Protocol of the Session on October 11, 2000

Die Kinderjahre für zwei Kinder sollen bei der Frauenrente angerechnet werden.Wenn es mehr Jahre wären, wäre das zwar besser, aber zwei bedeuten wenigstens einen Anfang. Daraus könnte man etwas machen. Das alles gerät jedoch wieder in Gefahr.

Es ist richtig, daß Rente in Wahrheit ein Lebensversprechen ist, das wir den Menschen durch Beiträge im Alter von 15, 16 oder 20 Jahren mit der Erwartung abverlangen, daß sie 45 Jahre später eine angemessene Rente bekommen. Das muß sicher sein. Darin steckt das Problem, und das ist für uns alle nicht neu.Wir reden nämlich seit 20 Jahren darüber.

In den achtziger und neunziger Jahren gab es den dramatischen Versuch, die Rente von Brutto auf Netto umzustellen. Das war die teuerste Reform für Rentner. Es ist also nicht so, daß keine Probleme vorhanden waren.

Dann hat uns die Sozialdemokratie, die gerade eben durch Herrn Grund wieder gesagt hat, daß Rente wichtig sei, bei der Dreisäulentheorie im Stich gelassen. Wenn man weiß, daß es erfreulicherweise immer mehr Rentenberechtigte gibt, die auch Rente beziehen, gleichzeitig dagegen aber relativ wenig Einzahlende geben wird, kann das System nicht aufgehen. Deswegen muß hier korrigiert werden.

Unser Korrekturangebot lautete: Ein Drittel der Belastung tragen die Rentner, ein Drittel wird aus der Staatskasse bezahlt, und ein Drittel sollen die zukünftigen Rentenbezieher aufbringen. Man kann sich über die Prozentsätze streiten. Aber entscheidend war – da müssen wir auch wieder hinkommen –, daß die Rente berechenbar ist. Sie wird abgeleitet von Funktionen, die bei den jeweiligen Regierungen nicht zur Disposition stehen. Das ist der entscheidende Punkt, wenn wir Renten parteiübergreifend für die Menschen ständig sicher machen wollen.

Daß hierbei Fehler gemacht wurden, ist offensichtlich. Wir verlangen von den berufstätigen Menschen einen Rentenversicherungsbeitrag in Höhe von 22 Prozent ihres Bruttolohnes. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt übrigens bei 8400 DM.

(Uwe Grund SPD: Unter 20 Prozent inzwischen!)

Dahin soll es ja wieder.Ich wollte nur ein Beispiel nennen.

Wenn man 45 Jahre 22 Prozent seines Bruttolohns einzahlt und nach Beginn der Rentenzahlung mit 65 Jahren eine Lebenserwartung von weiteren 15 Jahren hat, dann müßte man – dreimal 22 beträgt eigentlich 66; und 45 geteilt durch drei paßt auch wieder – mindestens 66 Prozent Rente vom Bruttogehalt bekommen. Nun höre ich, daß noch 35 Prozent aus der Staatskasse dazubezahlt werden sollen. Eigentlich müßte es unseren Rentnern damit gutgehen. Aber das ist nicht der Fall.

Wir erkennen, wo der Wurm steckt.Wir haben die Umlagerente mit vielen Dingen belastet, die ihr aus der Umlage nicht korrekt zugerechnet werden können. Umgekehrt gesagt:Wo die öffentliche Hand bestellt, aber nicht aus Steuern bezahlt hat. Diese Ehrlichkeit muß sein.

Bei den Riester-Vorschlägen, die bis in die Gewerkschaften völlig zu Recht umstritten sind, weiß man nicht genau, wo sie hingehen werden. Ich halte es für völlig übertrieben, im Jahre 2000 zu sagen, diese Reform reiche bis 2030. Nachrechnen dürfen Sie, aber die Behauptung, diese Reform trüge so weit, wäre hellseherisch. Das gibt es nicht, und das glaube ich auch nicht.

(Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vor- sitz.)

