Meine Damen und Herren! Was Sie hier an Ausstieg probiert haben, hätte nur dann wirklich einen Sicherheitssinn, wenn gleichzeitig überall um uns herum auch der Ausstieg stattfindet.
Sie haben aber eine Politik betrieben, die dem Ausland signalisiert, jetzt erst recht auf Kernenergie zu setzen,
denn Sie haben zu Recht darauf aufmerksam gemacht, daß wir eine Liberalisierung, Herr Schmidt, der Strommärkte haben, und gerade diese Liberalisierung der Strommärkte führt beim zentralen isolierten Ausstieg geradezu zu einem vermehrten Einfluß der ausländischen Energie, insbesondere des Stroms, und damit der Unsicherheit. Über 2600 Terawattstunden – mit der Vereinbarung Mülheim-Kärlich – lautet der sozusagen pauschal ausgehandelte Vertrag. Ich möchte Ihnen einmal klarmachen, was diese, genau sind es 2638 Terawattstunden, in DM Sonnenenergie kosten. 99 Pfennig Kilowattstunde Einspeisevergütung. Dies sind mehr als 2,5 Billionen DM.
Es handelt sich hier also um eine volkswirtschaftliche Gesamtgröße. Sie können ja auch gut rechnen. 2,5 Billionen DM sind selbst für ein wirtschaftlich mächtiges Land wie die Bundesrepublik ein entscheidender volkswirtschaftlicher Schlag, den wir nicht so leicht überleben werden, zumindest nicht, wenn die sozialen Wohltaten, die Sie vorhaben, noch verrichtet werden sollen.
Ein anderer Punkt des Vertrages:Zwischenlager.Jahrelang haben Sie jeden Castor-Transport bekämpft und bekämpfen lassen mit klammheimlicher Freude, weil die Dinger ja so gefährlich strahlen.Was haben Sie jetzt im Konsens beschlossen? Sie haben beschlossen, diese Castor-Behälter in windigen, innerhalb einer Genehmigungsfrist von fünf Jahren, dezentralen 19 Lagern in der gesamten Republik zu verteilen. Plötzlich strahlen die nicht mehr.Was ist denn das für ein Gewinn an Sicherheit aus Ihrer Sicht? Meine Damen und Herren! Mit dieser Art der Lagerung kommt zusätzliche Unsicherheit hinein.
Frau Möller hat vorsichtig darauf hingewiesen. Es gibt immer noch demokratische Entscheidungsprozesse. Deswegen sagen Sie Herrn Trittin endlich einmal, er soll das Wort „unumkehrbar“ aus seinem Arsenal streichen, um sich weiter im Rahmen normaler demokratischer Denkgewohnheiten aufzuhalten oder vielleicht erst einmal aufzuhalten.
Ich komme zum Schluß. Dieser Konsens, wenn Sie das logisch durchdenken und nicht nur einfach zwischenrufen in Ihrer ideologischen Verklärung, bedeutet in Wirklichkeit ein gewaltiges Ausmaß an zusätzlicher Unsicherheit, inbesondere aber auch an sozialer Unsicherheit. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Möller, seien Sie sicher, nicht nur die Details, sondern auch das Gesamtpaket ist heftig umstritten.Es hat zwar lange gedauert, aber jetzt ist dieser sogenannte Atomkonsens durch, und alle hatten die Chance, diese 13 mickrigen Seiten, die eigentlich den Atomausstieg regeln sollten, zu prüfen. Alle, die diesen Vertrag tatsächlich gelesen haben, konnten feststellen, daß das Wort Ausstieg darin überhaupt nicht vorkommt.
Kein Wunder, denn dieser Vertrag, dieser Konsens, hat in der Tat mit Atomausstieg nicht das geringste zu tun und ist deshalb auch die 13 Seiten Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist.
