Es ist leider ein etwas ernsteres Thema. Am 1. März dieses Jahres hat die Mehrheit der Bürgerschaft mit einem Änderungsantrag die sofortige und vollständige Rücknahme der Verschärfungen der Hamburger Abschiebepraxis – wie von REGENBOGEN gefordert – abgelehnt und den Senat statt dessen aufgefordert, bis zum 5. April seine Abschiebepraxis darzustellen.Dieser Termin ist lange überfällig.Aus welchen Gründen wurde der Bericht des Senats der Bürgerschaft bisher nicht zugeleitet, wenn er doch eine Bestandsaufnahme des vorangegangenen halben Jahres ist? Das heißt, welche unterschiedlichen Geschichtsschreibungen existieren im Senat über die Hamburger Wirklichkeit des vorangegangenen Halbjahres?
Zweite Frage. Vertritt der Senat nach wie vor die Auffassung, daß er sich bei dem in Rede stehenden Zeitraum und auch heute auf der Grundlage der politischen Vereinbarung vom Sommer 1999 zwischen GAL und SPD bewegt?
Frau Präsidentin, Frau Abgeordnete! Die zuständige Fachbehörde hat dem Senat einen sehr umfangreichen Berichtsentwurf zu diesen bürgerschaftlichen Ersuchen vorgelegt. Hierzu gibt es noch Erörterungsbedarf; die Erörterungen sind noch nicht abgeschlossen.
Ich muß noch einmal nachfragen, denn die zweite Frage bezog sich auch auf die Position des Senats, das heißt, ob der Senat die Auffassung vertritt. Ist der gesamte Senat in einhel
liger Auffassung, daß die gegenwärtige Hamburger Abschiebepraxis in Ordnung ist? Billigen auch die sogenannten grünen Senatoren, daß Familien auseinandergerissen werden, frühmorgendliche Abholungen stattfinden sowie Festnahmen in der Ausländerbehörde am Vortag der Abschiebung und daß keine Rücksicht auf Krankheit und Traumatisierung genommen wird?
Frau Abgeordnete, dieses alles ist Gegenstand des Berichtsentwurfs.Die zuständige Fachbehörde vertritt die Auffassung: Ja.
Teilt der Senat vor diesem Hintergrund meine Auffassung, daß die politische Auszeit, die er sich gegenwärtig nimmt – indem dauernd Gespräche, aber keine Veränderungen stattfinden –, bis zur Vorlage des Berichts zu Lasten von Menschen geht, wenn die Innenbehörde bis dahin genau die Politik betreibt, die sie will?
Frau Abgeordnete, ich teile Ihre Bewertung nicht. Die zuständige Behörde hat nach Recht und Gesetz vorzugehen, und das tut sie.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Einer Meldung der „Süddeutschen Zeitung“ nach untersucht die Stadt München derzeit die Frage, ob während der NS-Zeit Stiftungen jüdischer Mitbürger aufgehoben und ihr Vermögen anderen Stiftungen einverleibt worden seien.
Ist dem Senat bekannt, ob und inwieweit Hamburger Stiftungen jüdischer Mitbürger während der NS-Zeit entschädigungslos Vermögen entzogen worden ist?
Herr Abgeordneter, meine Damen und Herren! Wir sind in der Lage, über den Umgang mit jüdischen Stiftungen in Hamburg durch eine Dissertation, die im Jahre 1996 just zu diesem Thema von Herrn Günter Hönecke über jüdische Stiftungen und Legate bis 1943 geschrieben wurde, ein bißchen genauer Bescheid zu wissen.
Danach sind die jüdischen Stiftungen, bezogen auf das gesamte Reich, auch in Hamburg zunächst in das Eigentum der jüdischen Religionsgemeinschaft überführt worden: Das restliche Stiftungsvermögen wurde ab dem Jahr 1943 vom Reichssicherheitshauptamt eingezogen. Darüber hinaus diente im Verlaufe der Jahre vorher ein Teil dieses Stiftungsvermögens insbesondere Stiftungszwecken, die für die jüdische und nichtjüdische Bevölkerung gedacht waren. Seitens der damaligen NS-Herrschaft wurde dann gesagt, daß nur nichtjüdische Deutsche in den Genuß der Stiftung kommen dürften.Ein Teil der Stiftungsvermögen ist dann an
bestehende Hamburger Stiftungen überführt worden. Wo dieses der Fall ist, haben die bestehenden Hamburger Stiftungen heute in ihren Stiftungsdokumentationen darauf hingewiesen und es ausdrücklich erwähnt.
Wir sehen im Moment keine Entschädigungsforderungen, und es gibt auch keine Diskussionen dazu.Wir übersehen im Moment nicht, inwieweit sich ohnehin mögliche Entschädigungsdebatten im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Debatte über die Fondsbildung abgespielt haben. Ein eigenständiges Entschädigungsinteresse sehen wir hier weniger, zumal es keine Entschädigung ist, die einer bestimmten Person zugeleitet werden könnte.Stiftungen sind gerade dadurch definiert gewesen, daß sie keiner bestimmten Person gehörten, sondern für Zwecke verwendet werden sollten, die im Interesse der jüdischen Stifter lagen. Da dieses Stiftungsvermögen, soweit Übergänge stattgefunden haben, im Besitz der Stiftungen geblieben ist und die Stiftungen darauf verwiesen haben, daß sie zum Teil auf solche Quellen zurückgehen, gehen wir davon aus, daß auch bei der jetzigen Verwendung von möglicherweise überführten Stiftungsvermögen Gesichtspunkte der damaligen Stifter noch eine Rolle spielen werden.