Deswegen ist auch Ihr Absenkungsmodell von 64 Prozent absurd. Man kann hier keine feste Zahl nennen. Sie muß doch von den Größen abhängen, die durch wirtschaftliche, inflationäre und tatsächliche Einkommensentwicklungen begleitet werden.Sie haben hier ohne Nachdenken einfach nur ein Rechenmodell aufgestellt.

Nun mag man über den Einstieg in eine Teil-private Rente, die dummerweise der Arbeitnehmer selber zahlen soll, streiten. Darüber müßte eigentlich die gewerkschaftsnahe Partei einmal nachdenken. Dann sagen Sie, das soll ein Zwangsbeitrag sein. Nur, am Ende darf dieser Zwangsmensch leider nicht entscheiden, ob er das Kapital haben darf oder ob er es verrenten lassen möchte. Dann lassen Sie es doch bei der alten Rente, wenn der Mensch keine Option hat und dafür noch mehr einzahlen muß. Das kann nicht vernünftig sein. Deswegen glaube ich, daß der Vorschlag der CDU, mit der rotgrünen Koalition im Deutschen Bundestag über die Rente, vor der Öffentlichkeit, mit den Problemen, die wir beide kennen, aber ehrlich und offen zu reden, vernünftig ist. Beim nächsten Wahlkampf wird niemand über die Rente belogen, sondern da wird die Wahrheit gesagt, und das Modell wird vertreten.

Wovon ich überhaupt nichts mehr halte, ist, überall in die Hinterzimmer zu marschieren und mit nicht gewählten Leuten alles mögliche zu verabreden. Abgeordnete gehen ins Parlament und sagen mindestens in der Mehrheit, ja, es ist richtig. Nein, das muß öffentlich diskutiert werden. Ich bin sicher, wenn das Modell der Mehrheit gerecht, gut und dauerhaft ist, dann finden Sie auch Konsens.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Hajduk.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte am Anfang meines Beitrags auf den Antrag des REGENBOGEN eingehen.

(Doris Mandel SPD: Das lohnt nicht!)

Man kann nicht sagen, das lohnt nicht, denn die Debatte ist so angemeldet, und dann ist es auch ein gutes Recht, darauf einzugehen. Aber ich bin in meinem Urteil mindestens so hart wie Herr Grund, daß es nicht möglich ist, dem Antrag mit der Überschrift „Weiterentwicklung der solidarischen umlagegestützten Rentenversicherung“ zu folgen. Sie leisten keinen Beitrag zur Weiterentwicklung, auch nicht zum Ausbau und zur Umgestaltung, sondern Sie verhindern mit solch einem Antrag den Erhalt der umlagegestützten Rente.Das müßten Sie eigentlich auch wissen.Sie stellen einen Wunschkatalog auf, aber ohne Lösungen.

(Beifall bei Christa Goetsch GAL und bei der SPD)

Es ist auch bezeichnend, daß Sie die Wortwahl treffen, daß höhere Beitragssätze als heute kein Grund zur Beunruhigung sind. Ich glaube, das können Sie niemanden richtig glauben machen. Sie stehen damit ziemlich allein. Man kann Vorschläge machen, daß man etwas anders bauen will. Aber wenn Sie die Voraussetzungen schaffen, daß die Beitragssätze ruhig steigen können, und wir deswegen auch auf jeden Fall daran festhalten wollen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der üblichen Weise daran zu beteiligen, dann glaube ich, daß Sie letztendlich die Leute dabei nicht mitnehmen werden.

Ich will zunächst etwas zu den Beitragssätzen sagen, die auch etwas mit den Lohnnebenkosten zu tun haben. Die höheren Beitragssätze sind allein schon deswegen ein Grund zur Beunruhigung, weil wir mit der Arbeitslosigkeit noch ein gravierendes Problem zu lösen haben. Die Politik hat sich dem angenommen.Wir haben es zu einem wichtigen Punkt gemacht, die Lohnnebenkosten zu senken, um einen wichtigen Schritt gegen die Arbeitslosigkeit einzuleiten. Natürlich hängen auch konjunkturpolitische Entwicklungen daran. Wir sind mittlerweile in der Beziehung in einen positiven Schwenk geraten, aber diesen Punkt – die Beitragshöhe, die Lohnnebenkosten – darf man bei der Rentendebatte nicht ganz außer acht lassen.

