Silke Urbanski
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Sehen Sie sich hier und heute in der Lage, diese Stiftungen, die heute über das Vermögen verfügen, zu benennen? Wenn nein, wie kann man Kenntnis darüber erlangen, welche Stiftungen das sind?
Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Die Große Anfrage der SPD hat eine offene und selbstkritische Antwort erfahren; dafür erst einmal vielen Dank. Leider ist diese Antwort nicht in allen Punkten zufriedenstellend.
Wenn man sich, wie wir, für die Gleichstellung von Frauen an den Hochschulen einsetzt, muß man sich stets die Kritik gefallen lassen, daß dies eine Marginalie sei. Nein, das ist es nicht, denn wer dort Politik macht, der macht einen Angriff auf eine der letzten Hochburgen der Ausgrenzung von Frauen aus Führungspositionen. Obwohl Wissenschaftlerinnen und Studentinnen sehr große Qualifikation aufweisen, vollzieht sich in diesem öffentlichen Segment stets eine Benachteiligung von Frauen. Für uns also gute Gründe für politisches Engagement, insbesondere, wie mein Kollege Jan Riecken hier letztlich ausführlich dargelegt hat, da demnächst ein Generationswechsel unter den Professoren ansteht und Frauen „Wege nach oben“ in den Universitäten und Hochschulen geöffnet werden können. Wenn wir also über diese Große Anfrage und ihre vielen Informationen reden, müssen wir über Professuren reden.
Die Wissenschaftsbehörde begründet in der Antwort intensiv ihren Willen, Frauenförderung an den Hochschulen in Hamburg zu betreiben. Doch die Frage stellt sich, ob unsere Hochschulen bereit sind, mit dem anstehenden Generationswechsel auch eine Art Gender-Wechsel einzuleiten. Wer die Große Anfrage gut durchliest, kommt vermutlich zu der gleichen Schlußfolgerung wie ich: Das sind sie nicht. Mit 11,7 Prozent Frauen unter den Professoren liegt Hamburg nur im Mittelfeld des Bundesvergleichs. Es mag sein, daß wir dort bleiben, wenn sich nichts ändert. Drei Punkte zu dem, was man ändern könnte.
Erstens: Die Große Anfrage zeigt uns, daß es unter den Hochschulen und Fachbereichen in Hamburg ziemlich schlimme Jungs gibt. Das sind zum Beispiel die Wirtschaftswissenschaften.
Dort gibt es keine Professorin. An der gesamten TU Harburg sind nur zwei Frauen Professorinnen, eine C3- und C2-Professur, keine Frau auf C 4. Sogar die gute alte HWP hat nur drei Professorinnen.
Das reicht mir nicht, vielleicht mag es dir reichen, Genosse Hajen. – Schlimmer noch: Die TU hat noch nicht einmal einen Frauenförderplan. Bei der TU scheint also noch nicht einmal der Wille da zu sein, die Situation zu analysieren und zu ändern.
Die TU, die Wirtschaftswissenschaften und die HWP sollten durch die Politiker vielleicht über Leistungsvereinbarungen dazu gebracht werden, innovative Modelle zu ent
wickeln, um diesen Mißstand abzubauen, und zwar bevor die Generationen gewechselt haben.Dies avisiert leider die Antwort des Senats nicht. Sie sagt uns nicht, wie so etwas geschehen kann. Das zum Punkt schlimme Jungs.
Zweitens: Der unüberwindbare Abgrund für die Frauen. Frauen erreichen überdurchschnittliche Studienabschlüsse, und Frauen sind – auch wenn hier die Angaben der Großen Anfrage mangelhaft sind – unter den Promovierenden und Habilitantinnen in Hamburg gut vertreten. Aber damit endet die Freude. Auf C1-Stellen sind 30 Prozent unter den Wissenschaftlerinnen noch Frauen, aber unter den Professoren sind es nur noch 11;davor liegt der Abgrund.
Denn eines ist klar: Die Ausgrenzung von Frauen aus den Professuren geschieht bei den Berufungsverfahren. Die Herren setzen dort gnädig Frauen auf Platz drei der Berufungsliste und stellen dann die Männer ein.Was ist zu tun? Ich habe zwei Vorschläge, die ich durch den Vergleich mit anderen Hochschulen in anderen Bundesländern erarbeiten ließ.Angesichts des Patchwork-Lebenslaufs vieler Wissenschaftlerinnen müssen andere Qualifikationsmerkmale für die Berufung geschaffen werden als bisher. Man zähle also nicht mehr die Menge der Veröffentlichungen und schaue nicht darauf, ob die Frau auch besonders umfänglich habilitiert ist, sondern man versuche zu schauen, ob das der oder die richtige Lehrende für die Fakultät sei. Um darüber hinaus zu erreichen, daß unter diesen neuen Qualifikationskriterien dann auch Frauen eingestellt werden, gibt es ein geeignetes Prinzip, das Kaskadenprinzip. Bei Stellenbesetzungen an den Hochschulen sollte dieses meiner Meinung nach in Hamburg alsbald verbindlich sein. Es funktioniert so: Stellen einer höheren Qualifikationsstufe werden so lange mit Frauen besetzt, bis ihr Anteil unter den Professoren zum Beispiel dem Anteil an der nächstniedrigeren Qualifikationsstufe entspricht, das heißt, wir berufen so lange Professorinnen, bis wir 30 Prozent Professorinnen haben. Ich bin überzeugt, das würde einen Wechsel herbeiführen.
