Meine Damen und Herren! Die von der SPD-Fraktion und dem Senat angestoßene Initiative, die NS-Unrechtsurteile nach Paragraph 175 nunmehr grundsätzlich und nicht erst nach quälender Einzelfallprüfung aufzuheben, unterstützen wir selbstverständlich weiterhin. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben einen Antrag in den Bundestag eingebracht mit dem Ziel, die Unrechtsurteile aufzuheben, so daß nunmehr von allen Seiten deutliche Signale vorliegen, zu einer Regelung zu kommen. Es wäre meines Erachtens wünschenswert, dies sehr schnell zu tun.
Ich möchte abschließend darauf hinweisen, daß der Senat eine Antwort nicht geben konnte. So sind dem Senat keine Organisationen bekannt, die sich explizit für die Belange von homosexuellen Opfern nationalsozialistischen Unrechts einsetzen. Dies hat mich berührt, zeigt es doch, daß die betroffenen Männer und Frauen nie den Mut und die Kraft aufbringen konnten, das eigene erlittene Unrecht öffentlich zu machen und sich für ihre Rechte einzusetzen. Dennoch hat es die, wie ich finde, berechtigte Forderung auch dieser Opfergruppe gegeben.
Der Kollege Schmidt hat eben gesagt, es gibt noch viele Fragen. Viele Fragen kann man in einer Großen Anfrage oder in Kleinen Anfragen stellen.Wir haben versucht, es so umfassend wie möglich zu machen, haben uns sehr lange und ausführlich mit diesem Thema beschäftigt. Es steht jeder Gruppe und Fraktion frei, weitere Fragen zu stellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dieses Thema ist uns allen sehr wichtig, es beschäftigt uns sehr. Es ist mir persönlich ein großes Anliegen. Ich denke, wir alle wollen uns erinnern, und wir alle werden uns erinnern, was geschehen ist. Wir werden dieses Erinnern auch weiter nach vorne tragen und in die Gesellschaft tragen. Das sollte mit dieser Debatte ein Anstoß sein. Diese Große Anfrage kann man auch anderen Personen, anderen Interessierten an die Hand geben, und wer sich damit beschäftigt, bekommt eine sehr umfassende Dokumentation an die Hand und kann weiter forschen und nachgucken, was in Hamburg passiert ist und was Hamburg tut. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Nationalsozialismus hat einen schrecklichen Grundton in die deutsche Geschichte und die deutsche Identität gebracht, einen Grundton, der immer mitschwingt und nie mehr zu überhören sein wird. Es wird weiter so bleiben, und das muß auch so sein.
Die amerikanische Schriftstellerin Joan Didion hat einmal geschrieben: Wir erzählen uns Geschichten, um zu leben. Wir leben voll und ganz, indem wir nicht zu vereinbarende Bilder nach einer bestimmten Erzählweise einrichten.
Meine Damen und Herren! Damit die Geschichte unserer Vergangenheit, damit die Bilder des Naziterrors differenziert bleiben und sich auch in unserer Gegenwartserfahrung angemessen spiegeln, dürfen wir nicht so tun, als hätten sich alle Fragen zum Nationalsozialismus längst erübrigt. Wir entdecken immer wieder neue Facetten, die es wert sind, wissenschaftlich aufgearbeitet zu werden, oder an die von neuem erinnert werden muß.
Die Antwort des Senates auf die Große Anfrage „Erinnern statt vergessen“ zeigt, daß sich in Hamburg Justiz und Archive, Wissenschaft, Bildung und Kultur gerade in den letzten 15 Jahren auch bislang vernachlässigten Opfergruppen gewidmet haben. Sie zeigt uns, daß auch vermeintliche Randthemen mittlerweile in den Blickpunkt des Interesses gerückt sind. Die Senatsantwort macht aber auch durch ihren puren Umfang und ihre Anlagen noch einmal mahnend deutlich, wie intensiv der Nationalsozialismus auch in unserer Stadt alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens durchdringen konnte.
Das Erinnern in einem gesellschaftlichen und politischen Zusammenhang ist keine leichte Kunst. Historische Fakten und Zahlenreihen, Dokumente und Quellen, Zeitzeugen und Archive geben immer nur einen Ausschnitt dessen wieder, was Vergangenheit ausmacht.Was wir wissen, was wir begreifen können, ist ein Fragment, das wir in unserem Kopf zu einer Erzählweise, wie Didion sagen würde, zusammensetzen. Weil es so schwer ist, Geschichte zu begreifen, kommen wir immer wieder auf Metaphern, auf Symbole zurück, die mit räumlichen Mitteln versuchen, zeitlich Vergangenes sichtbar zu machen. So greifen wir auch bei unserer Kultur des Erinnerns auf räumliche Metaphern, auf Orte zurück.
Die Antwort auf die Große Anfrage zählt allein über 40 Mahnmale.Hinzu kommen 25 schwarze Tafeln, die an Stätten der Verfolgung und des Widerstandes erinnern. Die Spuren der Geschichte sind an vielen Stellen zu finden, und wenn wir unser Wissen mit einem Ort verbinden können, verbinden sich auch die Bilder zu einer plausiblen Erzählweise. Der Schrecken – so wird deutlich – war überall.
Lassen Sie mich abschließend auf zwei Punkte eingehen, die in der Drucksache nicht stehen, aber mit dem Themenkomplex des Erinnerns zusammenhängen.