Viel wichtiger aber ist, daß Sie überhaupt nicht – und da kenne ich bis auf Ihren Antragsentwurf eigentlich wirklich keinen Dissens – auf die Herausforderungen eingehen, vor denen die Rente steht. Man kann sagen, ich mag das Wort Demographie nicht sehr und ich finde diese Politworte, wie demographische Faktoren, langweilig, aber Tatsache ist doch, daß immer weniger Leute immer mehr Rentner finanzieren müssen, immer mehr Aktive immer mehr Passive finanzieren müssen. Dazu kommt noch, daß wir heute davon ausgehen können, daß die Dauer des Rentenbezugs länger ist, weil die Lebenserwartung gestiegen ist. Das ist doch eine Entwicklung, der man sich stellen muß. Man

kann da nicht sagen, im letzten Jahrhundert haben wir einmal etwas verabredet, und das war das allein selig machende Mittel. Sie müssen sich doch dieser Herausforderung stellen, daß man in die Zukunft kalkuliert und sieht, daß das nicht mehr hinkommt.

(Antje Blumenthal CDU: Aha!)

Dieses Argument taucht bei Ihnen überhaupt nicht auf, und das ist die größte Schwäche Ihrer Argumentation, aber gerade dieses Argument nimmt der Gesetzentwurf der rotgrünen Regierung ernsthaft auf.

(Dr. Roland Salchow CDU: Warum waren Sie denn gegen den CDU-Antrag? Da haben wir doch den demographischen Faktor enthalten!)

Sie wissen doch, wenn Sie das genau verfolgt haben, wofür die Grünen vor der Wahl gestritten haben, daß wir da gar nicht soweit auseinanderlagen.

(Rolf Kruse CDU: Das ist doch gerade das Problem! – Gegenruf von der GAL: Aber das ist nicht Ihr Pro- blem!)

Das ist gar nicht das Problem, sondern das Problem ist, daß Sie heute sagen, weil die SPD sich einmal geirrt hat, auch wenn sie heute etwas anders macht, dann gehen wir gar nicht richtig mit. Da möchte ich Sie ausdrücklich erinnern, daß Sie von dem wichtigen Argument gesprochen haben, in der Rentenpolitik braucht man einen Konsens. Das hat Herr Grund auch gesagt, und das ist wichtig.Deswegen müssen wir – wenn man ehrlich ist – bei der Diskussion um diesen rotgrünen Gesetzentwurf eigentlich ein Ziel erreichen, das Thema Rente aus dem Wahlkampf herauszubekommen, weil sich damit alle Parteien überfordern, vor dem Wahlkampf rein vernünftige und, wie man dann im Abstand zur Wahl sagen würde, rationale Ergebnisse zu erzielen.

(Zuruf von Antje Blumenthal CDU)

Ja, das war so, aber das können wir jetzt nicht ändern. Das können Sie doch nicht zum Maßstab Ihrer Argumentation nehmen, sondern ich will Sie davon überzeugen, daß Sie selber sagen, man braucht eigentlich einen Konsens.

(Zuruf von Antje Blumenthal CDU)

Deswegen ist es wünschbar, zu diesem Zeitpunkt eine Rentenreform hinzubekommen. Daß Sie sich diese ein bißchen anders vorstellen und sagen, daß es eigentlich zu spät ist, ist gut, aber wenn man sie noch nicht hat, dann muß man sich trotzdem so schnell wie möglich daranmachen. Da werden Sie mir recht geben, Herr Kruse.

Ich möchte kurz auf den rotgrünen Gesetzentwurf zur Rente eingehen, weil wir neben der Beitragsstabilität, die langfristig eine Berücksichtigung der demographischen Herausforderung vorsieht, noch einen anderen Punkt haben, der mir wichtig ist.Neben der Beitragsstabilität, die ein Gerechtigkeitspunkt zwischen der heutigen älteren und ebenso der jüngeren Generation ist, ist es ebenso wichtig, daß wir durch die Diskussion um die rotgrüne Rentenpolitik oder die Rentenpolitik allgemein die Bürgerinnen und Bürger ehrlich über den Zustand und die künftige Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung informiert haben.

