Protocol of the Session on May 10, 2000

Ich komme dann zum Tagesordnungspunkt 36a: Bericht des Jugend- und Sportausschusses zu Jugend im Parlament, Drucksache 16/4191.

[Bericht des Jugend- und Sportausschusses über die Drucksache 16/3403: Jugend im Parlament 1999 (Vorlage der Präsidentin der Bürgerschaft) – Drucksache 16/4191 –]

Das Wort hat Herr Kahlbohm.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Einmal im Jahr hat Hamburg für wenige Tage ein zweites Parlament, „Jugend im Parlament“: nicht gewählt, für jeden Teilnehmer nur einmal im Leben und irgendwie einmalig, keine Rede von Politikverdrossenheit, interessiert, engagiert und nach wenigen Tagen schon ziemlich routiniert. Mit vielen Ideen sowie Veränderungswillen haben die Teilnehmer ihre Vorschläge an die bürgerschaftlichen Fachausschüsse beschlossen.

Die in der Drucksache 16/3403 niedergelegten Resolutionen von „Jugend im Parlament“ wurden in den sieben zuständigen Fachausschüssen bei jeweils großer Beteiligung der Jungparlamentarier beraten. Die abschließende Sitzung des federführenden Jugendausschusses fand am 13. April statt und hat folgende Ergebnisse.

In ihrer Resolution an den Bau- und Verkehrsausschuß forderten die Jugendlichen, den HVV für Jugendliche attrak

tiver zu machen. Die Möglichkeit, zu einer Steigerung des Fahrgastaufkommens zu gelangen, sieht man unter anderem in der Einführung eines Party-Tickets sowie eines durchgehenden Angebots von Freitag bis Sonntag ohne die nächtliche Betriebsruhe, weiterhin in einer Ausweitung des Nachtbusangebots und in der Aufhebung der Sperrzeiten für die Mitnahme von Fahrrädern. Nach Meinung der Jugendlichen würden viele Hamburger und auch Touristen bei einem attraktiven Angebot des HVV die öffentlichen Verkehrsmittel dem Auto vorziehen, zumindest in den Abendstunden, wenn es ans Feiern geht. Der Bau- und Verkehrsausschuß sowie der federführende Jugend- und Sportausschuß empfehlen daher in diesem Punkt der Bürgerschaft, den Senat zu ersuchen, zum Thema „HVV attraktiver für Jugendliche“ Stellung zu nehmen.

Darüber hinaus wurde sehr ausführlich über Organisationsfragen von „Jugend im Parlament“ und die politischen Mit- und Einwirkungsmöglichkeiten von Jugendlichen beraten. Erneut wurde von den Jugendlichen eine Verlängerung auf fünf Wochentage vorgeschlagen. Außerdem wurde der Wunsch geäußert, die Referenten der Ausschüsse und Arbeitsgruppen mögen das gesamte politische Spektrum abdecken;hier sind wohl mehr die Politiker und deren Teilnahme erwünscht. Weitere Vorschläge betrafen den Wunsch nach zusätzlichen vertiefenden Gesprächen mit Senatsmitgliedern sowie eine weitere Aktuelle Stunde am letzten Debattentag. Die Jugendlichen bemängelten darüber hinaus, daß der Anteil der Hauptund Realschüler sowie der Berufsschüler sehr gering sei. Es wurde vorgeschlagen, diese Gruppe künftig stärker zu berücksichtigen. Das ist ein schwieriges Problem, denn eingeladen werden sie sicherlich auch; darüber muß man vielleicht noch einmal nachdenken.

„Jugend im Parlament“ sollte nach Meinung der Jugendlichen künftig auch auf Stadtteilebene stattfinden;in einigen Bezirken ist das bereits der Fall. Zukünftig sollten die Fachausschüsse der Bürgerschaft bei Jugendthemen auch Jugendliche als Sachverständige einladen; dieses wurde für den Jugendausschuß zugesagt. Unser Appell: Auch die anderen Fachausschüsse sollten immer bei einer geeigneten Thematik daran denken, und ich denke, daß da auch Resonanz erfolgen würde.

