Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Salchow, es gibt auch keine Ausbildungsplatzabgabe. Die Liste ist also durchaus länger. Aber das ist gar nicht Ihr Thema. Das Thema der CDU ist ein anderes und wird von Herrn Rüttgers mit „Kinder statt Inder“ beschrieben.
Nach Koch und dem ersten Teil reaktionärer Demagogie erleben wir jetzt Rüttgers, NRW, zweiter Teil. Das Drama ist, daß das gesellschaftliche Klima in diesem Land nicht ausschließt, daß solche Wahlkampfparolen tatsächlich verfangen könnten. An diesem Klima haben in den vergangenen Jahren auch andere, aber auch in der aktuellen Debatte tatkräftig mitgemischt.
Kaum hat Schröder sein „Red-Green-Card-Programm“ für ausländische IT-Spezialisten verkündet, meldeten sich zum Beispiel die Gewerkschaften zu Wort. ÖTV, DAG, DPG, HBV und IG Medien – alias ver.di – protestierten und forderten, zuallererst die einheimischen Programmiererinnen zu berücksichtigen. Noch vor dem unseligen Slogan von CDU-Rüttgers „Kinder statt Inder“ meldeten die Gewerkschaften etwas an, das sich Wort für Wort in die Sprache des Rechtspopulismus übersetzen läßt: „Deutsche Arbeitsplätze für Deutsche“.
Das steht so nicht in der Presseerklärung, aber es steht auch nichts drin, was nicht so gelesen werden kann.
Laut „FAZ“ vom 24. März gibt es inzwischen einen Entwurf des Arbeitsministeriums für eine Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung. Demnach sollen zunächst 10 000 Fachkräfte für maximal drei Jahre eine Arbeitserlaubnis erhalten. Familiennachzug ist dabei genauso untersagt wie ein Wechsel des Arbeitsplatzes.Arbeitsverhältnisse sollen aus dem Herkunftsland heraus begründet werden, wonach eine eifrige Vorrangs- und Nutzungsprüfung erfolgen soll. Falls die Erfahrungen entsprechend positiv ausfallen, soll diese Regelung auf ein weiteres Kontingent von 10 000 Menschen ausgeweitet werden.Insgesamt soll die Öffnung des 1973 verkündeten prinzipiellen Anwerbestopps auf drei Jahre begrenzt sein. Was für eine unsägliche Regelung!
Der beste Schutz gegen das befürchtete Lohndumping sind immer noch möglichst gute Ausgangsbedingungen. Sichere Aufenthaltstitel, uneingeschränkte Arbeitserlaubnis, gleiche Löhne für gleiche Arbeit, und das für alle, die hier leben, und für alle, die da kommen.
Das gilt auch für die in Rede stehenden High-Tech-Spezialisten.Je selbstbewußter und freier sich diese Menschen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt bewegen können, desto höhere Preise können sie auch für ihre Arbeitskraft einhandeln.
Ein zweiter Punkt in der Debatte ist interessant. Angestoßen von Schröders Green Card wird ein Instrument neu diskutiert, das man schon in der Mottenkiste verschwinden sah, nämlich ein Einwanderungsgesetz. Dabei überrascht zum einen die Breite der Fürsprecher: Hans-Olaf Henkel, Dieter Hundt für die deutschen Kapitalverbände, F.D.P., Grüne und der größte Teil der CDU.Alle sind sich einig, daß es sich bei den Green Cards nur um den ersten Schritt handeln kann. Die Versorgung des bundesdeutschen Arbeitsmarktes mit neuer Arbeitskraft müsse auf eine geregelte Grundlage gestellt werden. Dabei geht es nicht um Nächstenliebe oder Humanität, sondern um handfeste wirtschaftliche Interessen.
