Protocol of the Session on October 11, 2000

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben sowenig Zeit, deswegen ganz kurz.

Erstens: Herr Grund, dieses Konzept, das Sie hier vorgestellt haben, stimmt in den wesentlichen Eckpfeilern mit dem Konzept überein, das die Industriegewerkschaft Bau, Agrar und Umwelt vorgelegt und dementsprechend auch unsere Unterstützung hat. Daß Sie über eine dieser Gewerkschaften so dramatisch urteilen, die, wie ich weiß, eine sehr breite Unterstützung bei den Gewerkschaften hat, erstaunt mich doch sehr, wie auch die Tatsache, daß sich die SPD in der Art und Weise vertreten läßt.

Zweitens: Es wird so gern über Beitragsstabilität gesprochen. Das stimmt doch gar nicht, das ist doch geschummelt. Man spricht zwar von 22 Prozent Beitragsstabilität und daß das Niveau dann so weit gesenkt wird, den Rest solle man privat ausbezahlen. Das wichtige Moment ist doch, daß die Beiträge vom einzelnen privat zusätzlich aufgenommen werden müssen und nicht mehr von Arbeitgeber plus Arbeitnehmer finanziert werden. Dementsprechend muß der einzelne viel mehr für die Rente einbezahlen als bisher, und dann spricht man von Beitragsstabilität, das ist doch geschummelt.

(Beifall bei der REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Durch diesen Systembruch wird es individuell für den einzelnen eine viel höhere Beitragserhöhung geben und der Arbeitgeber nicht mehr zusätzlich bezahlt. Das ist das Unsoziale an der Sache.

Drittens: Die Frauen werden es doppelt schlecht haben, nämlich durch diese Veränderung, aber vor allem, weil die private Versicherung für Frauen schlechtere Konditionen bieten wird. Das sieht man bereits in den Entwürfen, die in den letzten Tagen veröffentlicht wurden, und das ist schlecht.

(Beifall bei der REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Hajduk.

Herr Hackbusch, Sie haben recht; auf diesen Aspekt der zusätzlichen Beiträge, die man leisten muß, wenn man eine private Sicherung aufbaut, bin ich gar nicht eingegangen; das will ich aber gern noch tun.

Auch da geht Ihr Ruf wieder ins Leere, wenn Sie sagen, es sei ungerecht, wenn die Arbeitgeber und Arbeitnehmer jetzt nicht mehr nach demselben System beide dasselbe zahlen, weil Sie damit immer noch nicht auf die künftige Nichtfinanzierbarkeit Rücksicht nehmen. Ich will Ihnen sagen, warum man eine zusätzliche Säule in Kauf nehmen kann, denn sie macht im Verhältnis einen kleinen Teil aus, das wissen Sie auch. Bei der jetzigen Form, die Rente zu reformieren, wird gerade die solidarische Umlage dieses System erhalten.

Wenn man sagt, es gebe in der privaten Absicherung eine hohe Erwartung für hohe Kapitalerträge, dann ist das auch ein hohes Gut. Warum soll man die Menschen nicht anregen, eine ansonsten sehr schwierige Zukunftssicherung überhaupt zu realisieren. Damit können sie sich doch auch auseinandersetzen. Es ist heute schon so, daß sich Leute

(Anja Hajduk GAL)

freiwillig privat versichern, weil sie wissen, daß sie später eine ganze Menge davon haben. Wenn diese Regierung sagt, sie wolle das anregen und auch noch sozial bei den Menschen unterstützen, die mit ihrem Einkommen nicht so gut ausgestattet sind, damit sie sich privat versichern, ist das eine sehr verantwortungsvolle Politik für die Zukunft.

Sie sind nur stramm dabei, irgendwelche alten Systeme durchzudiskutieren, die aber jetzt und auch künftig an der sozialen und finanziellen Realität der Menschen vorbeigehen werden. Deswegen haben wir überhaupt keine Scheu davor zu sagen, daß diese Form der privaten, aber ebenso eine zusätzliche betriebliche Absicherung kein Unding oder etwas Unschönes ist, sondern etwas Sinnvolles und Notwendiges.

(Beifall bei der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann lasse ich abstimmen. Wer möchte dem Antrag aus der Drucksache 16/4738 seine Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist der Antrag mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 53 auf, Drucksache 16/4688, gemeinsamer Antrag der SPD- und der GALFraktion zur Betreuung der Studierenden.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GAL: Betreuung der Studierenden – Drucksache 16/4688 –]

Diesen Antrag möchte die Gruppe REGENBOGEN an den Wissenschaftsausschuß überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall, die Abgeordnete Fischer-Menzel hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag ist im Rahmen der Selbstbefassung des Wissenschaftsausschusses mit der sozialen Situation der Studierenden in Hamburg entstanden.