Nun zum Thema „Jugend und Politik“.Beeindruckt hat mich – und das nicht zum ersten Mal – das Ausmaß der Beteiligung sowie das Interesse an Sachfragen, die Diskussionskultur und die Fähigkeit, zu abgewogenen Entscheidungen oder Forderungen zu kommen, der bei vielen vorhandene Wunsch, bei politischen Entscheidungen beteiligt zu werden, wie wir in der abschließenden Sitzung auch immer wieder feststellen konnten.

Wenn aktuell immer wieder festgestellt wird, die Jugend sei an Politik nicht interessiert oder immer weniger interessiert, deckt sich das nicht unbedingt mit meinen Wahrnehmungen.Vielleicht ist mehr die Art, wie wir Politik machen, mit dieser Ablehnung gemeint. Vielleicht sind nicht Desinteresse, sondern mangelnde Beteiligungsmöglichkeit das Problem. Mehr Transparenz und mehr Offenheit sollten wir, die Parteien, praktizieren.Dann gibt es – da bin ich ganz sicher – auch mehr Jugendliche in allen politischen Parteien. Ich bitte um Annahme der Ausschußempfehlung. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Harlinghausen.

(Anja Hajduk GAL)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es kommt in diesem Hause nicht sehr häufig vor, unter den Fraktionen eine weitgehende Einigkeit zu erleben.

(Antje Möller GAL: Das liegt nicht an uns!)

Die Veranstaltung „Jugend im Parlament“ trägt dagegen seit vielen Jahren zum Konsens bei.

Als hervorragendes Beispiel für den positiven und konstruktiven Geist dieses Projekts erwies sich die Abschlußberatung mit den jugendlichen Parlamentariern im federführenden Ausschuß. Erfreulich zu hören war die überwiegende Zufriedenheit der Teilnehmer mit dem Umgang mit ihren Resolutionen in den bürgerschaftlichen Ausschüssen. Das in der Drucksache 16/4191 aufgegriffene Ersuchen aus dem Verkehrsausschuß – Herr Kahlbohm hat eben darauf hingewiesen –, den HVV für Jugendliche attraktiver zu gestalten, steht für diese Ernsthaftigkeit des Umgangs.

Auch die CDU bittet um Zustimmung des Plenums zum Punkt 2 der Empfehlung des federführenden Ausschusses.

„Jugend im Parlament“ kann auf Dauer nur Erfolg haben, wenn die Teilnehmer die Erfahrung machen, daß ihre Belange ernst genommen werden und sie im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten etwas bewirken können. Ansonsten würde „Jugend im Parlament“ zu einer reinen Alibiveranstaltung verkommen.

Politik verstehbar zu machen, ist sicherlich eines der wichtigsten Ziele, und das ist – ich denke, da stimmen alle überein – auch dieses Mal wieder ein kleines Stück gelungen. Das heißt jedoch nicht, sich auf Lorbeeren auszuruhen.Von den Jugendlichen selbst sind einige Hinweise gekommen, über die wir nachdenken sollten.

Einerseits wurde positiv bemerkt, daß die Veranstaltung überparteilich und der Beitritt zu einer politischen Partei nicht als Teilnahmebedingung erforderlich ist. Andererseits bemängelten die Jugendlichen, daß sich der Teilnehmerkreis fast ausschließlich aus Gymnasiasten zusammensetzte. Es wäre sicher nicht gut, wenn „Jugend im Parlament“ zu einseitig würde und die erwähnten Gymnasiasten auch noch überwiegend aktive Nachwuchspolitiker wären. Auch und gerade auf Haupt-, Real- und Berufsschüler darf bei folgenden Veranstaltungen nicht verzichtet werden.Das haben wir eben schon gehört. Deshalb müssen wir uns in Zukunft um diese und weitere Gruppen intensiv bemühen.

Nicht nur in Schulen und Jugendorganisationen der Parteien, sondern auch in Jugendclubs, Sportvereinen und gemeinnützigen Verbänden muß um Teilnehmer geworben werden. Denkbar wäre auch eine verstärkte Kooperation mit den Medien.Vielleicht ließen sich bei den Jugendlichen beliebte Moderatoren als ideelle Sponsoren finden.

