Protocol of the Session on September 20, 2000

Rotgrün will mit der Ökosteuer lenken.Wohin wollen wir lenken?

(Dr. Roland Salchow CDU: Tja!)

Der Treibhauseffekt ist nicht mehr wegzudiskutieren, das wird selbst die CDU nicht versuchen. Allerdings frißt zum Beispiel der wachsende Verkehr andere Einsparungen auf, und genau auf diesem Sektor, der im Moment so konfliktbeladen ist, ist Umsteuern dringend nötig.Da sind durch die Ökosteuer bereits erste Erfolge zu verzeichnen. Die Mineralölindustrie hat im ersten Quartal 2000 mit Absatzrückgängen zu kämpfen; beim Autokauf findet ein Umdenken statt – genau so soll es sein.

Wir wollen außerdem lenken in Richtung Energieeffizienz, in Richtung erneuerbarer Energien und für eine Stärkung der Bahn.Das kommt nicht von allein, das kommt schon gar nicht durch eine Senkung der Mineralölsteuer, dafür braucht es verläßliche Rahmenbedingungen und steigende Energiepreise. Wir wollen die Senkung der Kosten der Arbeit durch die Senkung der Rentenbeiträge;auch da zeigen sich erste Erfolge. Die Rentenbeiträge sind von 20,3 auf 19,3 Prozent gesunken, sie wären ohne Ökosteuer und ohne die Umfinanzierung sonst wohl bei 21 Prozent.

(Axel Bühler GAL)

Meine Damen und Herren! Das ist kluge vorausschauende Politik, die wir da betreiben. Dafür steht Grün, dafür steht Rotgrün in Berlin. Wofür aber steht die CDU?

(Rolf Kruse CDU: Für die Redlichkeit!)

Auch das haben Sie vorhin schon einmal gehört. Was Sie hier an Kampagne abliefern, ist provinziell, unredlich und verantwortungslos.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Sie können als Opposition gerne auf die Pauke hauen, das ist Ihr gutes Recht. Es wäre sogar schön, wenn Sie das in Hamburg öfters qualifizierter auf die Reihe bekämen. Aber Ihre K.-o.-Steuer-Kampagne zeigt eher Tunnelblick und Gaspedal als politische Vernunft und politische Konzepte.

Ihre Kampagne ist provinziell, denn was glauben Sie, was in zehn Jahren sein wird? Von 1987 bis 1999 hat sich der Ölverbrauch in China verdoppelt, und bis 2008 wird eine weitere Verdoppelung erwartet. Die Ölpreise am Weltmarkt werden ganz andere sein, als sie es heute sind.Wie bereiten wir uns nach Ansicht der CDU auf diese Preissteigerungen vor? Ich möchte Konzepte sehen.

Ihre Politik ist verantwortungslos: 20 000 Tote pro Jahr in Österreich, der Schweiz und Frankreich aufgrund verkehrsbedingter Luftverschmutzung, 300 000 Fälle von Bronchitis bei Kindern, 500 000 Asthmafälle durch verkehrsbedingte Luftverschmutzung – das sind Zahlen der Weltgesundheitsorganisation.Was für Konzepte haben Sie da?

Ihre Politik ist unredlich. Schäubles Bücher schreiben es mehrfach: Ökosteuer ist ein vernünftiges Konzept. Merkel als Umweltministerin hatte eine Ökosteuer-Studie in der Schublade. Und Ihr Grundsatzprogramm von 1994 sagt: Die Energiepreise müssen die ökologische Wahrheit sagen.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Hört, hört!)

Was ist bei Ihnen los, meine Damen und Herren, Herr von Beust? Amnesie, pure Verzweiflung, Wiederholungstäter und der notorische Lügner Koch, der wieder eine Unterschriftenkampagne aus der Schublade holt. Erklären Sie sich, Herr von Beust, wir sind gespannt.

(Wolfgang Beuß CDU: Was hat das mit der Öko- steuer zu tun?)

