Protocol of the Session on May 10, 2000

Was ist denn gewesen? Straßenkrawalle, Aggressionen, 133 Festnahmen und verletzte Polizisten. Die Reaktionen des Bürgermeisters und des Innensenators waren ein reines Betroffenheitsritual. Das ist keine Art, wie man Innenpolitik macht.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage mich, warum Sie nicht handeln. Natürlich hätte man versuchen sollen, eine vertragliche Lösung zu finden. Wir haben diese vorgeschlagen und dafür zu Unrecht viel Kritik einstecken müssen.Wie ist nach über einem Jahr seitens der Roten Flora reagiert worden? Die ausgestreckte Hand wurde weggeschlagen, es wurde nicht verhandelt, und die Gewalttaten haben sich fortgesetzt. Jetzt gibt es kein weiteres Abwarten mehr, es muß gehandelt werden!

(Beifall bei der CDU – Dr. Holger Christier SPD: Dann mal los!)

Ich habe den Eindruck, daß Sie mit Ihrer mangelnden Bereitschaft den internen Koalitionsfrieden nicht gefährden wollen, wenn Sie sich irgendwann einmal auf irgend etwas festlegen, denn wenn man sich festlegt, muß man auch handeln.

(Dr. Holger Christier SPD: Das ist Ihr Problem!)

Sie scheuen wie der Teufel das Weihwasser, sich festzulegen, weil Sie nämlich Angst vor Ihrer eigenen Courage und Mutlosigkeit haben.

(Beifall bei der CDU)

Wer in einer solchen Situation die dauernde Verhöhnung von Polizeibeamtinnen und -beamten zuläßt, die auch einen Eid darauf abgeleistet haben, für den Erhalt der öffentlichen Ordnung ihren Leib und ihr Leben einzusetzen – das tun sie auch in vorbildlicher Weise –, indem man nichts gegen das an der Roten Flora aufgehängte Transparent mit der Aufschrift „Macht die öffentliche Ordnung kaputt, wie Ihr es nur könnt!“ unternimmt, beleidigt die Würde der Polizeibeamtinnen und -beamten in dieser Stadt.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und der GAL)

Sie lassen mit fadenscheinigen juristischen Argumenten die Polizeibeamtinnen und -beamten, die ihre Pflicht tun, im Stich.

Ein Drittes: Für mich steht fest, Rechtsbrecher und Gewalttäter darf man nicht belohnen. Man darf nicht hoffen, daß durch eine finanzielle Zuwendung hier, ein Wegsehen dort und durch ein Sichzurückziehen da Frieden eintritt. Das Gegenteil ist der Fall. Von jedem Bürger dieser Stadt wird erwartet, daß er sich an die Gesetze hält, Miete und Mietnebenkosten bezahlt, sich an die Bauordnung hält, Abfall vernünftig entsorgt und Straftaten verhindert. Hier sehen Sie bei der Roten Flora weg; das ist in höchstem Maße ungerecht.

(Beifall bei der CDU)

(Dr. Holger Christier SPD)

Darum bleibe ich dabei: Dr. Christier, es geht hier nicht um die Frage von links oder rechts oder von liberal oder unliberal.

(Günter Frank SPD: Es geht nicht um Wahlkampf!)

Wenn Sie 133 Festnahmen aufgrund von Gesetzesverstößen und Gewaltakten für liberal halten,

(Manfred Mahr GAL: Sie haben doch überhaupt keine Ahnung!)

dann haben wir verschiedene Auffassungen von Liberalität. Denn liberal heißt, daß jeder nach seiner Fasson, aber nicht auf Kosten und zu Lasten anderer glücklich werden soll.Das ist für mich liberal, und daran halten Sie sich nicht.

(Beifall bei der CDU)

Ich bleibe dabei: Ihre Politik ist feige, unfähig, ungerecht und bedarf im Interesse der Stadt einer dringenden Kurskorrektur.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Möller.

Ich hoffe, daß der lange Beifall nicht von meiner Redezeit abgeht.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr von Beust, ich hätte Ihnen so viel Populismus und Zündeln – aber als Hommage an den rechten Rand gerichtet – gegen den eigenen Verstand nicht zugetraut.

(Zurufe von der CDU – Rolf Kruse CDU: Seien Sie doch nicht so überheblich!)

Ich würde gern auf die Ereignisse zurückkommen, die in einer Zeit stattgefunden haben, in der Sie nicht in der Stadt waren.

