Protocol of the Session on September 6, 2000

Man kann dazu sagen – und das wundert mich auch bei Ihnen, Herr Dr. Freytag –, daß ich die politische Linie in Ihrer Argumentation nicht erkenne. Ich möchte nämlich noch ergänzen, daß die schwarzen Steuerpläne – ich nenne sie einmal schwarz, weil sie von der CDU/CSU-Fraktion kamen – es vielleicht geschafft hätten, die Konsolidierung kaputtzumachen.Das muß man einmal deutlich sagen.Wir haben vor den Sommerferien eine Debatte um die Steuerreform gehabt.Deswegen ist es für mich wirklich schwierig, die politische Linie zu erkennen, weil Sie dort einerseits einer weitaus stärkeren Entlastung der Steuerreform das Wort geredet haben und sich gerade eben in Ihrer Rede bemüßigt sahen zu sagen, daß durch Einnahmeausfälle dem Hamburger Haushalt Schaden zugeführt wird durch Berlin. Das ist wirklich seltsam gedacht und nicht in den Zusammenhang gestellt, weil eine Steuerentscheidung, die in Berlin fällt, natürlich die Länder trifft, aber die Güte der Entscheidung können Sie nicht von Ihrem persönlichen Wohnort oder so von Ihrem Tätigkeitsort als Politiker abhängig machen.

Ich möchte noch einmal auf Diskussionen zum Länderfinanzausgleich eingehen.Ich glaube, daß es, wenn wir den Hamburger Haushalt betrachten, ganz wichtig ist anzuerkennen, daß es hier Ausgaben und Belastungen gibt, die es nicht in jedem Bundesland gibt. Das liegt nicht daran, daß man sich hier unbedingt mehr Luxus gönnen will, sondern daran, daß Metropolen andere Funktionen wahrnehmen müssen, daß sie andere Probleme in Größenordnungen aufzuweisen haben. Das wird zum Glück auch anerkannt. Das wurde bislang vor allen Dingen auch immer im Konzert aller anderen Ministerpräsidenten bis hin zum Bund anerkannt. Es gibt eine Akzeptanz für die Einwohnerwertung der Stadtstaaten.

Wenn wir aber jetzt – und dann hier in unserem Hause – Unverständnis für spezielle Ausgaben äußern, warum Hamburg an drittletzter Stelle in manchen Statistiken steht, dann befürchte ich, daß Sie mit dieser Argumentation – da muß ich noch einmal auf Sie eingehen, Herr Dr. Freytag – des Ländervergleichs ein ganz schlechter Vertreter Hamburger Interessen im Bundesvergleich, im Streit um den Länderfinanzausgleich wären.

(Beifall bei Dr. Martin Schmidt GAL und vereinzelt bei der SPD)

Sie liefern geradezu Argumentationen, aus Problemen hausgemachte Probleme zu machen, nur weil Hamburg im Vergleich schlecht dasteht. Das ist nicht klug.

(Dr. Michael Freytag CDU: Weshalb hat Hamburg denn sonst die Probleme?)

Weil wir ein Stadtstaat sind. Fragen Sie einmal Ihren Kollegen Kruse, der wird Ihnen das erklären. Es gibt in manchen Bereichen, nicht in allen Bereichen, ich meine das nicht als Freifahrtschein, einen besonderen strukturellen Finanzierungsbedarf in den Stadtstaaten.Sie können ganz einfach mit dem Bereich Sozialhilfekosten anfangen, der ein ganz wichtiger Punkt bei den Belastungen der Haushalte ist.

(Anja Hajduk GAL)

Ich kann aber auch einen anderen Bereich nennen, nämlich den der Hochschulen. Das ist im allgemeinen Länderkonzert zum Glück anerkannt. Sie reden hier einer Vergleichbarkeit Hamburgs das Wort, die einer Argumentation für die Hamburger Interessen bei einer Diskussion um den Länderfinanzausgleich hochschädlich wäre. Deswegen bitte ich Sie, einmal darüber nachzudenken und genau zu sagen, wo Sie die Schwächen im Hamburger Haushaltsplan sehen. Aber führen Sie das nicht so einfach an, weil wir ganz andere Aufgaben zu bewältigen haben als ein Flächenland, das die Belastung seiner Metropolen ausgleichen kann.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Michael Freytag CDU: Sie waren auch schon mal kritischer, als Sie noch nicht in der Regierung waren! Sie sind ja handzahm geworden!)

