt. Dieses Kraftwerk ist inzwischen abgerissen und die schöne Silhouette ist wieder erkennbar geworden. Ich habe mich gefragt, ob das nur ein Symbol ist oder eine Entwicklung, weil sich das Kraftwerk überholt hat, oder ob dahinter ein Ausdruck von Wandel, Perspektive und von Zukunft steckt. Ich glaube, das ist es in der Tat, denn daß der Turm weg ist, bedeutet eine Wandlung an dem Standort, bedeutet eine Wandlung dieser Stadt zu einer Dienstleistungsmetropole, und die HafenCity ist ein sehr guter Ausdruck dieses Wandels und dieser Perspektive.
Meine Damen und Herren! Was bedeutet heute eigentlich Stadtentwicklungspolitik für die Zukunft? Ich nenne Ihnen vier Punkte, die für mich ganz wesentlich sind.
Erstens: Stadtentwicklungspolitik hat den strukturellen Wandel mit zu unterstützen, Stadtentwicklungspolitik hat wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen.
Drittens: Stadtentwicklungspolitik hat Arbeit und Geborgenheit der Menschen in dieser Stadt zu sichern.
Viertens: Die Stadt soll dort am meisten entwickelt werden, wo sie am urbansten ist, keine einfache Flucht auf die grüne Wiese, sondern sie soll sich der Mühe unterziehen, Interessengegensätze in der Stadt abzubauen und zu überwinden. Das bedeutet für eine Millionenmetropole, daß man sich einen hohen Erwartungshorizont setzen muß. Stadtentwicklungspolitik in Hamburg darf nicht nur, sondern muß auch anspruchsvoll sein, um so mehr, als eine der größten und in Zukunft bedeutendste Metropole, nämlich Berlin, quasi vor der Haustür als Konkurrent liegen wird. Lassen Sie mich diese Zielvorgaben an Beispielen erläutern.
Erstens die Messeerweiterung: Hier ist die gewollte politische Zielvorgabe gemacht worden, die Messe nicht auf der grünen Wiese zu erweitern. Natürlich begründet dies gleichzeitig Probleme, wenn man es innerstädtisch macht, da es dort Interessengegensätze gibt. Wir als SPD-Fraktion begrüßen ausdrücklich den Kompromiß, der zwischen Handwerkskammer, Handelskammer, Wirtschaftsbehörde und Fleischgroßmarkt realisiert worden ist; aber dies ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille bedeutet, daß wir uns einen stadtentwicklungspolitischen Schulterschluß vor Ort ruhig leisten und dabei diejenigen, die an diesem Standort Probleme aufzeigen, in diesen Schulterschluß mit einbeziehen sollten.
Zweitens: Es gibt die gute Möglichkeit, den S-Bahnhof Sternschanze durch Öffnung einer bestimmten Seite hervorragend in den Stadtteil zu integrieren. Es gibt – das ist
jedenfalls mein persönlicher Wunsch – eine gute Chance, und wir sollten dies auch versuchen, die Gnadenkirche, die heute als Insel dasteht, um die man nur mit dem Auto herumfährt, wieder in den Stadtteil Karolinenviertel zu integrieren.
Drittens: Für die wirtschaftliche Entwicklung in dieser Stadt werden weiterhin mindestens 60 Hektar Gewerbeflächen planerisch vorgehalten. Die Expansion der Betriebe an diesem Standort Hamburg ist möglich, kein Betrieb muß abwandern.
Viertens: Wohnen und Arbeiten am Wasser wird am Elbhang endlich realisiert, am Holzhafen wird gebaut.
Fünftens: Die kleinräumige Wirtschaftsförderung in Hamburg zeigt sehr positive Ergebnisse auch für die Stadtentwicklung in den Quartieren. Zehntausende von Existenzgründungen prägen heute positiv das Bild aller Quartiere. Schanzenviertel, Ottensen, Bahrenfeld und der gesamte Harburger Binnenhafen revitalisieren sich, ohne daß die Abrißbirne kreist.
Sechstens: Auch Wilhelmsburg hat hier eine Chance und wird die Zukunft gewinnen. Nun sage ich einmal mit Ihren eigenen Argumenten, Frau Sudmann, weshalb es Sinn macht, den Antrag von SPD und GAL anzunehmen und Ihren nicht, denn Ihre Argumente und Ihr Antrag – ebenso der der CDU – sind von einer solchen detailbesessenen Vorgabe für den Zukunftskongreß, daß beide Anträge nur präjudizieren.
Der Antrag der Koalition ist ein Antrag, der strukturelle Eckpunkte und Erwartungshaltungen formuliert, aber den Zukunftskongreß in seinen Diskussionsmöglichkeiten völlig offenhält.
Siebtens: Neben der stadtentwicklungspolitischen Kür in der HafenCity haben wir auch die Diskussion über die Revitalisierung der City Nord angeschoben. Ich fordere die privaten Grundeigentümer dort auf, gemeinsame Sache mit der Stadt zu machen und sich nicht zu verschließen.
Achtens: Wir wissen, daß der notwendige Strukturwandel ohne eine sozial stabilisierende Politik des Ausgleichs nicht funktioniert. Die Anfang der neunziger Jahre erfolgreich begonnene und in den letzten Jahren fortgesetzte soziale Stadtentwicklungspolitik ist ambitioniert und zunehmend erfolgreich. 50 geförderte Quartiere mit jährlich 56 Millionen DM an Investitionen und dreistellige Millionenbeträge aus den Fachbehörden zeigen die Verantwortung für diese Seite der gleichen Medaille.