„Einwanderer nimmt man nicht auf, um sich einen Platz im Himmel zu erwerben“ – schreibt Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“ –, „sondern auf Erden mit ihnen gut zu verdienen.“ Und es besteht die Gefahr, daß sich die egoistischen Interessen addieren und das Asylrecht endgültig beiseite räumen. Eine Politik, die als nationale Interessen nur wirtschaftliche Interessen definiert, kann mit einem Recht auf Asyl nicht viel anfangen. Sie versucht, wie die CDU/CSU, daraus ein quotiertes Gnadenrecht zu machen. Dabei geht es in der öffentlichen Auseinandersetzung um das Gegenteil. Es geht darum, energisch für eine andere Politik einzutreten. Es geht darum, Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen und Menschen, die vor geschlechtsspezifischer Verfolgung, vor Armut oder vor ökologischen Katastrophen, vor nichtstaatlicher Verfolgung fliehen, endlich einen grundrechtlich gesicherten Zugang in dieses Land zu geben, ohne daß diese andauernd in Furcht leben müssen, kaum eingetroffen zu sein, auch schon wieder rausgeschmissen zu werden.
Sie müssen ausgestattet sein mit einem sicheren Aufenthaltsstatus, mit allen Bürgerrechten und uneingeschränkter Arbeitserlaubnis, kurz mit einem Niederlassungsrecht. Dasselbe muß für alle gelten, die hierher kommen, um zu arbeiten. In diesem Sinne muß Deutschland endlich zu einem Einwanderungsland werden. Hamburg braucht also dreierlei: Ausbildung, eine wirkliche Green Card und ein erweitertes Asylrecht, das seinen Namen verdient.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe Zweifel daran, ob sich das Thema Green Card dazu eignet, in erster Linie eine Grundsatzdebatte über Einwanderungspolitik zu führen, und zwar sowohl in der Art und Weise, wie sie von Herrn Rüttgers geführt worden ist, als auch in der Art und Weise, wie sie eben von Frau Uhl debattiert worden ist. Meine Einschätzung ist
eine ganz andere. Es handelt sich um eine sehr konkrete, befristete, kurzfristige, praktische Maßnahme, um ein konkretes Problem zu lösen. Es íst nicht dazu angetan, eine ganz grundsätzliche Weichenstellung vorzunehmen.
Vergeben werden sollen 10 000 bis 20 000 Arbeitserlaubnisse. Das bitte ich noch einmal zu wägen vor dem Hintergrund des deutschen Arbeitsmarktes und einer Bevölkerung von 82 Millionen Menschen. Es sollen Ausbildungsanstrengungen erhöht werden durch die Wirtschaft – wir haben es gehört – von 40 000 auf 60 000 Ausbildungsplätze, und es sollen auch die Mittel der Bundesanstalt für Arbeit im IT-Bereich auf 1,2 Milliarden DM erhöht werden, um die Bedarfe zu decken.
Ich will ausdrücklich die Hamburger Unternehmen dazu aufrufen, sich gegenüber dem Hamburger Arbeitsamt zu melden, damit am 1. Juli auch hier die entsprechenden Regelungen getroffen und die entsprechenden Menschen, auf die es ankommt, vermittelt werden können.
Wir haben, Herr Salchow, immer wieder Auseinandersetzungen über die Frage, was wir im Bereich von Bildung und Ausbildung in Hamburg tun. Ich glaube, wer gerade wieder zur Kenntnis genommen hat, daß von allen Bundesländern Hamburg eindeutig führend in der Ausstattung der Schulen, im Bereich der Neuen Medien ist, wer sieht, welche Vielfalt wir inzwischen auch an den Hochschulen haben, an medienbezogenen Ausbildungsgängen, wer zur Kenntnis nimmt, daß die Handelskammer einen Medienbetriebswirt neu eingerichtet hat, wer zur Kenntnis nimmt, daß es eine große Initiative gibt, eine private Multimedia-Akademie in der Stadt einzurichten, der wird nicht davon sprechen können, daß nicht die richtigen Initiativen ergriffen werden. Daß bezogen auf eine solch neue Wertschöpfungskette nicht alle Ausbildungsangebote da sein können, die man sich wünscht, das muß man sich, glaube ich, auch einfach von den Abläufen her vergegenwärtigen.
Wenn man mit dem Arbeitsmarkt argumentiert, möchte ich doch darauf hinweisen, daß Hamburg – jetzt auch ganz aktuell heute bekanntgegeben – wiederum den höchsten Rückgang der Arbeitslosigkeit hat, eindeutig höher als der Schnitt der westdeutschen Länder.
