Protocol of the Session on October 12, 2000

Es bleibt dabei, bei allen polizeilichen Einsätzen, die erlernten Verhaltungsmaßnahmen der Eigensicherung müssen eingehalten werden, wie jetzt auch der tragische Fall heute nacht zeigt. Eine grundsätzliche Verpflichtung zum Tragen einer Unterziehschutzweste wird es auch weiterhin nicht geben, denn dieses hätte in der Konsequenz beamtenrechtliche Folgen, auch zum Beispiel für die beiden heute verletzten beziehungsweise getöteten Beamten in beamtenrechtlicher Hinsicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Thomas.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich natürlich froh, daß überhaupt bezüglich der Unterziehschutzwesten etwas passiert bei der Polizei.Das ist schon ein Glück für uns, daß ein kleiner Ansatz da ist.

Aber trotzdem möchte ich Sie daran erinnern – und ich erinnere mich noch genau daran –, daß von Regierungsseite gesagt wurde, daß die objektive Sicherheitslage der Stadt keine verbesserte Ausrüstung der Polizei mit Schutzwesten erfordere. Das haben wir anders gesehen und tun es heute noch. So interpretiere ich auch die vorliegende Mitteilung an die Bürgerschaft vom 19. September 2000. Die Gewaltkriminalität und die Bereitschaft zum Widerstand gegen Polizeibeamte ist in den vergangenen Jahren gestiegen.

(Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke: Wo steht das denn?)

Ich habe mit Erstaunen im Mai anhand eines Zeitungsinterviews von Herrn Polizeipräsident Woydt vernommen, daß man in Hamburg jegliche Art von Waffen erwerben kann, es sei nur eine Frage des Geldes. Das macht mich sehr nachdenklich. Ich kann daher auch die Polizisten verstehen, die laut einer Umfrage der Gewerkschaft der Polizei der Meinung waren, daß ihr Beruf gefährlicher geworden ist.

(Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das ist doch Quatsch!)

Sicherlich ist es so, daß das Ergebnis der Umfrage auch auf das subjektive Empfinden zurückzuführen ist, aber genau dieses müssen wir auch ernst nehmen. Die CDU-Fraktion tut das. Wir sind auf parlamentarischer und außerparlamentarischer Ebene tätig geworden und haben eine Spendenaktion durchgeführt, die auf eine breite Zustimmung der Bevölkerung gestoßen ist.

(Beifall bei der CDU – Doris Mandel SPD: Das hat nur keiner gemerkt!)

Dieses Engagement aller verdient Respekt und Anerkennung.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein.Herr Neumann, es tut mir leid.

(Dr. Roland Salchow CDU: Der hat gestern so eine blöde Rede gehalten!)

Ich komme nun zu Ihrem Ausstattungskonzept, zu dem Sie eigentlich nach dem Wunsch der Regierungsfraktion schon bis zum 15.Januar 2000 berichten sollten.Heute geschieht es endlich. Wieviel Toleranz die Regierungsfraktionen haben, wird hier wieder ersichtlich.Die existierenden Pools an den örtlichen Polizeirevierwachen beziehungsweise Polizeikommissariaten und weiterer Dienststellen sollen aufgestockt werden. Die dort tätigen Beamtinnen und Beamten im Streifendienst sollen in Zukunft jederzeit eine Weste in ihrer Größe zur Verfügung haben. Das ist ein Anfang. Ganz zufrieden bin ich aber damit nicht, und zwar aus folgenden Gründen.

Ist es wirklich zumutbar, daß die Westen unter den Kollegen ausgetauscht werden? Wie ist es mit der Hygiene? Vorgesehene Wechselhüllen sollen hygienische Gründe entkräften. Daran glaube ich nicht. Wie ist es mit der hohen Personalfluktuation in den Dienststellen? Sie können gar nicht gewährleisten, daß für jede Beamtin und jeden Beamten Westen in der erforderlichen individuellen Größe vorhanden sind. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, daß Senator Wagner in die Schutzweste von Herrn Sena

tor Maier passen würde. Darüber sollten Sie doch einmal nachdenken und zu anderen Erkenntnissen kommen.

Positiv ist die Ausgabe von einigen Westen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Reviervollzugsdienst auf Dauer. Diese Mitarbeiter wurden im März dieses Jahres durch eine Bedarfsanalyse ermittelt. Diese Bedarfe müssen aber kontinuierlich überprüft werden. Das kann ich an Ihrem Konzept nicht erkennen.

