Protocol of the Session on July 13, 2000

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Bühler.

Ich möchte noch kurz etwas zu den Lotsen sagen, weil nun doch auf Tarife und Verdienstmöglichkeiten eingegangen worden ist. Ich weiß, daß in Berlin mit Jahreseinkommen der Lotsen von 250 000 DM gearbeitet wird. Ich weiß auch, daß dabei vergessen wird, daß das kein Bruttoeinkommen ist, sondern daß es selbständige Unternehmer sind, die als Betriebe entsprechende Ausgaben und Abgaben haben.

(Heino Vahldieck CDU: Deshalb ja „Brutto“!)

Nein, es sind Betriebseinnahmen, das Brutto wäre zu versteuern.Die ganze Rechnerei darüber, was Lotsen tatsächlich verdienen und was das berufsständische Festhalten betrifft, ist eine schwierige Debatte.Meine Befürchtung und Wahrnehmung ist es, daß ein Konflikt entsteht, der an Härte zunimmt. Bei den Lotsen bewegt sich nichts mehr. Das Bundesverkehrsministerium zieht einfach durch, und ich glaube nicht, daß es gut für uns ist, den Konflikt in der Frage so weiterzufahren. Meine Wahrnehmung ist auch, daß die Elb- und Hafenlotsen jedenfalls selbst Vorschläge gemacht haben, ihr eigenes Lotswesen zu flexibilisieren. Ich möchte noch einmal dafür appellieren, wieder zu einem vernünftigen Verhandlungsweg zurückzukehren. Es geht

nicht darum, bei den Lotsen den Status quo als ständische Vereinigung unbegrenzt fortzusetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.Dann stelle ich zunächst fest, daß die Große Anfrage besprochen ist.

Ich lasse zunächst über den Zusatzantrag der CDU-Fraktion zur Drucksache 16/4483 abstimmen. Wer möchte dieselbe annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann stelle ich fest, daß dieses einstimmig angenommen ist.

Ich rufe den GAL-Antrag auf. Wer möchte denselben beschließen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist auch dies einstimmig beschlossen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 74, Drucksache 16/4482, Antrag der GAL zum neuen Kindschaftsrecht.

[Antrag der Fraktion der GAL: Schutz ausländischer Väter deutscher Kinder nach der Kindschaftsreform – Drucksache 16/4482 –]

Hierzu wird das Wort gewünscht. Der Abgeordnete Erdem bekommt es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht hier nicht nur um Kindschaftsrecht, sondern um den Schutz der nichtdeutschen Väter mit deutschen Kindern. Dieser Schutz hat eine verfassungsrechtliche Verankerung im Artikel 6 der deutschen Verfassung gefunden.

Wir sind der Meinung, insbesondere auch ich, daß dieser Schutz den betreffenden Kindern und den Vätern nicht gerecht wird. Ich möchte zwei Fälle aus dem täglichen Leben dieser Väter mit deutschen Kindern darlegen; erstens aus der „taz“ vom 13. März dieses Jahres. Ein senegalesischer Vater ging mit seinem zweieinhalbjährigen deutschen Kind zur Ausländerbehörde, um seine Duldung zu verlängern. Im Beisein des Kindes wurde der Vater verhaftet. Die Mutter des Kindes wurde angerufen mit der Aufforderung, das Kind abzuholen, da es anderenfalls ins Heim komme.

Ein ähnlicher Fall, ohne Verhaftung, geschah im letzten Jahr im November. Der Mann einer ÖTV-Sekretärin, einer Juristin, wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland sofort zu verlassen, da er anderenfalls abgeschoben würde. Die Ehefrau, die ein Kind hat, erklärte, sie könne ihrem Mann nicht nach Ghana folgen, und schrieb eine Eingabe mit der Bitte um Hilfe. Wir schalteten uns ein, und es gab einen Weg für eine Lösung. Das Bundesverfassungsgericht entschied am 31. August 1999, daß Ausweisungen von ausländischen Vätern mit deutschen Kindern gegen die Verfassung seien und daß eine Gleichheit und Verhältnismäßigkeit bewahrt werden müsse. Kinder, die noch in der Entwicklungsphase seien, benötigten nicht nur ihre Mütter, sondern auch den ausländischen Vater, um ihrer Entwicklung gerecht zu werden. Dieser Antrag beinhaltet gerade diesen Gerechtigkeitsgedanken.

Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, daß uns berichtet wird, was mit diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dieser Stadt geschieht.

(Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke: Super!)

Wir möchten erreichen, daß man infolge der verfassungsrechtlichen Grundsätze dem Schutz der ausländischen Vä

(Senator Dr. Thomas Mirow)

ter in der täglichen Praxis gerecht wird. Wir möchten auch erreichen, daß das Kindschaftsrecht in dieser Stadt, das seit zwei Jahren Gültigkeit hat, die Gleichheit des Sorgerechts gewährleistet. Meine Fraktion und ich haben Zweifel daran, denn wir erleben es tagtäglich, im Eingabenausschuß und ich in meiner Praxis, daß dieser Schutz nicht gewährt wird.

