Aber ein Problem werden wir nicht lösen. Auch mit der besten Hundeverordnung und dem besten Waffengesetz werden wir die gesellschaftlichen Grundprobleme nicht lösen. Solange es Menschen gibt, die ausgegrenzt werden, die glauben, ihre Persönlichkeit durch Machtdemonstrationen aufwerten zu müssen, so lange werden wir leider auch immer wieder unschuldige Opfer haben.
Die Kollegen von der SPD können sich gern darüber aufregen. Ihr Innensenator hat doch zum Beispiel im Zusammenhang mit der Hundeverordnung bundesweit dazu aufgefordert, daß auch Messer in das Waffengesetz mit ein
bezogen werden, weil auch sie Waffen seien. Hier hat er recht. Es gibt viele Waffen, und der Mensch ist dabei der Handelnde. Viele Menschen glauben auch, ihr Auto sei eine Waffe, und setzen es als solche im Straßenverkehr ein. Jede Tote oder jeder Toter ist eine beziehungsweise einer zuviel. Das müssen wir auch besser in den Griff bekommen.
Weil Sie sich ein wenig erregt haben, möchte ich Ihnen ein Beispiel nennen. In Wilhelmsburg wird zur Zeit darüber diskutiert, wie man weiter vorgehen will. Es gibt nicht nur die gestern überreichte Unterschriftensammlung, sondern es gibt eine Reihe von Initiativen, wie zum Beispiel die von den Schulen, Elternräten, Häusern der Jugend, die danach fragen, wie es weitergehen soll. Sie begrüßen diese Hundeverordnung, sagen aber auch, daß die Ursachen hinterfragt werden müssen, was eigentlich die Armut in Wilhelmsburg bewirkt, wie man diese Kampfhunde quasi als Ausdruck einer sozialen und gesellschaftlichen Schieflage wieder entfernen und was vor allen Dingen gegen diese Schieflage unternommen werden kann.
Sie haben recht zu sagen, Herr Christier, daß wir an Wilhelmsburg denken müssen. Diese Initiative und auch Wilhelmsburg sollten wir unterstützen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute vor zwei Wochen hat der Senat eine neue Hundeverordnung erlassen und der Bürgerschaft einen Gesetzentwurf zur Änderung des SOG sowie einen Entwurf zur Änderung des Hundesteuergesetzes zugeleitet. Hierüber haben Sie heute zu entscheiden.
Hamburg macht mit diesen Gesetzesänderungen, mit dieser Verordnung, unmißverständlich deutlich: Für Kampfhunde gibt es in unserer Gesellschaft, in unserer Stadt keinen Platz.
Frau Sudmann, Hunde, die als Waffen herangezüchtet, ausgebildet und mißbraucht werden, kann und darf es in Hamburg nicht mehr geben.
Spielplätze, Schulhöfe, Parkanlagen und Gehsteige dürfen keine Angsträume sein. Das ist unser Ziel. Und dieses Ziel werden wir mit aller Konsequenz, mit allem Nachdruck und auch mit aller gebotenen Härte umsetzen.
Daran gibt es für mich keinen Zweifel: Die Hamburgerinnen und Hamburger stehen hinter diesem Ziel.Das haben nicht nur die Umfragen, sondern auch die Reaktionen aus allen Teilen der Bevölkerung, aus allen Parteien, aus Politik und Gesellschaft gezeigt.
Darin bestätigen mich auch die vielen Briefe, die ich aus den Schulen erhalten habe. Man staunt wirklich, wie viele Kinder diese Angsterfahrung mit den Hunden in den letzten Jahren gemacht haben. Das ist erschreckend.
Dies haben nicht zuletzt die Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger gestern noch einmal nachdrücklich unterstrichen, als sie mir über 4500 Unterschriften für ein Kampfhundeverbot übergeben haben.
Der entsetzliche Tod des kleinen türkischen Jungen Volkan hat unsere Stadt tief erschüttert.Er hat uns auch deswegen so getroffen, weil wir gewußt haben – das sage ich in aller Klarheit –, welche Tiere in unserer Stadt leben. Daher hatten wir auch unmittelbar nach dem Beschluß der Innenministerkonferenz im Mai dieses Jahres, der auf maßgebliche Initiative Hamburgs zustande gekommen war, mit der Ausarbeitung einer neuen Hundeverordnung begonnen. Diese Arbeiten standen – bis auf die Klärung weniger Fragen – vor dem Ereignis am 26. Juni kurz vor ihrem Abschluß.
