Protocol of the Session on December 11, 2000

(Ingrid Cords SPD: Genau! Richtig! Da liegt das Problem!)

Wir haben vor einigen Wochen das Beispiel Wandsbeker Automeile am Friedrich-Ebert-Damm aufgeführt. Da hat der Senat gemeinsam mit dem Investor versprochen, wir siedeln hier Smart-City an und schaffen 200 neue Arbeitsplätze.

Als wir jetzt in der Debatte nach den Arbeitsplätzen gefragt haben, sagt der Senat:Wir können keine Arbeitsplätze versprechen, das kann nur der Investor. Darüber aber spricht niemand, daß der Senat mit diesem Argument die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, daß dieses Projekt angesiedelt werden konnte. Das ist eine unseriöse Politik.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Abgesehen von dem Versprechen der Arbeitsplätze haben die Großprojekte gemein – Entschuldigung, gemeinsam meine ich, gemein sind sie auch –, daß hier im Hause keine Bereitschaft besteht, für diese Großprojekte, die Hamburg plant, eine Kosten-Nutzen-Rechnung durchzuführen und vorzulegen.

(Ingrid Cords SPD: Die gibt es!)

Diese Kosten-Nutzen-Rechnung haben wir weder bei Altenwerder noch beim Bau des A3XX, noch bei der HafenCity bekommen. Ich kann gut verstehen, daß Sie das nicht wollen, weil es zeigen würde, daß Sie ganz viele Luftschlösser bauen.

(Holger Kahlbohm SPD: 15 000 Arbeitsplätze! Ich bitte Sie!)

Aber eine solide Politik wird das brauchen.

Das neueste Beispiel der Großprojekte, für die der Senat wahrscheinlich über 1 Milliarde DM ausgeben muß, ist die Erweiterung der Messe. Der REGENBOGEN hat durch konsequentes Bohren erreicht, daß der Senat endlich erkannt hat, es gibt nicht nur die Messe, es gibt auch einen Fleischgroßmarkt mit über 2700 Arbeitsplätzen.Es ist zwar erfreulich, daß das geklappt hat, es ist aber nicht erfreulich, daß der Senat von uns wieder zum Jagen getragen werden muß. Lieber Senat, vielleicht erkennen Sie auch einmal, es gibt dort sehr viele Anwohner und Anwohnerinnen. Sie erkennen es, Herr Runde, ich kann das nicht verstehen.

Frau Möller sprach gerade das Bürgerbeteiligungsverfahren an. Es ist erstaunlich, letzte Woche hat der Senat ge

sagt, Fleischgroßmarkt und Messe haben sich geeinigt. Wunderbar! Die Bürgerinnen, die in den Workshops beteiligt wurden, sind überhaupt noch nicht gefragt worden. Denen soll das jetzt präsentiert werden.Wir können sicher sein, wie das ausgeht. Die können dreitausendmal sagen, das ist bei uns im Workshop anders besprochen worden, Sie werden das genauso durchsetzen. Das ist traurig.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Weil es jetzt gerade so schön paßt, möchte ich die CDU bei der Wirtschaftspolitik und den Großprojekten nicht außen vor lassen.

Bei der Messe haben wir feststellen können, daß die CDU mit einer sauberen Argumentation Schwierigkeiten hat. Da war es immer klar, daß die CDU für die Erweiterung der Messe ist, der Fleischgroßmarkt hat sie auch nicht so sehr interessiert. Man hätte im Ausschuß gern darüber gesprochen. Wer wird eigentlich die Messeerweiterung machen? Wird es vielleicht die Sprinkenhof AG sein? Ist das vielleicht der Punkt, warum ein einzelner Abgeordneter der CDU nicht so locker sagen kann, wofür er ist? Herr von Beust, das haben Sie vorhin bei Ihren Aufzählungen vergessen. Es gibt durchaus filzige Sachen, die schwarz aussehen.

(Ole von Beust CDU: Einen!)

Es gibt die Sprinkenhof-Geschichte.

(Ole von Beust CDU: Ich meinte das Alte!)

