Protocol of the Session on November 15, 2000

Das ist eine Maßnahme, Herr Pumm, die mit Menschenwürde nichts mehr zu tun hat.

(Erhard Pumm SPD: Wie stellen Sie sich das vor?)

Ich stelle mir das so vor, daß man auf eine solche Maßnahme ohne Ausnahme verzichtet.Das ist eine Forderung, wie wir sie noch einmal aufgeschrieben haben.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Michael Dose SPD: Abschiebung findet bei Ihnen nicht statt!)

Das dann als milderes Mittel im Verhältnis zur Abschiebung darzustellen, ist äußerst gewagt. Ich verstehe nicht, was in Ihren Köpfen passiert

(Barbara Duden SPD: Das frage ich mich bei Ihnen auch! – Dr. Holger Christier SPD: Das Problem habe ich bei Ihnen auch! – Dr. Ulrich Karpen CDU: Das geht uns umgekehrt genauso!)

und daß Ihnen das, was da passiert, nicht ans Herz geht.

Auch sonst haben sich Ausländerbehörde und Innenbehörde im wesentlichen mit den Maßnahmen, die in der Drucksache genannt werden, durchgesetzt. Das Trennen von Familien kann und wird stattfinden. Die Abschiebung von Kranken wird stattfinden, sofern sie nicht vollständig transportunfähig sind. Die Einschränkung von Individualrechten bei Sammelinterviews wird stattfinden. Kaum war die Drucksache veröffentlicht, passierte gleich der erste Fall. Eine armenische Familie sollte frühmorgens abgeholt werden. Der Vater kam in Abschiebehaft, worüber es auch eine öffentliche Diskussion gab. Der Eingabenausschuß wurde damit befaßt. Frau Möller war es, glaube ich, die gesagt hat, daß der Fall dort noch läge.Es tut mir leid, das trifft nicht mehr zu. Der Eingabenausschuß hat die Eingabe abgelehnt. Die Familie wird abgeschoben. Das ist sozusagen der erste Fall.

Er zeigt, daß die Innenbehörde kein Problem mit Einzelfällen hat, sondern daß Rotgrün in Hamburg ein Problem mit einer Struktur hat, die sie dauernd wieder neu implementiert, von der sie dauernd will, daß am laufenden Band nur Einzelfälle produziert werden können.

(Heino Vahldieck CDU)

A C

B D

(Dr. Ulrich Karpen CDU: Dann sind es keine Ein- zelfälle!)

Genau, dann sind es keine Einzelfälle. Sie nehmen mir das aus dem Munde. Danke, daß Sie das zu Ende gedacht haben.

Wir lernen aus der Drucksache aber auch noch, daß niemals der Senat und daß niemals Rotgrün daran schuldig sind, wenn ein Fall öffentlich diskutiert wird, sondern die Betroffenheit und Emotionalisierung der Leute, die Flüchtlinge begleiten – beispielsweise Kirchengemeindemitglieder oder Flüchtlingsorganisationen, auch einzelne Pressevertreter – daran Schuld haben, daß es überhaupt eine Diskussion und einen Skandal in dieser Stadt gibt.Ich verstehe nicht, was in Ihren Köpfen vorgeht, denn was ist sonst die Motivation für Politik als Empörung, als auch Emotionen und auch Betroffenheit über ungerechte Zustände. Weil diese Kampagne in aller Munde ist, können wir nur zu einem Aufstand der Anständigen gegen diesen Zustand der Zuständigen aufrufen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Senator Hartmuth Wrocklage.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unvermeidbar, aber es ist auch bedauerlich, daß wir die gemeinsame Ausländerpolitik des rotgrünen Senats zum wiederholten Male nur unter dem Teilaspekt der Abschiebepraxis diskutieren können.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Woran das wohl liegt?)

Erstens halte ich es für bedauerlich, weil damit einem Teil der Opposition die Gelegenheit gegeben wird, Verwaltungshandeln, von dem wir wissen, daß es schwierig, aber unvermeidbar ist, immer im Kontext Ihrer gesamten Ausländerpolitik zu bewerten.Wir haben das Problem, daß Sie, die Damen und Herren von der Opposition, die Ausländerbehörde als Abschiebemaschinerie, herzlos, kalt und unbarmherzig darstellen.

(Zurufe von der CDU:Wir nicht, das haben wir noch nie gemacht!)

Das ist in Ordnung, aber ich meine damit einen Teil der Opposition. Ich kann auch die REGENBOGEN-Gruppe gleich ansprechen. Beruhigen Sie sich, meine Damen und Herren.

Ihre gesamten Anträge laufen darauf hinaus, auf kaltem Wege das zu erreichen, was Sie eigentlich politisch wollen, nämlich Bleiberecht für alle. Anders kann ich mir das wiederum nicht erklären, auch nicht Ihren Debattenbeitrag, sehr verehrte Frau Uhl.