Die nächste Frage, die ich habe: Warum halten Sie immer noch an der Eigenleistung der Beamtinnen und Beamten fest, wenn sie privat eine Weste erwerben?

(Beifall bei der CDU)

Sicherheit darf nicht das Privileg derjenigen sein, die es sich leisten können. Das predigen Sie uns immer,

(Dr. Michael Freytag CDU: Sehr richtig!)

und hieran möchte ich in diesem Zusammenhang heute auch einmal erinnern.

(Beifall bei der CDU)

In Ihrer Mitteilung berichten Sie von drei Fällen seit 1996, bei denen in Hamburg das Tragen einer Schutzweste das Leben der Polizeibeamtinnen und -beamten hätte retten können. Sie berichten außerdem von mehreren tragischen Fällen im Bundesgebiet, bei denen Polizeibeamte ums Leben gekommen sind.Ob eine Unterziehschutzweste dieses hätte verhindern können, läßt sich nicht so einfach sagen. Das will ich zugeben. Aber muß man nicht gerade wegen dieser Fälle zu dem Schluß kommen, daß eine Unterziehschutzweste Leben retten kann? Das sollte Grund genug sein, daß jeder Polizeibeamte eine eigene Weste zur Verfügung hat, wie wir jetzt auch wieder gesehen haben in Süddeutschland – Herr Kleist hatte das erwähnt – mit den beiden Polizisten. Das hat mich schon sehr bewegt.

Die CDU-Fraktion fordert daher eine flächendeckende Ausstattung der Polizei mit Unterziehschutzwesten. Jeder Polizeibeamtin und jedem Polizeibeamten muß eine individuelle schußsichere Weste zur Verfügung stehen. Dieses ist auch die Meinung vieler Hamburger Polizisten. Solche Westen sollten zur sogenannten Grundausstattung gehören. Aus finanziellen Gründen, oder wie Sie es, Herr Senator Wrocklage, sagen würden, aus zwingenden Fachfragen, darf eine halbherzige Lösung nicht getroffen werden. Die Polizeibeamtinnen und -beamten verdienen einen optimalen Schutz. Dieser eingeschlagene Weg ist richtig, aber überdenken Sie den letzten konsequenten Schritt. Polizei und Opposition wären hoch erfreut wie ich auch. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Mahr.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Tod des Erlanger Polizisten erschüttert uns alle. Wir wissen nicht, ob ihn eine Weste gerettet hätte. Richtig ist aber auf jeden Fall, daß es leider keinen absoluten Schutz gibt. Die Fragen nach Maßnahmen zur Eigensicherung treten hier wieder in den Vordergrund und in welchem Maße diese im Polizeialltag präsent gehalten werden. Doch es ist und bleibt menschlich, wenn Polizisten nicht in jeder Situation mit dem Schlimmsten rechnen.

Was Politik auch für Voraussetzungen schafft oder wie die Polizei sich letztlich verhält, es ist leider illusionär zu glau

(Elke Thomas CDU)

ben, es könnten künftig vergleichbare Situationen ausgeschlossen werden, auch wenn die Polizisten nur noch in Panzern durch die Gegend fahren würden.

Aber dieses ist heute nicht das Thema.Es ist auch nicht das Thema, ob und wie sichergestellt werden kann, daß jedem im Dienst befindlichen Polizeibeamten bei Bedarf eine Unterziehschutzweste zur Verfügung steht, sondern allein, ob jeder Vollzugsbeamte seine eigene oder seine ihm per Dauerleihgabe übergebene Unterziehschutzweste erhalten soll.

Der Senat ist dem Ersuchen der Bürgerschaft vom Oktober letzten Jahres gefolgt und hat – soweit er es konnte – dargestellt, wie sich die objektive Gefährdungslage für Polizeibeamte entwickelt hat. Wer die Ergebnisse dieser Darstellung unter die Lupe und nüchtern zur Kenntnis nimmt, wird zu dem Ergebnis kommen müssen, wie es in der Drucksache selbst heißt, daß das ständige Tragen einer Schutzweste nach der Wahrscheinlichkeitsprognose nicht erforderlich ist. Auf die Einzelheiten will ich nicht weiter eingehen, sie können nachgelesen werden. Letztlich entspricht dies aber genau der Bewertung, die ich hier im vergangenen Jahr vorgetragen habe.