Drittens:An den Hamburger Hochschulen wird, seitdem ich dort studiert habe und arbeitete – das sind insgesamt 15 Jahre –, darüber diskutiert, wie man ein Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung installieren könne. An dieser Diskussion sind hochkompetente Professorinnen insbesondere von der Universität Hamburg beteiligt.
Die Große Anfrage verspricht uns die Einrichtung eines Studiengangs nach dem Vorbild eines jetzt schon vorhandenen Studiengangs an der HWP.Gewollt und nötig ist aber ein hochschulübergreifendes Forschungszentrum, das die Lehre in die Forschung implementiert. Es existieren Pläne, dieses Forschungszentrum zu schaffen, das auch frauenfördernd wäre, denn diese Studienform fördert die Erkenntnis über Frauenwelten und eröffnet neue Wissenschaftsgebiete und gesellschaftliche Räume für Frauen.
Das Parlament sollte der Debatte über die Große Anfrage und deren Antwort eine Initiative folgen lassen, die dazu führt, daß ein solches Zentrum eröffnet und besetzt wird, so daß alle Hochschulen – und nicht nur die HWP – daran teilhaben können.
Wenn man die Große Anfrage insgesamt beurteilt, dann kommt man zu folgendem Ergebnis:
Die Antwort des Senats zeigt einen Widerspruch zwischen der Erkenntnis des noch nicht Erreichten, der Mißstände,
und den Konzepten zum Handeln. Mit dem HSP III entfällt ein effektives Instrument der Frauenförderung. Daß aus den Restgeldern ein EXPO-Projekt gefördert wird, kann nicht darüber hinwegtrösten, daß wir dieses Instrument nicht mehr haben.
Die Große Anfrage zeigt, daß an Stelle des HSP III leider kein strukturiertes Vorgehen tritt, denn sonst hätte uns der Senat dieses darstellen können. Das macht er aber nicht. Die Datenlage ist lückenhaft, eine Evaluation ist noch nicht strukturiert angegangen worden. Es hilft auch nichts, daß die Große Anfrage auf das punktuell greifende EmmyNoether-Programm der Bundesregierung verweist. Das ist so, als wenn man einem Ertrinkenden einen Strohhalm reicht.
Zum Ende noch folgendes: Beim Lesen der Antworten auf die Große Anfrage frage ich mich:
Erstens:Warum ist die innovativ und effektiv arbeitende Koordinierungstelle für Frauenforschung mit so geringen Mitteln ausgestattet?
Zweitens: Wie viele Stellen für Habilitantinnen werden aus den Geldern des HSP IV geschaffen werden?
Und vor allem: Nachdem der Senat so viele Fragen beantwortet hat, frage ich den Senat: Was wird getan, damit alle bisherigen Instrumente zur Frauenförderung endlich greifen? Wann werden endlich große, effektive Instrumente eingesetzt? Wo sind die neuen Ideen, die lang anhaltenden, wirksamen Strukturen? Wie will es der Senat schaffen, daß zum Generationswechsel wirklich etwas getan wird? Diese Antworten stehen noch aus.
Liebe Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Gleichberechtigt und dennoch unterschiedlich, so sollen Mädchen und Jungen sich ihre Stadt erobern. Doch wie sieht die Präsenz von Mädchen und Jungen im öffentlichen Raum und insbesondere auf den Spielplätzen aus? Sehr unterschiedlich. Es gibt in dieser Stadt 167 Bolzplätze. Dort spielen überwiegend Jungen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich dort noch nie eine Mädchengruppe spielen gesehen. Auf Kinderspielplätzen trifft man kleine Mädchen mit Müttern. Doch ab dem Alter von zehn Jahren verschwinden die Mädchen aus dem öffentlichen Raum, dann ist nämlich das Zimmer der Freundin als Spielraum angesagt und bestimmt auch noch der Mädchentreff. Nur 19 Prozent der zwölfjährigen Nutzerinnen und Nutzer von Spielplätzen sind Mädchen. Warum? Traditionelle Spielplätze bevorzugen in ihrem Angebot tendenziell die Jungen.