(Zuruf von Susanne Uhl REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Frau Uhl, Sie haben noch Zeit und Möglichkeit zu einem Redebeitrag.

Wir erwarten vom Senat, daß die verfassungsrechtlichen Grundsätze, die ich eben erwähnte, umgesetzt werden und daß sie im Hinblick auf das Kind nicht gegen den Vater ausgelegt werden, sondern zum Schutz und Wohl des Kindes.

Ich bin zuversichtlich, daß der Senat so handeln wird, und hoffe, daß diese Fälle Ausreißer sind, daß in der Praxis generell aber nur zum Wohle des Kindes gehandelt wird.

Neben dem Aspekt zum Wohl des Kindes, das im Falle der Abschiebung des Vaters den Schmerz der Trennung erleben muß, ist der Aspekt erheblicher Kosten ebenso wichtig.

Die Mitglieder des Eingabenausschusses sowie ich kennen die Praxis und wissen, daß eine Abschiebung für eine Familie zwischen 2000 DM und 10 000 DM kostet, wenn der väterliche Teil in Haft sitzt.Diese Haftkosten werden von der Bundesrepublik Deutschland bei den Familienangehörigen geltend gemacht, anderenfalls gibt es keine Möglichkeit der Rückreise; erst muß gezahlt werden. Es gibt natürlich die Möglichkeit der Ratenzahlung oder anderer Zahlungsmodalitäten. Das sind jedoch Schulden bei meist jungen Familien, die nicht gerade gesicherte Einkommensverhältnisse haben wie beispielsweise eine Justitiarin bei der ÖTV. Es sind junge Leute, die gerade dabei sind, eine Familie zu gründen, und versuchen, ihr Leben zu gestalten. Gerade in diesem Bereich ist es in vielen Familien ein Martyrium, einen ausländischen Partner zu haben.

Ich bin froh, daß meine Frau und ich nicht in dieser Rolle sind, denn wir haben selber zwei kleine Kinder, und ich möchte nicht erleben oder es meiner Familie zumuten, daß ich abgeschoben werde und sie hier alleine bleibt.

Deswegen erwarte ich von diesem Senat, daß er bis zum 31. Dezember dieses Jahres über die Umsetzung der Grundsätze des Bundesverfassungsgerichtes berichtet.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Pumm.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Am 1. Juli 1998 ist das Kindschaftsreformgesetz in Kraft getreten. Wir Sozialdemokraten begrüßen, daß die Ungleichheit zwischen unehelichen und ehelichen Kindern damit weiter abgebaut worden ist. Dieses Gesetz stärkt die Rechte des Kindes auf die gemeinsame elterliche Sorge, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet oder unverheiratet sind. Damit entspricht das Gesetz der veränderten Lebensrealität einer zunehmenden Anzahl von ElternKind-Beziehungen, in denen die Erziehungsberechtigten nicht oder nicht mehr verheiratet sind.Dies gilt auch für eine zunehmende Anzahl von binationalen Paaren mit gemeinsamen Kindern, die geschieden oder unverheiratet sind. Auch deren Kinder haben nun einen verstärkten Anspruch

darauf, von beiden Elternteilen betreut und erzogen zu werden. Das Sorgerecht für ein gemeinsames Kind kann nun auch von einem ausländischen Elternteil ausgeübt werden, der nicht oder nicht mehr mit dem anderen Elternteil verheiratet ist.

Probleme können sich dann ergeben, wenn das neue Kindschaftsreformgesetz in Widerspruch zum Ausländerrecht gerät. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn ein Vater, der gegen das Aufenthaltsrecht verstoßen hat, das gemeinsame Sorgerecht für das Kind einer deutschen Frau beantragt. Nach dem Ausländerrecht kann seine Ausweisung zwingend sein. Andererseits soll der Staat das Verhältnis von Eltern und Kindern besonders schützen.

Schwierig wird es also in den Fällen, in denen das öffentliche Interesse an der Ausweisung eines Menschen schwerer wiegt als das Recht eines Kindes darauf, daß der ausländische Elternteil hier in Deutschland bleibt. Wir müssen damit rechnen, daß es in Zukunft in solchen Fällen Konflikte gibt, die nicht immer einfach und glatt zu lösen sein werden. Grundsätzlich dürfen Kinder mit ausländischem Elternteil nicht schlechter gestellt werden als Kinder mit deutschen Eltern. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung untermauert.

