Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern – Die Wirtschaft muß ihre Anstrengungen verstärken
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das mit dem heißen Sommer haben wir eben schon angesprochen. Ich glaube, es gibt drei einmalige, erstmalige Ereignisse, die diese Tage prägen. Das eine ist, daß es tatsächlich der heißeste Tag ist, der anscheinend je Mitte Juni gemessen wurde. Das andere ist, daß sich die Fußball-Nationalmannschaft noch nie mit einem solch schlechten Gesamtergebnis aus der Europameisterschaft verabschiedet hat.
Das dritte ist, daß es zum ersten Mal einen unterschriebenen Vertrag zur Beendigung der Atomenergieproduktion in Deutschland gibt.
„Jetzt neue Energie“ haben wir unsere Anmeldung untertitelt.Auch die benötigt man in Form von Wasser bei heißen Tagen.In welcher Form sie allerdings beim Fußball benötigt wird, das entzieht sich meiner Kenntnis. Wir brauchen sie aber vor allem beim Atomkonsens, und zwar Energie in jeder Form.
Ein Motivations- und Innovationsschub bei den neuen regenerativen Energien wird Arbeitsplätze und Stromversorgung sichern, und neue Energie müssen wir aufwenden, um den realen Ausstieg umzusetzen.
Ein Vertrag ist noch kein abgeschaltetes Kraftwerk und ist noch keine weniger produzierte Kilowattstunde. Die praktische Umsetzung dieses Kompromisses wird immense rotgrüne Kraft kosten, und dazu wird die Bundesregierung auch von Hamburg aus Unterstützung bekommen.Auch wir wollen unseren Koalitionsvertrag hier abgearbeitet sehen.
Die Energiepolitikerinnen mögen in den nächsten Runden gerne die Details des Konsenses debattieren. Da gibt es genug Anlaß, strittig zu streiten. Das tun wir innerhalb der Grünen auch. Ich will etwas über den politischen Stellenwert sagen, denn der ist unstrittig.Der rotgrünen Regierung ist in Berlin mit dem Konsens ein historisches Ergebnis gelungen, ein Zwischenergebnis in einem ebenso historischen Prozeß, der noch lange nicht abgeschlossen ist.
Erst wenn der letzte Meiler abgeschaltet ist, aus der Wiederaufbereitung ausgestiegen wurde und die Endlagerung gelöst ist, ist das politische Ziel tatsächlich erreicht.
Der Kampf um den Atomausstieg hat eine jahrzehntelange Geschichte. Er wurde federführend durch die außerparlamentarische Kritik, die Initiativen, durch die Grünen, aber auch natürlich Teile der SPD getragen und weiterentwickelt. Der politische Kampf gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf, gegen den Schnellen Brüter in Hamm-Uentrop waren alles ebensolche historische – ich sage das Wort noch einmal, Herr Salchow –, erfolgreiche Zwischenstationen. Das Aufdecken von Skandalen in Atomanlagen bei der Wiederaufbereitung, viel zu viele Beinahunfälle, Harrisburg, vor allem Tschernobyl haben zu den gesellschaftlichen Mehrheiten für den Ausstieg geführt.Gleichzeitig gab es eine andere Entwicklung, die Ressourcenknappheit der Welt. Durch die bedrohliche Klimakatastrophe kam es zu einem Wandel auch bei Forschung und Industrie. Es geht heute in dem weltweiten Wettstreit um energieeffiziente Technik und Nutzung regenerativer Energien. Der Energiemarkt ist liberalisiert. Die beste Zeit der Monopole ist vorbei. Die Bewertung des Atomkonsenses muß deswegen vor allem vor dem Interesse der Beteiligten erfolgen.
Atomenergieproduktion ist teilweise nicht mehr wirtschaftlich. Die EVUs wollen Planungssicherheit. Deshalb gibt es jetzt auch die Bereitschaft, an einen Tisch zu gehen. Die rotgrüne Regierung will einen Ausstieg ohne Entschädigungsforderung, und deshalb ist die Konsenssuche politisch der klügere Weg. Im übrigen spielen die HEW hier eine äußerst unrühmliche Rolle, die weder zu ihrer Satzung paßt, in der der Ausstieg ja verankert ist, noch sich an dem Wunsch der Stromverbraucherinnen orientiert. Aber zum Glück können wir ja alle wechseln.
