Protocol of the Session on December 12, 2000

Das gleiche gilt für Strafsachen der Amtsgerichte; hier sind die Zahlen für das Jahr 2000 deutlich günstiger. Darüber wollten wir nur nicht „herumstruntzen“.

Bei den Strafverfahren ist es so, daß die Amtsgerichte derselben Länder, die ich eben genannt habe, wiederum deutlich längere Verfahrensdauern haben. In Hamburg betragen sie gerade einmal durchschnittlich 4,3 Monate.

Zum Landgericht ist schon von Herrn Klooß gesagt worden, daß Hamburg deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 7,1 Monaten liegt; bei den Strafverfahren wird dies noch viel deutlicher.

Wir kommen dann zum Oberlandesgericht mit 10,4 Monaten und sehen, daß die Länder Hessen, Berlin und Rheinland-Pfalz eine viel längere, teilweise eine Wartezeit von bis zu 15 Monaten bis zur Eröffnung der Verfahren haben. In Hamburg liegen wir bei den Strafverfahren gerade einmal bei einem Monat.

Dies alles zeigt, daß es nicht so sein kann, wie die CDU behauptet. Wir haben weniger Stellen, das ist unstreitig; wir haben Eingänge, die mehr oder weniger gleichbleibend sind. Von einer längeren Verfahrensdauer kann also keine Rede sein. Im Gegenteil. Ich komme noch dazu, wie es möglich war, daß wir die Verfahrensdauer in den letzten

(Dr. Bettina Kähler GAL)

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fünf Jahren sogar wesentlich senken konnten; das gilt übrigens auch für das Jahr 2000.

Über die Staatsanwaltschaft wird behauptet, sie könne ihren gesetzlichen Auftrag nicht erfüllen; das haben wir hier jedes Jahr gehört. Wir haben daraufhin bei der Generalstaatsanwältin nachgefragt, die ganz verblüfft war, weil dies ein gesetzwidriges Verhalten bedeuten würden. Wie kann man das behaupten? Wir sind verpflichtet, jeder Anzeige nachzukommen,

(Unmutsäußerungen und Zurufe von der CDU: Warum müssen Sie dauernd Leute laufenlassen? Weil die Prozesse nicht rechtzeitig anfangen!)

und natürlich tun wir das. Ich gebe nur wieder, wie sich die Generalstaatsanwältin pflichtgemäß eingelassen hat. Alles andere wäre ein Gesetzesverstoß.

Es wird behauptet, die Staatsanwaltschaft hätte Abteilungen eingespart. Das zeigt, daß die CDU die gesamte Reorganisation der Staatsanwaltschaft nicht verstanden hat, die am 1. März dieses Jahres abgeschlossen wurde. Hierbei wurden einige kleinere Abteilungen zusammengelegt, und neue, zum Beispiel die Abteilung Vermögensabschöpfung, wurden gebildet; die Amtsanwälte haben sehr viel mehr Aufgaben übertragen bekommen und wurden zahlenmäßig aufgestockt. Mit einem Wort: Die Staatsanwaltschaft ist schlagkräftiger geworden. Das paßt natürlich nicht in das Katastrophenszenario der CDU.

Wir haben gehört, aufgrund der neuen Insolvenzordnung passiere in diesem Bereich überhaupt nichts, da könne man nur traurig sein. Dazu möchte ich sagen, daß bis Ende September dieses Jahres 417 Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurden; im Jahr davor wurden im gleichen Zeitraum 153 Anträge gestellt. Das bedeutet, daß hier eine Steigerung von fast 180 Prozent vorliegt, so daß wir in diesem Jahr für den genannten Zeitraum 190 gegenüber 32 Verfahren im Vorjahr eröffnen werden.

Gott sei Dank läuft das Insolvenzverfahren inzwischen an; das geschieht im übrigen mehr oder weniger in allen Bundesländern, weil alle dieselben Anfangsschwierigkeiten hatten. Darüber haben wir oft genug gesprochen.

Das Thema Gerichtsvollzieher wird immer wieder gern erwähnt. Dazu haben im wesentlichen die Damen und Herren der Fraktionen berichtet, so daß ich mich auf nur wenige Äußerungen beschränken kann.