Herr Senator Maier, wenn ich es richtig verstehe, wurde damals ein Teil der Begünstigten, nämlich die jüdischen Personen, aus dem Kreis der Begünstigten ausgeschieden und das von jüdischen Stiftern zur Verfügung gestellte Vermögen ist nur deutschen Begünstigten zugute gekommen. Das Stiftungsgeld ist doch noch vorhanden.
Ich will auf den Kern der Frage kommen. Wenn das Geld heute noch bei deutschen Stiftungen vorhanden ist, gäbe es dann nicht eine Möglichkeit, es jüdischen Begünstigten zur Verfügung zu stellen?
Ich übersehe die juristischen Komplikationen nicht, gehe aber davon aus, daß es sich weniger um Geld als um Gebäude handelt, die als Stifte genutzt worden sind. In solchen Stiften durften zum Teil Deutsche jüdischen Glaubens nicht mehr aufgenommen werden, sondern nur noch nichtjüdische Deutsche. Das galt aber nicht für alle Gebäude, sondern drei dieser damaligen Stifte waren bis zum Jahre 1942, als die Deportationen auch in die Masse griffen, ausschließlich der jüdischen Bevölkerung vorbehalten. Wo solche ehemaligen Stiftungen und Stifte existieren, wenden sie sich an die Menschen, die heute hier in Hamburg leben. Ich gehe davon aus, daß da, wo eine Stiftung auf diese Weise in die Verfügung über ein
Gebäude gekommen ist und darauf hinweist, dieses bei ihrer Entscheidung über die Nutzung dieser Gebäude auch immer eine Rolle spielen wird.
Herr Senator, gehen Sie mit mir einig, daß die Möglichkeit bestünde, aus den Stiftungen, die diese Stifte etwa haben, eine Stiftungsausgründung vorzunehmen, die nur jüdischen Mitbürgern zugute kommt? Oder wäre es möglich, einem Treuhänder diese Stifte anzuvertrauen, so daß – was der eigentliche Zweck der Frage des Kollegen Klooß ist – jüdische Mitbürger in den Genuß dieses Stiftungsvermögens kommen, seien es Gebäude oder finanzielle Leistungen?
Es war keineswegs so, das sagte ich zu Anfang, daß bei diesen jüdischen Stiftungen der Stiftungszweck ausschließlich auf Juden gerichtet war, sondern er war nicht spezifiziert. Er ist dann von der damaligen Reichsregierung erzwungen worden, auf Nichtjuden ausgerichtet zu werden. Ich weiß nicht, ob es heute angemessen wäre, sozusagen im Gegenschlag zur damaligen Reichsregierung gegenüber dem ursprünglichen Stiftersinn zu sagen, das Vermögen solle jetzt nur Juden zugute kommen. Hinzu käme noch, daß die Vermögenstransaktionen, die längst schon stattgefunden haben, in der Größendimension vermutlich nur noch schwer zu übersehen sein werden und nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden könnten. Denn die heutigen Stiftungen, die möglicherweise über solche Teilsummen verfügen, müßten erst einmal in den rechtlichen Zustand versetzt werden, indem sie ihnen wieder aberkannt werden.
Sehen Sie sich hier und heute in der Lage, diese Stiftungen, die heute über das Vermögen verfügen, zu benennen? Wenn nein, wie kann man Kenntnis darüber erlangen, welche Stiftungen das sind?
Ich sehe mich nicht dazu in der Lage, diese zu benennen. Ich kann Ihnen aber sagen, daß die Dissertation von Herrn Hönecke, die sehr viel breitere Informationen enthält, noch in diesem Jahr im Verlag Dölling und Galitz erscheinen soll und daß die Senatskanzlei einen Druckkostenzuschuß dafür zugesagt hat, so daß die Informationen, die wir durch diese historische Forschung haben, dann auch jedem von Ihnen unmittelbar zugänglich sein werden.
Weitere Zusatzfragen sehe ich nicht. Dann rufe ich die nächste Fragestellerin auf. Frau Spethmann, bitte.
Am Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht sowie am Finanzgericht war jüngst einige Unruhe wegen des bevorstehenden Umzugs in das Justizforum Ost zu verzeichnen.Tatsächlich ist der Bürgerschaft die Grundsatzentscheidung bezüglich eines Umzuges nicht mitgeteilt worden.
Erstens: Auf welche Summe belaufen sich die Gesamtkosten für einen Umzug der Gerichte in das Justizforum Ost?
Zweitens: Hat es einen Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen dem jetzigen und dem geplanten Zustand gegeben?
Frau Abgeordnete Spethmann, Sie haben die erste Frage, die uns schriftlich zugeleitet wurde, durch eine kleine Ergänzung für uns verständlich gemacht. Sie hieß im Ursprungstext: die Gesamtkosten für die Gerichte in das Justizforum. So haben wir uns überlegt, daß Sie vor allen Dingen die Mietkosten pro Quadratmeter meinen; natürlich stehen die Umzugskosten noch nicht fest. Ich gehe davon aus, daß Sie das jetzt auch im wesentlichen meinen. Dies als Vorwort.
Ich darf darauf hinweisen – das habe ich an anderer Stelle auf Ihre Fragen hin auch schon erläutert –, daß die Mietverhandlungen, die mit dem Investor unter Beteiligung der Liegenschaftsverwaltung, der betroffenen Richterräte, der Personalräte und der Gerichtsverwaltungen derzeit geführt werden, noch nicht abgeschlossen sind, und zwar weder hinsichtlich der Größe der Hauptflächen noch der Nebennutzflächen, noch der Archivflächen.Wir kennen auch den Inhalt der Bau- und Leistungsbeschreibung noch nicht.Wie es bei einem so großen Gesamtunternehmen üblich ist, müssen alle Nutzer ihre Ansprüche, Vorstellungen und Forderungen rechtzeitig einbringen, um daraus die möglichen Mietpreise zu ermitteln.