Protocol of the Session on September 6, 2000

(Dr. Michael Freytag CDU)

kein Aufbruch in die Wissensgesellschaft, sondern das Gegenteil.Man kann den Aufbruch in die Wissensgesellschaft nicht mit einem Abbruch von Lehrerstellen beginnen.

(Beifall bei der CDU – Dr. Roland Salchow CDU: Sehr richtig!)

Auch im Bereich der High-Tech-Wirtschaft gibt es erhebliche Defizite; auch hier können Sie sich einmal mit anderen Metropolen vergleichen. Es gibt hierzu eine aktuelle Studie der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“, die eine Bestenliste der Technologiestandorte in Deutschland veröffentlicht hat. Hamburg ist darin weit abgeschlagen und auf Platz 11 abgerutscht. Unsere Stadt wird nicht nur von großen Städten, sondern auch von Städten wie Regensburg und Augsburg haushoch geschlagen. Das ist nicht Weltklasse, auch nicht Bundesliga, sondern – wie dieser Senat – Regionalliga.

(Beifall bei der CDU – Dr. Monika Schaal SPD: Bil- lig!)

Problematisch ist, daß Hamburg auch zu wenig Geld für die Menschen aufwendet, für die ein SPD-geführter Senat so viel tun will. Wenn ich mir den normalen Sozialmieter der großen städtischen Wohnungsgesellschaft SAGA ansehe, die von sich selbst sagt, daß sie seit 76 Jahren für breite Schichten der Bevölkerung – insgesamt 250 000 Menschen – für eine sozial ausgewogene Wohnungssicherung sorgt, so daß jeder achte Hamburger in einer der fast 100 000 Wohnungen der SAGA wohnt, dann frage ich:Was tut denn der Senat für diese Menschen?

Im Jahre 1998 standen 3 Millionen DM an Zuschüssen zur Verfügung; die SAGA selbst hat 75 Millionen DM beigesteuert, was insgesamt 312 DM pro Mieter der SAGA bedeutet.Für alternative Wohnprojekte, ob in der Hafenstraße oder in der Ludwigstraße 8, hat man viel Geld investiert.Für das Projekt in der Ludwigstraße 8 hat der Senat für ein Wohnprojekt 2,8 Millionen DM vorgesehen. Im Gegensatz zu den 312 DM für SAGA-Mieter werden für ein alternatives Wohnprojekt pro Frau und Mann 63 477 DM aufwendet. Auch das ist eine unausgewogene Politik zu Lasten der Allgemeinheit.

(Beifall bei der CDU)

Tatsächlich könnte man sich auch die Beispiele aus anderen Bundesländern zu eigen machen. Besonders in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat man dies in Richtung weniger Staat, hin zu Ausgliederungen und Privatisierungen deutlich gemacht. Natürlich sind Privatisierungen kein Allheilmittel, sie dürfen nicht undifferenziert realisiert werden – da stimme ich Ihnen zu, Frau Senatorin –, sondern müssen in einem marktgerechten Verfahren sehr punktuell und in mehreren Schritten abgewickelt werden.

Bei diesen Privatisierungen ist Hamburg aber weit im Hintertreffen, weil die Stadt immer nur dann verkauft hat, wenn ihr das Wasser bis zum Hals stand. Es wurden damit nämlich Löcher im Betriebshaushalt gestopft. Andere Bundesländer verfahren anders. Es wird beispielsweise Tafelsilber für Zukunftsinvestitionen eingesetzt.

Die bayerische Staatsregierung hat durch Unternehmensveräußerungen über 5,3 Milliarden DM in Zukunftsinvestitionen untergebracht, insbesondere im Bildungs- und Hochschulbereich. Ähnliches gilt für die SPD-regierten Länder wie Rheinland-Pfalz. Auch dort hat man Mittelstandsförderungsprogramme aufgelegt. Es wurden Veräußerungserlöse aus staatlichen Beteiligungen umgeschichtet in Investitionen für die Zukunft, nicht etwa, um

Löcher zu stopfen.Damit wird wertvolles Kapital eines Landes auch für die Zukunft gesichert. So wie Sie es machen, salamischeibenmäßig alles zu verscherbeln, wenn der Haushalt wieder brennt, vernichtet man Vermögen, selbst wenn eine Salamischeibe relativ gut verkauft wird. Im Ergebnis vernichtet man das Vermögen, denn es ist unwiederbringlich im Haushalt verschwunden.

(Dr. Roland Salchow CDU: Genau so ist es!)