Es gibt noch mehr Menschen, auch Parteien, die hier unrühmliche Rollen spielen. Der BDI-Präsident Henkel vielleicht, der von Nötigung der Industrie redet. Auch die CDU mit der Haltung, wenn es ein Konsens ist, wollen wir ihn trotzdem nicht, und Edmund Stoiber, der schon auf der Matte des Bundesverfassungsgerichts sitzt. Allerdings kann man davon ausgehen, daß das Gesetz nicht die Zustimmung des Bundesrats brauchen wird. Politisch klüger ist der Weg über den Konsens, aber der Weg zum tatsächlichen Ende der Atomstromproduktion wird dadurch länger und möglicherweise wieder fraglich, wenn sich die politischen Mehrheiten ändern. Es ist ein fragiles Konstrukt, doch es ist ein historischer Schritt, der ohne die Beteiligung der Grünen gar nicht stattgefunden hätte. Der reale Ausstieg aber hat noch nicht begonnen, und die Arbeit geht unvermindert weiter.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Vereinbarung, die jetzt auf dem Tisch liegt, ist weder für die einen noch für die anderen ein Sieg. Es handelt sich hierbei um einen klassischen Kompromiß.Niemand hat dabei maximale Ansprüche durchgesetzt, aber wir sollten uns hüten, das Erreichte kleinzureden. Der Zweck des Atomgesetzes wird umgekehrt. Die Nutzung und Förderung der Kernenergie geht zu Ende. Wir haben endlich den Einstieg in den Ausstieg. Wir haben keine unbegrenzten Betriebsgenehmigungen mehr, keine neuen Meiler. Wir werden mit der Wiederaufbereitung ab 2005 Schluß machen. Bis dahin werden wir Zwischenlager an den Kernkraftwerken bauen, und – eine alte Forderung der AKW-Bewegung – die Deckungsvorsorge wird auf 5 Milliarden DM erhöht. Das alles, ohne daß die Regierung schadensersatzpflichtig werden würde.Der Preis für diesen Ausstieg, meine Damen und Herren, ist in der Tat – Frau Möller sagte es – Zeitgewinn für die Energieversorgungsunternehmen. Aber die langen Laufzeiten der Reaktoren sind endlich, auch wenn sich manch einer gewünscht hätte, daß sie kürzer wären. Aber wegen dieser zwei Jahre wird man sicher die historische Vereinbarung nicht platzen lassen können. Das würde niemand mehr verstehen. Ich glaube, das Aus für die ersten Reaktoren kommt schneller als gedacht, wenn das Atomgesetz erst einmal umgesetzt ist.
Die Vereinbarung legt nämlich Termine für Sicherheitsüberprüfungen fest. Stade ist Ende dieses Jahres und Brunsbüttel ist Mitte nächsten Jahres dran. Eine Sicherheitsüberprüfung – das wissen wir – zieht Kosten nach sich. Die Reststrommengen dieser beiden Reaktoren sind relativ gering veranschlagt.
Die HEW werden sich überlegen müssen, ob sie angesichts dieser relativ geringen Mengen die Folgekosten für die Sicherheitsüberprüfungen noch aufbringen wollen oder ob sie nicht lieber den Betrieb in den nächsten drei Jahren freiwillig aufgeben.Auch das sieht die Vereinbarung vor.Die Restlaufzeiten würden dann wahrscheinlich an andere Betreiber verkauft werden. Stade könnte dann im Jahr 2004 vom Netz.