Die soziale Situation der Hamburger Studierenden ist in einer Sonderauswertung des Studentenwerkes aus dem Sommersemester 1997 erfaßt worden. Allerdings umfaßt der Antrag auch weitere Themen, die im Ausschuß diskutiert wurden beziehungsweise die auch im Rahmen dieser Anhörung und der Beratung zur sozialen Situation der Studierenden besprochen worden sind.

Wie Sie aus Punkt 1 ersehen können, hatten wir Ombudsleute einzusetzen und haben durchaus auch die Vorfälle aus dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften mit einbezogen, die im Wissenschaftsausschuß ebenfalls sehr breit diskutiert worden sind.

In Punkt 2, bei dem es um die Betreuung, aber auch um die Beratung von Studenten geht, sind die Fragen, wie sich die Pflichtberatung eingespielt und wie sie sich ausgewirkt hat und was die Hochschulen hierzu unternommen haben, ebenfalls in diese Diskussion eingegangen.

In Punkt 3 ist der gesamte Fragenkomplex der BAföG-Reform eingegangen. Dort liegen jetzt sehr positive Ergebnisse vor.

Während der Anhörungen und Beratungen waren wir sehr erstaunt, daß es gerade über die Studienabschlußförderung so wenig Wissen gibt. Dieses mangelnde Wissen ist gerade bei den AStA-Vertretern vorhanden. Hier sehen wir einen wichtigen Punkt, nachzufassen und die Beratung für die Studierenden zu intensivieren.

Lassen Sie mich zu den drei Punkten noch einige Anmerkungen machen. Zur Frage der Ombudsleute – wenn man nicht nur Ombudsmann sagen will, kann man auch Ombudsmänner und -frauen sagen – wurde in den Beratungen deutlich, daß nicht alle Hochschulen diese Instanz für sinnvoll halten.Allerdings waren die Argumente nicht sehr überzeugend, da beispielsweise von der Universität darauf hingewiesen wurde, daß es einen Ausschuß gibt, an den sich diejenigen, die gerade im Prüfungsbereich Probleme haben, wenden könnten. Dieser Ausschuß ist allerdings nicht sehr bekannt beziehungsweise er wird nicht besonders genutzt, so daß wir der Auffassung sind, daß Ombudsleute eine bessere Lösung wären, um gerade im Rahmen von Prüfungsverfahren Mißstände aufzudecken, wie sie uns beispielsweise im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften bekannt geworden sind.Dazu gehört auch, daß die Rechte und Pflichten dieser Ombudsleute sehr genau definiert werden und daß dies nicht nur eine Symbolfigur ist, sondern auch Rechte hat.Zu den Funktionen der Ombudsleute muß man aber immer wieder sagen, daß es letztlich auch auf die Person ankommt, auf ihre Professionalität und ihre Integrität. Das ist schließlich entscheidend dafür, ob das System funktioniert oder im argen liegt.

Zu Punkt 2, Beratung und Betreuung. In den Anhörungen und Beratungen ist sehr deutlich geworden, daß diesbezüglich sehr viel im argen liegt. So wurde von der Vertreterin von „Pro-Uni“ gesagt, daß man eigentlich die Frage beantworten müsse, wie es die Studenten trotz mangelnder Steuerung und Organisation an den Hochschulen schaffen, ihre Studien zu absolvieren. Die AStA-Vertreter erklärten sehr deutlich, daß zwischen den Orientierungseinheiten am Anfang und der Pflichtberatung nichts stattfindet. Dieses scheint uns ein wichtiger Ansatzpunkt zu sein, um den Studenten künftig gerade in den ersten Semestern begleitende Beratung und Betreuung anzubieten wie auch Angebote für bestimmte Zielgruppen zu machen.

Die Pflichtberatung hat aus meiner Sicht eine ganze Menge in Gang gesetzt. Wir haben das an zwei Beispielen gesehen. Zum einen hat die Fachhochschule berichtet, daß sie ungefähr 160 Studenten, die das 27. Semester überschritten hatten – das muß man sich einmal vorstellen –, im Rahmen dieser Beratung dazu gebracht haben – das sage ich sehr deutlich –, sich entweder zu exmatrikulieren, ohne daß dies...