Es gibt eine Menge von Beispielen, wo andere Städte im Ver- und Entsorgungsbereich neue Wege gehen. Sie können doch nicht alles verteufeln.Wenn Sie sich Bremen oder Berlin angucken, beides Stadtstaaten, in denen die SPD mitregiert, in Bremen sogar federführend. Der Bürgermeister von Bremen hat durchgesetzt, daß dort die Abwasserentsorgung teilprivatisiert worden ist in ein Public-PrivatePartnership-Modell.In Berlin ist das gleiche geschehen.Sie können doch nicht sagen, dies seien alles falsche Modelle ohne Erfolg.Das sind ausgesprochen erfolgreiche Modelle. Die Menschen sind auch nicht an Trinkwasservergiftung zugrunde gegangen,

(Petra Brinkmann SPD: Noch nicht!)

weil der Staat richtigerweise den gesetzlichen Maßstab der Grenzwerte rechtlich durchsetzen kann.Das wird in der Tat auch bei den Public-Private-Partnership-Modellen, die es in ganz Europa gibt, mit Erfolg praktiziert. Ich denke, daß Sie hier einmal überlegen sollten, ob man da nicht mutiger sein sollte.Ich rede bewußt nicht dem Entweder-Oder das Wort. Man muß nicht über komplette Privatisierung sprechen.Ich denke, daß wir sehr viel gutes Know-how in den Anstalten des öffentlichen Rechts haben und dieses Know-how auch erhalten bleiben soll. Deshalb sind partnerschaftliche Modelle, wo man beide Partner zusammenführt, die erfolgreicheren Modelle.

(Dr. Monika Schaal SPD: Sie haben immer noch nicht gesagt, warum!)

Frau Senatorin, Ihre sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen praktizieren das doch, was wir hier in Hamburg fordern. Sie können uns doch nicht immer kritisieren, wenn wir solche Forderungen aufstellen. Im Grunde strafen Sie Ihre sozialdemokratischen Amtskollegen gleich mit ab, und ich bin überzeugt, daß die mit diesen intelligenten Public-Private-Partnership-Modellen für ihre Haushalte sehr viel Gutes tun. Zukunftsinvestitionen sind deutlich besser zu realisieren als bei Staatsunternehmen, denn wo kein Wettbewerb ist, wo Monopole agieren, sind die Preise nicht günstiger, ist die Leistung nicht besser. Wir müssen uns dem Wettbewerb öffnen. Er kommt so oder so aus Brüssel, in verschiedenen Bereichen. Da ist es besser, wenn man an der Spitze der Bewegung steht und nicht erst dann mühsam auf einen Zug springt, der uns vielleicht finanzpolitisch überhaupt nichts bringt, wenn es soweit ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Es gibt auch eine Reihe von Beispielen im internationalen Bereich, zum Beispiel in den USA, in Skandinavien und in den Niederlanden, wo sich zeigt, daß man durch Konzentration des Staates auf seine Kernbereiche große Erfolge haben kann. Wenn Sie die USA betrachten, so gab es dort vor nicht allzu langer Zeit eine ähnliche Situation wie in der Bundesrepublik Deutschland: Völlig überschuldete Haushalte, überbordende Neuverschuldung, die Zinsgarotte wurde immer bedrohlicher. Dort hat man dann durch eine gezielte Finanz- und Wirtschaftspolitik die Trendwende geschafft. Im Moment unter

(Dr. Michael Freytag CDU)

halten sich die Präsidentschaftskandidaten in den USA darüber, wo sie ihre Haushaltsüberschüsse unterbringen. Die sind nicht froh, wenn sie einen ausgeglichenen Haushalt haben, sondern die haben effektiv Haushaltsüberschüsse, die ihnen Spielräume verleihen, welche wir hier lange nicht haben werden. Ich denke, auch hier kann man aus den internationalen Erfahrungen lernen und sich eine Scheibe abschneiden.

Meine Damen und Herren! Das Ziel ist ein ausgeglichener Haushalt, und zwar auf allen Feldern. Wir müssen aufhören, die Verschuldung immer weiter nach vorne zu treiben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Es reicht nicht aus, ausschließlich den Betriebshaushalt auszugleichen. Wir müssen auch das Geld, das wir für Investitionen ausgeben, selber erwirtschaften, so wie es schon einmal möglich war. Der Weg zum Ziel ist aus unserer Überzeugung durch fünf Meilensteine gekennzeichnet, die wir auch jetzt in die Haushaltsberatungen, die in der kommenden Woche beginnen, einfließen lassen werden.