Bezüglich des Teilnehmerkreises äußerten die Jugendlichen einen weiteren Aspekt, der vielleicht nicht nur die Mitglieder des Gleichstellungsausschusses nachdenklich werden läßt.Die jungen Leute forderten, weniger Wert auf quotenorientierte Auswahlkriterien, wie beispielsweise die Berücksichtigung des weiblichen Geschlechts, zu legen, sondern als Richtschnur in erster Linie das Interesse der Teilnehmer anzusehen. Der Wunsch nach vertieften Gesprächen mit Senatsmitgliedern war substantieller Art. Nur eine Senatorin hatte solche Gespräche angeboten.

Ob dem Ersuchen nach nochmaliger Erweiterung des Zeitrahmens der Veranstaltung gefolgt werden kann, muß si

cherlich diskutiert werden. Nicht zuletzt ist dies eine Frage der Kapazität der Bürgerschaftskanzlei und der Finanzierung. Problematisch erscheint auch der Wunsch einer Ausweitung der Themen auf Bundesebene. Vielleicht hat hier der Hang unserer Regierungsfraktionen zur Gestaltung der Aktuellen Stunde ein wenig Pate gestanden. Möglich sein sollte aber auch bei Jugendthemen die Einladung von Jugendlichen als Sachverständige – und das sind sie häufig in hervorragender Weise – in die bürgerschaftlichen Ausschüsse, wenn man es ernst damit meint, Jugendliche einzubinden.

Bei allem Lob für die laufende Veranstaltung und den weitestgehenden Konsens bei den Fraktionen und der Ex-Präsidentin sollten aber auch einige kritische Bemerkungen erlaubt sein.

Offensichtlich nahm der Senat die Veranstaltung nicht so ernst; denn wie ist es sonst zu erklären, daß er zeitgleich zur Pressekonferenz des Plenumspräsidiums und der Ausschußvorsitzenden eine eigene Pressekonferenz zum Verkauf der HEW-Anteile ansetzte? Ich nenne dies eine Mißachtung der Arbeit und des Engagements der jungen Leute.

Besonders gelungen erscheint es auch nicht, diesen wichtigen Tagesordnungspunkt erst im allerletzten Moment nachzumelden, um der Peinlichkeit zu entgehen, den Bericht erst nach der von April auf Mai verschobenen Abschlußveranstaltung und der Verabschiedung durch das Plenum vorlegen zu können, ganz abgesehen davon, daß die CDU-Abgeordneten den Bericht erst spät auf eigene Intervention einsehen konnten. In meinem Fach habe ich die Drucksache erst heute gefunden.

Bei der Durchsicht der bürgerschaftlichen Ausschußprotokolle sind mir hin und wieder gravierende Kenntnisdefizite aufgefallen, die auf Mängel in der politischen Bildung der Jugendlichen und damit auch auf Defizite im Hamburger Schulwesen schließen lassen. Es kann nicht Aufgabe der Abgeordneten sein, den Schülern Grundkenntnisse über die Bundes- und Länderkompetenzen zu vermitteln. Wenn man bedenkt, daß wir es in erster Linie mit politisch engagierten Gymnasiasten zu tun hatten, so mag ich nicht daran denken, welche Lücken bei den anderen Jugendlichen bestehen.

Über eine Verbesserung der schulischen Bildung haben wir schon häufig gesprochen. Ich hoffe, die neue Senatorin wird sich mit viel Elan dieser Aufgabe widmen. Zusätzlich sollten wir jedoch auch an die Lehrer appellieren, die vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen.

(Glocke)

Es ist zu laut im Saal; wenn Sie bitte Ihre Gespräche einstellen würden und dem Redner lauschen. – Herr Harlinghausen, Sie können fortfahren.

Auch die Lehrer sollten die vorhandenen Möglichkeiten ausschöpfen. Ein Besuch einer Bürgerschafts- oder Ausschußsitzung sollte zum Bestandteil des Politikunterrichts werden.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Das ist ja hochgradig spannend!)