Wir haben in der Bürgerschaft eine unschöne Verquickung, wenn ein Abgeordneter in verschiedenen Fällen, die hier angesprochen werden, befangen ist. Sie haben selbst das Beispiel Polizeihochhaus Berliner Tor genannt. Da ist der Abgeordnete Ehlers eigentlich auch befangen, weil die Sprinkenhof AG das neue Polizeipräsidium gebaut hat.Wir fordern sonst immer, daß wir eine saubere Trennung haben wollen. Das gilt nicht nur für den öffentlichen Dienst, sondern auch für solche Bereiche.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Im anderen Fall, bei der Arena, kann man zwar nicht direkt von Filz sprechen, obwohl ich denke, die CDU hat in der Bürgerschaft vergessen, daß sie Opposition ist.Nur weil Ihr Schatzmeister der Hauptinvestor ist, kommen keine kritischen Fragen, und die CDU ist bereit, alles abzunicken. So hat Oppositionspolitik nicht stattzufinden.

Zum Bereich Wirtschaftspolitik haben wir heute und in den Wochen zuvor gehört, viele neue, schöne Arbeitsplätze schaffen wir im Bereich der neuen Medien, im Bereich der Weiße-Kragen-Jobs. Völlig ausgeklammert wurde bisher, daß wir in Hamburg einen immer größer werdenden Anteil von Erwerbstätigen haben, die trotz Erwerbstätigkeit nicht mit ihrem Gehalt über die Runden kommen. Mittlerweile sind es schon 7 Prozent aller Erwerbstätigen, die zusätzliche Sozialhilfe brauchen, um überhaupt ihr Leben bestreiten zu können. Wir müssen viel mehr über diese Menschen reden, die trotz Arbeit arm sind. Da liefern die Grünen auf Bundesebene ein sauschlechtes Beispiel, wenn sie fordern, man möge darüber nachdenken, ob es nicht auch machbar ist, unter Tarif zu bezahlen; was will man mit Tarifverhandlungen. Das ist genau der falsche Weg, wenn man will, daß Arbeit wieder eine Existenzsicherung darstellt.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Kommen wir zu einem eigentlich urgrünen Feld, zur Ökologie. Nach meiner Wahrnehmung – und die teilen mit mir sehr viele Menschen in dieser Stadt – hat Ökologie hier

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke)

ganz wenig oder teilweise gar keinen Stellenwert. Für das uralte Projekt Altenwerder gibt es bis heute keinen Ausgleich. Wir bekommen sogar noch einen Antrag vorgelegt, was mit dem Ausgleich passieren soll.

Beim Bau des A3XX, bei der Zerstörung des ökologisch wertvollen Mühlenberger Lochs, schaffen Senat und Rotgrün sogar die Premiere, erstmalig ein unter Schutz gestelltes Gebiet zu zerstören. Das ist eine glatte Leistung.

Wir können feststellen, daß die Ökologie in allen Sonntagsreden

(Zurufe)

in allen Bürgerschaftsreden, wir haben immer mittwochs Bürgerschaft – auftaucht. Nur dann, wenn es konkret wird, hat leider wieder die Ökonomie gewonnen, denn wer hat schon etwas gegen Arbeitsplätze. Liebe Grüne und liebe Sozialdemokratinnen und -demokraten, da macht ihr es euch zu leicht.

Ebenso leicht macht ihr euch das mit dem Atomausstieg. Es soll – so habe ich gehört – auf grüner Ebene sogar Zweifel geben, wobei ich nicht genau weiß, worauf sich die Zweifel an dem Atomausstieg beziehen. Aber eindeutig ist, daß auf Bundesebene kein Ausstieg festgezurrt worden ist und es in Hamburg keinen Atomausstieg gegeben hat. Wenn jetzt die rotgrüne Regierung –allen voran die Grünen – meint, einen großen Erfolg zu feiern, indem sie sagt, wir schaffen es doch, daß Stade abgeschaltet wird, dann möchte ich mit den Damen und Herren der Bürgerschaft etwas genauer hingucken. Es hat niemand überhören können, daß die Betreiber von Stade schon lange gesagt haben, dieser Schrottreaktor ist nicht mehr wirtschaftlich. Von daher hat niemand gesagt, er möchte diesen Reaktor weiter betreiben. Selbst die CDU hätte es nicht verhindern können, daß der jetzt abgeschaltet wird. Insofern ist das eher ein Trauerbeispiel.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ein Bereich, von dem sich in Hamburg viele Menschen etwas versprochen haben, war der Verkehrsbereich. Viele Leute meinen, daß Eugen Wagner mittlerweile grün ist, aber er ist immer noch hanseatisch blau.