Wo durch steigende Rohölpreise unzumutbare Härten auftreten, da kann gegengesteuert werden, ohne die Zielsetzung der Ökosteuer zu konterkarieren. Zuschüsse zu den Heizkosten sind in der Debatte, Wandlung der Kilometerpauschale in eine Entfernungspauschale ist ein vernünftiges Konzept. Ich freue mich, daß die CDU jedenfalls bei der Entfernungspauschale noch vor der Sommerpause mit im Boot war. In Ihrem eigenen Steuerkonzept vor der Sommerpause war die Rede von einer Entfernungspauschale mit 50 Pfennig pro Kilometer. Da lacht das grüne Herz.

Meine Damen und Herren! Die Ökosteuer ist „öko“, sie ist für den Schutz des Klimas, sie ist für Innovation und Energieeffizenz, sie ist langfristig und zuverlässig,

(Bernd Reinert CDU: Wenn Sie den Quatsch noch einmal erzählen, geht die Anlage gleich wieder ka- putt!)

sie ist „logisch“ – maßvolle und kalkulierte Marktanreize –, und sie belohnt Arbeit statt Energieverbrauch.

Sie von der CDU können sich entscheiden: Provinz oder globales Wirtschaftsdenken, Verantwortungslosigkeit oder Verantwortung für die Umwelt, Verdrängung Ihrer Vergangenheit oder Redlichkeit Ihrer eigenen Konzepte.

Nehmen Sie sich den Wink aus Sydney zu Herzen: Olympisches Gold ging an die Fahrradfahrer.– Herzlichen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt. Die nächste Rednerin ist Frau Vogel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Benzin ist offensichtlich der Stoff für einen heißen Herbst. Geradezu dankbar für die steigenden Energiekosten griffen die Unionsparteien dieses Thema auf: Endlich weg von den schwarzen Kassen. Mit dem Mut der Verzweiflung treibt das Unionstrio Merkel, Merz und Stoiber offensichtlich den Protest allerorten an, mit Tatsachen hält sich das Trio erst gar nicht auf. Heute beträgt der Steueranteil am Benzinpreis 70 Prozent, in der von der CDU bereits verdrängten Kohl-Ära lag er schon bei 80 Prozent.

(Rolf Kruse CDU: Sie wissen, daß das Quatsch ist!)

Der Einstieg in die ökologische Steuerreform ist nicht die Ursache der stark gestiegenen Energiekosten.Verantwortlich sind die Verknappungsstrategie der OPEC und die deshalb ansteigenden Erdölpreise von damals 24 US-Dollar pro Barrel auf heute 34 US-Dollar pro Barrel – das entspricht einer Steigerung von 41 Prozent –, außerdem der Kursverfall des Euro gegenüber dem US-Dollar und die Erhöhung der Kraftstoffnachfrage in den USA.

Welchen Anteil hat nun die Ökosteuer am Preisauftrieb? Bei 15 000 Kilometer Jahresleistung kostet die Ökosteuer für einen Autofahrer pro Tag circa 50 Pfennig. Wer jetzt 3000 Liter Heizöl bunkern muß, für den verteuert sich das Heizöl um 150 DM, das sind 30 Pfennig pro Tag. Die Energiekosten sind durch die Ökosteuer in einem Maß angehoben worden, daß es kaum bemerkbar wäre, wenn die Steuer wegfiele.

(Ole von Beust CDU: Na, dann kann sie ja weg!)

Schaffte man die Ökosteuer ab, wäre nichts gewonnen, aber sehr viel verloren.Die SPD hat sich bei der Einführung der Ökosteuer erfolgreich um eine moderate Ausgestaltung bemüht.Es soll Druck auf die Energiekosten ausgeübt werden, und zwar in einem Zeitraum, in dem es jedem möglich ist, umzusteuern.