Ich fange bei den vereinbarten Laufzeiten an, um das Paket ein bißchen anzugucken. Für die bestehenden Atomkraftwerke sollen es 32 Jahre sein, so war zu vernehmen. Das soll das Maß der Dinge sein. Liest man aber ein bißchen genauer, dann liest man, daß es noch einen Zuschlag gibt.5,5 Prozent allgemein und noch einen Zuschlag für ein bereits stillgelegtes Atomkraftwerk. Das macht unter dem Strich durchschnittlich 35 Jahre Gesamtlaufzeit für alle Atomkraftwerke. Als Grundlage der Berechnung wurden auch noch die besten fünf Betriebsjahre herangezogen. Damit werden aus diesen 35 Betriebsjahre-Vereinbarungen 35 Vollastjahre.Diese 35 Vollastjahre wurden vor nicht einmal einem Jahr von der Regierungskoalition als nicht hinnehmbar zurückgewiesen. Das ist doch nun wirklich kein Atomausstieg.
Um das einmal am Beispiel Brunsbüttel ein bißchen deutlich zu machen.Da gab es ein paar gute Jahre.Die tatsächliche Verfügbarkeit in den letzten zehn Jahren hat aber gerade mal 61,7 Prozent ausgemacht. In den Jahren davor sah es nicht besser aus.Gehen wir davon aus, daß der Gesamtschnitt weiterhin gehalten wird, hieße das, Brunsbüttel wird nach diesen Plänen im Jahre 2019 nach 43 Jahren vom Netz gehen.So etwas einen Atomausstieg zu nennen, zeugt von totaler Verkennung der Realitäten,
denn, wenn die Sicherheitsbestimmungen tatsächlich immer auf dem neuesten Stand der Technik gehalten werden, dürfte keine Anlage in der Praxis jemals so lange laufen, egal, ob es nun einen Konsens gibt oder nicht. Zumindest die bereits stillgelegten Anlagen in der Bundesrepublik haben nicht länger als 20 Jahre am Netz bestanden. Wenn das Säbelrasseln der Atomkonsensgespräche einmal zu Ende ist und Vernunft wieder Einzug in die Unternehmen hält, wird auch sicherlich das eine oder andere eher vom Netz genommen werden, aber nicht auf der Grundlage von Konsensverhandlungen, sondern aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Allerdings wurde in dem Konsensvertrag vereinbart, daß die schon heute unzureichenden Sicherheitsstandards zukünftig nicht verbessert werden dürfen und die Atomenergie von jeder Diskriminierung freigehalten wird.
Diese Selbstfesselung, Herr Dr.Schmidt, das muß Sie doch im innersten quälen, die Beschneidung der Aufgaben der Legislative und der Exekutive, ist doch ein empörender Vorgang, der deutlich macht, daß dieses Ergebnis nicht nur kein Atomausstieg ist, sondern ein Bestandsschutz für eine gefährliche und unverantwortliche Technologie ist.
Dieser Vertrag schadet nicht zuletzt dem längst überfälligen Ausstieg, denn er sichert den Reaktorbetrieb auf unbestimmte Zeit auf Kosten der Sicherheit und legt den Grundstein für neue Atomanlagen,
für neue Zwischenlager an den Standorten, für Transportlager an den Atomkraftwerken. Mit einem Satz: Dieses Ergebnis ist schlimmer, als selbst die größten Pessimisten befürchtet hatten.
Denn eigentlich war zu erwarten, daß der Bundeskanzler doch dem kleinen Partner ein klitzekleines Erfölgchen zukommen lassen würde, zum Beispiel die Stillegung eines Uraltreaktors in Stade oder in Obrigheim.
Aber nichts davon. Da ist kein Brosame, da ist gar nichts vom Tisch der Herrschenden gefallen, als der Bundeskanzler mit Wirtschaftsminister Müller, dem Ex-VebaManager, und mit den alten Freunden der Atomlobby am Verhandlungstisch saß.Die Demütigung der Grünen als ursprüngliche Anti-Atom-Partei ist ihnen damit total gelungen.
