(Heike Sudmann REGENBOGEN – für eine neue Linke: Sie halten doch sonst immer die Familie so hoch! Minderjährige Kinder sollten allerdings niemals allein ab- geschoben werden, sondern in Begleitung eines Eltern- teils. Richtig ist auch, daß Abzuschiebende von Ärzten oder ausgebildeten medizinischen Hilfskräften – wenn es nötig ist – begleitet werden. Die Maßnahme der Innenbehörde findet bei uns Unterstützung, Abzuschiebende in deren Wohnung aufzusuchen, um ein Abtauchen in die Illegalität zu verhindern. Allerdings sollte auch hier die Verhältnis- mäßigkeit gewahrt bleiben; eine Nacht-und-Nebel-Aktion halte ich für unsensibel und unwürdig. Wie Sie sicherlich in der Presse gelesen haben, mußten wir uns gerade leider in letzter Zeit mit unsensiblen Verhal- tensweisen der Ausländerbehörde befassen. Ich erinnere an den afghanischen Bürger, der zwei Wochen vor der Prü- fung seines Hauptschulabschlusses in Abschiebehaft ge- nommen wurde, allerdings am selben Tag auf Initiative des Eingabenausschusses wieder entlassen wurde. Ein weite- res Beispiel: Eine Kurdin wurde nachts mit ihren kleinen Kindern aus der Wohnung geholt, obwohl sie noch eine Duldung hatte. In den letzten Tagen berichtete die Presse von einem wei- teren Fall. Ein junger Türke wurde im Eilverfahren abge- schoben, obwohl eine Eingabe an die Bürgerschaft vorlag. Der Petitionsausschuß wurde somit umgangen. Solche Dinge dürfen einfach nicht passieren. Ein derartiges Fehl- verhalten der Ausländerbehörde muß vermieden und, falls geschehen, gerügt werden. (Beifall bei der CDU und der GAL)
Im Petitionsausschuß haben wir intensive Gespräche mit der Ausländerbehörde geführt; man hat dort Besserung gelobt. Ich will das auch glauben.
Es wäre schlimm, wenn nichts geschehen würde, denn dann müßten personelle Konsequenzen gezogen werden.
Wir werden ein wachsames Auge auf die Abschiebepraxis der Ausländerbehörde haben und sie kritisch begleiten. Denn in der letzten Zeit gab es aufgrund von Bestechlichkeit, Betrug und Urkundenfälschung genügend negative Schlagzeilen über sie. Ich möchte das nicht weiter ausführen, denn ich glaube, daß die weitaus größere Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Ausländerbehörde ihren Job zur Zufriedenheit erledigen.
Deswegen möchte ich heute keine Schmähkritik üben, weil ich weiß, daß Fehler passieren können, aber eigentlich nicht passieren dürfen. Ich verstehe, daß die Mitarbeiter Recht und Gesetz einhalten wollen und auch müssen, und genau das muß aber auch geschehen.
Die Ausländerbehörde muß und kann aber ähnliche Fälle verhindern. Wir müssen etwas dagegen tun. Ich hoffe, daß das geschieht, daß Ausreisepflichtige nicht vogelfrei sein werden und ihnen kein Unrecht geschieht. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die heute geführte Debatte ist sehr interessant. Der SPD-Vertreter hält eine Rede, die sich so anhört, als würden wir erst noch in Koalitionsverhandlungen eintreten müssen. Die CDU spricht unerwartet ungewohnt deutlich für eine differenzierte Behandlung von Einzelfällen. Das begrüße ich sehr.
(Beifall bei der GAL – Bettina Machaczek CDU: Das tun wir immer! – Bernd Reinert CDU: Sie haben es nur jetzt erst kapiert, was wir wollen!)
Um es einmal deutlich zu sagen: Ich bin es inzwischen wirklich leid, über diese vielen Einzelfälle reden zu müssen. Jeder einzelne dieser bekannt gewordenen Fälle ist ein Fall zuviel. Die Kritik und die Auseinandersetzung über diese und andere Fälle von Aufenthaltsbeendigung, die nur in irgendeiner Weise vom Verfahren her angreifbar sind, müssen öffentlich und auch hier im Parlament stattfinden. Dabei ist es – um es deutlich zu sagen – eindeutig nicht strittig, daß Abschiebungen ein Teil der Aufgaben der Ausländerbehörde sind. Nicht die Aufgabe steht im Blickfeld der Kritik, sondern die Methoden und das Selbstverständnis der Behörde beziehungsweise ihrer Protagonistinnen und Protagonisten.
So wie bei diversen Debatten über Vorfälle im Bereich der Polizei, bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Zuwendungen an Träger oder wie bei der Einrichtung von Telefonzellen in Gefängnissen, muß hier und heute über die Situation der jeweils Betroffenen und auch über das Behördenhandeln und den Zusammenhang der Behördenstrukturen debattiert werden. Es ist und bleibt eine originäre Aufgabe von den Parlamentarierinnen und Parlamentariern, Beschwerden nachzugehen und Mißstände aufzuklären, damit sie abgestellt werden können.
