Protocol of the Session on November 29, 2000

(Beifall bei Thomas Böwer SPD)

Die Frage ist nur, ob wir dazu einen gemeinsamen Appell brauchen, Turnzeug anziehen und uns in die Eingangshalle des Foyers begeben müssen, oder ob wir das flexibel handhaben können. Wir haben Schulen, die das flexibel handhaben und die Stundentafel so umgesetzt haben, daß in der Woche nur noch zwei Sportstunden stattfinden.Das bezieht sich allerdings ausschließlich auf die Klassenstufe 2. Insofern ist der aufgeregte Foulruf der CDU leicht übertrieben.

Als Ausgleich finden dafür im Rahmen der VHGS tägliche Bewegungszeiten zwischen 30 Minuten und einer Stunde statt. Sie dienen der Rhythmisierung des Unterrichts, der nun länger geworden ist, und zum Sammeln und zur Wiederherstellung des Konzentrationsvermögens. Neu an dieser Flexibilisierung ist, daß sie die starre Stundentafel im 45-Minuten-Takt durchbricht und die unterschiedlichen Erfordernisse der Schülergruppen besser angepaßt werden. Dies sowohl in bezug auf die Quantität – es ist auch möglich, vier Stunden Sport zu unterrichten – als auch darauf, daß die inhaltliche Ausgestaltung variiert werden kann.

Die CDU tut allerdings immer so, als würde in Bewegungszeiten nur über Bewegung geredet.Wer darin nichts anderes als eine Sparmaßnahme erkennen kann, der bevorzugt – wie bei der Diskussion um mehr Autonomie an Schulen und um die neuen Bildungspläne – ein Maximum an Spielregeln und ein Minimum an Freiraum für Entwicklungen. Das ist nicht gerade ein spielfreudiger Standpunkt.

Wer die zwei klassischen Sportstunden mit Bewegungszeiten zusammenzählt, erkennt, die CDU hat wieder einmal ein Eigentor geschossen, denn zusammen ergibt das mehr. Wir haben es zwar, wie Herr Hesse ausgeführt hat, mit gravierend veränderten gesellschaftlichen Bedingungen zu tun, zum Beispiel mit zunehmender Mobilität bei

gleichzeitiger Bewegungsarmut. Falsche Ernährungsgewohnheiten beeinträchtigen Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Kinder.Insofern ist die gestern in Hamburg von Boris Becker angekündigte Stiftung von 3 Millionen DM eine tolle Sache, eine Mülltonne mit Sportgeräten gefüllt für 500 Schulen in zehn deutschen Städten. Da kann ich nur hoffen, daß viele Hamburger Schulen dabei sind.

(Beifall bei der SPD)

Ob aber Kinder in der Schule einen positiven Bezug zu ihrem Körper, zur Entwicklung motorischer Fähigkeiten und zur Reproduktion körperlichen Wohlbefindens entwickeln können, hängt nicht davon ab, ob der Unterricht in der Turnhalle stattfindet oder nicht.

Schule insgesamt und nicht nur der Sportunterricht, der bisweilen von der Drogenprävention – das wurde hier auch angesprochen – bis zur Völkerverständigung als gesellschaftliches Allheilmittel angesehen wird, muß den veränderten Lebensbedingungen gerecht werden. Deshalb arbeiten wir an neuen Schulkonzepten und die Schulen selber an ihren Schulprogrammen. Die Latte, über die Sie springen wollten, war auch schon einmal höher gelegt.

Erstaunlich ist auch, daß die CDU, die sonst immer ganz vorneweg sein will, wenn es um die neue Wissensgesellschaft geht und im Schulunterricht stets die Bedeutung der Kernfächer betont, nun die Fahne für den Sportunterricht hochhält. Und das, wo laut „Morgenpost“ gerade zu lesen war, daß die Eltern Mathe und Deutsch höher als den Sport einstufen.Und nun will die CDU den Eltern sagen, wir brauchen mehr Völkerball und weniger „www.“? Hier spielt die CDU wieder einmal mit wechselnden Mannschaftstrikots und mit Argumenten, die leider zu keiner gemeinsamen Spielstrategie führen.Vielleicht finden wir die aber noch im Ausschuß.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Dr. de Lorent.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die großen Parteien haben das heute so gelöst, daß sie zwar beide Anträge gemeinsam debattieren, aber für jeden Antrag einen jeweils anderen Abgeordneten nominiert haben. Ich versuche, das zusammenzubringen, und muß dabei differenzieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien Sie nicht böse, aber wir haben das schon einmal debattiert.

(Elisabeth Schilling SPD: Mehrfach!)