Der erste Punkt betrifft das bürgerschaftliche Ersuchen vom Dezember, in dem der Senat gebeten wird, das Besuchsprogramm für ehemalige Zwangsarbeiter des KZs Neuengamme auf alle Zwangsarbeiter in der Hansestadt auszudehnen. Ich kann Ihnen heute mitteilen, daß Organisation und Konzeption eines solchen Besuchsprogramms
auf gutem Wege sind. Wir werden noch in diesem Jahr die ersten Einladungen an ehemalige Zwangsarbeiter verschicken können. Ich danke der „Hamburger Stiftung Hilfe für NS-Opfer“, daß sie bereit ist, dies Besuchsprogramm mit Unterstützung des Senats durchzuführen.
Der zweite Punkt betrifft die KZ-Gedenkstätte Neuengamme.Wir wollen die Gedenkstätte nach der Verlagerung der Justizvollzugsanstalt XII im Jahre 2003 mit Mitteln des Bundes ausbauen.
Wir wollen dabei versuchen, auch neue und lebendige Formen des Erinnerns in die Konzeption einzubeziehen. Wir planen in der KZ-Gedenkstätte ein Zentrum der aktiven Arbeit an der Geschichte, um das Bewußtsein gerade junger Menschen für die Gestaltung der Zukunft zu formen. Geplant ist es als internationales Begegnungs- und Seminarzentrum für Jugendliche und junge Erwachsene aus aller Welt.
Meine Damen und Herren! Die Antwort auf Ihre Große Anfrage macht deutlich, daß die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus vom Senat, von wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen unserer Stadt mit großem Ernst und Engagement betrieben wird. Herr Schmidt, es besteht keinerlei Anlaß weder zu Selbstgerechtigkeit noch zu Eigenlob.
Die Wissenschaft hat viele neue Teilbereiche des Themas erschlossen und erforscht. Die Kultur hat für das Erinnern schlüssige Symbole und bessere Vermittlungsformen gefunden. Auf diesem Wege wird der Senat weitergehen, und ich denke, das ist auch gut so. – Vielen Dank.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 43 auf: Antrag der Gruppe REGENBOGEN zum Rechtsextremismus, Drucksache 16/4086.
[Antrag der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke: Rechtsextremismus in Hamburg – Drucksache 16/4086 (Neufassung) –]
Hierzu wird von der GAL-Fraktion eine Überweisung an den Innenausschuß beantragt. Herr Jobs meldet sich zu Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nicht alles ist Geschichte.Der kürzlich vorgelegte Verfassungsschutzbericht belegt unzweideutig, daß sich die Gewaltbereitschaft und die Gewaltenausübung im rechtsextremistischen Lager im vergangenen Jahr bundesweit erhöht hat. Grausamer Höhepunkt dabei der oder die beiden faschistisch motivierten Morde an Migrantinnen.
Ebenso konstatiert der Bericht eine allgemein zunehmende Brutalität der Taten. Der Schwerpunkt liegt dabei in Ostdeutschland. Daß Hamburg aber unter den westdeutschen Ländern inzwischen mit 23 Fällen im Jahr die Hochburg rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten ist, ist in er
schreckend hohem Maße eine neue Entwicklung, von der wir meinen, daß sie genau untersucht werden muß.
Wir wollen wissen, was hinter all diesen 23 Fällen steckt, denn angesichts der besonders steigenden Tendenz meinen wir, daß es hier notwendig ist, daß der Senat der Bürgerschaft und der Stadt einen Bericht über diese Taten und die Konsequenzen vorlegt.
Mit diesen unverhohlenen Aufforderungen und Drohungen werden Privatanschriften und Telefonnummern von engagierten Hamburger Antifaschisten und -faschistinnen und ihren Familien auf den Internetseiten oder in Hetzblättern der Hamburger Neonazis veröffentlicht. Alternative Stadtteilkulturzentren oder andere Einrichtungen, die deutliche Worte gegen „Rechts“ finden, bekommen Drohbriefe und sind Ziel von Angriffen. In Elmshorn hat sich die Situation bereits noch weiter zugespitzt. Dort wurden neben den Anschlägen auf die Gewerkschaftsbüros jetzt sogar Kopfgelder auf einen Gewerkschafter ausgesetzt.
Ich denke, darüber darf die Bürgerschaft nicht schweigend hinweggehen. Das müssen wir verurteilen, aber beim Verurteilen dürfen wir nicht stehenbleiben, denn es ist erschreckend, daß es offenbar von seiten des Senats bisher keinerlei Konzept gibt, wie dieser Entwicklung begegnet werden kann. Offenbar hat sich der Senat in seiner Gesamtheit mit diesem Thema noch nicht auseinandergesetzt, und es ist höchste Zeit, daß diese beunruhigende Entwicklung ernster genommen wird. Der von uns beantragte Bericht hierzu kann nur ein erster Schritt sein. Was darüber hinaus möglich ist, können wir bei anderen Städten sehen. Davon muß Hamburg lernen und sich ein Beispiel daran nehmen.
Auch da noch einmal das Beispiel Elmshorn.Die dortige Initiative der Bürgermeisterin und der IG Metall gegen Rechtsextremismus in der Stadt zeigt, wie eine Kommune offensiv mit den Problemen der erstarkten rechten Szene umgehen kann. Beim Hamburger Bürgermeister, beim Hamburger Senat sehe ich derartige Initiativen nicht einmal im Ansatz. An dieser Kollegin können sie sich ein Beispiel nehmen.
Aber es geht nicht nur um den Bürgermeister. Wenn wir darüber reden, müssen wir auch noch einen oder zwei Sätze an die CDU verlieren. Beispielhaft wäre es nämlich, wenn es endlich ein Ende mit den ständigen entsolidarisierenden Kampagnen der Herren der CDU gäbe.Wir brauchen gar nicht erst bis nach Nordrhein-Westfalen zu gucken. So wie Sie hier in Hamburg mit der Debatte um die Bauwagenplätze und jetzt mit der Debatte um die Flora Stichwortgeber für die Nazis sind, das muß ein Ende haben,