Wenn wir uns vor allem politisch darin einig sind, daß der Kern der Kritik nicht die Tatsache ist, daß die Behörde abschiebt – obwohl uns das immer wieder unterstellt wird –, sondern welcher Methoden sie sich dabei bedient und was daraus für die betroffenen Menschen folgt, dann muß es doch auch Möglichkeiten geben, hier für Abhilfe zu sorgen.
Die Ausländerbehörde ist durch das Ausländerrecht gebunden und in bezug auf koalitionspolitische Vereinbarungen gleichzeitig in einer Bringeschuld. Herr Pumm, ich teile ausdrücklich einige Ihrer Interpretationen nicht. Die Bringeschuld in bezug auf die koalitionspolitischen Vereinba
rungen bezieht sich zu Recht auf die öffentliche und natürlich auch auf die Kritik in der Koalitionsfraktion. Es ist doch untragbar, wenn sich auf der Basis einer politischen Verständigung zum Beispiel über den besonders sensiblen Umgang mit Familien bei einer anstehenden Abschiebung die behördlichen Maßnahmen derartig verschärfen,
daß die Verhältnismäßigkeit verlorengeht. In den letzten zehn Jahren stand die Behörde niemals so oft aufgrund ihrer Vorgehensweise in der Kritik – wohlgemerkt nicht aufgrund ihrer Aufgabe – wie in den letzten zwölf Monaten. Denn diese Vorgehensweise, Frau Uhl, steht genau nicht in der Vereinbarung.
Ich erwarte – das ist auch der Hintergrund des GAL-Antrages, den wir auch hinsichtlich des Antrages der Gruppe REGENBOGEN vorgelegt haben –, daß man sich auf die politischen Vereinbarungen verlassen kann. Wir fordern deshalb den Senat auf, dieses auch mit aller Deutlichkeit und nicht aufgrund eines Berichtersuchens nachzuweisen, sondern wir wollen darüber eine Darstellung innerhalb von vier Wochen.
Ich lasse mich im übrigen – das hat bisher zum Glück niemand getan – heute ganz bewußt nicht noch einmal auf eine Diskussion über den Mißbrauch des Asylrechts – auch die CDU hat hierzu sehr vorsichtig argumentiert –, das Erschleichen von Leistungen oder ähnliches ein. Diese Diskussion hilft uns in dieser Situation politisch keinen Schritt weiter. Hier geht es um die Frage, wie eine Behörde ihre Aufgabe bewältigt. Sie übernimmt für Tausende von Menschen oft für viele Jahre die Verantwortung für einen bestimmten Lebensabschnitt, genauso wie es die Schulbehörde, die BAGS oder die Justizbehörde tun: Die Behörde übernimmt Verantwortung für die Menschen.
Immer deutlicher wird dabei, daß der zentrale Bereich in der Ausländerbehörde in seiner jetzigen Struktur dafür nicht sonderlich geeignet ist. Die Zeiten des Obrigkeitsstaates sind vorbei. Auch diese Behörde hat die von ihr zu betreuenden Menschen als Kundinnen und Kunden anzusehen. Sie hat die Menschen vor Willkür zu schützen und vor allem dann unter Schutz zu stellen, wenn sie krank und hilfebedürftig sind.
Von der Qualität der Betreuung ist es abhängig – ich benutze bewußt diese eher behördentechnischen Vokabeln –, ob die Menschen ihre Rechte und Pflichten auch verstehen und wahrnehmen können. Dazu gehört als mögliche Konsequenz die Abschiebung. Wenn diese Maßnahme für die Menschen aber völlig überraschend kommt, indem sie bei der Wahrnehmung einer Vorladung in der Behörde verhaftet werden und gar nicht wissen oder verstehen, warum das geschieht, dann liegt ein Betreuungs- und Beratungsfehler vor. Diese Fehler würden bei jedem anderen Fall, beispielsweise bei der Betreuung von Kranken, Behinderten, Kindern und anderen Menschen, als Systemfehler erkannt und abgestellt werden. Es muß im Behördenhandeln etwas verändert werden.
Die Struktur der Behörde, die die Reduzierung der Menschen auf Fälle und Zahlen zur Folge hat, ist das Problem. Ein System, das erlaubt, Zielzahlen für Abschiebungen pro Monat schriftlich festzulegen, kann nur willkürlich arbeiten; das kann nicht human sein. Der Umgang mit Flüchtlingen in Hamburg muß in bezug auf das Gesetz wieder vom Respekt für den Menschen geprägt sein. Das ist selbstver
ständlich Aufgabe der rotgrünen Koalition, und leider – das bedauere ich – stehen wir damit völlig am Anfang.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es muß in einer Stadt wie Hamburg möglich sein, das Thema Ausländerpolitik intellektuell redlich und pragmatisch zu diskutieren und dabei nicht auf den Opportunismus von Stimmungen oder aber politischen Positionen zu setzen, die einer rechtlichen Prüfung, Frau Uhl, nicht standhalten. Wer als Gutmensch oder im besten Fall als Gesinnungsethikerin ein Bleiberecht für alle fordert und alles andere, was eine Behörde praktisch umsetzt, vor diesem Hintergrund verwirft, hat seine Orientierung verloren. Er bewegt sich jedenfalls nicht mehr im Rahmen des Ausländerrechtes, das vom Gesetzgeber vorgegeben wird und an das sich eine Ausländerbehörde zu halten hat.