Wenn Sie mir wenigstens einmal ein Argument brächten, dann würde ich darauf gerne eingehen. Ich bin doch nicht handzahm, wenn ich Sie mal ein bißchen rannehme. Das kann ich nicht verstehen. Das ist ein seltsames Verständnis von handzahm.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Michael Freytag CDU: Sie sollen den Senat kontrollieren!)

Ich muß mich ja mit der Opposition auseinandersetzen, und das gebührt den Regeln hier im Hause.

Ich möchte noch drei Dinge zum Hamburger Haushalt sagen. Bei den Personalaussagen können wir erkennen, daß eine Steigerung von 62 Millionen DM im Haushalt 2001 eine Steigerung von circa 1 Prozent bedeutet. Das ist eine Steigerung nominal, aber real bedeutet das eine Absenkung. Hieran kann man die Konsolidierungsbemühungen, die auch noch in 2001 erforderlich sind, in ihrer Strenge erkennen. Es wird eine Kraftanstrengung sein, das auch durchzuziehen.

Mit Interesse nehme ich aber zur Kenntnis, was ich im ersten Moment als Haushälterin noch ganz kritisch angucken möchte, daß 17 Millionen DM Erleichterung bei den Sparvorgaben gewährt werden konnten, weil in den Sonderbereichen mehr eingespart wurde als vereinbart. Das heißt, es gibt mehr Spielraum im Personalhaushalt 2001. Ich denke, darüber werden wir in den parlamentarischen Beratungen, die jetzt vor uns liegen, Diskussionen zu führen haben, wo wir den Spielraum für eine leistungsfähige Verwaltung brauchen.

Ich denke, daß die Ergebnisse der Enquete-Kommission für Jugendkriminalität schon Empfehlungen gegeben haben, daß es zum Beispiel Engpässe im Bereich der Bezirksjugendgerichte gibt. Für derlei Aufgaben ist es natürlich wohltuend zu wissen, daß wir Entlastungen bei den Personaleinsparungen haben, so daß wir kontrollieren können, ob nach diesen Empfehlungen der Enquete-Kommission für Jugendkriminalität auch solche Beschlüsse umgesetzt werden können.

Ich sage, wir müssen nicht nur kontrollieren, ob so etwas vorgesehen ist, sondern wir können es selber beschließen. Unter dem Gesichtspunkt begrüße ich natürlich den neuen Spielraum. Zukünftig ist sicherlich im Sinne der Personalentwicklung und auch für die Verwaltung ein gutes Signal, zu wissen, daß das Konsolidierungsprogramm für den Personalhaushalt mit 2001 erst einmal auslaufen soll.Aber das sollte vielleicht auch nur im Stellenbereich so sein, was die Anzahl der Stellen angeht, und nicht im Personalbudget, denn wir sind zukünftig in einer Situation, daß die Alters

struktur, bedingt durch das Durchschnittsalter in den Verwaltungen, nicht mehr stetig steigen wird. Der Personalhaushalt ist früher deshalb teurer geworden, weil die Mitarbeiter älter wurden. Jetzt haben wir zum ersten Mal die Situation – das weist der Finanzbericht aus –, daß es ein altersstrukturbedingtes Einsparungsvolumen von 10 Millionen DM gibt.Das ist nicht wenig, aber hilfreich.Ich vermute, das wird in den nächsten Jahren ansteigen.

Ich möchte noch auf zwei Aspekte im Haushaltsplan eingehen. Was für unsere Fraktion eine wichtige Ziffer ist, ist, daß in der gesamten Planung der Investitionen – im Finanzplanungszeitraum bis 2004 handelt es sich um 7 Milliarden DM – die Investitionen im Bereich Bildung und Qualifizierung mit 2,4 Milliarden DM einen großen Rahmen einnehmen. Das finden wir richtig. Der kontinuierliche Aufwärtstrend, im Wissenschaftsetat zum Beispiel trotz Konsolidierung, ist ein richtiger Trend. Das zeigt auch auf, daß es kein Rasenmäherprinzip beim Sparen gegeben hat.Wir halten Bildung und Qualifizierung für eine notwendige und für die Zukunft wichtige Voraussetzung, die man den Bürgern bieten muß.

