Protocol of the Session on April 19, 2000

Das Ziel, die Inanspruchnahme auswärtiger Träger bei gleichzeitiger Qualifizierung des Hamburger Angebots von 30 auf 20 Prozent zu reduzieren, ist richtig. Der Landesbetrieb ist wichtiger und notwendiger Bestandteil der Hamburger Trägervielfalt.Wir sind daher auf die Ergebnisse der Studie gespannt, welche die Entscheidungsfindungsprozesse für auswärtige Träger evaluieren sollte.

Für die letzten Jahre ist festzustellen, daß trotz der Bemühungen des LEB, Angebotsanpassungen sukzessiv vorzunehmen, die Auslastung im LEB im gleichen Ausmaß sinkt.Von daher ist es zu begrüßen, daß der Landesbetrieb eine Kundenbefragung durchgeführt hat und eigene Verbesserungen zur Qualitätssicherung angeht.

Der Senat legt in dieser Drucksache die Verteilung von bezirklichen Budgets nach einem austarierten Indikatorenmodell, die Standardisierungsbemühungen zur Hilfege

währung über die Bezirke und die Ansätze zur Qualitätssicherung beim Landesbetrieb schlüssig vor. Offene Fragen, die wir sicherlich noch in den Ausschußberatungen dieses Jahres zu klären haben, lauten: Auf welcher Basis werden diese bezirklichen Budgets für den Landesbetrieb errechnet? Welche weiteren Maßnahmen werden im EDVBereich ergriffen? Wie ist der Stand und die Lage bei den bezirklichen Kooperationsverträgen mit den Trägern?

Insgesamt ist mit dieser Drucksache ein guter Anfang für die notwendige fachliche Diskussion gemacht. Das Jahr 2000 wird ein entscheidendes Jahr für die Entwicklung im Bereich Hilfen zur Erziehung. Ich wünsche der neuen Senatorin eine gute Hand, das nötige Quentchen Glück und freue mich auf die Zusammenarbeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält Frau Pawlowski.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Schon wieder steht das Thema Hilfen zur Erziehung als unendliche Geschichte auf der Tagesordnung.

Die Stellungnahme des Senats zeigt wieder einmal, daß sein Ansatz völlig falsch ist. Er hat kein Konzept und keine Ideen, wie die Jugendpolitik in dieser Stadt zukunftsorientiert und zweckmäßig gestaltet werden kann. Darüber hinaus muß der Senat in jedem Satz dieser Antwort einräumen, daß der staatliche Landesbetrieb für Erziehung und Berufsbildung den Ansprüchen nicht gerecht werden kann.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Er sagt selbst, daß die Anpassungsmaßnahmen, die der LEB in Abstimmung mit den jeweiligen Bezirksämtern in den Jahren 1998 und 1999 ergriffen hat, fortgesetzt und erweitert werden müssen.Der Senat hat vom LEB keine Qualität eingefordert, sonst wären die unterschiedlichen Inanspruchnahmen durch die bezirklichen Jugendämter nicht zu erklären.Außerdem würden wir es sehr begrüßen, wenn sich der LEB aktiv an der Debatte beteiligen würde.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Tut er doch auch!)

Nein, das sehe ich anders.

Es wäre konsequent gewesen, wenn der Senat den erfolgreich gelenkten Bezirksämtern den zustehenden Bonus gewährt hätte, um für die anderen einen Anreiz zu schaffen. Aber er dreht den Spieß einfach um und hält seine Koalitionsvereinbarung nicht ein, 50 Prozent der ersteuerten Summe für die Jugendarbeit der Bezirke zu geben.

Politisch sind wir uns eigentlich einig. Wir müssen den präventiven Bereich stärken, um Hilfen zur Erziehung zu verhindern. Nur so ist es möglich, in dem Bereich zu handeln.Wir alle müssen damit beginnen, Politik für Kinder und Jugendliche zu gestalten, und die Bedarfe feststellen; das wurde zuvor auch von der Senatorin bei der Debatte über die Shell-Studie erwähnt. Wenn der Senat zur Förderung von Modellprojekten Geld zur Verfügung stellt, sehen wir das sehr positiv, weil wir uns davon neue Ansätze erhoffen.