Das hat nicht zuletzt etwas damit zu tun, daß der Beschäftigungszuwachs nicht nur in den IT-Unternehmen stattfindet, sondern daß dies auch in anderen, in weniger qualifizierten Bereichen Beschäftigungszuwachs auslöst, denn Leute, die in Multimedia-Unternehmen arbeiten, brauchen eben auch eine Wohnung, die brauchen Handwerkerleistungen, die brauchen Nahrungsmittel und was es sonst alles gibt.
Ich finde, die eigentliche Debatte, die wir miteinander führen müssen, ist nicht die Frage, ob wir eine generelle Kehrtwende in der Einwanderungspolitik machen – dazu ist meine Überzeugung, daß Deutschland aufgrund anderer historischer Traditionen den amerikanischen Weg nicht gehen kann und nicht gehen sollte –, sondern meine Einschätzung ist, daß wir darüber sprechen müssen, wie es uns einerseits gelingt, das Maß an Qualifizierung und Qualität heranzubilden, das es braucht, um im Wettbewerb mit den USA und anderen Ländern bestehen zu können, und gleichzeitig – anders als die USA – das eigene Potential in der eigenen Bevölkerung soweit wie möglich zu nutzen, das ist aus meiner Sicht die Aufgabe, um die es mittelfristig wirklich geht.
Die Green-Card-Debatte ist gegenwärtig ein Lackmustest für Ideologie oder Pragmatismus in der Wirtschaftspolitik. Ideologisch ist es, mit nationalen Untertönen von Einwanderung zu sprechen und diese in einen nicht vorhandenen Gegensatz zur Ausbildung zu bringen. Pragmatisch ist die Absicht der Bundesregierung, befristete Arbeitserlaubnisse für ausländische IT-Experten an eine Ausbildungsinitiative der deutschen Unternehmen zu knüpfen. Ideologisch und zum Schaden für unser Land ist es, die wichtigste Wachstumsbranche in Deutschland daran zu hindern, ihr ganzes Potential zur Schaffung neuer Arbeitsplätze umzusetzen, nur weil hierzu auch ein Anteil ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer notwendig ist.
Nicht nur pragmatisch, sondern absolut unerläßlich dagegen ist es, alles daranzusetzen, daß Deutschland auf dem wichtigsten Zukunftsfeld der Weltwirtschaft in den kommenden Jahrzehnten die Nase vorn hat, und wir in Hamburg wären doch von allen guten Geistern verlassen, wenn gerade wir mit unseren Möglichkeiten in dieser Stadt an dieser Initiative nicht mitwirkten. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was ich bisher gehört habe, war im wesentlichen eine rückwärtsgerichtete Debatte, eine Angstdebatte. Green Card ja, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Eigentlich wollen wir mehr unsere eigenen Leute ausbilden. Angst, Angst, Angst.
Ich finde, da hat auch Herr Dr. Mirow ein wenig enttäuscht. Das ist nicht das, was uns jetzt bevorsteht. Herr Dr. Hajen hat es sehr vorsichtig angedeutet.Wir werden in den nächsten Jahren darüber nachdenken müssen, wie wir das Defizit im Bevölkerungswachstum, in der EU ausgleichen. In Lissabon sind von den Regierungschefs große Beschlüsse gefaßt worden. Europa, die EU, solle die USA ökonomisch überrunden, und das im wesentlichen mit der New Economy, mit der Kraft dieser neuen wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Bereich.
Eines wurde dabei vergessen, nämlich daß es einen ganz eklatanten Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Wirtschaftswachstum gibt und daß es auch einen Zusammenhang beziehungsweise keinen gibt mit einer virtuellen Arbeitsmenge, sprich: Kommt ein Ausländer nach Deutschland, nimmt er einem Deutschen den Arbeitsplatz weg. Ich glaube, wir müssen alle anfangen – und die meisten wissen es auch –, einmal eine ehrliche Debatte zu führen und zu sagen, wie es wirklich ist.