Ebenso sollten sie durch Zeitungslektüre und den Besuch von Veranstaltungen der verschiedenen Träger zur politischen Bildung angehalten werden. Gerade was letzteres

angeht, bestehen in vielen Schulen noch unnötige Berührungsängste. Politikunterricht muß über die Vermittlung des notwendigen Basiswissens hinausgehen.„Jugend im Parlament“ und auch die neue Debattierveranstaltung sind hier wegweisende Beispiele.

Lassen Sie mich zum Schluß noch auf einen positiven Aspekt hinweisen, der mir bei der Veranstaltung besonders auffiel. Hervorzuheben ist die Art und Weise, wie die Jugendlichen miteinander umgingen.Bei allen sachlichen Differenzen wurden meist Polemik und verbale Tiefschläge vermieden. Hiervon können wir, die wir gelegentlich dazu neigen – und da schließe ich keinen aus –,

(Michael Dose SPD: Selber, selber!)

persönliche Unverträglichkeiten und Animositäten in den Vordergrund zu stellen, nicht unwesentlich profitieren.

Für die Abschlußveranstaltung am kommenden Freitag wünschen wir den Teilnehmern gutes Gelingen, verbunden mit einem herzlichen Dank an alle Organisatoren. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Frau Steffen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben schon die wesentlichsten Punkte aus der diesjährigen Veranstaltung „Jugend im Parlament“ benannt, die uns wiederum besonders positiv aufgefallen sind.Deshalb will ich Sie jetzt auch nicht mit einer fast gleichlautenden, langweiligen Rede, die sich wiederholt, unnötig strapazieren.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Das hört sich gut an!)

Die Jugendlichen haben auch dieses Jahr wieder sehr differenziert und kompetent die unterschiedlichsten politischen Themen angefaßt, diskutiert und betrachtet und sie in ihren Resolutionen verabschiedet. Das ging – ich gehe davon aus, daß Sie die Drucksache gelesen haben – von der Integration unserer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger über die Gleichbehandlung, über die bessere Vernetzung von Sozialleistungen und über mögliche Defizite im Schulbereich im Zusammenhang mit neuen Technologien, ferner ging es um die Möglichkeit, das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare einzuführen, bis hin zur Förderung von regenerativen Energien und der Forderung, Umweltpolitik als einen Teil des Lehrplans aufzunehmen, bis zu dem Antrag, der von meinen beiden Vorrednern angesprochen wurde, den HVV für Jugendliche attraktiver zu machen.

Zwei Dinge, die uns in der Vergangenheit bereits aufgefallen sind, möchte ich noch erwähnen. Auch dieses Jahr haben sich die Jugendlichen in den Ausschußdiskussionen wieder dem Drogenproblem zugewandt, und es ist wiederholt deutlich geworden, daß die aufgelegten Präventionsprogramme leider nicht so bekannt sind. Hier besteht ein wesentlicher Nachbesserungsbedarf, wie die Präventionsmöglichkeiten in Schulen und Jugendeinrichtungen bekannt werden. Dort müssen wir uns in Zukunft noch etwas einfallen lassen, denn es ist nach meiner Wahrnehmung das dritte Mal, daß dieser Punkt in der Veranstaltung „Jugend im Parlament“ angesprochen wurde.

Im Gleichstellungsausschuß wurde von den Jugendlichen darauf hingewiesen, daß in der Schule ihrer Ansicht nach die Frage der Aufklärung nicht zeitgemäß ist und daß Ho

mosexualität immer noch nicht entsprechend thematisiert wird.Diesen Themen müssen wir uns gegebenenfalls noch einmal widmen. Natürlich handelt es sich bei den Jugendlichen, die an dieser Veranstaltung teilnehmen, immer um eine Auswahl. Sowohl Herr Kahlbohm als auch Herr Harlinghausen haben es angesprochen.Bei den Anmeldungen hat man bisher Berufs-, Haupt- und Realschüler nicht so berücksichtigen können. Wir müssen sehen, daß wir dort mehr Zugang erreichen. Es wurde uns von den Senatsvertretern zugesichert, daß insbesondere die Frage Berufsschüler noch einmal angegangen wird, da diese Gruppe überhaupt nicht vertreten war. Das sollte bei der nächsten Veranstaltung besser aussehen.