Große Hoffnungen setze ich dabei in die neue Senatorin. Wir können nur hoffen, daß endlich Gespräche mit den Verwaltungen der Freien Träger und den Trägern im HzE-Bereich stattfinden, die natürlich ein großes Interesse daran haben, daß es HzE-Fälle gibt. Wir sind uns bewußt, daß dies einschneidende Folgen haben kann.

(Dr. Andrea Hilgers SPD)

A C

B D

Für mich ist es völlig unverständlich, daß sich das Amt für Jugend mit dem bürgerschaftlichen Auftrag von vor zwei Jahren, ein Konzept zur Entwicklung für die offene Kinderund Jugendarbeit zu erarbeiten, derart schwertut und auch keine Anregungen vorbringt. Das ist ein weiteres Zeichen, daß Jugendpolitik nur aus fiskalischen Gesichtspunkten betrieben wird; Ideen und Ansätze finden sich hier nicht.

Für die sogenannten Schnittstellenprojekte sowie zur Sicherung der Kapazitätenauslastung des LEB wurde ein Betrag von 4,5 Millionen DM gesperrt. Wir möchten den Senat ermutigen, Schnittstellenprojekte auszubauen.Dazu wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die meines Wissens bisher aber nur einmal getagt hat. Das Ergebnis dieser Arbeitsgruppe bekommen wir erst wieder nach Monaten, einem Jahr oder nach noch längerer Zeit.

Frau Senatorin Pape! Tun Sie endlich etwas, stärken Sie den präventiven Bereich, machen Sie Politik für die Kinder und Jugendlichen in dieser Stadt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Steffen.

(Hartmut Engels CDU: Die ersten 100 Stunden sind vorbei!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe heute schon einmal gesagt: Das ritualisierte Verhalten und die ritualisierten Reden von Politikerinnen und Politikern haben mit dem realen Leben häufig nichts zu tun. Das läßt sich auch jetzt sagen. Es zeigt sich wieder einmal, daß ich mit der 50:50-Regelung des Koalitionsvertrages anfangen muß, obwohl ich dazu erst später etwas sagen wollte.

Frau Pawlowski, ich habe den Eindruck, daß Sie diese nicht verstanden haben. Das entschuldigt sozusagen Ihre Ausführungen; aber vielleicht lassen Sie sich eines Besseren belehren.

(Bettina Pawlowski CDU: Das ist wieder typisch!)

Gerade diese 50:50-Regelung hat dazu beigetragen, daß es im Bereich Hilfen zur Erziehung zu Steuerungsveränderungen kam. Das ist auch von uns sehr zu begrüßen, denn letztlich war es so, daß diese Regelung – der Senat spricht sich in der Drucksache eindeutig dafür aus, daß diese Regelung auch erhalten bleiben soll – erstmals Wirkung gezeigt hat. Immerhin ist es – wenn man sich die Geschichte der Hilfen zur Erziehung ansieht – in einem relativ geringen Zeitraum von nur zwei Jahren – seit Bestehen der Koalition – zu solchen Steuerungserfolgen gekommen. Diese Tatsache muß man ausdrücklich positiv bewerten.

Da diese Regelung bestehenbleibt, habe ich die große Hoffnung, daß auch zukünftig andere Bezirke daran teilhaben können, daß im Bereich der strukturellen Hilfen – das haben Sie auch angesprochen – mehr Geld eingesetzt wird, um präventive Angebote zu stärken.

Natürlich haben wir – das haben Sie wohl leider nicht verstanden – auch genau nachgeprüft, was der Senat in der Drucksache aufgeschlüsselt hat. Ich hätte auch gesagt, daß man, wenn man neue Elemente zur Steuerung von Finanzen einsetzen will, es dann aber nicht macht, schlecht beraten wäre. Glücklicherweise hat sich der Senat daran gehalten. Es ist im Abgleich der geregelten Finanzen dazu gekommen, daß zum Beispiel der Bezirk Wandsbek auch bekommt, was ihm zusteht.Sie sollten mir eigentlich so weit

folgen können, daß man von einem übriggebliebenen Betrag, der im Oktober prognostiziert wurde, nicht schlicht die Hälfte beanspruchen kann.

Von daher ist es so gekommen, wie wir es uns erhofft haben.Ich begrüße es sehr, daß dies möglich war, weil es uns auch aufgrund des in der Fachöffentlichkeit stattgefundenen Diskurses über die Möglichkeiten eines entsäulten Jugendhilfeangebotes – das ist, was die 50:50-Regelung betrifft, ein weiterer wichtiger Punkt – die Chance gibt, weiter in Richtung eines Sozialraumbudgets zu gehen.

