Protocol of the Session on December 12, 2000

Das kennzeichnet Ihre Art und Weise von Politik. Es geht Ihnen nicht um die Arbeitsplätze, sondern um die Prestigeprojekte. Es geht um die Milliarden, die Sie gerne zum Fenster herausschmeißen und mit denen Sie herumprotzen wollen.

(Oh-Rufe von der SPD – Karl-Heinz Ehlers CDU: Sehr richtig!)

Ich will Ihnen das noch einmal an ein, zwei Punkten aufzeigen, wo nämlich mittlerweile Probleme aufgetaucht

(Farid Müller GAL)

sind. Wie ist denn die Bilanz der DASA-Erweiterung? Wir haben noch nicht einmal eine Entscheidung darüber, daß die DASA hierherkommt. In einem Vorwort zu einem Schreiben der EU-Kommission hieß es – das war bisher das wichtigste Schreiben –, daß bei diesem Werk 8000 Arbeitsplätze in Hamburg geschaffen würden. Wir wissen alle nicht, woher diese Zahl kommt, wir wissen nur, daß sie im Anschreiben der EU genannt worden ist. Im Schreiben selbst wird nur von einem wichtigen stadtpolitischen Interesse gesprochen. 8000 Arbeitsplätze wurden scheinbar in der EU versprochen, dann tauchte in der Diskussion auf, daß 4000 Arbeitsplätze in Hamburg entstehen würden und wir glücklich und froh seien.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Wieviel hast du denn 1997 gebilligt?)

In den konkreten Diskussionen wurde gesagt, wir rechnen noch 2000 Arbeitsplätze dazu, weil wir ja so kluge Ökonomen sind, und gestern wurde angekündigt – heute zu lesen in der „Financial Times Deutschland“ –,

(Oh-Rufe von der SPD und der GAL – Dr. Rolf Lange SPD: Wenn das Lenin wüßte, welche Zei- tung Sie lesen!)

daß der Airbus-Zuwachs 1000 neue Stellen schaffe. Sie können sich darüber aufregen, aber wenn man sich überlegt, wieviel Geld diese Regierung ins Mühlenberger Loch stopfen will, dann muß man doch eine genaue Bilanz ziehen, wieviel Arbeitsplätze wohl kommen; das müßte Sie doch betroffen machen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die zweite Sache, die so auch nicht hinhaut, ist die Messe-Angelegenheit. Wir haben schon bei der letzten Debatte über die Messe geredet und konnten feststellen, daß dort schlecht gearbeitet worden ist. Jetzt hat man ein bißchen nachgebessert und einen Kompromiß, der eigentlich schon im letzten Jahr erreicht sein sollte, im Zusammenhang mit dem Fleischgroßmarkt hinbekommen. Wir stellen immer noch fest, daß bei all den Prozessen, die wir vor Ort mitbekommen haben, eine Einbeziehung der Bürger nicht stattgefunden hat, daß deren Interessen bisher nicht berücksichtigt sind. Zum Beispiel wird dort ein riesiges neues Verkehrsaufkommen geplant, da die Messe gerne damit auftreten will, daß man endlich mit dem Auto zur Messe fahren kann, und deswegen sollen Tausende von neuen Parkplätzen dort entstehen. Dieses Problem ist noch nicht gelöst.

Zusätzlich ist als Problem noch aufgetaucht, daß all diese Überlegungen auch noch unheimlich teuer sind. Wir haben in der Drucksache von 650 Millionen DM gelesen, wir wissen, daß alleine die Sache beim Fleischgroßmarkt weit über 100 Millionen DM kosten wird. Wir wissen, daß die Stellplätze in diesen 650 Millionen DM noch nicht einmal enthalten sind und weit über 100 Millionen DM dazukommen. Wir wissen, daß damals die Verkehrsplanung noch nicht enthalten war; auch diese Veränderung wird weit über 100 Millionen DM kosten. Das heißt, wahrscheinlich wird alles über 1 Milliarde DM kosten, und Sie wissen noch nicht einmal, wie Sie das finanzieren sollen; das finde ich unseriös.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Der dritte Punkt ist Altenwerder, den wir heute mal wieder auf den Tisch bekommen. Es geht nicht nur darum, daß die HHLA da auch noch riesiges Geld bekommt, sondern heute bekommen wir eine dringliche Drucksache vorge

legt, daß wir die Investitionen der HHLA in den nächsten Jahren auch noch mit einer quasi Bürgschaft absichern sollen, um in gewisser Weise deutlich zu machen, daß es nicht ein privates Unternehmen ist, das das dort macht, sondern daß hamburgisches Geld auch noch in die Suprastruktur mit einfließen wird und in die Hallen, die dort gebaut werden; das war damals so nicht gedacht. Das sind zusätzliche Unsicherheiten, die Sie in diese Stadt hineinbringen.

Ich will nicht meine ganze Zeit verbrauchen,

(Petra Brinkmann SPD: Eine Minute noch!)

sondern möchte nur noch einen Wunsch an Herrn Mirow im Zusammenhang mit der Subventionierung der Werften, die wir mit unterstützen werden, äußern. Es geht um zwei wichtige Werften, und zwar um Blohm + Voss und Sietas. Herr Mirow, Sie wissen, daß Sietas dem Fonds zur Unterstützung für die Zwangsarbeiter noch nicht beigetreten ist. Wir wissen, daß Sietas und Firmen wie Holst, Rancke und die Norderwerft, die Sietas gekauft hat, Zwangsarbeiter hatten. Wir finden es notwendig und wichtig, daß, wenn diese Firma Subventionen bekommt, sie dann diesen Beitritt erklärt.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke, vereinzelt bei der GAL und bei Karl-Heinz Ehlers und Vera Jürs, beide CDU)

Das Wort hat Herr Senator Dr. Mirow.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Einige wenige Anmerkungen zu den Beiträgen von Herrn Ehlers und Herrn Hackbusch.

