Protocol of the Session on June 22, 2000

Ihr Antrag mit den Forderungen nach globalrechtlichen und Fachlichen Weisungen richtet sich gegen die Chancen, über zunächst befristete und niederschwellige Arbeitsverhältnisse in ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis zu gelangen. Er richtet sich auch mit versteckter und unhaltbarer Kritik gegen die Zeitarbeitsunternehmen unserer Stadt, und das ist einfach unseriös. Ihr Antrag ist eines jener Instrumente, die einen aktiven Beitrag dazu leisten, die Arbeitslosigkeit in dieser Stadt weiter zu verwalten, und das Begehren derer, die es einfach satt haben, weiterhin einen Dauerparkplatz in der Sozialhilfe zu haben, mit Füßen treten.

Die Zielsetzung ist und bleibt es, mit wirkungsvollen Instrumenten der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik Hilfeempfänger unter ihrer eigenen Mitwirkung aus der Sozialhilfe zu lösen, wieder Chancen und Perspektiven eines von Hilfesystemen unabhängigen Lebens zu vermitteln. Dazu haben wir, die CDU-Fraktion, mit unseren parlamentarischen Initiativen und Anträgen – dabei erinnere ich an unseren Antrag Kombi-Lohn und den Antrag zur Eingliederung von Hilfeempfängern mit Kindern – immer wieder richtige Beiträge und Denkanstöße geliefert.

Meine Damen und Herren, diesen Weg müssen wir gehen. Wir müssen die Instrumente der Zugangssteuerung ausbauen und optimieren. Wir müssen aber auch im Rahmen einer effizienteren Wiedereingliederung und Zugangssteuerung – das geht an Ihre Adresse, Frau Senatorin – den Mut haben, uns Modellprojekten, die im Ausland und in benachbarten Bundesländern – siehe Job-Center – erfolgreich sind, nicht zu verschließen.

Den vorliegenden Antrag lehnen wir daher ab, denn er ist mehr hinderlich, als daß er dem Anliegen vieler arbeitsuchender und arbeitswilliger Hilfeempfänger gerecht wird. Es muß auch bedacht werden, daß die Mittel der Sozialhilfe nicht wie ein Regenbogen am Himmel erscheinen, sondern daß jede Mark, die wir für unsere Hilfesysteme aufwenden, erarbeitet und in unseren Haushalt eingestellt werden muß.

(Uwe Grund SPD)

Daher müssen auch Hilfeempfänger entsprechend ihrer individuellen Möglichkeit aktiv in die Hilfeplanung einbezogen werden.Sie müssen es in Kauf nehmen, daß, wenn sie sich ihrer gesetzlichen Verpflichtung und dem Mitwirkungsersuchen nach Arbeit verweigern und sich einer ihren persönlichen Fähigkeiten und Belastbarkeiten zumutbaren Arbeit widersetzen, die gesetzlichen Regelungen des BSHG durch Kürzungen der Sozialhilfe greifen.

Meine Damen und Herren, der Antrag ist abzulehnen, denn er ist nicht hilfreich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Doris Mandel SPD)

Das Wort hat Frau Franken.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Zur Arbeitsvermittlung von Sozialhilfeempfängern gibt es eine Menge zu sagen. Ich habe mich beim Antrag der REGENBOGEN-Gruppe ein wenig gewundert, daß er das Pferd von hinten aufzäumt, sich nämlich nur mit dem Ablehnungsrecht der Sozialhilfeempfänger beschäftigt und nicht darauf eingeht, daß angebotene Arbeit auch eine Chance für Sozialhilfeempfänger beinhaltet.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich denke, das oberste Ziel rotgrüner Politik sollte sein, die Ausgrenzung von Menschen zu verhindern. Für mich heißt das auch, den Sozialhilfeempfängern an vorderster Stelle eine Chance in die Arbeitswelt einzuräumen. Beide Bereiche sind schon angesprochen worden, bei dem der Verweis auf Arbeit eine Rolle spielt. Zunächst gibt es jetzt bei den Bezirken die Stellen „Hilfe zur Arbeit“, die bereits mit Menschen arbeiten, die Sozialhilfe beziehen. Dort wird zusammen mit den Hilfeempfängern ein Hilfe- und Maßnahmenplan erarbeitet, in dem auf die persönliche Situation der Hilfeempfänger eingegangen wird. Bei Bedarf werden den Hilfeempfängern Maßnahmen zur weiteren Qualifikation angeboten, und man versucht auch, diesen Menschen paßgenau nach seinen Fähigkeiten in Arbeit zu vermitteln. Ich denke, das Bild, das hier gerade vom REGENBOGEN aufgezeigt wurde, ist nicht richtig. Die Menschen werden nicht einfach auf einen Arbeitsplatz verwiesen und damit allein gelassen, sondern sie werden bei der Suche nach einem Arbeitsplatz wirklich unterstützt.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Auch vom Bezirksamt Altona?)