Wenn wir die Entsäulung der Jugendhilfe, also einheitliche Angebote, wollen, dann ist dieses in der Zukunft ein vielversprechender Weg, der genau den Anteil der Hilfen, die wir stärken wollen – auch festgelegt im Koalitionsvertrag –, befördert.Von daher sollten wir auch diese Chance nutzen, der Frage der Entwicklung eines Sozialraumbudgets nachzugehen. Ich verspreche mir bei der restlichen Beantwortung des Ersuchens hierzu auch erste Hinweise.

Ich komme noch einmal zu den Maßnahmen zur Kapazitätsauslastung des Landesbetriebes. Über diese wichtige Aussage in der Drucksache kann man noch nicht ganz zufrieden sein. Aber die Darstellung in der Drucksache ist immerhin ein Teil eines Weges in die richtige Richtung.

(Rolf Harlinghausen CDU: Sagen Sie auch mal et- was zur Belastung der Freien Träger!)

Herr Harlinghausen, Sie müssen einmal differenzieren, was Sie als Belastung der Freien Träger verstehen. In der Drucksache wird letztendlich ausgeführt, daß es ein Kontingent gibt; Frau Hilgers hat darauf auch schon hingewiesen. Dieses Kontingent wurde über einen Schlüssel aufgeteilt, wobei auch die Kapazitätsauslastung des LEB Berücksichtigung findet.

Ich habe im Vorwege ausdrücklich gesagt, daß dieses Verfahren ein Teil des Weges in die richtige Richtung sei. Er kann jedoch nicht als endgültig gelten, wenn darüber – und das unterstellen Sie wahrscheinlich – eine Finanzierungsabsicherung des LEB erfolgen soll, ohne daß man sich über qualitative Maßstäbe Gedanken macht.

Man muß natürlich den Qualitätsaspekt mit einführen, und es ist auch für den Landesbetrieb von besonderer Bedeutung, sich zukünftig der Frage des Sozialraumes noch mehr zu öffnen, um auch dieses Serviceangebot für die Bezirke zu leisten.Das Problem des Landesbetriebes ist aber in der Tat – und auch das hätten Sie erkennen können, wenn Sie die Drucksache richtig gelesen hätten – ein anderes. Das Problem des Landesbetriebes ist, daß es im Bereich des Personalhaushaltes ein Strukturanpassungsdefizit gibt. Das ist, glaube ich, etwas, was jeder von Ihnen nachvollziehen kann. Wenn wir nicht zu Entlassungen beim Landesbetrieb kommen wollen – und wir wollen ja die Menschen, die dort arbeiten, nicht vergiften oder erschießen, ich jedenfalls will es nicht –, dann ist es letztendlich so, daß man in einer gewissen Phase auch eine Personalüberkapazität tragen muß.

Daß solche Strukturanpassungsmaßnahmen länger dauern und es von daher auch eine Phase geben muß, wo man sagen muß, wie solch ein Ausgleich dann auch im Rahmen von Anpassung erfolgen kann, finde ich völlig logisch und folgerichtig. Deshalb hebe ich die Frage der Qualitätsentwicklung auch beim Landesbetrieb noch einmal hervor. Aber die Absicherung der Probleme hinsichtlich der Personalkosten, finde ich, ist in dieser Frage einigermaßen gut gelöst.

(Bettina Pawlowski CDU)

(Rolf Harlinghausen CDU: Sie sagen also, beim LEB ist alles in Ordnung!)

Was als dritter Punkt wichtig bleibt – und das haben wir auch in der Diskussion um die Hilfen zur Erziehung hier an dieser Stelle schon häufiger gehabt –, ist immer die Frage gewesen, wie es mit der Garantie des Rechtsanspruchs auf Hilfeleistungen ist. Da ist es so, daß wir festgestellt haben, daß wir durch die Steuerungsmaßnahmen, die natürlich zu einem großen Teil auch finanztechnisch bedingt sind und auch Steuerungsinhalte finanztechnischer Art hatten, trotzdem auch noch bei dem Punkt bleiben müssen, wie die Qualität der Hilfeleistungen, die auch die Träger der Hilfen zur Erziehung anbieten, weiterentwickelt werden und auch gewährleistet bleiben. Da werden wir uns über Standards unterhalten müssen, was dort weiter angeboten werden soll und in welcher Qualität.