Zum zweiten, muß ich sagen, finde ich es bedauerlich, daß über die Verabsolutierung eines Teilaspekts der Ausländerpolitik der Blick auf das verdeckt wird, was wir gemeinsam geleistet haben, was unser gemeinsames Zeugnis dessen ist, was wir wirklich wollen. Ich verweise auf das reformierte Staatsbürgerrecht, ich verweise darauf, daß die offensive Nutzung der Einbürgerungsmöglichkeiten dazu geführt hat, daß wir allein in diesem Jahr bis Oktober 7027 vollzogene Einbürgerungen vorzuweisen haben. Das sind 36 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

(Beifall bei der SPD)

Ich verweise auf die rasche Umsetzung der Teildezentralisierung und auf die Reorganisation der zentral verbliebenen Ausländerbehörde unter Hinzuziehung einer externen Beratungskommission.Daß wir da nicht überall im Konsens sind, ist richtig, aber da gibt es auch eine Ressortverantwortung.

Ich verweise weiter auf die Schaffung bundesweiter Altfallregelungen, an denen Hamburg wegweisend mitgewirkt hat. Ich verweise auf die einmalige Vorkehrung zur Ermöglichung medizinischer Altersfeststellung bei minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen einschließlich der Erweiterung des Beratungsangebots, das in der Drucksache aufgrund Ihrer Initiative aufgenommen worden ist.

Ich verweise auf die weitreichenden Regelungen zur Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen bei Vorliegen rechtlicher Abschiebungshindernisse, soweit es bei den Afghanen einen Durchlauf durch das Asylverfahren gegeben hat. Ich verweise auf vorbildliche Aufenthaltsregelungen für binationale, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, auf die Ausgestaltung des Härtebegriffes nach Paragraph 19 Ausländergesetz, auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht getrennt lebender Ehegatten.

Ich verweise auf Aufenthaltsregelungen für die Opfer von Frauenhandel, die wir fortschrittlich, sogar wegweisend für die Bundesrepublik in Hamburg entwickelt haben, und ich verweise auf die gemeinsame Lösung schwieriger Einzelfälle.Wie schwierig das ist und wieviel Emotionen und wieviel Herzblut darin stecken, wissen wir alle.Um so wichtiger ist, daß wir gerade in diesem Bereich sensibel miteinander umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Insgesamt habe ich Ihnen eine beeindruckende Bilanz vorgeführt. Aber, ich denke auch, niemand sollte sich Illusionen hingehen, niemand sollte glauben, daß die gewährenden Seiten der Ausländerpolitik, die ich eben hier genannt habe, ohne die restriktiven Elemente der Ausländerpolitik denkbar wären, zu denen von Gesetzes wegen auch die Abschiebung gehört.

Einzelne Aspekte des Abschiebeverfahrens waren in der Vergangenheit Gegenstand öffentlicher Kontroversen. Da ging es immer wieder um die Frage, ob die politischen Abreden des vergangenen Jahres umgesetzt worden sind.Ich brauche darüber gar nicht lange zu reden. Wir können anhand der Drucksache allesamt nachlesen, was passiert ist und wie wir miteinander umgegangen sind. Ich stelle fest, daß der Senat die damalige Verständigung zur Abschiebepraxis mit dem Beschluß vom 10. Oktober präzisiert und in Teilen durchaus auch erweitert hat. Damit habe ich keine Probleme. Ich denke, daß wir gemeinsam herausstellen können, daß sich die Koalition in schwierigen Gesprächen – das ist einzuräumen – dennoch auf eine tragfähige Basis verständigt hat, die es jetzt umzusetzen gilt. Wir alle in der Koalition sind gemeinsam in der Pflicht, dies zu machen. Ich sehe mich selber auch in dieser Pflicht. Wie gesagt, Transparenz ist hergestellt.

Wir werden sicher hin und wieder mal Schwierigkeiten bei Einzelfällen haben. Frau Möller hat einen Einzelfall angesprochen, den der Eingabenausschuß inzwischen entschieden hat. Wir werden auch in Zukunft Meinungsverschiedenheiten haben. Aber wir haben bewiesen, daß im Eingabenausschuß – da sehe ich auch den Ausschußvorsitzenden an – das ernsthafte Bemühen festzustellen ist, jeweils einzelfallgerechte Entscheidungen zu fassen und sie dann auch umzusetzen.Dabei gehört es zur Wahrheit, daß

(Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke)

in den meisten Fällen die Eingaben sehr oft nicht berücksichtigt werden können, weil ihnen rechtliche Verfahren vorausgelaufen sind.