Erstens Wirtschaftswachstum: Wir werden nach den Schätzungen der Landesbank und der Landeszentralbank, Herr Ehlers, nicht am unteren Ende der wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik stehen, sondern am oberen Ende, nach den Schätzungen der Banken also zwischen 3 und 3,5 Prozent.

(Barbara Duden SPD: Das verwechseln alle!)

Zweite Bemerkung, weil das verarbeitende Gewerbe angesprochen worden ist: Die reale Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe von Hamburg wird mit einer Wachstumsrate von 6 Prozent im Jahr 2000 eingeschätzt. Zum Jahreswechsel, weil ja zu den Zahlen immer auch Befindlichkeiten gehören, beurteilen gemäß Umfrage der Handelskammer fast doppelt so viele Industrieunternehmen wie vor einem Jahr ihre Geschäftslage als gut.

Dritte Bemerkung: Sie haben zu Recht davon gesprochen, daß wir uns um diejenigen kümmern müssen und sollen, die es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer haben. Sie haben aber verschwiegen, daß wir genau dies tun. Und wenn Sie die Arbeitsmarktstatistik angucken, werden Sie feststellen, daß wir in den Problembereichen einen überdurchschnittlichen Rückgang haben, zum Beispiel im Bereich der Langzeitarbeitslosen von annähernd 20 Prozent.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Karl-Heinz Eh- lers CDU: Sind die alle im Ersten Arbeitsmarkt?)

Die sind im Arbeitsmarkt integriert.

(Barbara Ahrons CDU: In welchem?)

Im Ersten Arbeitsmarkt. Sprechen Sie mal mit der Arbeitsverwaltung, wie vielen Langzeitarbeitslosen in den

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)

letzten Monaten neue Chancen gegeben worden sind. Wenn Sie das in Abrede stellen, kennen Sie die Realität in der Stadt nicht.

(Beifall bei der SPD – Jürgen Schmidt SPD: Nicht nur bei diesem Thema! – Uwe Grund SPD: So ist es!)

Vierte Bemerkung: Weil absehbar war, daß Ihnen neben dem Thema Verkehr, das Sie mir bei der Gelegenheit immer präsentieren,

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Ja, Gesamtverantwortung des Senats!)

nicht furchtbar viel an Kritik einfallen würde, möchte ich noch drei Bemerkungen zu den kleinen und mittleren Unternehmen machen.

Erstens: Wir werden in diesem Jahr absehbarerweise eine Neuvermietung von Gewerbeflächen von über 500 000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche haben. Sie wissen, Herr Ehlers, weil Sie vom Fach sind, daß das in der Regel nicht Neuvermietungen von Großunternehmen sind, sondern von kleinen und mittleren Unternehmen. Wenn man in einem solchen Maße in der Stadt Neuvermietungen hat, ist das auch ein Zeichen dafür, daß es kleinen und mittleren Unternehmen so schlecht nicht gehen kann.

(Beifall bei der SPD – Karl-Heinz Ehlers CDU: Es gibt keine Neuanmietungen!)

Trotzdem sind es Expansionen, Herr Ehlers, darauf kommt es doch an.

(Zuruf von der CDU)

Das ist doch wunderbar, wenn es eine Expansion von bestehenden Unternehmen gibt, darüber werde ich mich doch nicht beschweren.

(Beifall bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Ein bißchen geschummelt ist das schon!)

Das ist nicht geschummelt, sondern wenn Sie ein bißchen von Wirtschaftspolitik verstünden, wüßten Sie, daß die Ansiedlung von Unternehmen wichtig ist, die Bestandspflege aber mindestens ebenso.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zweiter Beleg für diese These ist, daß wir bei den Beschäftigten in kleinen und mittleren Unternehmen in diesem Jahr ein Wachstum von annähernd 30 000 Menschen haben werden, also kein Rückgang an Arbeitslosigkeit, sondern einen Zuwachs an Beschäftigten auf knapp 380 000. Und selbst im Handwerk, das es in der konjunkturellen Entwicklung schwer hat, haben wir nach den aktuellen Umfragen bei den Handwerksmeistern die Bewertung, daß 63 Prozent mit ihrer Lage zufrieden sind. Das ist ein Wert, den wir im Handwerk sehr lange nicht mehr gehabt haben.

Also die These, es ginge der Stadt gut, der Arbeitsmarkt entwickele sich gut, die Wirtschaftspolitik sei in Ordnung, nur den kleinen und mittleren Unternehmen gehe es schlecht, ist schlicht Unfug.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Kurze Anmerkung zum Thema Film und Fernsehen. Herr Ehlers, ich weiß wohl, daß es insbesondere ein Unternehmen in der Stadt gibt, das sich deutlich in Richtung auf einen Feuerwehrfonds äußert. Aber wir hatten in diesem Jahr etwa 150 große Film- und Fernsehproduktionen und nach einer neutralen Studie einen Zuwachs von 15 Prozent

im Bereich Film- und Fernsehwirtschaft. Das ist weniger als an den Standorten Berlin und Köln, aber 15 Prozent Wachstum ist für eine Branche so schlecht ja auch nicht.

(Dr. Leonhard Hajen SPD: Bei hohem Ausgangsni- veau!)