In dieser riesigen Stadt gibt es bisher nur zwei Spielplatzangebote für Mädchen: die „Mädchenarena“ und die „Mädchenoase“. Die „Mädchenoase“ ist neu, sie begann ihre Arbeit 1999. Es handelt sich um einen betreuten Naturerfahrungsspielplatz. Modellcharakter hingegen hat die „Mädchenarena“, die mit Förderung des Senatsamts für die Gleichstellung in der letzten Legislaturperiode gebaut wurde. Das Herz dieser Anlage ist eine inzwischen hochbeliebte, forumartige, grasbewachsene Sitzgelegenheit zum Klönen. Weiterhin gibt es Tischtennisplätze und einen Beachballplatz. Hier sind Jungen geduldet, die Mädchen erwünscht, und die Regeln der Mädchen gelten. Dennoch müssen sie um ihre Regeln kämpfen, denn die „Mädchenarena“ ist kein Ghetto, sondern sie ist weiterhin öffentlicher Raum, und die Jungen wollen Ball spielen, und zwar überall.
In der Auseinandersetzung mit ihnen finden die Mädchen Kooperation und zeitweilig Betreuung. Beide Angebote ermuntern Mädchen, sich früh den öffentlichen Raum selbstbewußt anzueignen. Das ist ein essentielles Ziel von Gleichstellungspolitik. Sie erfordert, dafür zu sorgen, daß Mädchen und Jungen unter Beachtung aller Unterschiedlichkeiten der Zugang zu ihrer Lebenswelt gleich einfach, gleich leicht und gleich natürlich gemacht wird. Viele Mädchen wünschen sich Bewegung, viele mögen Fußball, Streetball und Beachball, aber nur, wenn Jungen nicht nerven. Aber ganz aussperren soll man die Jungen auch nicht, denn schließlich sind sie interessant, ganz besonders, wenn man ein Mädchen im Alter von ungefähr zehn Jahren ist.
Ich habe die Schülerinnen meiner sechsten Klasse befragt. Die sind gerade zwölf Jahre alt und wissen darüber Bescheid.
Was ist also zu tun? Beim politischen Handeln helfen Erfahrungen mit der „Mädchenarena“. Die besagen folgendes: Mädchen wollen Räume, in denen ihre Regeln gelten, und sie brauchen Unterstützung bei der Durchsetzung dieser Regeln. Mädchen brauchen Räume, in denen man sich gemütlich zum Klönen hinsetzen kann, wie das kleine Am
phitheater, das dem ersten Projekt seinen Namen gab. Außerdem mögen sie Natur; sie wollen sie beobachten und erforschen. Sie mögen Spielgeräte, die Schwung haben, wie Schiffsschaukeln. Sie mögen Spielgeräte, mit denen man sich sportlich betätigen kann. Viele von ihnen sagen, daß sie sich in der Bewegung ausprobieren wollen, ohne gefährliche, konkurrenzorientierte Spiele spielen zu müssen. All dies kann gute Spielplatzplanung gewährleisten. Die ausreichende Anpassung von Spielplätzen an die Bedürfnisse der Mädchen ist eine nachhaltige, langfristige, verantwortungsvolle und im Sinne der Gleichstellung absolut notwendige Maßnahme. Diese Anpassung nicht zu wollen, bedeutet zu fordern, daß sich Mädchen in ihren Wünschen den Bedürfnissen der Jungen anpassen müssen. Das ist falsch. Mädchen sind nur dann gleichberechtigt, wenn man ihre Bedürfnisse, so wie sie sie äußern, ernst nimmt und ihnen nicht politisch-pädagogisch oder weltanschaulich erklärt, was sie sich wünschen sollen.
Mädchen unterscheiden sich in ihren Wünschen und Bedürfnissen von Jungen. Dies muß man akzeptieren und danach handeln. Das wollen wir.
Was Mädchen vor allem brauchen, sind Raumplaner und Spielplatzarchitekten, die sich um ihre Bedürfnisse und um ihre Wünsche kümmern. Das gilt für die Spielplätze der Bezirke und auch für die Spielplätze, die im Rahmen des Wohnungsbaus entstehen.
Wenn wir heute diesen Antrag beschließen, wird sich an der Spielplatzkultur in Hamburg etwas ändern. Die Aufgabe, die wir damit dem Senat und über ihn den Spielplatzbauern geben, ist eine sensible Aufgabe, die Klugheit erfordert: Nämlich vor jedem Spielplatzbau oder -umbau herauszufinden, was die Bedürfnisse der anwohnenden Mädchen sind. Das bedeutet nicht, ambitionierte Studien in Auftrag zu geben. Das bedeutet einfach, die Mädchen in Schulen und Kindergärten zu fragen, welche Spielplatzgestaltung ihnen gefällt. Das bedeutet, auf die Erfahrungen des grandiosen Pilotprojekts „Mädchenarena“ zurückzugreifen. Wenn das geschieht, so hoffe ich, daß sich bald die Mädchen diese Stadt erobern wollen, zuallererst die Spielplätze.