Wir haben – wahrscheinlich vergeblich – mehrfach versucht, Ihnen klarzumachen, daß die Flexibilisierung ein anderes Problem ist, als Sie denken. Es macht Sinn, wenn man mehr in die Schulen hineinstecken und Schulen stärker an dem beteiligen will, was in Schule stattfindet, ihnen dann auch die Möglichkeit zu geben, selber begrenzt zu entscheiden, wie sie Akzente setzen wollen. Das ist damit gedacht. Das haben wir schon einmal zu erläutern versucht. Es ist nicht der Versuch, den Grundschulbereich zu marginalisieren und zu sagen, Sport ist in der Grundschule nicht so wichtig.

Mehr kann man eigentlich nicht dazu sagen. Darum will ich auch nichts mehr dazu sagen.

(Klaus-Peter Hesse CDU)

Ich sehe es anders, was den Antrag der CDU zum Berufsschulsport betrifft. Aus meiner Sicht gibt es hier großen Handlungsbedarf. Bevor ich meine Argumente nenne, möchte ich sagen, daß ich genervt bin, daß alle Abgeordneten – über alle Parteien hinweg –, die etwas von der Sache verstehen, seit einiger Zeit davon ausgehen, daß bei dem sogenannten Gutscheinvertrag etwas im argen liegt. Ich werde gleich noch ein paar Argumente nennen, und die Kollegen Okun und Schmidt werden das wahrscheinlich ergänzen. Wir sehen das weitestgehend ähnlich. Wir haben einige Veranstaltungen durchgeführt, und es wäre mein Ziel, in dieser Frage gemeinsam – und zwar über Streitigkeiten zwischen den einzelnen Parteien hinweg – einen Schritt weiterzukommen.

(Volker Okun CDU: Aber der Senat nicht!)

Lassen Sie mich ein paar Fakten nennen: Der Vertrag wurde 1997 in großer Koalition geschlossen. Die CDU hat den Grundgedanken, der dahintersteht, sehr stark unterstützt. Wenn es möglich wäre, dadurch mehr Ausbildungsplätze zu bekommen, daß in den Berufsschulen komprimierter gearbeitet wird, wäre das ein Ziel, das durchaus zu vertreten wäre. In allen Berichten, die wir gelesen haben, läßt sich das definitiv nicht nachweisen, ob durch diese Aktion mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt worden sind.

Wenn man sich die Akzeptanz dieser ausgegebenen Gutscheine ansieht, dann kann man keine zwei unterschiedlichen Positionen dazu haben. Es kann nur die Position geben, daß diese Geschichte gründlich gescheitert ist.

(Beifall bei Klaus-Peter Hesse CDU)

Es ist bedauerlich, daß es soweit kommen mußte, daß ich eine Rede halte, von meiner Fraktion keiner klatscht und mir von der CDU frenetischer Beifall entgegenschlägt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Jürgen Schmidt SPD: Hat das ein Nachspiel?)

Mal sehen. Vielleicht war es eine persönliche Ermunterung, die Aufmerksamkeit wieder ein bißchen zu bündeln.

Man hat gesagt, wir verändern das System. Sport wird nicht mehr an der Berufsschule angeboten, sondern es werden Gutscheine verteilt, die man in Sportvereinen einlösen kann, in der Hoffnung, daß da spezifische Angebot gemacht und wahrgenommen werden. Dieser Gedanke ist theoretisch durchaus plausibel, hat sich aber in der Praxis nicht bewährt.

Man hat gesagt, wir rechnen damit, daß 80 Prozent der Berufsschüler davon Gebrauch machen. Jetzt liegt die Statistik der drei letzten Jahre vor: 1997/1998 haben 11,3 Prozent der Jugendlichen die Gutscheine eingelöst, 1998/1999 waren es 13,1 Prozent und 1999/2000 17,3 Prozent.Wenn man außerdem weiß, daß unter denjenigen, die die Gutscheine eingelöst haben, 57 Prozent schon vorher Mitglieder in den Vereinen gewesen sind, in denen sie die Gutscheine eingelöst haben – sie haben also nur den Beitrag staatlich finanziert bekommen, den sie sonst privat bezahlt haben –, dann sieht man, daß in drei Jahren nur ungefähr 10 Prozent aller Berufsschüler Sport machen. Das ist ein so eklatanter Unterschied zu den 80 Prozent, die man erwartet hat, daß man gemeinsam zu dem Ergebnis kommen muß, hier ist etwas nicht erfolgreich gewesen. Wir können jetzt nicht so lange warten, bis die Legislaturperiode zu Ende ist und es eine neue Koalition gibt.

(Beifall bei der GAL, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Der Hamburger Sportbund hat seine leidige Erfahrung gemacht.Jürgen Schmidt, Volker Okun und ich sind immer bei den Mitgliederversammlungen gewesen. Wir haben viermal erlebt, daß es Mehrheiten gegen das Präsidium gegeben hat – das war bitter für das Präsidium, das sieht man ja nicht so gerne –, die gesagt haben, hier habt ihr in Hamburg etwas falsch gemacht. Andere Bundesländer sagen, seid ihr denn bescheuert, und fragen, habt ihr euch das beim Hamburger Sportbund wirklich genau überlegt?