(Zurufe)

Anzug blau.

Viele Leute haben gedacht, wir werden in Hamburg eine Verkehrswende hinbekommen. Zur Erklärung für die nicht so im Thema Involvierten:

(Dr. Martin Schmidt GAL: Erzähl! Ich höre!)

Du weißt das sogar, Martin, du hast das nur vergessen.

Man versucht, von dem motorisierten Individualverkehr wegzukommen – sprich: vom Autoverkehr – und ökologischere und umweltverträglichere Fortbewegungsmittel zu fördern.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Das machen wir!)

Sehen wir in den Verkehrsentwicklungsplan, stellen wir fest: Verkehrswende? Fehlanzeige. Es gibt genausoviel Straßenbaumaßnahmen, wie sie vorher unter Rot-Grau geplant waren. Es gibt keine einzige Straßenbaumaßnahme, die scheitern wird, weil die Grünen dagegen sind, denn die Grünen sind nicht dagegen. Der einzige Grund, warum in Hamburg vielleicht Straßenbaumaßnahmen scheitern, ist, daß der Bund zuwenig Geld gibt.Das ist aber kein Verdienst der Grünen.

Wenn ich mir die Verkehrspolitik ansehe, habe ich das Gefühl, daß die Grünen ähnlich wichtig sind wie das Straßenbegleitgrün: Es ist ganz schön, wenn sie da sind, aber man braucht sie nicht richtig. Als SPD-Begleitgrün spielen sie eigentlich keine Rolle.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ich weiß nicht, ob ich Herrn Reinert noch einmal den Gefallen tun soll, seine Spurrillen mit aufzuzählen. Ich habe das Gefühl, daß man vor lauter Spurrillen noch weniger erkennen kann, wo die CDU eigentlich noch Verkehrspolitik machen will. Straßenbau haben wir genug. Mit mehr Straßen haben Sie mehr Spurrillen. Aber das hilft Ihnen auch nicht weiter, Herr Reinert.

(Bernd Reinert CDU: Mit besseren Straßen haben wir weniger Spurrillen!)

Ich glaube nicht.

Einen Punkt, den wir heute nicht unterlassen können, ist, darüber zu reden, wie ist es in Hamburg um unsere Politiklandschaft bestellt und wie ist der Umgang miteinander.

Herr Christier hat heute wieder wunderbar gezeigt – wie auch schon vor ungefähr zwei Wochen –, wie selbstgefällig diese SPD ist: Hamburg, das ist unser Betrieb, Hamburg gehört der SPD. Da ist man natürlich auch einmal bereit, einen Lehrling einzustellen. Den Lehrling in der letzten Legislaturperiode, die STATT Partei, haben Sie leider nicht bis zum Abschluß bringen können, der ist durch die Prüfung gefallen. Der jetzige Lehrling scheint etwas anstelliger zu sein. Er hat zwar Schwierigkeiten, eigene Ideen einzubringen, weil die älteren Genossinnen und Genossen sagen, in der Lehre muß man ganz viel erst einmal selbst lernen, hört das an, ihr müßt das nicht selbst machen.

(Dr. Holger Christier SPD: Und Sie fallen unter die Abbrecherquote!)

Ob dieser Lehrling nach der Legislatur übernommen wird, entscheidet die SPD zwar allein, aber die Wählerinnen und Wähler werden das auch sehen.

Frau Möller sagte, die GAL hat keine Lyrik. Ich finde, die GAL hat mittlerweile kein Profil mehr. Das ist schlimmer.