Was besonders wichtig dazu ist, ist natürlich die Beratungsqualität, die die bezirklichen Jugendämter leisten können, denn der zweite Partner bei den Angeboten der Hilfen zur Erziehung sind die Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Abteilungen Soziale Dienste in den bezirklichen Jugendämtern, und das ist der zweite Steuerungsaspekt. Ich meine das auch in der Frage der Qualifizierung und Hilfestellung und Beratung bei den Kollegen.

Das hat aber auch etwas damit zu tun, welche zeitlichen Möglichkeiten diese Kollegen überhaupt haben. Auch dort müssen wir noch einmal zu einer Standard- und Qualitätsfrage kommen und uns das genau angucken, denn ohne die Mitarbeit dieser Kollegen werden wir diese wichtige Frage, wie man die richtige Hilfe, auf die jeder einen Rechtsanspruch hat und die er auch haben soll, am richtigen Ort gewährleisten kann und welche Möglichkeiten anderer Angebote, zum Beispiel der Schnittstellenprojekte, die ja geplant sind, können wir nutzen.Voraussetzung dafür ist aber, daß wir diese Schnittstellenprojekte schaffen.Deshalb dann für mich noch einmal der letzte Hinweis an den Senat: In der Drucksache wird ausgeführt, daß die Beantwortung zu diesem Punkt im vierten Quartal erfolgen soll. Ich würde mir vor dem eben geschilderten Hintergrund eine zügigere Beantwortung zu diesem Punkt ausdrücklich wünschen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält Herr Jobs.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Hilgers, Sie freuen sich über den Rückgang der Hilfen zur Erziehung – und andere hier im Raum sicherlich auch –, aber Sie beschreiben nicht, wem damit geholfen ist, außer der Finanzsenatorin. Sie beschreiben nicht, was mit den Kindern und den Familien passiert, die jetzt keine Hilfen mehr bekommen und die nicht die Power haben, gegen eine Ablehnung Widerspruch oder möglicherweise Klage zu erheben.

Was passiert mit den Kindern und Familien, die abgeschreckt sind von der neuerlichen Bewilligungspraxis und den Schritt zum Amt gar nicht erst machen? Das KJHG schreibt niedrige Schwellen für Hilfen zur Erziehung vor. In Hamburg sind die Schwellen hochgesetzt worden, und ich glaube, sie sind zu hoch gesetzt worden, jedenfalls – und das ist immer die andere Seite – solange es keine wirklichen Alternativen gibt.Keine Frage – das haben wir schon öfter erörtert –, eine Umsteuerung zwischen den Säulen der Jugendhilfe ist gut, ist richtig und auch aus unserer Sicht notwendig. Aber wer die Hilfen innerhalb einer dieser

Säulen kürzt, muß an anderer Stelle zeitgleich zusätzlich etwas bereitstellen, und diese Bereitstellung kann ich im Moment nicht in dem ausreichenden Umfang erkennen. Vielmehr wird bei den offenen Angeboten für Kinder und bei der Jugendhilfe gekürzt. Stellen – besonders bei den kommunalen Einrichtungen – werden nicht nachbesetzt. Die Stellensituation in den Jugendämtern ist zum Teil desolat. Die Angebote auf der anderen Ebene der Umsteuerung werden nicht zeitnah und nachfragegerecht ausgebaut. Das ist nicht nur unsinnig, sondern das ist auch schädlich für die Entwicklung in der Stadt.Aber ich möchte darauf verzichten, die gesamte HzE-Debatte, die wir schon öfter geführt haben, noch einmal aufzurollen, sondern nur zu drei Aspekten etwas sagen.

Erstens: Der Senat hat in der Drucksache festgestellt, daß Kinder, die in dieser Stadt von Sozialhilfe leben, besonders häufig in die Lebenssituation kommen, in der die Familie auf Hilfen zur Erziehung angewiesen ist. Kinder und Jugendliche erfahren also damit oft eine doppelte Stigmatisierung. Sie leben von Sozialhilfe und sind ein sogenannter Fall für das Jugendamt. Damit macht die Drucksache deutlich, daß der wichtigste Schritt zur Reduzierung von Hilfen zur Erziehung Schritte gegen die zunehmende Verarmung in der Stadt und für eine Verbesserung der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien sind.