Nur weil diese Arbeiten so weit fortgeschritten waren, waren wir überhaupt in der Lage, durch einen Kraftakt – ich kann Ihnen versichern, daß dies einer war – schon zwei Tage später die neue Verordnung im Senat beschließen zu können.
Lassen Sie mich dieses hinzufügen, weil es mich persönlich in ganz besonderer Weise bewegt hat: Als zuständiger Senator habe ich 1991 maßgeblich an der ersten deutschen Kampfhundeverordnung mitgewirkt. Dabei wurde ebenfalls an die Zugehörigkeit zu einer Rasse angeknüpft. Diese Verordnung ist vor den Gerichten durch Kampfhundebesitzer zu Fall gebracht worden. Man hielt es für unzulässig, an Rassen anzuknüpfen, und verlangte im Einzelfall einen Nachweis der Gefährlichkeit.
Es wird in der Berichterstattung so gern vergessen: Es waren Gerichte in der gesamten Bundesrepublik – nicht nur das Hamburger Verwaltungsgericht –, die entsprechend urteilten. Lediglich das Bayerische Verfassungsgericht machte eine Ausnahme und ermöglichte daher die viel zitierte „bayerische Regelung“.
Unsere Stadt hat sich in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag vor zwei Wochen spürbar verändert. Hunde der in der Verordnung aufgeführten Rassen sind – wenn man sie überhaupt noch in der Öffentlichkeit sieht – angeleint oder tragen einen Maulkorb. Über 2500 Anruferinnen und Anrufer haben sich bei der eingerichteten Hotline erkundigt oder Meldungen über Hunde abgegeben. Die Polizei ist in 346 Fällen aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung oder aufgrund eigener Wahrnehmung tätig geworden. Das Tierheim in der Süderstraße hat in den letzten vierzehn Tagen zahlreiche Tiere aufgenommen, die von der Polizei gebracht oder von ihren Haltern abgegeben wurden.
Lassen Sie mich folgendes hinzufügen: Die Zusammenarbeit mit dem Tierschutzverein war konstruktiv; es gab nahezu täglich Kontakte und gemeinsame Absprachen. Ich bin zuversichtlich, daß sie auch in Zukunft in diesem Sinne fortgesetzt werden wird.
Was die heute geäußerten Befürchtungen angeht, kann ich nochmals das wiederholen, was in aller Klarheit in der Verordnung steht. Schon aus Gründen des Tierschutzrechts
erfordert die Tötung von Tieren eine Prüfung im Einzelfall. Selbstverständlich bleibt es dabei; daran ändern auch unsere heutigen Beschlüsse nichts. In der ganzen Stadt wird gemeinsam mit aller Kraft daran gearbeitet, diese Verordnung umzusetzen, ihren Vollzug zu sichern und die Stadt von gefährlichen Hunden zu befreien.
Herr Vahldieck, ich gebe Ihnen völlig recht, was die Frage der Umsetzung von Verordnungen angeht. Diese Veränderung über Nacht hätte eine Verordnung zu einem anderen Zeitpunkt so nicht bewirken können. Dies hängt eben auch mit dem gesamten Bewußtsein der Bevölkerung zusammen. Allen, die daran beteiligt waren und sind, möchte ich herzlich für ihren Einsatz danken. Danken möchte ich auch den Schulpsychologen, dem Roten Kreuz, dem Lehrerkollegium in der Schule Buddestraße, der Polizei vor Ort und allen, die den Schülerinnen und Schülern in Wilhelmsburg bei der Verarbeitung des Erlebten helfen. Danken möchte ich auch allen anderen Polizistinnen und Polizisten für ihre Wachsamkeit und ihren Einsatz, der Tierärztekammer für Beratung und Kooperation und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Bezirks- und Ortsämtern.
Selbstverständlich läßt sich die Umsetzung einer solchen Verordnung nicht über Nacht regeln. Damit es dennoch so schnell wie möglich geht, habe ich eine Lenkungsgruppe auf Staatsratsebene eingesetzt, die den Umsetzungsprozeß begleitet und steuert. Wir kommen Tag für Tag weiter voran.Gestern wurde ein Informationsblatt für Hundehalter herausgegeben, heute morgen ist das neue Team des Bezirksamts Mitte erstmals zur Kontrolle und zum Aufspüren von Hunden ausgerückt, und in den nächsten Tagen finden weitere Einstellungsgespräche zur Verstärkung dieser Truppe statt. Häme über Schwierigkeiten und Anfangsprobleme können wir nicht gebrauchen; sie ist unangemessen und im übrigen auch ungerechtfertigt.