Angesichts der gigantischen Reststrommengen, die dort noch produziert werden können, werden Atomkraftwerke in Deutschland mit rotgrüner Genehmigung mehr Zukunft als Vergangenheit haben, der Atommüllberg um das Doppelte wachsen und das sich angesichts der immer maroder werdenden Anlagen verschärfende Katastrophenrisiko ohne absehbares Ende toleriert werden. Damit, meine Damen und Herren, haben die Grünen nicht den Ausstieg aus der Atomenergie geschafft, sondern den Ausstieg aus der Anti-AKW-Bewegung, und zwar total, sofort und unumkehrbar.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Atomausstieg ist eine Frage der Sicherheit. Wenn ein richtig schwerer Unfall, zum Beispiel in der Anlage Krümmel, passieren würde, dann kann es über 100 000 Tote in Hamburg geben. Dann kann es passieren, daß wir mehr als die Hälfte der Stadt für über 50 Jahre entsiedeln müssen. Das ist der Grund dafür, daß Atomausstieg notwendig ist, und insofern gibt es auch nur eine einzig richtige und wichtige Restlaufzeit, die einge
Nun kann man nicht abstreiten, daß die Verhandlungen, die mit den Energieversorgungsunternehmen geführt worden sind, sehr schwere Verhandlungen gewesen sind und daß von vornherein erkennbar war, daß die Strategie der Energieversorgungsunternehmen war, die rotgrüne Bundesregierung als eine Episode in der bundesdeutschen Geschichte möglichst schnell vergessen lassen zu wollen.Das ist im wesentlichen den schwarzen Koffern zu verdanken, daß dieses Szenario nicht eingetreten ist und daß wir sagen können, daß es eine reale Chance für einen Ausstieg gibt.
Aber wie ist der Prozeß gelaufen? Am Ende dieser Zitterpartie hat es eine Verabredung zwischen den Roten und den Grünen auf Bundesebene zu einer Dissenslösung gegeben, die sozusagen die Alternative zu einem Konsensergebnis sein sollte. Diese Lösung sah vor, den Atomkraftwerken 30 Jahre Gesamtlaufzeit zu genehmigen und für die beiden Altanlagen eine Übergangsregelung zu schaffen.
Der Konsens, der jetzt entstanden ist, muß mit dieser Dissensregelung verglichen werden, und man macht dann einen Konsens, wenn er für beide Beteiligten besser ist als der Dissens, denn das ist die Voraussetzung für den Konsens. Das Zugeständnis an die Energieversorgungsunternehmen gegenüber der Dissenslösung ist eindrucksvoll. Die Reststrommenge, die den Energieversorgungsunternehmen zugestanden worden ist – das ist ja das eigentlich Reale, was im Vertrag steht – und die sich nach diesem komplizierten Berechnungsmodus ergibt, ist eindrucksvoll hoch. Es gibt keinen Zeitpunkt, an dem wir sicher sein können, daß der Betrieb der Atomkraftwerke zu Ende ist, weil ein Endzeitpunkt nicht definiert ist.
Es gibt ein neues, wichtiges Instrument, das allerdings auch ein erheblicher Vorteil gegenüber der alten Vollastregelung ist, nämlich die Flexibilisierung der Strommengen. Während die alte Vollastregelung beinhaltete, daß die schrottigsten Atomkraftwerke am längsten laufen würden, weil jede Stillstandszeit nachgespielt werden würde, ist es jetzt ein rationales Kalkül, ein reparaturanfälliges oder unsicheres Atomkraftwerk stillzulegen und statt dessen lieber ein anderes weiterlaufen zu lassen. Insofern ist das eine sinnvolle Konsensentwicklung.Die Wiederaufarbeitung und damit die Plutoniumwirtschaft wird noch bis zum 1. Juli 2005 geduldet.Genehmigungen für Transporte sind bereits in diesem Sommer zu erwarten.
Was wirklich bittere Zugeständnisse sind, sind die Zugeständnisse, daß die Bundesregierung keine Initiative ergreifen wird, um den Sicherheitsstandard und die diesem zugrunde liegende Sicherheitsphilosophie zu ändern, und ebenfalls, daß die Bundesregierung keine Initiative ergreifen wird, mit der die Nutzung der Kernenergie durch einseitige Maßnahmen diskriminiert wird. Alles eindrucksvolle Zugeständnisse an die Atomindustrie, die die eine Seite der Medaille ausmachen.Trotzdem muß man sagen, es ist die Option auf einen Atomausstieg begonnen,