Dieser Prozeß ist langfristig angelegt, und deshalb muß er verläßlich sein.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Ökosteuer sorgt mit sanftem Druck für ein rationelleres Umgehen mit Energie und für die weitere Entwicklung von energiesparenden und zukunftsträchtigen Technologien. Die Erhebung einer Ökosteuer nun aber an die Preisschwankungen am Energiemarkt oder den Ölpreis an den Euro zu binden – dieser Vorschlag hat schon in der Fachwelt für Heiterkeitsausbrüche gesorgt – oder vielleicht doch alles an die Wetterkarte zu binden, ist genau das Gegenteil einer verläßlichen und zukunftsorientierten Politik.

Die Energiereserven sind endlich, wir wissen es. Die letzten zwei Jahrzehnte waren verlorene Jahrzehnte für eine nachhaltige Entwicklung gerade in den Sektoren Transport, Wärme und privater Verbrauch. Die alte F.D.P./CDU-Koalition hat die technische Entwicklung in die falsche Richtung

(Axel Bühler GAL)

gelenkt und die Infrastruktur ebenso.Autos wurden schneller und schwerer, der Benzinverbrauch sank nur mäßig um gut einen Liter pro hundert Kilometer, und das Verkehrswachstum fraß die Umweltgewinne wieder auf. Mit ihrer prinzipienlosen und opportunistischen Politik – da gebe ich Herrn Bühler recht – hat die CDU jeglichen Anspruch an eine gestaltende Politik für die Zukunft und die nachfolgenden Generationen aufgegeben. Diesen Anspruch hatte sie zwar mal, so kann ich Frau Merkel 1995 zitieren:

„Als Umweltministerin halte ich es für erforderlich, die Energiepreise schrittweise anzuheben und ein deutliches Signal zum Energiesparen zu geben.“

(Rolf Kruse CDU: Sie lernen gar nichts!)

Oder Herr Schäuble 1997:

„Der Einsatz des Faktors Arbeit muß...verbilligt werden,... die Energiepreise relativ verteuert werden.“

Zitate in diese Richtung finden sich zur Genüge. Aber die Taten, die diesen Zitaten folgten, waren zum Beispiel eine Erhöhung der Mineralölsteuer von 1994 bis 1998 um 50 Pfennig, in fünf Jahren also 10 Pfennig pro Jahr.Die Einnahmen wanderten in den allgemeinen Bundeshaushalt. Die Einnahmen der Ökosteuer von circa 22 Milliarden DM fließen heute der Rentenversicherung zu. Das Trio der CDU/CSU fordert die Streichung der Ökosteuer und behauptet, der Bundeshaushalt verkrafte diesen Einnahmeausfall. Dieses finanzpolitische Harakiri würde den Bundeshaushalt in die Verfassungswidrigkeit bringen, da die Verschuldungsgrenze nicht mehr eingehalten werden könnte.

(Rolf Kruse CDU: Woher wissen Sie das denn?)

Die finanzpolitische Seriosität von Herrn Merz ist nach seiner Niederlage bei der Steuerreform nun wohl endgültig dahin.Eine Senkung der Mineralölsteuer wäre ein Strohfeuereffekt und auch das falsche Signal. Auf absehbare Zeit ist mit einer deutlichen Senkung der Rohölpreise nicht zu rechnen. Die ist erst zu erwarten, wenn aus dem Anbieterwieder ein Nachfragemarkt wird, um sich gegen die Durchsetzungsmacht der Ölmultis wehren zu können.

Von daher ist es besonders wichtig, alle Möglichkeiten der Energieeinsparung zu nutzen, und wer heute lernt, mit Energie sparsam umzugehen, schützt sich so am besten vor dem nächsten Preisschock. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Reinert, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann diese grünen Lämpchen nur schemenhaft erkennen.Falls ich nicht zu verstehen bin, ignoriere ich das Mikrofon und spreche dann lauter.

Herr Bühler sagte so schön, man wolle mit der Ökosteuer lenken. Im Moment sind Sie dabei, mit Ihrer Politik Tausende von Arbeitsplätzen an die Wand zu fahren; so lenken Sie.