Die Situation in den anderen Bundesländern, die erst nach und nach ihre Ankündigungen umsetzen und uns zum Vorbild nehmen, zeigt, wie weit wir in Hamburg bereits sind. Der Blick über die Ländergrenzen macht aber auch deutlich, daß wir das eingelöst haben, was vor zweieinhalb Wochen versprochen wurde:Wir haben in Hamburg zum einen eine klare Hundeverordnung, weil wir Handel, Zucht und Ausbildung eindeutig untersagen, und zum anderen haben wir klare Vorschriften über die Untersagung, die Einziehung und auch Tötung von Hunden in Gesetz und Verordnung aufgenommen. Vor allem aber wollten wir nicht nur Regelungen für die Zukunft treffen, sondern es sollten auch bereits vorhandene Kampfhunde unter die neue Regelung fallen. Das hat eine Reihe von Konsequenzen, über die wir uns alle einig sein müssen.
Die Verordnung greift in bestehende Rechte ein, insbesondere in die Eigentumsrechte bisheriger Halter.Es wird – ich wiederhole das – auch zur Tötung von gefährlichen Hunden kommen. Alles andere wäre ein Verbreiten von Illusionen. Es wird selbstverständlich auch vielfach dazu kommen, daß Hundebesitzer ihre Hunde gegen ihren Willen abgeben müssen. Weil aber gerade die Verordnung in verfassungsmäßige Rechte eingreift und auch die Belange des Tierschutzes zu berücksichtigen sind, mußten in der Verordnung sehr sorgfältige und differenzierte Regelungen getroffen werden.
Daher ist es auch keineswegs verwunderlich, daß insbesondere in den ersten Tagen die Regelungen für die unterschiedlichen Fallgruppen nicht in eineinhalb Schlagzeilen zu fassen waren. Verständlicherweise gab es besonders viele Fragen von den Hundehaltern in der Bevölkerung.Die
nachlassende Anzahl der Anrufe bei der Hotline zeigt mir allerdings, daß viele dieser Fragen inzwischen geklärt sind; auch das neue Faltblatt wird weitere Aufklärung leisten. Auch hier gilt mein Appell, wenn ich an die Zeitungslektüre von heute morgen denke: Tragen Sie zur Aufklärung und Nüchternheit bei!
Eines dürfen wir nicht zulassen: Weder in der öffentlichen Diskussion noch in den Medien darf jeder Einzelfall zum Anlaß genommen werden, die klare und einheitliche Zielrichtung der Verordnung wieder aus den Augen zu verlieren. Wir wollen keine Kampfhunde in dieser Stadt. Die Erfahrung hat gezeigt, daß es eben nicht reicht, auf die bewiesene Gefährlichkeit im Einzelfall zu warten. Es bleibt daher nur die Anknüpfung an die Rassen mit allen Konsequenzen. Das sei allen Kritikern unserer Regelung gesagt. Alle anderen Regelungen wären administrativ nicht handhabbar und auch rechtlich immer unendlich schwierig.
Die Damen und Herren auf der Pressetribüne erlauben mir, sofern sie sich angesprochen fühlen, diesen Hinweis: Es kann nicht sein, daß zunächst mit großen Lettern das Verbot des Haltens von Kampfhunden gefordert wird und zwei Tage später Bilder der weinenden Kampfhundebesitzer abgedruckt werden.
Aber – und das sage ich als langjähriger und überzeugter Hundebesitzer – eine Hetzkampagne gegen Hundehalter und Anpöbeleien auf der Straße gehören nicht in unsere Stadt; auch das müssen wir alle gemeinsam verhindern.
Wir haben ein klares Ziel, ein klares Konzept und gehen den geraden Weg. Diesen Weg haben wir gemeinsam begonnen, und alle in der Stadt sollten ihn auch in Zukunft gemeinsam gehen. Es würde mich daher sehr freuen, wenn die Bürgerschaft heute diesen gemeinsamen Willen mit einem einstimmigen Beschluß unterstreichen würde. Ich bin hinsichtlich der heutigen Diskussion sehr ermutigt.– Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei oder drei Bemerkungen möchte ich noch machen.
Herr Vahldieck, Sie haben in Ihrer Einleitung ein wenig suggeriert – so habe ich es verstanden –, daß der kleine Volkan vielleicht noch leben könnte, wenn in Hamburg eine andere Politik gemacht würde. Wenn Sie es nicht so gemeint haben, ist es okay; wenn Sie es so gemeint haben, wäre es schade. Denn im Gesundheits- und Innenausschuß haben Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen durch die Mitarbeit und die konstruktive Kritik gezeigt, daß das Thema im gesellschaftlichen Miteinander bewegt und gelöst werden muß.