Nach der Verabschiedung des Gesetzentwurfs können sich alle langfristig und verläßlich auf diese künftigen Rentenleistungen einstellen. Deswegen ist es nicht ein zu ehrgeiziges Ziel, das auch einmal über 30 Jahre durchzurechnen. Ich glaube, das ist auch eine Anforderung, die man bei

(Rolf Kruse CDU)

einer Rentenreform leisten muß. Es wäre vielleicht etwas gewagt zu behaupten, man wisse, daß 2030 alles genau so kommt. Aber wenn man eine Reform macht und rechtfertigt, die etwas mit Umlagefinanzierung und Generationengerechtigkeit zu tun hat, dann müssen Sie es wagen, solche Voraussagen zu machen, um für diesen Systemgedanken auch in der Gesellschaft für Unterstützung zu werben.

Eine Sache möchte ich auch noch einmal deutlich sagen, weil ich finde, daß damit der jetzigen Diskussionslage nicht Rechnung getragen wird. Dabei geht es um die Situation der Frauen. Der jetzige Gesetzentwurf sichert Frauen in einem bisher nicht dagewesenen Umfang eine eigenständige Alterssicherung zu. Das geschieht insbesondere durch die bessere Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten, da niedrige Verdienste in Zeiten der Kindererziehung höher bewertet werden. Frauen, die wegen der Erziehung von mehreren oder behinderten Kindern nicht arbeiten, erhalten einen Ausgleich in der Rentenversicherung.

Zudem werden die Kindererziehungszeiten auch bei der Förderung der privaten Alterssicherung berücksichtigt.Das müssen Sie bei diesem Gesetzentwurf einmal ernsthaft bewerten und auch berücksichtigen, ob Sie bereit sind, das anzuerkennen. Ich will nicht behaupten, daß die Situation der benachteiligten Frauen durch eine Rentenreform gänzlich aufgehoben wird, aber dann muß man auch so ehrlich sein, ob das allein durch die Reform des Rentensystems geleistet werden kann. Das ist, glaube ich, dann auch ein Mißverständnis.

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das ist schön!)

Das ist gar nicht schön, aber was Sie sagen, ist immer eine Wunschwolke, die dann in der Konsequenz ein richtiges Drama zur Folge hat. Das müssen Sie sich auch einmal überlegen.

Ich möchte mit einem Punkt schließen, den ich in dem Antrag vom Ansatz her richtig finde.Es wird unter Punkt 2 ausgeführt, daß in das Rentensystem wünschbar noch mehrere Gruppen einbezogen werden müßten.Es ist sicherlich richtig, daß man zum Beispiel bei den Beamten und Beamtinnen oder auch bei anderen Gruppen eine Einbeziehung angeht. Es wird aber schwer sein, solch eine Stabilität des Rentensystems, wie das die Schweiz hat, in kürzerer Zeit zu erreichen, weil die dort ganz anders organisiert sind. Dennoch wissen wir heute, daß wir – selbst, wenn wir alle Erwerbstätigen in unser Rentensystem einbezögen – um die Berücksichtigung der demographischen Entwicklung nicht herumkämen.

Deswegen fordere ich Sie noch einmal auf, Ihre Anliegen dahin gehend zu hinterfragen, ob Sie bei dem, was Sie sich alles wünschen, überhaupt den Kern des Problems gestreift haben. Das glaube ich nämlich nicht. Aber das ist ein wichtiges Argument, um in der Gesellschaft wieder vertreten zu können, daß es eine sichere Perspektive für die Rente gibt.Nur mit der Perspektive, daß man dazu Stellung nimmt, daß zukünftig weniger Arbeitende für mehr Rentner eine Absicherung erreichen können, erreichen Sie Glaubwürdigkeit, und dann erreichen wir auch einen Konsens, um diese Reform durchzusetzen. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Hackbusch.

(Dr.Hans-Peter de Lorent GAL: Die haben ein Abo!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben sowenig Zeit, deswegen ganz kurz.