Für die Innenbehörde gilt in der Frage der Abschiebung weiterhin die Maxime der Konsequenz und der sensiblen Einzelfallprüfung, so wie die Koalitionsvereinbarung – Herr Christier hat daraus vorgelesen – die Linie des Senats insgesamt festschreibt.Wir werden diesen Weg fortsetzen.Um diesen Weg fortsetzen zu können, sind und bleiben wir weiterhin – jedenfalls nach unserem Verständnis – auf die Hinzuziehung ärztlichen Sachverstandes angewiesen.

Es ist schlicht falsch, die Arbeit der Ärztinnen in der Ausländerbehörde als reine Abschiebungsdurchsetzung anzusehen. Wenn Sie persönlich die Verantwortung für Ausländer hätten – ich habe sie –, die sich in der Obhut der Verwaltung befinden, dann hätten Sie die Garantie zu leisten, daß mit diesen Menschen in vernünftiger Form und human umgegangen wird.

Wie wir alle wissen, gibt es schwierige Situationen. Soll ich meine Beamten des mittleren oder gehobenen Dienstes bei der Beurteilung medizinischer Sachverhalte alleine lassen? Das kann man mir nicht zumuten. Jeder, der diese Verantwortung wirklich spürt und zu tragen hat, hat auch das Recht, für Menschen, die sich in seiner Obhut befinden, ärztlichen Sachverstand beizuziehen, um zu richtigen Entscheidungen zu kommen. Das ist die Motivation! Ich bitte meine Kolleginnen und Kollegen von der GAL, dieses endlich einmal so zu verstehen, und nicht anders.

(Glocke)

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, ich möchte gerne meine Argumentation fortsetzen.

Selbstverständlich – das war in der Innenbehörde niemals umstritten – ist die Entscheidung der Amtsärzte letztlich für die Frage ausschlaggebend, ob ausreisepflichtige Ausländer aufgrund ihrer medizinischen Einwände oder Probleme – dies gilt im übrigen auch dann, wenn diese nicht vorgetragen wurden –abschiebbar sind. Das haben wir vereinbart, und so haben wir uns auch verhalten.

Insofern tragen die Ärztinnen in der Ausländerbehörde zunächst einmal dazu bei, daß im Hinblick auf ein verantwortliches Verhalten bei unseren Beamtinnen und Beamten eine deutliche Verbesserung der Handlungssicherheit eingetreten ist.Wir haben eine deutliche Stärkung des Vertrauensverhältnisses zu den praktizierenden Ärzten und auch zu den Gesundheitsämtern in Hamburg festzustellen. Daß dadurch Fälle früher und besser aufgeklärt werden, liegt auf der Hand.

Ich möchte aber darauf hinweisen, daß es sich bei diesen Ärztinnen nicht um Abschiebeärztinnen handelt, wie es die Gruppe REGENBOGEN zu behaupten wagt, sondern daß sie aufgrund ihrer medizinischen Ausbildung, aber vor allem aufgrund ihres ärztlichen Ethos selbstverständlich dazu verpflichtet sind, die Hand zu heben. Sie müssen es auch dann tun, wenn es zunächst keine Einwände gibt, so daß in dem einen oder anderen Fall keine Abschiebung vorgenommen werden kann, weil sie medizinisch nicht tragfähig ist.Dieses Aufgabenverständnis sollte jeder von Ihnen respektieren.

Ein Wort zum Schluß. Herr Vahldieck hat diese Problematik auch aufgegriffen. Es gibt natürlich einen Zusammenhang – das sehe ich auch so, Herr Vahldieck – hinsichtlich der Debatte um die Grundsätze der Zuwanderungspolitik.

Ich möchte uns alle davor warnen, daß wir in den anstehenden Wahlkämpfen die Debatte polemisieren. Ich begrüße, daß Sie der Versuchung nicht erlegen sind. Auch warne ich davor, daß wir dieses Thema durchsichtigerweise für einen brutalst möglichen Wahlkampf nutzen und in Träumereien verfallen.

Es wird kein Bleiberecht für alle geben; das ist rechtlich nicht möglich und politisch nicht gewollt.Dafür gibt es in der Bundesrepublik keine Perspektive. Wir wissen umgekehrt, daß es auch keinen Stopp der Zuwanderung geben wird. Wir wissen auch, daß dies gar nicht im Interesse der Bundesrepublik läge.

Wenn wir die Debatte so führen, wie Sie sie heute geführt haben, Herr Vahldieck, bin ich zuversichtlich, daß wir diese in eine vernünftige Bahn lenken können.Jedenfalls werden wir die Hamburger Erfahrungen in die Zuwanderungsdebatte auf Bundesebene einbringen. Ich werde auf der Ebene der Innenminister meinen Beitrag dazu leisten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Herr Klimke, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Debatte läuft etwas ritualmäßig ab. Deswegen möchte ich zu einigen Aspekten noch einmal etwas sagen.