Andererseits muß gewährleistet bleiben, daß das Ausländergesetz nicht generell ausgehebelt werden kann, wenn es zum Beispiel um die Ausweisung ausländischer Väter deutscher Kinder geht. Auf diesem Gebiet sind viele wichtige Fragen zu klären. Wir haben noch zu wenig Erfahrungswerte über die Fälle, in denen das neue Kindschaftsrecht zwingend oder im Ermessensweg dazu geführt hat, daß das Aufenthaltsrecht anders ausgelegt wurde. Es liegen noch keine gesammelten Informationen über die Fälle vor, in denen die Auslegung des neuen Kindschaftsrechtes in Widerspruch zum Ausländerrecht geraten ist.

Zu fragen ist auch, inwieweit sich die Situation ausländischer Mütter in den problematischen Fällen von der Situation ausländischer Väter unterscheidet. Die Beantwortung dieser wichtigen Fragen kann nicht von heute auf morgen erfolgen. Insofern unterstützt die SPD-Bürgerschaftsfraktion den Antrag der GAL auf einen Senatsbericht bis zum 31. Dezember 2000.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält die Abgeordnete Koop.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Pumm hat schon eine sehr umfassende Aufdröselung des Problems gegeben. Deswegen kann ich einen Teil weglassen und mich auf das Grundsätzliche beschränken.

Herr Erdem, es ist ein wirklich interessantes, aber auch brisantes Thema, das Sie hier angeschnitten haben. Ein Teil des Themas, das mir sehr am Herzen liegt, ist die Frage, wieviel Vater braucht ein Kind grundsätzlich und wie wichtig ist der Vater in der Erziehung.Das wird nicht immer rückhaltlos bejaht, daß wir den Vater von Anfang an und kontinuierlich brauchen.Wenn Sie die Beteiligung des Vaters so wichtig nehmen und dies fördern wollen – abgesehen, ob nun ausländische oder deutsche Väter –, dann finde ich das sehr unterstützenswert, und ich hoffe, daß Sie bei diesem Thema auch so bleiben.

Wir wissen, daß Kinder männliche und weibliche Komponenten in der Erziehung brauchen. Darüber wird viel gere

(Mahmut Erdem GAL)

det und auch mehr oder weniger geschwätzig zu Papier gebracht, aber in der Praxis mangelt es meistens eben doch. Väter müssen auch wissen, daß sie grundsätzlich gebraucht werden und daß sie auch einsatzfähig sind in dem Moment, wo man sie braucht, und daß man das nicht alles den Frauen überlassen kann.

Wenn aber – und in Zukunft hoffentlich auch steigend – Väter tatsächlich Engagement zeigen und sich um ihre Kinder kümmern wollen, dann soll man das auch stärken und dann müssen sie auch tätig werden dürfen. Man muß ihnen die Gelegenheit dazu geben, daß sie sich auch wirklich an der Erziehung ihrer Kinder beteiligen. Das wird natürlich problematisch im Trennungsfall.

Kinder brauchen den Kontakt, und sie brauchen einen ausreichenden Kontakt zu beiden Elternteilen, auch zum Vater. Dabei soll das neue Recht, das wir sehr begrüßt haben, vor den Manipulationen schützen, mit denen man die Kinder von einem Elternteil, genauer vom Vater, fernhalten will.Ich denke, dabei das Kindeswohl immer im Auge zu behalten, ist nicht immer einfach, denn wer will das schon objektiv beurteilen.Ich spreche hier nicht wie der Blinde von der Farbe, sondern aus der Erfahrung, daß es sehr viel Kraft bedeutet, subjektiv zum Kindeswohl entscheiden zu wollen, wenn man selber mit dem getrennt lebenden Partner nicht mehr so harmoniert, und dann zu überlegen, was ist für das Kind gut, wie entscheide ich oder entscheide ich hier tatsächlich zu des Kindes oder zu meinem Wohl. Das abzuwägen ist für Eltern manchmal nicht einfach.

Auch vor Gericht hat man häufig das Gefühl, daß diese Mutter-Kind-Einheit mit Zahlvater das Ideale nach der Trennung ist, und dem sollten wir entgegentreten. Darüber sind die Väter auch zu Recht unwillig, wenn man ihnen den Kontakt zu den Kindern erschwert.

Allerdings muß man dazu sagen, daß die Empörung nicht immer gerechtfertigt ist, denn es kann durchaus auch zur Ruhe innerhalb einer Beziehung beitragen, wenn man zum Beispiel einen streitsüchtigen Partner, der sich durch das geteilte Sorgerecht ständig einmischen kann, eine Weile fernhält und Ruhe in die Familie einkehren kann. Aber Väter bleiben dennoch wichtig, und das ist bei nichtehelichen Gemeinschaften natürlich noch ein bißchen komplizierter. Einmal können sich Väter, auch die ausländischen Väter, leichter aus der Verantwortung stehlen, und besonders – und ich sage dies ein bißchen vorsichtig, aber auch deutlich –, wenn Kinder strategisch gezeugt werden,