Eine Demonstration hat in einem der populärsten Viertel in unserer Stadt ein gewalttätiges Ende gefunden. Es wurde randaliert und Gewalt gegen Sachen und Menschen ausgeübt. Das ist, wie Herr Christier es schon gesagt hat, zu verurteilen;die Straftäter sind zur Verantwortung zu ziehen. Einzelne Randalierer flüchteten sich in die Rote Flora und mischten sich unter Konzertbesucherinnen und -besucher.

Durch die Vermittlung von zwei Bürgerschaftsabgeordneten – Manfred Mahr und Norbert Hackbusch – kam es zum Glück für alle Beteiligten zu einem gewaltlosen Ende;

(Beifall bei der GAL und der SPD)

die Personalien wurden ohne Eskalation aufgenommen. Wir können uns nur bei allen bedanken, die zu diesem friedlichen Ende beigetragen haben.

(Uwe Grund SPD: Das ist doch nicht friedlich!)

Ich sage es gern noch einmal: Herr Grund, das Ende war friedlich.

(Ole von Beust CDU: Das ist Zynismus!)

Beispiellos ist allerdings die darauf folgende Inszenierung. Teile der Medien, ein alleingelassener CDU-Abgeordneter und andere schillernde Einzelpersonen inszenieren eine schier hemmungslose und schamlose Kampagne.

(Beifall bei der GAL, der SPD und bei REGEN- BOGEN – für eine neue Linke)

Das Subjekt des Hasses, der Beleg für die Unfähigkeit des Innensenators und des Bürgermeisters, wird in der Existenz der Roten Flora gesehen.

(Dr. Stefan Schulz CDU: Nicht nur!)

Damit kein Mißverständnis aufkommt: Die Wut über die Zerstörung und Gewalt im Viertel ist angebracht, aber die Art und Weise, wie hier ein Symbol gesucht wird, das auch noch Opfer sein soll, ist schamlos.

(Beifall bei der GAL und bei Jan Ehlers und Walter Zuckerer, beide SPD)

Um es ganz deutlich zu sagen: Als Ergebnis dieser gewalttätigen Randale im Schanzenviertel gibt es auf beiden Seiten Krisengewinner. Auf der einen Seite sieht die CDU die Chance, die ihr in die rechte Ecke wegschwimmenden Felle wieder aufzufischen.Auf der anderen Seite haben die interessierten Kreise im Viertel, denen die Veränderung des alten Schanzenviertels nicht in den Kram paßt, die Muskeln gezeigt. Verlierer sind die Menschen, die in dem einzigartigen Viertel leben und arbeiten.Sie alle kennen die Artikel aus den sogenannten seriösen Zeitungen wie der „Welt“, dem „Abendblatt“ und der „taz“, die von Januar bis April von dem Existenzgründungsboom, der Attraktivität der Gaststätten und der Szene insgesamt geschrieben haben. Der Tourismus und selbst die Hamburger haben das Schanzenviertel entdeckt, weil es bunt, kreativ und weil dort die Rote Flora ist. Die Kreativität und Attraktivität für Innovationen entsteht doch gerade durch solche Räume.In diesem Quartier finden sich völlig unterschiedliche Identitäten für völlig unterschiedliche Lebensbilder; diese Vielfalt des sozialen und kulturellen Lebens wollen wir erhalten.

(Beifall bei der GAL)

Der Boom, den das Viertel derzeit erlebt, gefährdet fast schon die gewachsene Struktur und Vielfalt. Deswegen sind wir sehr froh, daß es jetzt ein Stadtteilentwicklungsprogramm gibt, worüber alle miteinander reden, und daß vor allem die Kommunikations- und Beteiligungsprozesse intensiviert werden. Das brauchen wir, und deswegen geht es auch um Rechtssicherheit für die Nachbarschaft, aber auch für die Rote Flora.

Herr Christier hat von Vertragsverhandlungen gesprochen. Wir wollen diese auch,

(Ole von Beust CDU: Wie lange? Wann?)

und sie müssen zu einem Ende kommen. Sie sind jedoch langwierig, kompliziert und manchmal chaotisch, aber sie sollen stattfinden, haben schon stattgefunden und werden auch weiterhin stattfinden.

(Ole von Beust CDU: Wenn nicht?)

Dafür bedarf es Ruhe, Gelassenheit und politischer Klugheit. Daran fehlt es der CDU eindeutig; sie bevorzugt den populistischen Quatsch.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort hat Frau Sudmann.

Seit einer Woche, meine Damen und Herren, zeichnen die CDU und die „Bild“-Zeitung in einer wirklich beispiellosen Kampagne ein Bild der Angst und des Schreckens für Hamburg.