Ich möchte einige Bemerkungen zum A3XX machen. Das ist eine ganz frische Entscheidung, die nicht im Haushaltsplan dargestellt ist, die aber auf den Haushalt eine große Auswirkung hat. Ungefähr 1,1 Milliarden DM soll das Projekt kosten. Aus haushälterischer Sicht nehme ich mit Befriedigung zur Kenntnis, daß mehr als die Hälfte nicht aus dem Haushalt und deshalb nicht mit Steuermitteln finanziert wird. Ich muß mich noch einmal an meinen haushaltspolitischen Kollegen der CDU-Fraktion wenden. Herr Dr. Freytag, Sie rufen auf zu der Bereitschaft, öffentliches Vermögen zu verkaufen und in Zukunftsinvestitionen zu stecken. Nach meinem Verständnis ist die Finanzierung des A3XX eigentlich ein Paradebeispiel dafür, daß man so etwas sinnvoll machen kann, daß man sich aber, wie Sie mittlerweile auch in Ihrer Rede zugestanden haben, nicht treiben lassen darf. Deswegen, glaube ich, ist es auch fair genug zu sagen, daß dieser Senat genau von diesem Prinzip Gebrauch macht, sich zu überlegen, wann wir uns von Anteilen und öffentlichem Vermögen trennen, weil es für Zukunftsinvestitionen richtig und wichtig ist und weil wir uns sonst vielleicht mit Steuermitteln verheben würden. Darauf möchte ich noch einmal hinweisen, weil das eigentlich das aktuelle Beispiel, was ich anmahnte, zu dem Thema, wie man mit öffentlichem Besitz umgeht, gewesen wäre.

Ich möchte aber zum A3XX auch in der Sache etwas sagen. Die Standortentscheidung soll für Hamburg unter anderem folgendes bedeuten, daß nämlich bei einer Mindestproduktionsrate von, ich sage mal, 46 A3XX-GroßAirbussen über 4000 Arbeitsplätze prognostiziert sind. Die Wertschöpfung ist mit über 500 Millionen DM angegeben.

Wir haben uns – und das vor einigen Jahren – für die Zustimmung zu diesem Projekt am Anfang der Legislaturperiode entschieden, wenn dieses Ziel – und das ist ja ein recht hochgestecktes Ziel – bei den Beschäftigungseffekten wirklich erreicht wird und wenn der Flächenbedarf nachgewiesen ist. Das wird auch der Mindestmaßstab für die parlamentarischen Beratungen sein. Wir haben ja – so die Verlautbarung des Senats – mit einer Mindestangabe von 4000 Arbeitsplätzen als Beschäftigungseffekt zu rechnen.

Wenn also dieser Erfolg für die Region Hamburg eintritt, dann tragen wir diese Entscheidung insofern mit, weil wir unsere Entscheidung gar nicht korrigieren wollen. Allerdings werden wir es auch immer betonen, daß wir es für

(Anja Hajduk GAL)

richtig halten und uns dafür einsetzen, daß in dem erforderlichen Ausmaß auch die ökologischen Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen zeitnah realisiert werden. Dafür haben wir uns immer eingesetzt. Das ist auch unser Anteil, bei solch einem Großprojekt mit unseren ökologischen Zielen bestehen zu können, mit zu definieren, zu welchem Preis und welche Ersatzmaßnahmen, die auch ein hohes Volumen ausmachen, absolut notwendig und nicht nur rechtlich geboten sind.

(Beifall bei der GAL)

Ich habe zu Beginn meiner Rede dargestellt, unter welchen schwierigen Bedingungen wir in die Koalition gestartet sind. Die Politik hat in solchen Zeiten der Finanzkrise auch Chancen, nämlich ein ganz besonderes Verantwortungsbewußtsein für die finanziellen Folgen unseres Handelns walten zu lassen. Das hat diese Regierung bisher getan, es bietet aber auch Angriffsflächen, weil man dann erforderliche und schmerzhafte Einschnitte vornehmen muß. Wir werden aber dieses Verantwortungsbewußtsein für finanzielle Folgen der Entscheidungen in den jetzigen parlamentarischen Beratungen als Maßstab anlegen.

Politikerhandeln dagegen, welches vorrangig eigene Klientel bedient und sich in einem Netzwerk von schnellen Gefälligkeiten absichert, wird in Zeiten knapper Kassen deutlich erkennbar. Das dient allerdings nicht dem Allgemeinwohl. Ich bin daher froh, daß die Akzeptanz für eine Sanierung des Haushalts in der Bevölkerung – nicht nur in Hamburg – hoch ist. Deshalb habe ich vorhin gesagt, die rotgrüne Bundesregierung sowie die rotgrüne Regierung in Hamburg werden für ihre Finanzpolitik – das ist keine falsche Prognose – als erfolgreich und glaubwürdig eingeschätzt. Da die Bevölkerung für die Sanierung des Haushalts Akzeptanz aufbringt, erfährt eine nachhaltige Politik, die sich die Grünen auf die Fahne geschrieben haben, Zustimmung, und es werden für zukünftige Generationen finanzielle Spielräume für soziale und zukunftsfähige Ausgaben geschaffen.Ich bin froh, daß wir auf diesem Weg geblieben sind. Wir werden diesen letzten für diese Legislaturperiode vorgelegten Haushalt daraufhin überprüfen. Die Rückführung der Netto-Neuverschuldung als neue Ziellinie wäre auch im Sinne der nachhaltigen Politikplanung. Deswegen stehen wir dem positiv gegenüber und werden versuchen, dies in den nächsten Jahren fortzusetzen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Hackbusch.