Meine Damen und Herren! Ich fasse als Fazit zusammen: Stadtentwicklungspolitik hat viele Akteure. Diese Politik – Senator Maier wird das sicherlich bestätigen können – ist eine absolute Mannschaftssportart. Die Leistungen können sich in Hamburg sehen lassen. Um es in der Fußballsprache zu sagen: Sie sichern auf jeden Fall die weitere Teilnahme Hamburgs an internationalen Wettbewerben.
Sich dauerhaft in der Spitzengruppe zu plazieren, ist das herausragende Ziel der Politik in Hamburg.
Wir haben für die Zukunft gute Chancen, auch weil sich das philosophische Grundmuster dieser Stadt in den letzten zehn Jahren verändert hat. Hatten wir Anfang der neunziger Jahre noch Angst vor Boomtown, so sehen heute alle die Chancen, die sich aus wirtschaftlichem Wachstum ergeben. Vor allem die Bürger und Bürgerinnen wollen, daß wir diese Chancen wahrnehmen. Interessengegensätze zu überwinden ist eine gute Grundlage für eine moderne Stadtentwicklungspolitik. Dargestellt an den Beispielen kann man deshalb für die Vergangenheit und die Zukunft sagen: Wirtschaftliches Wachstum in dieser Stadt ist nicht alles, aber ohne wirtschaftliches Wachstum ist vieles nichts; dies gilt auch für die Hamburger Stadtentwicklungspolitik.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In einem Punkt hat Frau Sudmann recht. Sie hat vor vier Jahren, damals allerdings noch in der Opposition für die GAL-Fraktion, den Antrag zur Umsetzung des Münchner Modells der sozial gerechten Bodenordnung in dieses Parlament eingebracht. Dann mußten wir aber warten, bis es zu Koalitionsverhandlungen kam, und nun ist dieses Kind der früheren GAL-Opposition endlich unter schweren Mühen geboren. Das Datum war nicht als Aprilscherz gedacht, sondern als realistisches Datum zu Zeiten der Koalitionsverhandlungen, da es sich, wie viele andere Projekte, die wir im Koalitionsvertrag hatten, zwar als realisierbar, aber nicht zu dem Zeitpunkt als realisierbar herausgestellt hatte, und das ist kein Manko.
Jetzt haben wir dieses Modell, und wir sind froh darüber, auch wenn es die von Ihnen genannten Projekte natürlich noch nicht trifft. Aber viele Dinge sind ja nicht kurzfristig angelegt, sondern sollen langfristig in diese Stadt hineinwirken, und das wird diese soziale Bodenordnung tun. Es wird zu einer Abschöpfung von Profiten, um dieses schöne Wort zu benutzen, kommen, die die Investoren und Projektentwickler in dieser Stadt haben werden, und sie werden der sozialen Infrastruktur zugute kommen, und das ist ein Erfolg.
Ich will gar nicht so sehr in die Details gehen. Wir sind uns über die Schwerpunkte der Stadtentwicklungspolitik in Hamburg relativ einig. Ein großes Ziel ist, die Menschen in der Stadt zu halten, sie für ihr Quartier, für ihre Nachbarschaft wiederzugewinnen, auch zu begeistern, die Vorteile der Stadt und der Metropole zu stärken.
Es hilft uns nicht weiter, wenn wir Vorzeigeflächen schaffen, Renommierprojekte haben, mit denen wir uns brüsten können, aber nicht die gesamte Stadt für Alte, Junge, Behinderte, auch Familien und Singles als Wohn- und Arbeitsstandort wieder attraktiv machen. Das muß das große Ziel sein, und ich glaube, daß Senat und auch Bürgerschaft auf einem guten Weg dorthin sind.
Vielleicht wird die CDU noch etwas dazu sagen, aber die alten Rezepte, viel Eigentum mit direktem Zuschnitt für die
gängige übliche Kleinfamilie, helfen nicht mehr. Sie wissen aus den CDU-regierten Flächenländern ebenso wie aus den Stadtstaaten – wie man es auch in Hamburg erleben kann –, daß die alten Rezepte nicht mehr helfen.
Wir brauchen neue Wohnformen, wir müssen von dieser Idee wegkommen, daß wir lebenslang in derselben Räumlichkeit wohnen, sei es in einer Eigentumswohnung, im eigenen Haus oder in einer normalen Mietwohnung. Wir müssen die Überlegungen mit einbeziehen, die sich in außerpolitischen Kreisen, in der Wissenschaft, aber auch unter den Wohnungsbaugesellschaften immer mehr breitmachen, und zu den Wohnformen kommen, die den jeweiligen Lebensabschnitten entsprechen.
Ich halte das für eine Herausforderung, die meiner Meinung nach die Stadtentwicklungsbehörde auch angenommen hat. Wir werden sehen, inwieweit wir für die nächsten Jahre in Hamburg konkrete Projekte realisieren können, die genau diese Lebens- und Wohnmöglichkeiten vorgeben.
„Selbstgewählte Familien“ ist vielleicht ein Begriff, der erkennbar werden läßt, was auf uns zukommt. Selbstgewählte Formen des Zusammenlebens, die nicht immer etwas mit direkter Verwandtschaft zu tun haben, sind die Formen der Zukunft, die im übrigen die festen Grundsätze der Gesellschaft nicht herausfallen lassen.
Innerstädtische Verdichtung. Über diesen Begriff haben die Regierungskoalition, die CDU und die Gruppe REGENBOGEN immer wieder strittig diskutiert. Die innerstädtische Verdichtung bedeutet aus unserer Sicht einerseits die Verdichtung in Volksdorf, andererseits auch in Klein Borstel und selbstverständlich auch dort, was üblicherweise als Innenstadt bezeichnet wird. Alle Quartiere dieser Stadt sollen die gleichen Entwicklungschancen und -möglichkeiten bekommen; das ist die Idee der sozialen Stadtteilentwicklung, aber nicht nur.