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke: Das war eine rechtswidrige Praxis!)

Aber es war eine sehr sinnvolle in diesem Fall

(Heiterkeit bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Ja, bei 160 Personen, die über das 27. Semester hinaus sind, und es ist keiner exmatrikuliert worden, sondern sie haben es alle – wenn sie es getan haben – freiwillig gemacht.

(Zuruf)

Nein, 80 davon haben nämlich ein Beratungsangebot angenommen.

(Unruhe – Glocke)

Frau Abgeordnete, darf ich Ihnen erst einmal etwas Ruhe verschaffen.

Ja, das dürfen Sie.

(Anja Hajduk GAL)

Ungefähr 80 Studenten haben das Beratungsangebot aufgenommen und mit ihren Professoren ein Verfahren verabredet, und sie sind dabei, das Examen zu machen. Ich finde, daß dieses ein sehr positiver Effekt gewesen ist.

Ähnlich beschrieben hat Herr Professor Dr. Schulte die Erfahrung im Fachbereich Medizin. Dort hat die Beratung bei vielen dazu geführt, sich neu zu orientieren und den Versuch zu machen, ihr Studium zu beenden.

Ich glaube, daß die Frage der begleitenden Betreuung mehr als wichtig ist. In der Anhörung ist eines sehr deutlich geworden, insbesondere, wenn man sich noch einmal die Zahlen bei der Studienunterbrechung ansieht: Zweifel am Sinn des Studiums haben 27,4 Prozent. Andere sagen: Ich will andere Erfahrungen sammeln, das sind 23,8 Prozent. Das heißt, es sind mehr als 50 Prozent Studienunterbrecher, die sagen, daß sie unsicher seien und nicht wüßten, wie es weitergehen solle. Da ist es besonders wichtig, daß eine Beratung stattfindet.

An dieser Stelle muß man auch noch einmal sehr deutlich sagen: Eigentlich sind doch Hochschulen, Fachhochschulen und Universitäten dafür prädestiniert, klare Strukturen vorzugeben, denn sie lehren das. Sie lehren Ablauf-, Aufbauorganisation, Management, wie man mit Prüfungsängsten umgeht und wie man Streß abbaut.Deshalb kann man doch erwarten, daß sie ihren Studenten dies für ihr Studium mit auf den Weg geben und eine deutliche klare Begleitung stattfindet.

Wir haben die Erwartung an die Hochschulen, daß gerade über die Beratung und Betreuung Studienzeiten besser eingehalten werden können, Studienabbrecher sich verringern und auch Studienunterbrechungen weitgehend, wenn nicht verhindert, so doch reduziert werden können.

Zu Punkt 3, finanzielle Situation beziehungsweise effektive Information über die Studienabschlußförderung. Die Anhörung hat ebenfalls ergeben, daß die finanziellen Probleme der Studenten das Studium verlängern. Hier möchten wir besonders darauf hinweisen, daß die Studienabschlußförderung über das BAföG mit der Vorlage der Bundesregierung wesentlich verbessert worden ist. Auch nach Überschreitung der Förderungshöchstdauer und bei einer selbst verschuldeten Unterbrechung des Studiums gibt es eine zweite Chance für die Studierenden, Bankdarlehen werden gewährt. Ich glaube, daß dies ein Teilweg sein könnte, um Studenten gerade am Schluß ihres Studiums zu helfen, Arbeit zu reduzieren und stärker an ihre Prüfung denken zu können und sie schneller durchführen zu können.

Ich bitte Sie darum, diesen Antrag anzunehmen.Wir haben im Wissenschaftsausschuß viel darüber diskutiert, nicht nur zur sozialen Situation der Studenten, sondern auch zu dem gesamten Bereich der Beratungen und des BAföG. Deshalb ist die Breite dieses Antrags im Ausschuß auch ausdiskutiert worden und sollte nicht erneut aufgerufen werden. Bitte stimmen Sie dem Antrag zu.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Buitrón.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Fischer-Menzel, jede Initiative, die der Verbesserung der Studierendenbetreuung dient, ist erst einmal eine gute Initiative, deshalb stimmen wir auch dem Inhalt Ihres Antrags zu.

Ich glaube zwar nicht, daß es das vorrangigste Defizit ist, was es im Hochschulbereich zu behandeln gibt. Dennoch haben wir in diesem Bereich Optimierungsbedarf, und dies über die Fragestellung, die Sie im Antrag beschreiben, hinaus.