(Zuruf von der SPD: Mach es nicht so lang!)

Ich bin froh, daß ich zum ersten Mal in dieser Bürgerschaft 30 Minuten Redezeit habe.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und Oh-Rufe bei den Fraktionen)

Ich werde versuchen, möglichst alles, was ich zu sagen habe, kurz und prägnant hinzubekommen, damit es auch einigermaßen rüberkommt.

(Bernd Reinert CDU: Das war ein schönes Schlußwort!)

es ist noch einmal deutlich geworden, es beginnt keine glorreiche Zeit. Dieser Haushalt befindet sich – im Gegensatz

zu dem, was man sich 1997 vorgenommen hat – wieder in einer Krise. Das wird im Jahre 2001 und auch in den zukünftigen Jahren so sein. Es liegt nicht daran, daß keine Konsolidierung stattgefunden hat, sondern daß etwas nicht Vorgesehenes eingetreten ist.Es werden nämlich aufgrund von Einnahmeausfällen, die die Bundesregierung beschlossen hat – sie werden in diesem Jahr mindestens 700 Millionen DM betragen –, in dieser Stadt zusätzliche Kürzungen notwendig sein. Versprochen wurden sowohl von der SPD als auch von den Grünen, daß es in den Ländern zu keinen derartigen Einnahmeausfällen kommen wird. Es wurde gesagt, die Länder seien in den nächsten Jahren in der Lage, mit soliden Finanzen planen zu können. Dementsprechend hat Herr Dr. Freytag zu Recht kritisiert, daß die Versprechungen von Frau Senatorin Dr.Ingrid NümannSeidewinkel sowie der SPD und GAL nicht eingehalten worden sind, zumindest eine aufkommensneutrale Einkommen- und Unternehmenssteuerreform vorzunehmen. Das ist eindeutig Wählerbetrug von SPD und Grünen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Neben der einkommensneutralen Steuerreform war zumindest vorgesehen, die Vermögensteuer wieder einzuführen und die Erbschaftsteuer neu zu regeln. Das haben im Wahlkampf sowohl SPD als auch Grüne versprochen. Die Länder müssen das wieder ausbaden, was auf Bundesebene verschenkt worden ist.

Vieles von dem ist von Herrn Ehlers schon sehr genau analysiert worden. Er hat es so zusammengefaßt, daß er zu Herrn Dr.Freytag völlig zu Recht gesagt hat:Ich weiß gar nicht, warum Sie uns kritisieren! Wir haben das CDU-Konzept im Zusammenhang mit der Einkommen- und Unternehmenssteuerreform übernommen, da können Sie doch gar nicht meckern. Recht hat er.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das ist übernommen worden.Deswegen fühlen sich Grüne und SPD gegenwärtig so stark, weil die CDU vor einigen Jahren das gleiche vorgeschlagen hat.

(Dr.Michael Freytag CDU: Die hat nicht das gleiche vorgeschlagen!)

Die führen das durch, und dementsprechend sind alle drei großen hier vertretenen Parteien satt und zufrieden, lehnen sich zurück und hören nicht richtig zu, was die Leute im Lande eigentlich dazu sagen.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Eine der wichtigen Erklärungen, die dafür vorgelegt worden ist, warum das vernünftig ist, war:Wenn wir den Unternehmen durch die Unternehmenssteuerreform mehr Geld geben, wird es dazu führen, daß die Investitionstätigkeit ansteigt und dementsprechend die Arbeitslosigkeit verschwindet.

Willfried Maier und ich haben uns mit der SPD und den Grünen gemeinsam immer über den Unsinn lustig gemacht, den Kohl und Waigel dazu vertreten haben. Jetzt höre ich aus den ehemaligen eigenen Reihen genau das gleiche.

(Dietrich Wersich CDU: Sie lernen dazu!)