Frau Möller, Ihnen möchte ich gern eines sagen: Für mich ist das Recht maßgeblich. Ich werde nicht zulassen, daß meine Behörde in irgendeiner Weise das Recht bricht. Genauso – das sage ich etwas freundlicher – bin ich allerdings der Auffassung, daß die Zusagen, die in der Koalitionsvereinbarung gemacht wurden, einzuhalten sind. Das tun wir auch. Was mir auch von Ihnen als Koalitionspartner fehlt, ist die Anerkennung gemeinsamer Leistungen: Wir haben zusammen das Staatsangehörigkeitsrecht reformiert und festgestellt, daß unsere Einbürgerungskampagne einen erheblichen Erfolg aufweist. Zum Stichtag 29. Februar 2000 liegen 2100 Anträge vor; das sind 195 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit nicht genug: Wir haben gemeinsam eine Altfallregelung erstritten, die Kürzungen des Asylbewerberleistungsgesetzes abgelehnt und Regelungen über einen humanen Vollzug auch für Härtefälle des Ausländerrechts beschlossen. Frau Möller, ich erinnere auch an die Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz; wir haben uns nach einer Auseinandersetzung darüber geeinigt. Ich erinnere schließlich an die politische Verständigung vom 9. Juli, die wir gemeinsam formuliert haben und auch einhalten.
Nein. – Es ist betrüblich, daß, bevor wir überhaupt berichtet haben oder in eine weitere Diskussion eingetreten sind, an dieser Stelle von Ihnen Schlußfolgerungen gezogen werden, die in der Sache nicht berechtigt sind.
Wir haben natürlich Probleme in der Sache, die sehr leicht emotionalisiert werden. Es geht zum Beispiel im Hinblick auf das Arbeitserlaubnisrecht um ein Problem, das wir gemeinsam sehen. Wir sind gemeinsam der Auffassung, daß der Arbeitsminister hier zu einer neuen Regelung kommen muß. Weil der Arbeitsminister nicht so handelt, wie wir das gerne wollen, suchen Sie einen Ausweg über das Ausländerrecht. Ich sage aber, daß wir diesen Weg nicht beschreiten können, weil das Ausländerrecht eine solche
Möglichkeit nicht hergibt. Hier müssen wir uns gemeinsam anstrengen, um über geeignete Wege in Berlin an der richtigen Stelle für Veränderungen zu sorgen. Wenn Sie das Vorgehen der Ausländerbehörde kritisieren, dann erwarte ich von Ihnen Sauberkeit in der Argumentation.
Wir brauchen gemeinsam eine Übersicht über das, was in anderen Ländern passiert. Sie haben mit uns doch Erfahrungen, Frau Möller. Wenn wir Ländervergleiche anstellen, dann kommt in aller Regel ein Ergebnis heraus, daß Hamburg einen höchst humanen Vollzug des Ausländerrechtes vorsieht, an dessen Praxis sich oftmals andere Länder orientieren.
Auch dort, wo wir bei der angemessenen Behandlung von Einzelfällen Schwierigkeiten miteinander haben, muß man genau hinsehen. Wir sind durchaus bereit, uns entsprechend zu verhalten. Frau Uhl wirft uns mit ihrem Antrag vor, wir würden die Menschenwürde und -ethik verletzen und uns über die ärztliche Berufsordnung hinwegsetzen; hierin irrt sie, denn sie will Tatsachen, die nicht in ihr Konzept passen, einfach nicht anerkennen. In diesem Zusammenhang möchte ich eines deutlich sagen:
Wer immer meine Beamtinnen und Beamten in der Ausländerbehörde angreift – das sei auch an die Mitglieder dieses Parlaments gerichtet –, muß sich zunächst einmal an mich halten. Ich weiß, mit welchem Engagement und welcher Sensibilität meine Mitarbeiter in der Ausländerbehörde ihre Aufgaben wahrnehmen. Es ist nicht richtig, wenn ich immer wieder auf den Fluren höre, daß der Amtsleiter als Person angegriffen wird. Bitte sprechen Sie mich als Senator an, der für seine Behörde Verantwortung trägt und sie auch übernimmt. Das ist meine Aufgabe, und dafür stehe ich.
Wir haben eine Situation, in der wir bestimmte Probleme haben, die wir aber pragmatisch gemeinsam lösen können. Insofern ist es wichtig, daß man sich nicht durch eine von der Gruppe REGENBOGEN ausgehende Fehlorientierung zu sehr beeinflussen läßt. Die Gruppe REGENBOGEN muß lernen – ich hoffe, daß dies möglich ist –, daß sie konzeptionell schlicht falsch liegt. Ich halte eine Reaktion durch eine falsch angelegte Politik für völlig abwegig; sie scheint jedoch bei Teilen der GAL-Fraktion zu Beunruhigungen zu führen.