Der letzte Akt war ein Beschluß im Mai 2000 mit dem Ergebnis, daß der Hamburger Sportbund den Vertrag gekündigt hat. Wenn der eine Vertragspartner kündigt und die Behörde die Situation intensiv bearbeitet, indem sie Fakten sammelt und zu diesem Ergebnis kommt, ist es Anlaß genug, die verbleibende Zeit dafür zu nutzen und etwas zu ändern.

(Jürgen Schmidt SPD: Andere Verhandlungspart- ner! Die Kammern!)

Auf die Kammern komme ich gleich noch.

In welche Richtung sollte es sich ändern? Darüber werden wir im Ausschuß reden.Aber wir haben im Ausschuß schon eine intensive Expertenanhörung gehabt.

(Barbara Ahrons CDU: Sie haben die Kammern ja gar nicht dabei gehabt!)

Mit den Kammern sind wir immer im Gespräch. Passen Sie auf, ich sage Ihnen, wo es langgeht oder wo es nach meiner Meinung langgeht. Ich glaube, daß wir da sogar eine große Einigkeit haben.

Es gibt niemanden im Hause – auch nicht unter den Verfechtern des originären Berufsschulsports –, der sagt, es soll alles wieder so gemacht werden, wie es vorher war.Keiner sagt, es muß alles zurückgedreht werden.

(Beifall bei Klaus-Peter Hesse CDU und Elisabeth Schilling SPD)

Aber es müssen drei Konsequenzen gezogen werden:

Erstens: Es müssen die zur Verfügung stehenden Ressourcen auch wieder in den Berufsschulsport hineingesteckt werden. Jetzt sehen Sie sich den Bericht der BSJB an die Deputation an:1,4 Millionen DM werden gar nicht abgefordert, die bleiben woanders. Das geht nicht.

Zweitens: Der Sport muß dort angeboten und gemacht werden, wo es nach den spezifischen Möglichkeiten praktikabel ist. Das heißt nicht, daß aus allen Betrieben Leute herausgezogen werden. Da, wo die Betriebe auf die Jugendlichen angewiesen sind, muß das erhalten bleiben. Man muß drumherum gucken, welches System möglich ist und sich bewährt hat. Es hat sich beispielsweise bewährt – das hätte ich selber gar nicht gedacht –, daß manche Berufsschulen Sportvereine gegründet und gemeinsam ein zum Teil berufsspezifisches, gesundheitsprophylaktisches Programm entwickelt haben, das sehr stark wahrgenommen wird. Zum Teil sind über 50 Prozent der Jugendlichen der Schule in die Vereine eingetreten, die etwas Gutes machen. Das muß fortgesetzt werden. Da kann man nicht sagen, das soll gestoppt und wieder in staatliche Verantwortung zurückgeholt werden.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Für Lehrer erstaunlich kreativ!)

Jetzt komme ich auf die Kammern zurück, Herr Ehlers.Wir haben bei manchen Podiumsdiskussionen mitbekommen, es gibt Berufe und Bereiche, in denen die Betriebe über

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL)

A C

B D

haupt kein Interesse daran haben, daß die Schüler aus dem Berufsschulsport herausgenommen werden. Ein gutes Beispiel sind die Ärztekammer und die Zahnärzte, die nicht daran interessiert sind. Wenn es nach ihnen geht, ist das in Ordnung, wenn die Schülerinnen und Schüler ein reguläres Sportangebot in der Schule haben. Da muß man nicht dogmatisch sein. Wenn sich das diversifiziert, muß man unterschiedliche Angebote unterbreiten und in den Bereichen soll man in Absprache mit Betrieben und Kammern darüber reden, wie sie das sehen, und ein Angebot machen, wie es das vorher schon gegeben haben.

Der dritte Punkt wäre, den Wahlpflichtbereich zu nutzen und auszubauen.

Ich habe schon einmal zum Thema Berufsschulsport geredet. Ich habe den Einwurf von Herrn Ehlers nicht verstanden, aber ich weiß immer ungefähr, in welche Richtung er als Ex-Lehrer redet. Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche. Ich habe es schon einmal gesagt: Die Berufsschulsportlehrer müssen sich natürlich auch an ihre eigene Nase fassen,

(Beifall bei Karl-Heinz Ehlers CDU)

denn wenn das Angebot zum Teil nicht wahrgenommen wurde, liegt das auch daran, daß das, was wir jetzt immer propagieren – nämlich berufsspezifische Angebote zu unterbreiten –, damals nicht gemacht worden sind. Es ist teilweise ein miserabler Sportunterricht gemacht worden. Die Forderung muß sein, daß hier etwas zur Qualifizierung der Sportlehrerausbildung und zur Qualifizierung des Angebots gemacht wird, daß das, was wir wollen, in den Schulen tatsächlich stattfinden kann.