Natürlich sind wir der Entwicklung entgegengetreten, die auch wir nicht für angenehm halten. Wir haben inzwischen zwölf neue Gerichtsvollzieher dazubekommen. Vor wenigen Tagen haben fünf weitere Gerichtsvollzieheranwärter ihre Ausbildung beendet und nehmen in diesen Tagen ihren Dienst auf; das macht zusammen 17 Gerichtsvollzieher. Wir haben ebenso eine weitere Anzahl von sieben Planstellen geschaffen und schneiden die Gerichtsvollzieherbezirke anders. Wir sind sicher, daß wir es auf diese Weise schaffen können und werden.

(Beifall bei Antje Möller GAL)

Zurück zu Ihrer Äußerung, daß die Justiz untergeht. Die gesamten, von mir beschriebenen Anstrengungen machen drei Punkte deutlich:

Erstens: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten trotz der erheblichen Belastung, die kein Mensch leugnet – ich schon gar nicht –, rasch, qualitativ gut und sind engagiert.

Zweitens: Die Technik, die ihnen inzwischen dabei hilft, und das hier schon mehrfach erwähnte Gesamtprojekt „Justiz 2000“ wirken sich offensichtlich so positiv aus, daß die Hamburger Justiz ihre Arbeit trotz der erheblichen Anforderungen gut leistet.

Drittens: Zur Verfahrensdauer, von der die CDU meint, sie anmahnen zu sollen, möchte ich sagen, daß wir im Zuge der ZPO-Reformdiskussion, die bundesweit geführt wird, zu unserer Beglückung erfahren haben, daß keine Justiz in Europa so gut ist wie die deutsche.

Was haben wir nicht alles von den Anwälten gehört: Es gäbe nichts zu reformieren, die Justiz in Deutschland sei gut und schnell. Was wollen wir eigentlich noch reformieren? Dazu paßt natürlich nicht die Aussage, daß in Hamburg die Justiz untergeht.

Dasselbe möchte ich im übrigen zum Vollzug sagen. Der Vollzug in Hamburg funktioniert hervorragend. Ich weiß ganz genau – Sie alle wissen es auch –, daß dies nicht von selbst gekommen ist. Die Katastrophen passieren dagegen woanders.

Heute morgen habe ich in der „Berliner Zeitung“ gelesen, daß es allein in der großen Untersuchungshaftanstalt Moabit in Berlin in diesem Jahr schon zu einem siebten vollendeten Selbstmord und zu 20 Selbstmordversuchen gekommen sei. Dazu sagt der für die Justiz zuständige Regierende Bürgermeister, daß dies nicht an der Überfüllung liegen könne.

In diesem Jahr ist es bereits an einem Wochenende in Berlin zu fünf Ausbrüchen gekommen. Vor wenigen Wochen mußten gleichzeitig Hunderte von Gefangenen aufgrund der Überfüllungen von Haftanstalten entlassen werden. Alles dies verrauscht sang- und klanglos. Ich sagte vorhin, daß ich Beispiele dafür nennen werde, wenn die CDU für die Justiz eines Landes zuständig ist.

(Beifall bei der SPD)

Damit dies alles bei uns nicht passiert, passen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter außerordentlich sorgfältig auf. Wenn Gefangene gefährdet sind, gehen sie sofort dazwischen. Darüber wird mir jeden Tag berichtet. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür zu danken.

(Beifall bei der SPD, der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Richtig ist: Wir müssen – wir tun es auch – konsolidieren. Niemand kann, ohne es zu merken, sieben Jahre lang sparen und konsolidieren; das wäre ja wohl merkwürdig. Da wir sparen müssen, kann es doch nicht als seriös bezeichnet werden, wenn die CDU fordert, daß keine Stellenstreichungen und Einsparungen bei Gerichten, Staatsanwaltschaften oder anderswo vorgenommen werden sollen. Das bedeutet nichts anderes, als daß wir nach Vorstellung der CDU Stellen wieder besetzen sollen, die sie mit dem Verkauf von Tafelsilber finanzieren will. Damit werden dann Menschen auf Stellen gesetzt, die wir 20, 30 Jahre bezahlen und deren anschließende Versorgungslast wir tragen müssen. Das nenne ich eine Scheinsanierung zu Lasten unserer Kinder und Kindeskinder.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Die persönlichen Angriffe, die stets kommen, will ich zunächst überspringen. Ich wende mich den Verhinderungen zu.