Das Ersuchen der Bürgerschaft trug seinerzeit trotzdem richtigerweise dem subjektiven Sicherheitsgefühl eines Teils der Vollzugsbeamten Rechnung, als der Senat sicherstellen sollte, daß für alle im Einsatz befindlichen Polizeivollzugsbeamten bei Bedarf eine Unterziehschutzweste an den Dienststellen vorgehalten werden sollte. Diesen Beschluß haben wir von der Fraktion ohne Abstriche unterstützt, denn dies hätte in jedem Fall den Schutz aller Beamten sichergestellt.

Ich erspare mir weitere Hinweise darauf, daß die Ausrüstung mit Schutzwesten im Hinblick auf die Eigensicherung auch Gefahren in sich bergen kann.Dies hat übrigens kürzlich der stellvertretende Direktionschef der Polizeidirektion West sehr eindrucksvoll auf einer Tagung in Rissen zur öffentlichen Sicherheit dargestellt.

Der Senat spricht in der vorliegenden Drucksache zutreffend von „Risikokompensation“ oder davon, welche Fragen sich im Hinblick auf die Hinterbliebenenversorgung stellen könnten, wenn ein Polizeibeamter durch Schußwaffeneinsatz getötet würde, der mit seiner persönlichen Schutzweste ausgerüstet wurde und diese im Dienst nicht getragen hat. Dieses habe ich bereits ausführlich in der letzten Debatte getan und will mich hier nicht mit Textbausteinen wiederholen.

Nun hat die öffentliche Debatte mit medialer Unterstützung und auf Druck der Polizeigewerkschaften aber eine Eigendynamik entfaltet, die die Forderung nach einer sogenannten Mann-Ausstattung immer dringlicher erscheinen ließ. Am Ende bittet jetzt der Senat die Bürgerschaft, weitere 1,7 Millionen DM bereitzustellen, um diese Mann-Ausstattung per Dauerleihgabe sicherzustellen. Dies sind in Zeiten knapper Kassen wahrlich keine Peanuts. Ich mache deshalb kein Hehl daraus, daß ich dieser Beschlußempfehlung nur mit zwiespältigen Gefühlen zustimmen werde. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Frau Uhl.

Frau Thomas, nun stehe ich sicherlich nicht im Verdacht, Druck

sachen des Senats und schon gar nicht des Innensenators zu verteidigen oder richtigzustellen. An der Stelle muß ich es wohl einmal tun. Wenn man sich in der Drucksache die Tabellen „Entwicklung der objektiven Gefährdungslage im Polizeivollzugsdienst“ ansieht, stellt man fest, daß sich die Gefährdungslage für Polizisten seit 1989 nicht verschärft hat. Im Gegenteil. In vielen Bereichen steht vor den Zahlen ein Minus.

(Elke Thomas CDU: Subjektives Empfinden!)

Deswegen würde ich sie extrem anders interpretieren als Sie. Im übrigen finde ich den Aspekt, den Herr Mahr angesprochen hat, sehr bedenkenswert, wenn er darauf hinweist, daß die Gefahr einer Verhaltensänderung von Ordnungshütern im Zusammenhang mit Unterziehschutzwesten einhergehen kann. Wenn man sich besser geschützt fühlt, steigt möglicherweise die Risikobereitschaft, obwohl man es eigentlich in vielen Situationen nicht ist.

Es gibt eine schöne Geschichte vom Tag der offenen Tür, an dem ich leider nicht das Vergnügen hatte, teilzunehmen. Ein Kollege der Polizei verdeutlichte Herrn Kleist, warum es so wahnsinnig wichtig ist, die eigene Unterziehschutzweste zu bekommen. Er stellte folgende Frage: Stellen Sie sich vor, Sie müßten die verschwitzte Unterziehschutzweste eines Kollegen von der Polizei anziehen. Als ich mir das vorgestellt habe, habe ich gedacht, okay, wir enthalten uns.

Das Wort hat Herr Senator Wrocklage.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kenne kaum ein anderes Thema, das sich so schlecht für einen parteipolitischen Streit eignet. Dieser Gedanke hat mich heute bewegt, als ich in den frühen Morgenstunden erfuhr, daß ein Polizeihauptmeister, Herr Christian Trautner, bei der Überprüfung eines Fahrzeugführers durch einen Kopfschuß, Herr Mahr, getötet worden ist. Sein Kollege hat einen Lungendurchschuß erleiden müssen. Der Straftäter selber ist schwer verletzt.