Insofern ist die Green-Card-Debatte von Herrn Schröder eine aus unserer Sicht willkommene, weil sie nämlich endlich eine Debatte anstößt, die überfällig ist, sie aber seit Jahren entgegengesetzt in Deutschland geführt wird, wo Zuwanderung immer als eine Gefahr dargestellt wird.
Kommen wir zu dem Thema Arbeitsmenge. Eine Arbeitsmenge ist kein fester Begriff, wo man sagt, hier ein Arbeitsplatz, ein Deutscher oder ein Ausländer greifen zu und es ist einer weniger, sondern, wenn wir IT-Fachkräfte oder auch andere demnächst in diesem Land begrüßen dürfen – und ich hoffe, wir werden viele begrüßen dürfen –, dann werden diese auch in Arbeit und Lohn und Brot kommen, sie werden konsumieren. Ähnlich hat Herr Dr. Mirow auch schon argumentiert. Der Wirtschaftskreislauf wird insge
samt größer werden. Konsum- und Investitionsausgaben werden steigen, und das schafft neue Arbeitsplätze. Aber genau das Gegenteil wird hier in der Debatte verbreitet, daß das Arbeitsplätze kostet. Das ist falsch, und das muß endlich gesagt werden.
Zum Thema Zuwanderung. Erstens: Wenn wir – und damit müssen wir rechnen – in Zukunft in diesem Land mit einem sinkenden Arbeitskräfteangebot umgehen müssen, bedeutet das auch weniger ausgebildete Menschen. Die Betriebe haben also weniger Auswahl, qualifizierte Arbeitnehmer zu bekommen. Sie werden ihre Anstrengungen für diese Arbeitnehmer, um sie zu bekommen, erhöhen müssen. Dieser Kostendruck ist negativ. Er induziert sofort eine Rationalisierungsmaßnahme, und die Preise werden steigen. Also kann Zuwanderung hier nur hilfreich sein.
Zweitens: Die Belegschaften werden immer älter. Das bedeutet ebenfalls einen Kostenschub, weil ältere Arbeitnehmer natürlich auch nach mehr und höheren Löhnen fragen, die ihnen in der Regel auch gegeben werden.
Drittens: Das Innovationstempo leidet darunter, wenn wir weniger Jüngere in diesem Land und überhaupt weniger Menschen haben, da mehr Menschen mehr Ideen haben und Jüngere in der Regel mehr Ideen produzieren als ältere Arbeitnehmer, und das vor dem Hintergrund, daß wir momentan vor allem einen technologischen Schub haben und einen Wandel, der so schnell ist, wie wir ihn in der Geschichte eigentlich noch nie betrachtet haben. Hier sind Ideen besonders wichtig.
Die Produktivität fällt mit steigendem Alter, und sie steigt nicht. Ein weiterer Punkt für Unternehmen, die eine überalterte Belegschaftsstruktur haben. Sie kommen schnell in die Gefahr, nicht mehr mithalten zu können. Fazit: Einwanderung verschärft nicht die Arbeitslosigkeit in diesem Land, sondern hilft, sie mit abzubauen. Die sogenannte, ich nenne sie rote Green Card, noch nicht rotgrüne, Herr Dr. Hajen, wird dem keinesfalls gerecht. Hier wird verkannt, daß es sich um einen Markt handelt, um den wir uns bei IT-Fachleuten bewerben müssen, und nicht, daß wir sagen können, ja, ihr könnt schon kommen, aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Allein schon der Name dieser Verordnung „Anwerbestopp, Ausnahmeverordnung“ sagt ja, daß man sie auch gar nicht haben will.
Es ist merkwürdig. Kein Familiennachzug. Sie dürfen sich nicht selbständig machen. Besonders schwachsinnig, weil wir alle aus unseren Erfahrungen wissen, daß gerade die Einwanderer die meisten Firmengründer sind und neue Arbeitsplätze schaffen.
Meine Damen und Herren! Meine Argumente zeigen, daß endlich Ehrlichkeit in die Debatte muß.Es ist sehr wohl eine Debatte um Einwanderung, denn wie sollen sonst die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Deutschland kommen, die wir dringend brauchen. – Vielen Dank.