Das ist erstens die Konzentration der Staatstätigkeit auf notwendige Kernbereiche. Daran wird kein Weg vorbeiführen.

Zweitens: Die Erhöhung der Transparenz von Kosten und Nutzen staatlicher Leistungen. Hier sind schon erste Wege beschritten worden. Das begrüßen wir.

Drittens: Die Stärkung der Subsidiarität und der größeren Eigenverantwortung.

Viertens: Die Privatisierung staatlicher Aufgaben, auch in Public-Private-Partnership-Modellen.

Fünftens: Investitionen in den Ausbau von Zukunftsbereichen.

Hamburg braucht, um diese Ziele zu erreichen, meine Damen und Herren, einen haushaltspolitischen Befreiungsschlag. Hamburg braucht diesen Befreiungsschlag nicht irgendwann, sondern jetzt. Nur befürchte ich, daß die Finanzpolitik dieses Senats nicht das Problem dieses Haushalts löst, denn dieser Senat ist das Problem dieses Haushalts. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Jan Ehlers.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie schnell doch so ein Jahr herumgeht, und schon wieder durfte ich die Rede von Herrn Dr. Freytag hören.

(Rolf Kruse CDU: Das ist wie mit Weihnachten!)

Da wäre mir fast etwas entgangen. Nur hat er dieses Mal tatsächlich einen neuen Punkt gebracht. Insofern war das Jahr, in dem – wie hieß er nun,

(Zuruf von der CDU: Ortwin Runde!)

1977 ist er gestorben, derjenige, der seinen Wehrdienst in Deutschland ableistete und Sänger vor dem Herrn war – Elvis starb, das Neue.

Aber was sagt uns das eigentlich?

(Dr. Roland Salchow CDU: Das frage ich mich auch!)

Was sollen wir aus der Passage überhaupt für einen Nutzen ableiten? Was war die finanzpolitische oder gesellschaftspolitische Analyse? Das war nicht einmal eine politische.Sie hätten den Gedanken doch wenigstens zu Ende führen können. Bis 1977 war die Welt für Sie noch in Ordnung. Da war der Haushalt ausgeglichen. Nun gebe ich zu, 1978 bin ich in den Senat gewählt worden.

(Heiterkeit bei der SPD und der GAL)

Von da an war es dann vorbei.

Eines muß man Ihnen jedenfalls zugestehen.Eine gewisse Ökonomie in Ihren Darstellungen ist da. Das wiederholt sich, und da braucht man sich nichts Neues einfallen zu lassen. Deswegen werde ich nur einen einzigen Punkt aus Ihrer Rede nehmen, weil der noch einmal allen deutlich macht, wie Ihre Vorgehensweise ist.

Sie haben moniert, daß die Finanzsenatorin vor zwei Jahren gesagt hat, der Haushalt 2001 wird ihrer Vorausschau nach nicht nur ausgeglichen sein, sondern sogar eine positive Bilanz haben. Das haben Sie also gegeißelt.

(Dr. Michael Freytag CDU: Weil Sie schon wieder Versprechungen gemacht haben!)

Ja, weil sie Versprechungen gemacht hat, und es ist anders gekommen. Was ist denn da anders gekommen? Da ist ein Teil der Steuerreform – das hat die Senatorin hier auch noch einmal wiederholt –, die für 2002 beschlossen war, vorgezogen worden, und es ist die Unternehmenssteuerreform gemacht worden. Da haben Sie natürlich völlig recht.Das haben nicht Sie gemacht, sondern das haben wir gemacht. Was wollen Sie denn daran geißeln? Wollen Sie denn den Unternehmern sagen, die Unternehmenssteuerreform wollten Sie nicht haben? Da waren Sie dagegen? Das ist doch eine absurde Art von Darstellung und Auseinandersetzung mit Politik.Ich denke, damit kann man eigentlich nichts anfangen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Haushaltsberatungen können natürlich sehr kleinkariert und langweilig sein.Das ist solch dröges Zeug. Aber hier ist es doch etwas anders gewesen als sonst. Die Rede der Finanzsenatorin hat für diejenigen, die zugehört haben – und das machen ja einige, weil sie wissen, es geht beim Geld um das Eingemachte und manchmal hat das etwas mit Politik zu tun –, doch einiges an Weichenstellungen von sehr grundsätzlicher Art geboten.Das ist nicht jedes Jahr so.Dies ist eine haushalts- und finanzpolitisch spannende Zeit. Man kann sagen, Geld ist nicht alles, aber man muß doch zur Kenntnis nehmen, ohne Geld ist fast nie etwas.