(Senatorin Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit)

Die CDU legt – wie wir hörten – keine eigenen Pläne oder Szenarien vor, sondern sie verlegt sich auf den Versuch, das zu verhindern, was wir vorschlagen und durchsetzen möchten. Hierbei denke ich an die Rechtspolitik.

Als wir unsere große Initiative zur Stärkung der Verletztenrechte vorstellten, die auch mit den Stimmen der CDU-regierten Länder im Bundesrat beschlossen wurde, hatte die CDU in Hamburg nichts anderes zu tun, als zu sagen: Na ja, es ist schlimm genug, daß es überhaupt zu Opfern von Kriminalität kommt. So kann man natürlich auch vorgehen. Sie tun nichts für die Opfer, weil Sie Ihren Blick starr auf die scheinbaren oder tatsächlichen Täter richten.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Hört, hört!)

Als es darum ging, für die gleichgeschlechtlichen Partner Lebensgemeinschaften zu ermöglichen, kam von der CDU in Hamburg doch tatsächlich das Votum: Um Gottes willen, nein. Auch da ging das Abendland schon wieder unter.

Wo war die CDU, als es darum ging, die Homosexuellen, die in der nationalsozialistischen Zeit auf schlimmste Weise diskriminiert wurden, aufgrund einer Hamburger Initiative endlich zu rehabilitieren? Es kam kein Wort, es hat sie nicht interessiert.

Ich komme zu den Investitionen für die Ersatzanstalt Billwerder. Fast ein Jahrzehnt hat sich die CDU dagegen gestemmt und gesagt: Das brauchen wir alles nicht, das ist völlig uninteressant. Jetzt lese ich vor wenigen Wochen zu meiner Beglückung, daß die CDU ihren Widerstand gegen Billwerder aufgibt. Da kann man ja nur froh sein.

Zum Justizforum Ost lese ich: Die CDU will dieses verhindern. Zu den Zukunftsüberlegungen, wie die Justiz in den Jahren 2010, 2030, 2050 aussehen soll – das ist unser aller Aufgabe, darüber nachzudenken und vorzusorgen –, kommt von Ihnen nichts. Woran liegt das? Sie haben keine Planungen, sondern bei Ihnen gilt immer das kleine Karo!

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält Herr Professor Dr. Karpen.

(Andrea Franken GAL: Herr Karpen, jetzt Teil zwei!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es platzt einem der Kragen.

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei der SPD und der GAL)

Wissen Sie, Frau Senatorin, was der entscheidende Unterschied zwischen Ihnen und Ihrer Kollegin Frau Pape ist?

(Dr. Monika Schaal SPD: Jetzt geht wieder die per- sönliche Anmache los!)

Frau Pape hat vor zehn Minuten gesagt, daß sie sich als Senatorin an die zehnminütige Redezeit halten muß. Sie haben 20 Minuten geredet. Ich muß meine zehn Minuten Redezeit sogar teilen, um meine Rede einigermaßen halten zu können. Das ist ein Verstoß gegen die Chancengleichheit.

(Beifall bei der CDU)

Frau Senatorin, Sie haben gesagt, daß wir kein Programm vorgelegt hätten. Seit einigen Tagen liegt ein konzises, gut analysiertes und zielführendes Programm unserer Justizpolitik vor. Es ist zwar nicht so umfangreich wie Ihr Konzept „Justiz 2000“, aber es ist gehaltvoll und detailliert.

Das Konzept „Justiz 2000“ hat Herr Hoffmann-Riem, Richter des Bundesverfassungsgerichts, als Hochglanzdarstellung bezeichnet. In diesem Programm beschreiben Sie die Vernetzung, die kreative Zusammenarbeit aller Mitarbeiter und eine neue Diskussionskultur. Eine Diskussionskultur gibt es in Ihrem Bereich nicht, ob Sie in die Deputation, in den Richterwahlausschuß, in die Richterschaft oder die Staatsanwaltschaft schauen. Dort herrscht wegen Ihrer Selbstherrlichkeit und Ihrer Besserwisserei ein eisiges Klima.