Moment! Zum Bezirksamt Altona komme ich gleich noch, Frau Sudmann.

Zumindest unterstützt die GAL die Arbeit der Stellen „Hilfen zur Arbeit“. Wir werden weiterhin darauf achten, daß Stellen möglichst sozialversicherungspflichtig, tarifgerecht und existenzsichernd sind, weil wir eine Perspektive für die Sozialhilfeempfänger wollen und nicht möchten, soweit diese Menschen wieder arbeitslos werden, daß sie beim Sozialamt erneut erscheinen, es also eine hohe Rücklaufquote gibt; das muß auf jeden Fall vermieden werden.

Dann gibt es den zweiten Bereich, das betreffend, was im Sozialamt Altona passiert ist. Dort hat es durch die Äußerung der sozialpolitischen Opposition in Hinblick auf die Praxis des Sozialamtes Altona in der Öffentlichkeit eine Debatte gegeben. Dort geht es gar nicht um die Hilfen zur Arbeit, sondern um den zweiten Bereich, die sogenannte Zugangssteuerung.Dort wird zunächst einmal behauptet, daß Menschen, die ergänzende Sozialhilfe beantragen, an

scheinend, wenn überhaupt, nur noch eine ein- bis viermonatige Überbrückungszeit für Sozialhilfe beim Sozialamt bekommen und danach angeblich pauschal auf 624-DMJobs verwiesen werden.Falls das so ist, würde ich in Frage stellen, ob das der richtige Weg ist.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Nur in Frage stellen?)

Ich denke, ein Verweis auf den Kleinanzeigenteil in der „Bild“-Zeitung reicht wirklich nicht aus. Die GAL denkt in diesem Fall, daß auch diese Menschen den Weg in die Sozialhilfe erst einmal bekommen müßten und daß mit ihnen gemeinsam, so ähnlich wie bei denen, die bei den Hilfen zur Arbeit angesiedelt sind, eine Art Hilfeplan erstellt werden muß. Auch diese Menschen müssen in irgendeiner Form Angebote erhalten, wie sie beispielsweise ihre berufliche Qualifikation verbessern können. Darauf müssen wir ein wenig mehr achten. Die GAL hat mit dem Bezirksamt Altona einen Termin vereinbart, bei dem wir mit dem Bezirksamtsleiter und dem Sozialdezernenten das Verfahren, das jetzt in der Debatte ist, besprechen werden, um zu überprüfen, inwieweit das, was jetzt alles kritisch geäußert wurde, wahr ist. Wir bleiben am Ball.

Ich finde das Bild des REGENBOGENS, was aufgezeichnet worden ist, daß die jetzige Praxis der Sozialämter schon dazu führt, daß die Leute in Niedriglohnsektoren und Tarife bei Löhnen und Gehältern gedrückt werden, völlig überzogen. Deswegen halte ich derzeit auch nichts davon, eine Globalrichtlinie zu erlassen. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Frau Uhl.

Herr Grund, wenn Sie schon rechtzeitig dagewesen wären, hätten Sie mitbekommen, daß ich sehr viel über soziale Rechte geredet habe

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Gelesen!)

und über den Freiheitsgedanken, der auch in der Gewährung von sozialen Rechten seitens eines Wohlfahrtsstaates besteht.

Ich habe hier zu keinem Zeitpunkt gesagt, daß wir irgendeinen Menschen zwingen wollen, eine Arbeit nicht anzunehmen, wenn er dies will. Was wir wollen, ist, daß ein Mensch entscheiden kann, ob er diese Arbeit tun will, obwohl keine Mindeststandards eingehalten werden. Diese Wahl haben Sozialhilfeempfängerinnen in Hamburg nicht mehr. Das ist die Entscheidungsfreiheit, ob er eine Arbeit ausführen möchte, die nicht gewisse Mindeststandards hat.