„Jetzt neue Energie“, so steht es in unserem Titel der Aktuellen Stunde, denn Abschalten allein reicht nicht. Wir brauchen einen Strukturwandel in der Energiepolitik, um neue Arbeitsplätze zu schaffen, und vor allen Dingen auch, um das nationale Klimaschutzziel zu erreichen.Beides wird übrigens in der Vereinbarung berücksichtigt.Regierung und Energiewirtschaft haben sich darauf verständigt – ich zitiere –:
„... eine umweltverträgliche und im europäischen Markt wettbewerbsfähige Energieversorgung am Standort Deutschland weiterzuentwickeln.“
Die Bundesregierung und die Energieversorgungsunternehmen wollen neue Kraftwerke und Energiedienstleistungen schaffen. Das schafft neue Arbeitsplätze.
In den kürzlich in Berlin vorgelegten Leitlinien für eine nachhaltige Energieversorgung, Herr Salchow, und zwar eine ohne Atom, wird Energiepolitik das erste Mal offiziell unter das Primat der Nachhaltigkeit gestellt. Damit sind wir auf dem richtigen Weg.
Herr Salchow, auch der Boß von RWE denkt schon über dezentrale Versorgungsstrukturen nach.Er hat sogar schon daran gedacht, daß man möglicherweise Brennstoffzellen und andere dezentrale Einrichtungen schaffen könnte. Auch damit läßt sich Geld verdienen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Möller und auch Frau Schaal, ich habe sehr wohl vernommen, daß Sie etwas behutsam in der Beurteilung dieses sogenannten Atomkonsenses sind, weil es sich in Wirklichkeit um ein Ruhigstellungspapier handelt, was die militanten Kernkraftgegner in der Bundesregierung anbetrifft.
Aber dafür, daß Sie von einem Zwischenschritt sprachen im Gegensatz zu Herrn Trittin, der von einem Einstieg in einen unumkehrbaren Ausstieg aus der Kernenergie sprach, bin ich Ihnen wirklich dankbar.Tatsächlich handelt es sich nämlich um letzteres nicht, und dafür möchte ich Ihnen einige Fakten präsentieren.
Erstes Faktum: Weltweit gibt es über 440 Kernkraftwerke. 220 in Europa, 30 sind im Bau, 20 weitere in der Planung. Es gibt sozusagen einen zentralen Teil in Europa, eine Art pan-germanischen Teil: Niederlande, Österreich, Deutschland, Schweden. Schweden, wo in der Tat ein erheblicher Widerstand vorhanden ist. Nur, bilden Sie sich doch nicht ein, daß durch Abschalten, durch Aussteigen auch in den nächsten 30 Jahren aus 19 Kernkraftwerken von über 400 dieser Erde ein Ausstieg aus der Kernenergie wirklich gegeben ist. Das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren.
eine sehr, sehr winzige Fläche. Drumherum wird die Kernenergie weiter betrieben und weiter ausgebaut, und im übrigen auch noch unsicherer. Gucken Sie sich das vor etwa acht Wochen veröffentlichte Ranking der zehn sowohl leistungsstärksten, sichersten und, was die Verfügbarkeit betrifft, besten Kraftwerke dieser Welt an. Auf der Liste der ersten zehn – das sieht aus wie ein Rodelergebnis bei den Olympischen Spielen – befinden sich alleine sieben deutsche Kernkraftwerke, zwei französische, ein amerikanisches. Dieses sind die sichersten und besten Kernkraftwerke.Die schalten Sie ab zugunsten der Unsicherheit, die hundertfach um uns herum gegeben ist. Denn alle Versu
che, die fast isolierte Meinung, die wir als Deutsche haben, auf das Ausland zu übertragen, sind gescheitert. Herr Trittin mit seinen plumpen Verhandlungen um die Schadensersatzleistungen eventueller Wiederaufbereitungsanlagen hat dort Porzellan zertreten. Er hat versucht, den CO2-Effekt bei den Kernkraftwerken in Europa nicht mehr anzurechnen, und ist damit gescheitert.
Meine Damen und Herren! Was Sie hier an Ausstieg probiert haben, hätte nur dann wirklich einen Sicherheitssinn, wenn gleichzeitig überall um uns herum auch der Ausstieg stattfindet.