Es ist nicht nur ein Bescheid, der uns aus dem Sozialamt Altona vorliegt, sondern es sind sehr viele; die Textbausteine sind unverkennbar.In diesen Bescheiden – das muß ich für Sie leider noch einmal wiederholen, Herr Grund – wird pauschal auf Billigjobs und auf einen Stellenmarkt, beispielsweise in der „Bild“-Zeitung, verwiesen. Ohne Zeitarbeit per se abzulehnen:Es gibt viele Zeitarbeitsfirmen – das wissen Sie auch –, bei denen keine Tarifverträge bestehen und die in solche nicht eingebunden sind.

Im Sozialamt Altona gibt es beispielsweise den Fall eines Mannes, der von der Sozialdienststelle unter Androhung der Streichung seiner Sozialhilfe aufgefordert wurde, sich bei einer Öltanker-Reinigungsfirma zu bewerben.Diese Arbeit sollte mit nur 11,50 DM pro Stunde bezahlt werden. Ei

(Rolf-Rüdiger Forst CDU)

nen solchen Tarifvertrag haben noch nicht einmal die Gewerkschaften unterschrieben.

Als der Mann von dieser Firma abgelehnt wurde, war nicht etwa die Mitarbeiterin der Sozialdienststelle auf die Firma wütend, sondern auf ihn mit der Konsequenz, ihm die Leistung zu streichen.Das ist die Wirklichkeit in Hamburg, Herr Grund, die uns veranlaßt, mit Ihnen eine Diskussion über Mindeststandards zu führen, um Menschen ihre Rechte zurückzugeben. Das ist das Ziel dieses Antrags.

Wenn Sie sagen, daß Sie viel davon mittragen können, dann müssen Sie das so verbindlich festlegen, daß es nicht mehr zu diesen vielen bedauerlichen Einzelfällen kommt. Es sind keine Einzelfälle mehr, sondern ein systematisches Herangehen von Sozialdienststellen. Sie wissen, wie die Programme dazu heißen: Loslösung und anderes.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Deswegen geht es um diese Mindeststandards, um nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort hat Herr Grund.

Was, Frau Uhl, ist an Stellenanzeigen der „Bild“-Zeitung eigentlich Schlimmes?

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Daß sie keine Zusage...!)

Ich möchte trotzdem eine Replik machen. Frau Uhl, ich kenne, was Sie geschrieben und veröffentlicht haben, und ich kenne entsprechende Aussagen und Briefe von Sozialämtern. Sie unterliegen einem realen Irrtum. Offensichtlich hat sich bei Ihnen eingeschlichen, daß es ein Wahlrecht zwischen Sozialhilfe und Arbeit gibt. Das gibt es nicht, Frau Uhl.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger sind nach Gesetz verpflichtet zu arbeiten, Frau Uhl, und die Sozialämter sind verpflichtet, sie dabei zu unterstützen. Nichts anderes erwarten wir, als daß diese gesetzlichen Regelungen unterstützt werden.

Niemand bedauert mehr als ich, daß in dieser Stadt sehr viele Arbeitsverhältnisse ohne tarifliche Grundlagen existieren.Es gibt aber einen guten Weg, das zu ändern.In der Regel liegt es in der Hand der Arbeitnehmer, indem sie sich organisieren, mit ihren Gewerkschaften gemeinsam etwas zu unternehmen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Dann kann man sehr wohl dafür sorgen, daß mancher Betrieb, der davon verschont wurde, mit dem Glück eines Tarifvertrages beseelt wird. Daran will ich gern mit Ihnen gemeinsam arbeiten. Aber zu sagen, Sozialhilfeempfängern in dieser Stadt könne nicht zugemutet werden, ohne Tarifverträge zu arbeiten, obwohl Tausende von Arbeitnehmern dieses müssen, ist jenseits von allem, was Gut und Böse ist.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Frau Uhl, meine Damen und Herren von der REGENBOGEN-Gruppe, wir sind bei Ihnen.

(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Um Gottes willen!)

Wenn es im Einzelfall wirklich Fehlverhalten geben soll, dann muß man dem nachgehen, und wo Fehlverhalten vorhanden ist, werden wir es, wenn Sie uns dabei unterstützen, auch abstellen. Pauschale Verdächtigungen lehnen wir ab. Wenn Sie den Eindruck erwecken wollen, es gebe ein Wahlrecht, werden wir dem nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)